Kuh; Ephraim Moses (1731-1790) polnisch-deutscher Dichter und Schriftsteller

Ein Neffe Veitel Ephraims, des reichen Münzjuden unter Friedrich dem Großen, Ephraim Moses Kuh — geboren 1731 zu Breslau und gestorben daselbst 3. April 1790 — ist eine der eigenartigsten Erscheinungen am Himmel der Dichtkunst im 18. Jahrhundert. Schon zu einer Zeit, als unter den deutschen Juden die Kenntniss der deutschen Schriftsprache noch eine überaus mangelhafte war, dichtete er bereits vorzügliche Epigramme, die ihn an die Seite unserer besten Epigrammatiker stellen. Er war, wie ich in meiner „Geschichte der deutschen Juden“ bereits erwähnt habe, wahrscheinlich der erste Israelit, der den hochdeutschen Parnass erstieg. Außer Epigrammen verfasste er auch Lieder, Oden und Fabeln.

Er hat sich selbst seine Grabschrift verfasst, also lautend:


Hier ruht der Dichter Kuh,
Den bald das schnöde Glück,
Bald auch der Schurken Tück
Geneckt — hier hat er Ruh.

Während seines Aufenthaltes in Berlin verkehrte Kuh häufig mit Moses Mendelssohn, dem er auch auf Lessings Empfehlung die Handschrift seiner Gedichte zur Beurtheilung übersandte. Der moderne Sokrates schrieb darauf an Lessing:

„Ich, Poesie beurteilen, der ich mich gewöhnt, sie mehr mit der logischen Brille, als mit dem ästhetischen Operngucker zu betrachten? Ich, Richter über schalkhafte, niedliche, scherzhafte Riens — vergeben Sie, ich kann dieses nachdrückliche Wort nicht übersetzen — über poetisches Dragée, das bloß den Gaumen kitzelt, ohne den Magen zu befriedigen? Vergeben Sie, Freund Lessing, da haben Sie unserem Freund Kuh nicht den besten Rat erteilt, dass Sie ihn an mich gewiesen.“

Gleich einem Ramler, Gleim und anderen Dichtern der Friedericianischen Zeit empfand auch M. E. Kuh eine unbegrenzte Verehrung für Friedrich den Großen, den er in mehreren kleinen Gedichten verherrlichte. So sang er z. B. ihm zu Ehren nach dem Siege bei Leuthen:

Du tust so viele Göttertaten,
O großer König, lass Dir raten:
Halt ein, Du schadest Deinem Ruhm.
Wie Fabeln aus dem Altertum,
Die Dichter zum Ergötzen machten,
Wird sie die Nachwelt stets betrachten.

Auch dichtete er auf ihn mehrere hübsche Epigramme, wie z. B. die folgenden:

Den Scepter führet Zeus, Apoll' die Leier,
Minerv' ist weis', und Mars hat Heldenfeuer,
Der Preußen Friederich vereint die Gaben,
Die des Olympos Götter einzeln haben.

Den Vater sahen seine Staaten,
Gelehrte ihren Mäcenaten,
Den weisen König Potentaten,
Und seine Feinde den Soldaten.

Die grenzenlose Gutmütigkeit und wohl auch der ebenso grenzenlose Leichtsinn, welche diesem Dichter eigen waren , bewirkten, dass er allmählich jeden inneren Halt verlor, seine Stellung in Berlin aufgab und ein ruhe- und rastloses Wanderleben führte. Er durchwanderte Holland, Frankreich, Italien, einen Teil der Schweiz und den Süden Deutschlands. Auf seinen Wegen empörte ihn am meisten der schimpfliche Leibzoll. Bei seiner Rückreise durch Sachsen 1721 kostete ihn eine Übergehung des Leibzolls beinahe seine ganze Baarschaft und mit vielen hundert Thalern musste er in Gotha den Glauben seiner Väter verzollen.

Zur Erinnerung an diesen Vorfall schrieb er folgendes kulturgeschichtlich nicht uninteressantes Gedichtchen nieder: Der Zöllner in E. und der reisende Jude.
Z. Du, Jude, musst drei Thaler Zoll erlegen.
J. Drei Thaler? So viel Geld? Mein Herr, weswegen?
Z. Das fragst Du noch? Weil Du ein Jude bist;
Wärst Du ein Türk', ein Heid', ein Atheist,
So würden wir nicht einen Deut begehren,
Als einen Juden müssen wir Dich scheeren.
J. Hier ist das Geld! — Lehrt Euch dies Euer Christ?

Dieser hochbegabte Dichter endete schließlich in geistiger Umnachtung; welche nur selten durch lichte Augenblicke unterbrochen wurde. Die sterblichen Überreste des unglücklichen Poeten ruhen auf dem jüdischen Friedhof zu Breslau.