Gustav Holländer (1855-1915)

Es giebt — wie man weiss — ganze Gelehrten- und Künstlerdynastien. Ich erinnere nur an die Skaligers, die Bachs und die Rubinsteins. Zu diesen Geschlechtern gehören auch die Holländers. Der eine derselben, Gustav Holländer, soll uns hier beschäftigen, da er unter den Geigern der Gegenwart einen geachteten Platz einnimmt, wenn er auch in den letzten Jahren, seitdem er die Leitung des Stern’schen Conservatoriums zu Berhn übernommen, seine schöne Kunst nur äusserst selten ausübt. In der oberschlesischen Stadt Leobschütz am 15. Februar 1855 geboren, war er Schüler des Leipziger Conservatoriums, speziell Ferdinand Davids, und dann der Berliner Hochschule, wo er bei Joachim studirte. Seine selbstständige künstlerische Wirksamkeit begann er als Königlicher Kammermusiker an der Berliner Hofoper und wurde er 1877 als Violinlehrer am F. Kullak’schen Musikinstitut angestellt. Auf einer Konzertreise nach Oesterreich begleitete er die Coloratursängerin Carlotta Patti, die Schwester Adelinas, als Solospieler, und seine virtuosen Leistungen erregten dort berechtigtes Aufsehen. Von seinem ernsten Streben und Wollen zeugten die Kammermusikabende, die er 1871 — 1881 mit Xaver Scharwenka und Heinrich Grünfeld in der Berliner Singakademie veranstaltete. Seiner ungewöhnlichen Begabung und grossen Gewandtheit als Soloviolinist verdankte er seine im Jahre 1881 erfolgte Berufung nach Köln als Konzertmeister der dortigen Gürzenich-Konzerte und als Violinlehrer an der Rheinischen Musikschule ebenda, wozu sich 1884 noch seine Anstellung als erster Konzertmeister am Stadttheater gesellte. In Köln hob sich das Streichquartett unter seiner und Professor Japhas Betheiligung zu neuer schöner Blüte; nach des letzteren Austritt übernahm er die Führung dieses Quartetts. Das Holländer -Quartett bestand dann ausser ihm, der die erste Violine spielte, aus den Herren Emil Bare (zweite Violine), Joseph Schwartz (Viola) und Friedrich Grützmacher junior (Cello). Von Köln aus unternahm das Quartett von grossem Erfolg begleitete Konzertreisen nach Deutschland, Belgien, England, Italien und Dänemark.

Uebrigens verleugnete er auch in seinem neuen Wirkungskreise Berlin, wo er 1894 die Leitung des Stern’schen Conservatoriums übernommen hatte, den Quartettisten nicht, denn er gründete mit den Herren Willy Nicking, Heinrich Brandler und Leo Schrattenholz ein Quartett, welches sich nach dem Ausscheiden der beiden Letztgenannten durch Walther Rampelmann und Anton Hecking ergänzte. Das Stern’sche Conservatorium hat unter seiner Leitung einen grossen Aufschwung genommen.


Von Holländer sind mehrere gutgesetzte und wirksam ansprechende Konzert- und Salonstücke für Violine im Druck erschienen.