Julius Benedict (1804-1885)

Wie Barnett, der jahrzehntelang in England gefeierte Meister, so war auch Julius Benedict (3), ein Schüler Karl Maria von Webers, deutscher Abstammung. Geboren am 27. November 1804 in Stuttgart als Sohn eines Bankiers, erhielt er seinen ersten Unterricht von dem als Claviervirtuosen bekannten Stuttgarter Kapellmeister Abeille und seine weitere Ausbildung von Hummel in Weimar. 1820 kam er zu Weber nach Dresden, um bei ihm in der Lehre der Kompositionskunst sich zu vervollkommnen. Mit dem unsterblichen Schöpfer des „Freischütz“ machte er gemeinschaftlich die Reise nach Wien, als am dortigen Kärntnerthortheater das Weber’sche Meisterwerk „Euryante“ zur Erstaufführung kommen sollte. Auf Empfehlung seines Lehrers wurde er 1824 Musikdirektor bei der genannten Wiener Bühne, gab aber schon nach zwei Jahren diese Stelle auf. Barbaja, der damalige Pächter der italienischen Oper in Wien, nahm den jungen Künstler später nach Neapel mit, wo er, nachdem er zum Christenthum übergetreten war, als Kapellmeister am San Carlotheater thätig war. Einige Jahre darauf konzertirte er mit grossem Beifall in verschiedenen Städten als Claviervirtuose. 1830 kehrte er nach Deutschland zurück, ging jedoch schon im folgenden Jahre nach Paris, wo er als Begleiter in der Sängerwelt Aufsehen erregte. Seit 1835 lebte er mit wenigen Unterbrechungen in London, wo er 187 1 von der Königin Victoria von England in den Adelstand erhoben wurde und bis zu seinem am 5. Juni 1885 erfolgten Tode als Orchesterdirigent und Claviervirtuose in hohem Ansehen stand. Um das musikalische Leben in seinem Adoptivvaterland hat sich Benedict wesentliche Verdienste erworben. Er war der Begründer der sogenannten Popularkonzerte und auch häufig Dirigent der grossen englischen Musikfeste. Als Kapellmeister von Maplesons Opernunternehmungen in Her Majesty Theater, später in Drury Lane, führte er u. A, seines von ihm hochverehrten Lehrers Weber „Oberon“ mit zugefügten Recitativen aus.

1825 wurde am San Carlotheater in Neapel seine erste Oper „Giacinta et Ernesto“ und 1830 in Stuttgart,,I Portoghesi a Goa“ (Die Portugiesen in Goa) aufgeführt. Diese sind ganz im Rossini’schen Stile gehalten. Bedeutender und ursprünglicher sind diejenigen Opern Benedicts, worin er sich mehr dem Stile Webers nähert, so „The Gypsys warning“ (Der Zigeunerin Weissagung), „Lilli of Killarney“ (Die Lilie von Killarney), „Die Bräute von Venedig“ und „Die Kreuzfahrer“, welche vielfach auch in Deutschland gegeben wurden und im Allgemeinen lebhaften Beifall fanden. Manche seiner Opern leiden an zu starker Instrumentirung, indem die Gesangsstimmen von der Begleitung übertönt werden. Von seinen übrigen Kompositionen wollen wir noch zwei seiner Symphonien und die Cantaten: „Undine“, „Richard Löwenherz“, „St. Cäcilia“ und „St. Peter“ hervorheben.


Mit seinen deutschen Landsleuten, namentlich einigen bekannten Tonkünstlern, wie z. B. Moritz Hauptmann, stand er in regem brieflichen Verkehr. Bezeichnend für die Lebens- und Weltanschauung und den bescheidenen Charakter des so erfolgreichen Mannes ist u. A. ein Brief an den Genannten vom 10. August 1867, wo es u. A. heisst: „Am Abend eines thätigen, aber leider erfolglosen Lebens frage ich mich, ob es nicht viel besser gewesen wäre, statt meine Zeit in Neapel und London zu vergeuden und kein Werk zurückzulassen, das Anklang im Vaterland finden kann, in irgend einer kleinen deutschen Stadt tüchtig gearbeitet und ungestört von äusseren Einflüssen nach dem Höchsten in der Kunst gestrebt zu haben. Ein Beispiel wie das Ihrige — selbst aufopfernd — aber so bedeutsam, so reich in der Verbreitung und Erklärung des ewig Wahren in der Musik, nie dem Geschmack der Menge fröhnend, aber immer ernst und würdig, da kann man mit ruhigem Bewusstsein den Vorhang fallen sehen, da bleibt die Gewissheit, seine Pflicht gethan zu haben. Ach, hätte ich einen solchen Hauptmann des schweren Geschützes in London finden können, da wäre ich des Plänkelns und leichten Gewehrfeuers längst müde geworden! — Aber wozu die späte Reue? — Jeder erfüllt wohl seine Bestimmung. Neben Beethoven — Wenzel Müller. Heute Enthusiasmus für Lohengrin, morgen für Offenbachs Schöne Helena. Hinauf und hinunter — Musen auf dem Parnass und Hexengetümmel auf dem Blocksberg.“