Jacques Offenbach (1819-1880)

Die kulturgeschichtliche Bedeutung der Musik, welche in den Tendenzopern des Rossini’schen „Teil“, der Auber’schen „Stummen von Portici“ und den „Hugenotten“ von Meyerbeer zu Tage tritt, zeigt sich nirgends so in die Augen fallend, wie in den Operetten und komischen Opern des Lieblingskomponisten des zweiten französischen Kaiserreichs und des musikalischen Illustrators der Sittenverderbniss unter den Napoleoniden, des Maestro Jacques Offenbach, des Sohnes eines israelitischen Kantors in Köln, der Jahre lang den biederen Namen Jakob führte, bis er in Paris seinen Namen zu französiren für nothwendig fand. Sein guter Vater Juda Offenbach, eigentlich Juda Eberscht, der mit einer schönen Stimme begabte Chasan der altehrwürdigen israelitischen Synagogengemeinde der rheinischen Metropole, der u. a. 1839 ein „allgemeines Gebetbuch für die israelitische Jugend“ herausgegeben hat, hätte es sich nie träumen lassen, dass sein Sohn derartig aus der Art schlagen werde, dass er nicht allein den Glauben seiner Väter „changirte“, sondern auch Melodien schuf, welche ein wahrer Hohn auf alle religiösen Klänge waren, und dass er einst der „.Schwärm“ aller galanten und unzweideutigen Frauen werden sollte. Der kaustische Witz und der sarkastische Ton, welcher manchen modernen Söhnen Israels eigen ist, das Talent für Persiflage, Parodie und Karrikatur setzte sich bei ihm in Tönen um, und da er hochbegabt war und Grazie und Anmut ihn nie verliessen, war es sehr erklärlich, wenn seine Operetten Jahrzehnte lang die französischen und ausländischen Bühnen beherrschten und ihm Ruhm und Vermögen in Hülle und Fülle einbrachten. Wer die Sittengeschichte Frankreichs unter Napoleon III. kennen lernen will, der wird die Offenbachiaden unbedingt mit ins Auge fassen müssen, denn jener heitere Uebermut, jener geistreiche musikalische Hohn und Spott und das zuweilen Gemein-Raffinirte und Karrikirt-Possenhafte seiner Musik ist ein Spiegelbild der Pariser und vielfach der modernen Gesellschaft während des zweiten Drittels des 19. Jahrhunderts.

Dieser Hauptvertreter der sogenannten Bouffes Parisiens hat zwar Schule gemacht, indem zahlreiche Operettenkomponisten den Schöpfer der „Schönen Helena“ und des „Orpheus in der Unterwelt“ sich zum Muster genommen haben, aber Niemand hat ihn erreicht, geschweige denn übertroffen.


Ich bin weit davon entfernt, Jacques Offenbachs Genre als ein die Sittlichkeit förderndes hinzustellen; seine Zweideutigkeiten und Frivolitäten haben gewiss viel Unheil gestiftet, und es ist traurig, dass er sein grosses Genie in den Dienst der Pikanterie und Lüsternheit gestellt hat. Sicherlich ist es zu beklagen, dass dieser Abkömmling Israels es sich zur Aufgabe gestellt hat, das Ehrwürdige als lächerlich hinzustellen, den Glauben an Liebe und Treue als einen altväterlichen Begriff in Misskredit zu bringen und den lockersten Anschauungen über eheliche Verhältnisse das musikalische Wort zu reden, aber die Gerechtigkeit erfordert’s, hervorzuheben, dass seine Erscheinung gewissermassen eine Naturnothwendigkeit war, indem seine prickelnde, elektrisirende Rhythmik, seine pikante Instrumentation ein grelles Schlaglicht auf den Pariser moralischen Sumpf warf und die ernster denkenden Zeitgenossen zum Nachdenken anregte. Ebensowenig wie man über Aloys Blumauer wegen seiner burlesken Aeneidentravestie, welche die klassische Götterwelt verspottete, den Stab brechen kann, ebensowenig darf man den musikalischen Satyriker, der Madame Eugenie und deren Hof karrikirte, als einen Ausbund der Zügel- und Sittenlosigkeit hinstellen. Jedenfalls wird man ihm ein ausserordentliches Genie nicht absprechen können.

Geboren wurde Jacques Offenbach am 21. Juni 1819 in Köln und siedelte bald mit seinen Eltern nach Paris über, wo er den grössten Theil seiner musikalischen Bildung empfing. Er zeichnete sich auf dem Conservatorium dortselbst als Violoncellist aus und schlug im Seinebabel, kürzere Reisen nach Deutschland und Amerika abgerechnet, dauernd seinen Wohnsitz auf. Seine anfänglichen Versuche, sich als Cellist zur Geltung zu bringen, waren vergeblich, weil, wie Fetis meint, seine Bogenführung sich als unzureichend erwies. In der That erreichte er nur, dass er zur Mitwirkung im Orchester der Königlichen Oper zugelassen wurde. Diese Thätigkeit behagte ihm aber auf die Dauer nicht, er trat von derselben zurück und übernahm 1847 das Amt eines Kapellmeisters am Theatre Frangais. Die Celloliteratur hat er vor Beginn seiner theatralischen Laufbahn durch einige Kompositionen bereichert, welche sich einer gewissen Berühmtheit erfreuen. Ausser einigen Salonstücken verfasste er eine beträchtliche Reihe von Celloduetten. Der sehnlichste Wunsch Offenbach war es, als Komponist für das Theater thätig zu sein. Mit der Chanson de Fortunio, einer Einlage für Alfred de Mussets Chandelier, erzielte er seinen ersten Bühnenerfolg und wurde 1855 selbst Opernunternehmer. Später besuchte er mit seiner Truppe mehrmals die französischen Provinzen, England und auch einige Städte Deutschlands, trat aber, nach Paris zurückgekehrt, von der Theaterleitung zurück und widmete sich ausschliesslich der Komposition. 1872 trat er zwar nochmals als Unternehmer auf und unternahm sogar eine ziemlich missrathene Tour nach Amerika — seine Erlebnisse dort schilderte er in dem Buche: „Reisenotizen eines wandernden Musikanten“ —, aber sein Hauptinteresse und seine Thätigkeit nahmen in erster Linie seine zahlreichen Operettenschöpfungen in Anspruch. Er hat im Ganzen 102 Bühnenwerke geschrieben. Von seinen Operetten zeigen die früheren, wie z. B. „Die Verlobung bei der Laterne“, „Das Mädchen von Elizondo“, „Fortunios Lied“, „Herr und Madame Denis“ u. s. w., die den besten Mustern der französischen komischen Opern eigene Anmut und Grazie, sowie Züge echter Komik; aber nicht diese Kompositionen waren es, die ihn berühmt machten und seinen Namen durch die Welt trugen, sondern die Operetten: „Orpheus in der Unterwelt“, „Schöne Helena“, „Pariser Leben“, „Grossherzogin von Gerolstein“, „Prinzessin von Trapezunt“, „Madame Favart“, „Genoveva“, „Die Seufzerbrücke“, „Die schönen Weiber von Georgien“, „Die beiden Blinden“, „Dragonette“, „Die Damen der Halle“, „Blaubart“ u, s. w. Die errangen eine unermessene Volksthümlichkeit und trugen dazu bei, das Genre der Operette in der ganzen gebildeten Welt zu einem beliebten und kultivirten zu gestalten.

Wie in seinen Kompositionen, so verfügte er auch im Leben über einen schlagfertigen Witz und kaustischen Humor, wovon seine Briefe oft drastische Beweise geben. Man lese nur seine Zuschrift an den bekannten Musikkritiker und Komponisten Victorin de Joncieres, einen Anhänger Wagners, worin er ihm u. a. schreibt: „Wäre ich heute ausgegangen, so würde ich gewiss Ihre vier Stockwerke hinaufgestiegen sein, um Ihnen die Hand zu drücken und zu danken. Ihr Artikel hat mich, ich gestehe es, sehr gerührt. Sie sagen das, was man wahrscheinlich nach meinem Tode sagen wird, denn Sie sind ein Künstler und ein sehr grosser Künstler, der begreift, wie demütigend es ist, mit Leuten zusammengekoppelt zu werden, die Noten ohne alle Originalität zusammenkoppeln, und mit Musikern, die nicht einmal wissen, was Musik ist.“

„Dichter und Komponisten pflegen in geistiger Ehe mit einander zu leben“ pflegte er zu sagen; „so lange ich an einer Oper arbeite, bin ich mit dem Dichter verheiratet. Ich bin unglücklich, wenn er einen Tag ausbleibt; hat er mir auch nichts Neues zu bringen, so muss ich ihn doch täglich sehen und sprechen.“ Durch diesen lebhaften wechselseitig anregenden und befruchtenden Verkehr zwischen ihm und seinen Librettisten, Meilhac, Halévy, Blum, Cremieux u. A., kam eine ausserordentliche Lebendigkeit, Echtheit und Zweckmässigkeit in seine Arbeiten.

Der Maestro starb nach längerem schweren Leiden im 61. Lebensjahre am 5. Oktober 1880 in Paris. Eine von ihm hinterlassene komische Oper, „Hoffmanns Erzählungen“, gelangte Anfang 1881 in Paris und vielfach auch in Deutschland zur Aufführung. Sie trägt das Gepräge jenes Offenbach’schen Genius vor der versengend wilden Pariser Periode, als er noch musikalische Ideale hatte und seine leichtgeschürzte Muse noch mit einer gewissen Züchtigkeit und Schüchternheit auftrat.

Aus den Lehrjahren Offenbachs, als er noch Cellist war, erzählt Ernst Pasqué allerlei Lustiges, dem wir das Nachstehende entnehmen.

Im langgestreckten Seitenbau eines unansehnlichen Hauses der Rue des Martyrs zu Paris befand sich eine Reihe Mansardenstuben, die in den 30er und 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts fast zwei Dezennien hindurch deutsche oder richtiger Kölnische Musiker beherbergten. Zu diesen gehörte auch der junge Jacques Offenbach, daheim „Köbes’che“ genannt. Ein talentvoller Cellist, hatte er es seiner nicht gewöhnlichen Fertigkeit zu danken, dass Cherubini, damals Direktor des Pariser Conservatoriums, ein abgesagter Feind aller ausländischen Eleven, ihn in die Celloklasse dieses berühmten Musikinstituts aufnahm. Der junge Cellist hatte sich bald einige mehr oder minder vornehme Pariser Salons zu öffnen verstanden, wo er seine schmachtenden Celloromanzen und Träumereien mit einem solchen Effekt an den Mann, oder vielmehr an die Damen zu bringen wusste, dass er deren ausgesprochener Liebling wurde. Besonders gern wurde er in dem Hause des Vicomte de Charnaze, dessen Musiksalon sehr viele Geigen zierten, darunter einige theure und seltene Instrumente, gesehen. Als Honorar erhielt er für seine Leistungen von der reizenden Dame des Hauses zumeist einige Leckereien, die in seine Fracktaschen eskamotirt wurden, wo diese süssen Dinge friedlich neben der Schuhbürste ruhten, die dazu bestimmt war, durch des Künstlers eigene Hand vor dem Eintritt in das Haus verstohlen das Schuhwerk wieder salonfähig zu machen. Doch das schadete nichts, und die leckere Beute schmeckte seinen Freunden und ihm am anderen Morgen vortrefflich, zumal sich auch nicht ein armseliger Liard im Augenblicke in ihrem Besitze fand. Es schmeckte, aber es sättigte nicht, und es wurde im Rathe der Mansardenbewohner beschlossen, den Frack Offenbachs zu versetzen, wozu der junge Violinist Hilaire seinen Geigenkasten borgte. Die Pfandleiherin war die Mutter Morel, bei der die Kölnische Kolonie gar viel auf dem Kerbholz stehen hatte. Mit einem hoch mit Kartoffeln und Neuchateler Käse gefüllten Geigenkasten trat er frohgelaunt den Rückweg nach der geliebten Mansarde an. Zu seinem Pech begegnete ihm sein genannter Gönner, der Vicomte de Charnaze, der sein leichtes Tilbury halten liess und dem erschrockenen Künstler zurief: „Monsieur Offenbach, wohin mit der Geige?“ „Ins Conservatoire, Herr Vicomte.“

„Ah, Sie spielen auch Geige? Das ist ja herrlich! Und davon haben Sie uns noch kein Sterbenswörtchen gesagt? Das verdient Strafe! Sie müssen mit mir nach Hause und uns sogleich eine Probe Ihrer so geheim gehahenen Kunst ablegen.“

Alles Sträuben des jungen Cellisten half nichts: er musste sich in das Gefährt des liebenswürdig’en Franzosen setzen, und fort ging es, in sausendem Trab nach dem Palais Charnazé. Madame la Vicomtesse freute sich sehr, als sie hörte, dass Offenbach auch ein Geiger sei. Sie setzte sich vor das Piano und legte eine neue Mode-Pièce für Clavier und Violine auf. Doch Offenbach gab den Kasten nicht aus der Hand. Der Angstschweiss stand ihm auf der Stirn. Er wähnte sich verloren und für immer blamirt, wenn der eigentliche Inhalt seines Geigenkastens hier kund werde, und in seiner Verzweiflung flüchtete er mit ihm in eine Ecke des Salons, wo sich ein Möbel befand, auf dem mehrere Geigen lagen. Hier stellte er seinen Marterkasten nieder und sich schützend vor denselben.

„Unmög’lich, Herr Vicomte“, stotterte Offenbach in grösster Verlegenheit, „dieses neue Duo von Panofka und Wolf, für Geige und Clavier, mit der Frau Vicomtesse zu spielen. Auf dem Cello will ich es wohl versuchen, aber auf der Geige — unmöglich.“

„Und weshalb? Sie sind doch Schüler des Conservatoriums, und als solcher müssen Sie die Fertigkeit haben, eine so leichte Pièce vom Blatt spielen zu können!“

„Allerdings, doch um in die Geigenklasse eintreten zu können, habe ich mich um zehn Jahre jünger machen müssen und bin erst beim Abc des Geigenspiels angelangt.“

Zum Glück wurden die Herren zu Tische gerufen. Wie schmunzelte Offenbach vor Vergnügen, als er die auf dem Rost gebratenen Hammelkotelettes mit den goldgelben Pommes de terre frites verschlang! Der Sybarit gedachte seiner Freunde nicht mehr und auch nicht einmal mehr des schwarzen Inhalts seines Geigenkastens. Nach längerer Zeit erhob er sich endlich. Mit freundlicher Miene theilte ihm Frau von Charnaze mit, dass sie den Bedienten beauftragt habe, den Geigenkasten bis an seine Wohnung zu tragen. Daheim angelangt, nahm er dem Mann den Kasten ab und erstieg langsam die steile Treppe, welche in die Mansarde führte.

Sein Herz klopfte hörbar, denn er hatte seine Freunde vier volle Stunden warten und hungern lassen, während er fein dejeunirt und den köstlichsten Burgunder getrunken hatte. Doch was war das? Aus dem Mansardenstübchen tönten ihm keine Donnerworte, keine Flüche und Verwünschungen, sondern ein vielstimmiges, helle.; und fröhliches Lachen und Plaudern entgegen. Und um den wackligen Tisch, auf dem ein frisch gewaschenes baumwollenes Leinen tuch als Tischtuch ausgebreitet lag, waren sie geschaart und verzehrten die Reste einer Pastete und einer schon sehr weit angeschnittenen, silberumhüllten Lyoner Wurst und daneben drei bestaubte, alte Burgunder -Flaschen, genau von derselben Gestalt, wie er eine bei Charnazeés geleert hatte. Was war da vorgegangen? Sie erhoben sich von ihren Sitzen und umarmten den Cellisten, denn ihm hatten sie ja das köstliche Dejeuner, das er ihnen in dem Geigenkasten gesandt, zu danken.

„Was?“ schrie Offenbach auf, „ich hätte Euch das alles gesandt? Das ist unmöglich! Hier ist ja der unglückseHge Kasten, der mich bald in einen Pfuhl ewiger Schande gestürzt hätte.“

„Das stimmt nicht“, riefen die Anderen unisono. „Hier steht der Kasten Hilaires, den ein Bursche in Livree schon vor mehreren Stunden in Deinem Namen brachte, gefüllt mit all’ den Leckereien.“ Bald wurde ihm der Kasten entrissen und man wurde gewahr, dass das hölzerne Geigenfutteral viel eleganter war, als das alte verbrauchte Hilaires, und nicht gering war die Verblüffung, als der Inhalt des verzauberten Behälters zum Vorschein kam. Zuerst war es ein weiches, atlasgestepptes Deckchen und unter diesem lag eine hübsche und sehr werthvolle Geige, von folgenden Zeilen begleitet:

„Herr Vicomte von Charnazeé erlaubt sich, seinem jungen Freunde, dem talentvollen Künstler, Herrn Jacques Offenbach, inliegend eine Geige zu überreichen, die zum Studium des königlichen Instrumentes wohl genügen dürfte und wünscht zugleich, dass derselbe ein ebenso vortrefflicher Geiger werde, wie er dies als Cellist bereits geworden ist.“

Dies ist zwar nicht geschehen, dafür wurde er aber etwas ganz anderes, wovon Herr von Charnazé und besonders die für Offenbachs sentimentale Cello-Piecen schwärmenden Damen sich damals gewiss nichts hatten träumen lassen: nämlich Vater der leichtlebigen französischen Operette!

Als Mensch war Offenbach wohlwollend und liebenswürdig, er konnte schwach wie ein Kind, aber auch naiv, arglos und gutmütig wie ein Kind sein. Nicht mit Unrecht nannte ihn Rossini den „Mozart der Champs Elysées“.

Er war in der That gefällig, geistreich, gesprächig, heiter und harmlos. Nur wenn man ihn reizte, zeigte er sich recht sarkastisch. Auf R. Wagner, der ihn arg angegriffen, war er schlecht zu sprechen und er behauptete von ihm, er wäre der grösste Musiker, wenn er nicht Mozart, Gluck, Beethoven, Weber und Mendelssohn zu Vorgängern gehabt, und der originellste und frischeste Melodist, wenn Herold, Halévy, Boieldieu und Auber niemals gelebt hätten. Sein Genie wäre unvergleichlich, hätte er nur nicht als Zeitgenossen Rossini und Meyerbeer gehabt. Seine mit der öffentlichen Stimmung und den delikatesten Naturen im Widerspruch stehende Musik könne vielfach die unversöhnliche Musik genannt werden.

Nur eine Schwäche hatte er, und das war die Eitelkeit. Keine Bewunderung war ihm zu gross, keine Huldigung zu übertrieben.

„Sind Sie aus Bonn?“ fragte ihn Jemand.

„Nein“, erwiderte er, „Beethoven ist aus Bonn, ich aber bin aus Köln.“

Der bekannte Redacteur und Kritiker am „Figaro“, Albert Wolff, ein Kölner Landsmann Offenbachs, erzählte in dem genannten Blatte, dass nach jeder Premiere eines Stückes des Maestro sich in dessen Wohnung ein wahrer Triumphabend zu entwickeln pflegte. Seine Verehrer kamen in Schaaren dahin, um ein Glas Sekt bei ihm zu trinken, und man spielte und sang die Melodien, die am Abend am meisten gefallen hatten. Die Gäste hoben den Komponisten begeistert in seinem grossen Fauteuil auf ihre Schultern und trugen ihn über Korridore und Treppen, Hochrufe auf den Sieger ausbringend.

Sein Privatleben war ein musterhaft sittliches und wurde selbst von seinen erbittertsten Gegnern willig anerkannt. Seine Frau und fünf Kinder liebte er mit ausserordentlicher Zärtlichkeit, für sie arbeitete er Tag und Nacht und opferte sogar seine Gesundheit auf.

Die Beerdigung des Königs der Operette ging mit ausserordentlichem Gepränge vor sich. In der Madeleinekirche zu Paris war eine gar illustre Gesellschaft versammelt. Man gewahrte dort „Ganz Paris“. Neben vielen Sängern, Schauspielern, Tonkünstlern, Gelehrten und Schriftstellern auch viele Generäle und Staatsmänner. Selbst der damalige Präsident der Republik, Jules Grévy, und der Minister des Auswärtigen, Barthelemy St. Hilaire, hatten Vertreter entsandt.

An der feierlichen Messe, welche in der Kirche ausgeführt wurde, betheiligten sich die ersten Sänger der grossen Oper. Der Leichenzug, welcher der Bahre nach dem Kirchhofe Montmartre, wo bekanntlich auch die sterbhchen Lieberreste H. Heines ruhen, folgte, zählte nach vielen Tausenden.

So starb Jacques Offenbach, von dem einst Giacomo Meyerbeer, als sein Stern eben im Aufgehen war, das Wort gesagt hat:

„Der junge Mann hat wahrscheinlich einst Talmud gelernt — er komponirt nicht, er klügelt.“