Kalisch, David (1820-1872) deutscher Kaufmann, Lied- und Theaterdichter

Der König der Posse und zugleich Schöpfer des modernen Kouplets war der am 23. Februar 1820 zu Breslau geborene und am 21. August 1872 in Berlin gestorbene David Kalisch, der Vater des von uns charakterisierten Sängers Paul Kalisch. Seine Stücke beherrschten Jahre lang die komische Bühne in Berlin, namentlich das Wallnertheater, und eroberten sich im Sturm die Theater in Norddeutschland. Unter seinen Possen, von denen einzelne durch Kräfte wie Heimerding, Keusche, Neumann, Anna Schramm und andere verkörpert, Hunderte von Vorstellungen erlebten, seien hier hervorgehoben: Einmalhunderttausend Thaler, Münchhausen, Berlin bei Nacht, Peschke, Ein gebildeter Hausknecht, Der Aktienbudiker, Berlin, wie es weint und lacht. Einer von un're Leut, Berlin wird Weltstadt, Die Berliner in Wien, Der Goldonkel, Musikalische Abendunterhaltung, Namenlos etc. — Eine Sammlung seiner kecken, meist durch politische Anspielungen drastisch wirkenden Kouplets gab er in einem dreibändigen Werk unter dem Titel: „Berliner Leierkasten“ heraus.

Kalischs Stärke waren die Anspielungen in den Kouplets, und dieses Genre war ebenso drastisch als neu. Daneben verwertete er die Berliner Redensarten und lieferte dem Berliner Volksmund immer neue Nahrung an Witzen, geflügelten Worten und ausgelassenen Melodien. Um einen Begriff von dieser Art des Kalisch'schen Kouplets zu geben, will ich hier nur aus seiner Posse „Dr. Peschke“ eine solche Probe mitteilen:


Wer A sagt, muss B sagen.

Ein Bräut'gam spricht anfänglich:
In dieser teuren Zeit
Ist Heiraten bedenklich.
Sonst wär' ich gern bereit!
Ach, spricht die Braut, wie glücklich
Wär' ich und ach wie froh,
Mit Dir in einer Hütte
Und wär' sie auch wie Stroh.
Doch kaum, dass vier Wochen die Hochzeit ist fern,
Erbleicht der Genügsamkeit freundlicher Stern.
Unser Plüschsopha, spricht sie, ist ja gar nicht modern.
Von Seidenzeug hätt' ich den Überzug gern!
Ist das Deine Strohhütte, denkt er, o weh!
Ja, wenn Juan einmal A gesagt, muss man auch sagen B.

Wir müssen untergraben
Den absoluten Staat,
Und 'ne Verfassung haben.
Wie sie Britannien hat.
Zwei Kammern müssen tagen
In unserer Residenz,
So sprach in früh'ren Tagen
Oft die Intelligenz.
Jetzt brauchen wir nichts mehr, um glücklich zu sein.
Die Kammern, sie tagen Jahr aus und Jahr ein.
Sie hegen und pflegen das staatliche Wohl,
Doch ach! Der Berliner ist immer frivol:
„Jedes Jahr neue Steuern, weiter können sie nischt, nee?“
Ja, wenn man einmal A gesagt, muss man auch sagen B.

Auch war David Kalisch im Mai 1848 der Begründer des einst einflussreichsten und hervorragendsten Berliner Witzblattes: „Kladderadatsch“, worin er den spezifischen Berliner Witz, den volkstümlichen Humor, das Kalauertum und den sogenannten „höheren Blödsinn“ vertrat. Die typischen Gestalten, welche er hier schuf, wie Zwickauör, Müller und Schulze, Karlchen Miesznick etc., sind solch' wahrheitsgemäße Figuren aus dem vollen Leben, dass sie eine Bereicherung unserer humoristischen Literatur bilden und schon allein genügen würden, den Namen des genialen Possendichters für die Nachwelt zu erhalten.

Gleich Oscar Justinus widmete auch er sich dem Kaufmannsstande und ging nach Paris, wo er u. a. mit Georg Herwegh, Heinrich Heine und den Sozialisten Karl Marx und Proudhon eifrig verkehrte. Dort lernte er das Vaudeville kennen und sein eifriges Bestreben war darauf gerichtet, das heitere Bühnenspiel-Lied nach Deutschland zu verpflanzen und es mit Berliner Witz zu durchtränken.

1846 trat er in ein Handlungshaus in Berlin und bearbeitete in seinen Mußestunden französische Vaudevilles für die deutsche Bühne; zugleich pointenreiche, übermütige Kouplets dichtend, welche, von beliebten Sängern und Sängerinnen gesungen, Furore machten. Seinen ersten großen Erfolg errang er mit dem Schwank: „Ein Billet von Jenny Lind“ auf dem Sommertheater von Schöneberg bei Berlin, und in Folge dessen wurden ihm auch die Pforten des alten Königstädtischen Theaters geöffnet.