Alfred Grünfeld (1852-1924)

Der ältere Bruder des von uns genannten Violoncellisten Heinrich, der Pianist Alfred Grünfeld, ist ein Virtuose, der nach dem Ausspruch Eduard Hanslicks sowohl durch seine Bravour, wie durch seine „Gefühlssüßigkeit“ und seine sprudelnd heitere Laune alle Welt, besonders aber seine lieben Wiener, in Entzücken zu setzen vermag. Er ist einer der wenigen Klavierkünstler, die in gleicher Vollendung die Klassiker wie die Modernen, also Werke von Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert, Weber, Chopin, Mendelssohn, Liszt, Schumann und Brahms, zu spielen vermögen. Er ist in allen Schulen bewandert, und so sind die Programme seiner zahlreichen Konzerte immer vielseitig und interessant und bilden oft eine Art Genesis der Klaviermusik.

Bravour, Weichheit, prikkelnder Reiz, alles, was gefällt, ist ihm eigen. Speziell in der Stadt an der schönen blauen Donau, wo er seinen ständigen Aufenthalt hat, gehört er zu den bekannten Persönlichkeiten der dortigen Gesellschaft und erfreut sich bei allen Musikfreunden größter Beliebtheit.


Sein Studiengang war fast derselbe wie der seines Bruders Heinrich; auch er wurde in Prag, und zwar am 4. Juli 1852, geboren, und erhielt seine erste musikalische Ausbildung am dortigen Konservatorium von Hoyer, der ihn im Klavierspiel unterwies. Dann wurde er Schüler Theodor Kullaks in Berlin. Schon als blutjunger Mensch begann er zu konzertieren und erregte bald die sympathische Aufmerksamkeit aller Klavierfreunde sowie der Kritik. Besonders pflegte er mit seinem Bruder zu spielen, und die beiden Künstler kann man die Unzertrennlichen nennen. Nach einem Hofkonzert in der preußischen Residenz erhielt er den Titel eines Hofpianisten des Kaisers, auch wurde er zum k. k. österreichischen Kammervirtuosen ernannt, und wirkt er als solcher oft in den Konzerten des österreichischen Hofes mit.

Die Klavierliteratur hat er durch mehrere, technisch vorzügliche, wohlklingende Stücke bereichert; ebenso hat er viele melodiöse Lieder veröffentlicht.