Tivadar Nachez (1859-1930)

Ein Schüler Joachims von europäischem Ruf ist der am 1. Mai 1859 in Budapest geborene Tivadar Nachez, eigentlich aber Theodor Naschitz. Von Franz Liszt und Robert Volkmann aufgemuntert und durch ein Staatsstipendium unterstützt, studierte er ferner auch in Brüssel unter der Leitung Leonards. Nach mehrjährigem Aufenthalt daselbst wählte er London zum ständigen Domizil, von wo aus er erfolgreiche Reisen durch Deutschland, Holland, die Schweiz, Russland, Schweden und Frankreich unternahm.

Es ist ihm eine hochentwickelte Technik eigen. Die Geigenliteratur hat er durch seine „Danses Tzigans“ („Zigeunertänze“) bereichert.


Dieser ungarische Geigenvirtuos hat wiederholt vor der Königin von England mit lebhaftem Beifall gespielt. Ebenso ist ihm die Ehre zu Teil geworden, noch vor anderen gekrönten Häuptern, wie z. B. vor den Kaisern Wilhelm I. und II., dem Zaren und der Zarin und dem dänischen Königspaar, seine Meisterschaft auf der Violine zu betätigen.

In den letzten Jahren hat er besonders auch in Deutschland Triumphe errungen. So ist er z. B. im Dezember 1899 im 6. Kaim-Konzert zu München als Solist aufgetreten, und schreibt über seine Darbietungen der bekannte Musikkritiker H. Porges in den Münchener Neuesten Nachrichten:

„Tivadar Nachez, ein Geiger ersten Ranges, brachte zuerst das Konzert in E von Bach (mit Orchester) und bot da eine klassischvollendete Leistung. wSeine Technik ist unfehlbar, aber er besitzt ebenso die Gabe stilvollen Gestaltens. Der Tiefsinn des Adagios wurde dem Hörer durch seine tongesättigte und bei aller Wärme des Empfindens gross gehaltono Darstellungsweise vollständig’ erschlossen. An Stelle des ursprünglich angesetzten Konzertes von Saint-Saëns traten Solosachen mit Clavier: die Romanze in G von Beethoven, eine Oktavenetude von Paganini und das „Abendlied“ von Schumann. Tivadar Nachez wurde durch stürmischen Beifall ausgezeichnet. Sein vollendet schöner, schlackenlos reiner Ton und seine Meisterschaft in der Kunst des Phrasierens verdienten diese Anerkennung ebenso, wie seine staunenerregende Technik. Er gab ein Solostück als Zugabe.“

Dieselben Triumphe hat er in Leipzig, Dresden, Köln, Düsseldorf, Breslau, Hannover, Halle, Frankfurt a. M. und anderen Städten geerntet.

Man hat ihn sogar vielfach mit dem größten Geigenvirtuosen aller Zeiten, mit Nicolo Paganini, verglichen. So schrieb z. B. der Berichterstatter des „Düsseldorfer Anzeigers“ vor einigen Jahren: „Herr Tivadar Nachez erinnert so recht an die Zeit des Virtuosentums, wir möchten fast sagen, an den größten Vertreter desselben, an Paganini selbst, den wir allerdings nur nach der Beschreibung und nach dem Bilde kennen und um den namentlich Heinrich Heine durch seine „Gedanken beim Spiele Paganinis“ den Schimmer der Romantik gewoben hat. Das bleiche, Geist verratende Gesicht, das schwarze Haar des Herrn Tivadar Nachez, die äußere Ruhe bei den dämonisch berührenden Virtuosenkunststücken erinnern lebhaft an das uns vorschwebende Bild Paganinis, wozu noch kam, dass Herr Tivadar Nachez zwei ungeheuer anspruchsvolle Etüden (Sexten- und Terzenetude und Oktavenetude), sowie die berühmten Variationen auf der G-Saite von Paganini spielte.“