Die Kantone Tessin und Wallis

Die beiden Kantone Tessin und Wallis haben nichts anderes gemein, als daß sie die beiden südlichsten der Schweiz sind. Sie sprechen nicht die gleiche Sprache, sie besitzen ein völlig anderes Klima und eine andere Wesensart.

Wenn man, von Norden kommend, in das Tessin vordringt — besonders wenn dies durch den Gotthardtunnel geschieht — , könnte man sich plötzlich nach Italien versetzt glauben. Hier herrscht ein südlich blauer Himmel, hier wird italienisch gesprochen, und je weiter man dem Tal der Leventina entlang nach Süden vordringt, desto üppiger wird auch die Pflanzenwelt; die kleinen Dörfer, die eng um den Kirchturm geschart an den Felswänden kleben, könnten ebensogut einige hundert Kilometer weiter südlich zu Hause sein. So erscheint das Tessin wirklich als ein Stück Italien, das in die Schweiz vorgerutscht ist. Mit den Alpen im Rücken öffnet es sich der weiten lombardischen Ebene, von woher es auch Sprache und Kultur empfangen hat. Dieser augenfällige Einklang mit dem großen südlichen Nachbar verhindert indessen nicht, daß die Bewohner von Herzen Schweizer sind, was sich aus einer langen gemeinsamen Geschichte ergeben hat, deren Anfänge bis auf das 15. Jahrhundert zurückgehen. Als die Tessiner über ihr Schicksal zu entscheiden hatten, beschlossen sie, „Liberi e Svizzeri“ (frei und Schweizer) zu sein und sich 1803 der Eidgenossenschaft anzuschließen. Das Tessin lässt sich in drei Hauptgebiete einteilen: die Berge, die Täler, die Seen. Beginnen wir mit den letzteren, da sie ja Hauptanziehungspunkt und Ziel jeder Reise in das Tessin sind. Der Langensee — Lago Maggiore — , in den der Fluss Tessin einmündet, dem der Kanton seinen Namen verdankt, gehört nur in seinem nördlichsten Teil zur Schweiz, wo er den wohlklingenden Namen Verbano trägt. Seine Ufer sind einzigartig, von reizvollen Ferienorten belebt, der größte ist Locarno, dessen gelbe und rosarote Häuser sich inmitten von Palmen, Kamelien und Orangenbäumen um eine kleine Bucht scharen. Wie Locarno sind auch die benachbarten Ascona, Brissago, Magadino — um nur einige zu nennen — vielbesuchte Ferienorte.


Jenseits des Monte Ceneri breitet der Luganer See seine Arme zwischen Bergen aus, deren Hänge mit Pinien und Kastanienbäumen bepflanzt sind. Hier liegt Lugano, eingebettet zwischen dem Monte Bré und dem Monte San Salvatore, was seine Bucht im Kleinen der von Rio de Janeiro ähnlich macht. Die wundervoll gelegene Stadt erfreut sich eines milden Klimas, sie zieht den Fremden außerdem durch Bauten aus den verschiedensten Kulturepochen an.

Die Tessiner Täler sind fast ausnahmslos wild und romantisch. Das wichtigste unter ihnen, die Leventina, ist gegen Süden durch die alte Hauptstadt und Festungsstadt Bellinzona abgeriegelt, die in ihren Mauern auf eigenartige Weise drei mächtige mittelalterliche Schlösser mit Häusern südlichen Baustils vereinigt.

Das Wallis umfasst das Tal der Rhone von ihrem Ursprung bis zur Einmündung in den Genfer See. Als ein von der übrigen Schweiz etwas abgelegenes und tief in seinen Bergen eingeschlossenes Gebiet hat das Wallis seine Eigenart und sein ganz besonderes Gepräge bewahrt. Es ist aber auch ein Land der Gegensätze. Die breite, sonnige Rhoneebene ist ein einziger Garten, wo auch Reben gedeihen, die gute und bekannte Weine ergeben. Das Bild ändert sich, sobald man in eines der zahlreichen Seitentäler eindringt und sich der Welt des Hochgebirges gegenüber sieht. Jeder Alpinist setzt seinen Ehrgeiz darin, wenigstens einmal das Weißhorn, das Matterhorn oder die Dufourspitze bestiegen zu haben. Hier findet er eine kaum zu überbietende Auswahl an Bergtouren, die vielfach von bekannten Ferienorten wie Zermatt oder Saas-Fee ausgehen, welche Sommer und Winter einen Strom natur- und sport- begeisterter Fremden anziehen. Die kleinen Städte des Rhonetales haben in hohem Maße ihr altes Gepräge bewahrt, wie etwa Sitten, die französisch sprechende Kantonshauptstadt, oder Brig, wo ein schweizerdeutscher Dialekt gesprochen wird. Die Bevölkerung hält noch immer die alten Sitten und Gebräuche in Ehren, vor allem in den Seitentälern, dem Lötschental oder dem Val d'Hérens etwa, wo auch heute noch die alten Trachten im täglichen Leben getragen werden. Das Wallis ist auch ein Durchgangsland, das seit frühesten Zeiten Kaufleute, Priester und Soldaten benutzten, die Alpenpässe, wie den Großen St. Bernhard, den Simplon, die Grimsel oder die Furka, zu überqueren. Heute sind es vor allem die Ferienreisenden, die auf der Suche nach den großartigen Eindrücken der Walliser Alpen die gut ausgebauten Straßen bevölkern.

203 Die Burg Valere in Sitten / Rhonetal
204 Vom St. Gotthard geht es in gut ausgebauten Kehren abwärts . . .
205 . . . ins Tessin (Val Leventina) nach Airola am Gotthard-Tunnel
206 Mädchen aus dem Tessin
207 In den Steinbrüchen des Maggiatales
208 Im Bleniotal unterhalb des Lukmanierpasses, des niedrigsten Überganges der Zentralalpen nach dem Süden; . . .
209 . . . bei Bellinzona, der alten Schweizer Festung vereinigt sich diese Straße mit der vom Gotthard- und vom Bernhardinpass kommenden
210 Beinhaus in Balerna / Kanton Tessin
211 Morgenandacht unter den Gletschern von Saas Fee / Wallis
212 Der Luganer See mit seinen Verzweigungen und markanten Felsgipfeln — wie z.B. . .
213 . . . den Monte San Salvatore (oben) ist ein Glanzstück der südlichen Schweiz
214 Lugano gesehen vom Monte San Salvatore
215 Die Wallfahrtskirche Madonna del Sasso bei Locarno
216 Locarno, am Nordende des Lago Maggiore, des Langen Sees, . . .
217 . . . ist wegen seines milden Klimas ein Weltkurort von Rang
218 Maultierkarawane im Saaser Tal / Wallis
219 Im Centovalli „Tal der hundert Täler“, Tessin
220 Im oberen Rhonetal bei Visp
221 Blatten unterhalb des Großen Aletschgletschers
222 Stalden am Eingang zum Matter- oder Nikolaital und des Saaser-Tales
223 Les Haudères im Wallis
224 Das Nikolaital führt zum . . .
225 Matterhorn (4482 m) „dem Berg aller Berge“
226 Das Breithorn (4171 m) vom Gornergrat bei Zermatt
227 Saas-Fee und Alphubel (4207 m)
228 Kapelle in einem Seitental der Rhone
229 Im Val de Bagnes, das von Martigny abzweigt
230 Im Wallis wird noch die alte Volkstracht getragen
231 Ein alter Bauer aus dem Wallis
232 Den südlichen, vom Rhonetal abzweigenden Wallistälern . . .
233 . . . geben die wetterbraunen, hohen Holzhäuser das Gepräge
234 Im Val d'Hérens: Bauweise und . . .
235 . . .Volkstracht haben sich hier bis heute erhalten
236 Im stillen Onsernonetal
237 Die Burgen Valère und Tourbillon in Sitten / Rhone
238 Auf dem Großen St. Bernhard (2473 m); die uralte Passstraße wurde schon von den Kelten benutzt
239 Auf der Bettmeralp / Oberwallis; Gebirgsmarsch des Schweizer Militärs



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Schweiz - Ein klassisches Reise- und Ferienland