Henri Wieniawski (1835-1880)

Henri Wieniawski, der polnische Meister, war vielleicht das größte technische Genie auf dem Gebiete des Geigenspiels im 19. Jahrhundert, der in dieser Beziehung alle modernen Geigenkünstler um Kopfeslänge überragte; aber nicht allein die technische Fertigkeit sichert ihm einen hervorragenden Platz in der Kunstgeschichte, sondern der ganze Adel seiner Richtung, sowie sein brillantes, feuriges und temperamentvolles Spiel. Auch als Komponist hat er Bedeutung; seine Schöpfungen sind allerdings in erster Linie auf virtuosen Effekt berechnet.

Er hinterließ 22 eigene Werke, darunter zwei Violinkonzerte in Fis-moll und D-moll, drei Hefte Etüden, eine Legende für Violine und zwei Polonaisen, sowie eine Phantasie über Motive aus Gounods „Faust und Margarethe“.


In Lublin am 10. Juli 1835 geboren, kam er mit seiner Mutter in früher Jugend nach Paris, wo im Jahre 1843 Clavel sein erster Lehrer im Violinspiel wurde, später wurde Massart sein spezieller Leiter. Nachdem er in Russland durch sein Spiel Aufsehen erregt hatte, kehrte er wieder nach Paris zurück, wo er 1849/50 seine Studien, besonders in der Harmonielehre, unter Colets Leitung fortsetzte. Auf den nun folgenden Konzertreisen erwarb er sich den Ruf eines der ersten Virtuosen der Neuzeit.

1860 wurde er zum kaiserl, russischen Kammervirtuosen ernannt und Wieb bis 1872 in dieser Stellung, um dann mit Anton Rubinstein eine Konzerttour durch Amerika anzutreten, von welcher er zwei Jahre darauf zurückkehrte. Um diese Zeit übernahm er die Stellvertretung des schwer erkrankten Vieuxtemps als Lehrer des Violinspiels am Brüsseler Konservatorium, wo er einige Jahre erfolgreich wirkte. Nach der Wiedergenesung Vieuxtemps begann er seine Reiselaufbahn wieder, doch schon am 2. April 1880 machte ein schweres Herzleiden in Moskau seinem ruhmvollen Leben ein Ende. Es ist kaum glaublich, und doch wird es als positiv versichert, dass dieser so hochbedeutende Geiger im Moskauer Hospital ganz verlassen und mittellos verstorben ist, obschon er neben seinen glänzenden künstlerischen Erfolgen viele Jahre hindurch auch viele materielle zu verzeichnen gehabt hatte. Das ist das Los des Schönen auf der Erde!