Miska Hauser (1823-1892)

Wie einst Franz Liszt, Ole Bull, Nicolo Paganini und Anton Rubinstein, diese Favoritvirtuosen des 19. Jahrhunderts, durch ihr staunenerregendes Virtuosenthum alle Welt inflammirten, so hat auch der ungarische Violinkünstler und Komponist Miska Hauser — geboren 1822 in Pressburg und gestorben 8. Dezember 1887 in Wien — Jahrzehnte lang durch den Zauber seiner Fidel in fünf Welttheilen eine grosse Schaar begeisterter Verehrer und Verehrerinnen um sich versammelt. Sein geschmeidiger, wenn auch kleiner Ton war von sauberem Schliff und die Intonation glockenrein. Seine virtuose Richtung zeigte sich besonders im anspruchslos -gemütlichen Salongenre. In dieses Gebiet fallen auch seine geschmackvollen Violinkompositionen, namentlich die „ungarischen Rhapsodien“. Er hat seine in aller Welt erlebten, oft recht drastischen Abenteuer in einem zweibändigen Werk, betitelt: „Wanderbuch eines österreichischen Virtuosen“, in anziehender Weise beschrieben.

Hier spricht er sich u. a. auch über die Qualen der Virtuosenreisen, die den Uneingeweihten so verlockend erscheinen, in solch’ treffender Weise aus, dass ich nicht umhin kann, einiges von seinen Auslassungen wiederzugeben:


„Leute, die ein beschauliches Leben führen, die, in den Schlafrock gehüllt, die Pfeife im Munde, sorgloser wie ein König täglich im sicheren Hafen ruhen, den duftigen Morgenthee schlürfend, sagten mir oft:

„Ein Virtuose wie Sie, der auf »Flügeln des Gesanges« nach allen Weltrichtungen flattert, hat ja das schönste Leben auf Erden“.

Beneidenswerthe Unwissenheit! Nur ein Unerfahrener, ein Glücklicher kann so irren. Wer aber die tausend Aergernisse, die Mücken- und Wespenstiche kennt, die das ewige Schicksal oft quälend über unsere zarte ästhetische Haut schickt, der muss es wissen und bezeugen, dass unter allen reisenden Erdenkindern Niemand weniger zu beneiden ist, als ein weltumgeigender Virtuose . . Was ist das weite offene Meer gegen die tückischen Wellenspiele der Chikanen, Kabalen und Intriguen, die in jeder Stadt aufs Neue über uns herfluthen? Was sind Sandbänke und Untiefen gegen die Klippenhemmnisse, die sich da drohend gegen unser erstes Auftreten erheben und uns den Weg zum Ruhm versperren, und endlich, um das Bild zu vollenden, ist nicht selbst die grollende Windsbraut oft sanfter und versöhnlicher, als die Coulissenlaune einer übermütigen Opernsängerin?“

Keiner hat wohl vernichtender sich über die Charlatanerien im Dollarlande ausgesprochen, wie unser guter Miska. Mit Beschämung gesteht er selbst zu, dass auch er mit den Wölfen heulen musste. Er sagt in dieser Beziehung in seinem Werke:

„Muss doch auch ich mein bisschen Bescheidenheit vermummen und als apodiktische Konzession an den amerikanischen Geist der Zeit auf meinem eigenen Konzertprogramm das enthusiastische Prädikat beigedruckt lesen: »The celebrated hungarian Violinist«, und doch leuchtet diese meine Ankündigung gegen die Programms anderer Konzertgeber nur wie ein mattes Stümpfchen Licht gegen eine hellflackernde Illumination. Da kündigt sich unter vielen anderen ein französischer Windbeutel mit grossen Lettern an: er hätte schon vor Jahren alle europäischen Claviermatadors besiegt und nur mit der linken Hand allein alle in die Flucht geschlagen. Um diese seine Worte mit der Wahrheit zu besiegeln, druckt er bestätigend Atteste bei von Berlioz, Chelard und Meyerbeer.“

Auf Miska Hauser ist Heinrich Ehrlich in seinem Buche: „30 Jahre Künstlerleben“ schlecht zu sprechen. Er beschuldigt ihn, dass er lediglich auf Reklame und Geldmachen ausgegangen sei, und erzählt dann wörtlich die nachstehende boshafte Anekdote: „Der ungarische Geiger, der 1864 zum ersten Mal in Berlin erschien und 23 Mal im Krolltheater auftrat, war durch die ganze Welt gereist, war auch in Otahaiti und hatte dort vor der Königin Pomare gespielt und von ihr Lobeserhebungen erhalten. Dieses Abenteuer tischte er überall auf, liess es mit allen möglichen Ausschmückungen von den Zeitungen ausposaunen, um in dieser Weise die Neugierde der grossen Masse zu erregen. Er war ein talentvoller Geiger; sein Vortrag Mozart’scher Adagios wird selbst von Kennern als ausdrucksvoll und vornehm bezeichnet; aber an dieser Anerkennung lag ihm nichts, und er gestand ganz frei, dass er in keiner Stadt auftrete, in welcher sein Konzert vor der Pomare nicht vorher ganz genau bekannt geworden war. Als ich ihm einmal bemerkte, dass diese Art der Ruhmsucht doch eigentlich eine recht unkünstlerische, seines Talents nicht würdige wäre, fuhr er mich an: »Was verstehen denn Sie? so geigen wie ich, können viele, aber vor der Königin Pomare gegeigt hat keiner!«“