Jacoby, Joel Dr. (1807-1863) deutscher Dichter und Schriftsteller, Polizeispitzel

Wie Michael Beer in seinem „Paria“, so versuchte ein anderer Dichter, Joel Jacoby — geboren 1807 zu Königsberg — , in seinen 1837 erschienenen Gedichten, welche seiner Zeit gewaltiges Aufsehen erregten, betitelt: „Klagen eines Juden“, der traurigen Lage der deutschen Israeliten vor ihrer Emanziaption wehmütigen Ausdruck zu geben. Joel Jacoby verstand es, den Schmerz Israels gleichsam im Psalmenton wiederzugeben. Hier eine Probe dieser Dichtungsart:

„Die Kinder aus meinem Volke kamen zu mir klagen und weinen. Die Greise nahten und die Mütter und banger Schmerz malte sich in ihren Zügen. Ich fragte die Kleinen: „Was weinet ihr schon so früh?“ Und zu den Alten sprach ich: „Was klagt Ihr noch so spät?“ Die Kinder lallten: „Ach, wir sollen nicht mehr die hellen, schönen Namen der Christen tragen, sondern die dunkeln hässlichen der Juden. Wir sollen schon gezeichnet sein bei den Spielen!“ Und die Greise sagten: „Es leert sich wieder der Köcher des Zorns und unseren Kindern droht Elend und Gefahr.“


Da habe ich erwidert: „Tröstet Euch, seid still und traget mit Stolz die stolzen Namen der Väter. Das sind Heldennamen, ruhmgekrönte Märtyrernamen von uraltem Adel, von uraltem Ritterschlag. Als das Abendland noch in wüste Rohheit versunken war, da blühten schon Eure Namen in unsterblichem Glanz, weltbeherrschend, welterleuchtend und welterlösend. Denn das will ich Euch sagen, Ehe der Zeiger der Geschichte sich wendet, werden manche prunkende Namen des Abendlandes von der Erde weggemäht sein, wie Stoppeln durch die scharfe Sichel. Aber so lange die Zeit währt, werden königlich in ihr thronen die Namen Abraham, Moses, Jesaias.“

Der Dichter hat in seine „Klagen eines Juden“ viel Unwahres, viel phantastische Empfindeleien und manch' erheuchelten Schmerz hineingelegt und er wurde deshalb vielfach und zwar von seinen eigenen Glaubensgenossen, wie z. B. Ludwig Philippson, heftig befehdet, aber manche seiner Elegien sind dennoch warm empfunden und schön geformt, wie man dies schon aus nachstehender Probe ersehen kann:

„Im Traum schaute ich den Genius meines Volkes. Kein prunkendes Faltengewand umhüllte seine jugendlichen Glieder, keine flüchtige Schwinge trug ihn sieggekrönt von Land zu Land .... Asche deckte sein greisses Haupt, deckte den schwankenden Fuss, und erborgte Fetzen schützten das matte Gebein ... Aber unter dem alten Leib birget er eine junge, gotterfüllte Seele, und im greisen, sturmgepeitschten Haupt weltbeherrschende ewige Gedanken. Er birgt im matten Auge einen weiten, prüfenden Blick und er bewahrt im Herzen starken Willen, gewaltigen Trotz und heilige Kraft. Ahnungsreiche Träume blühen ihm im Geiste, und mächtige Gesänge strömen über seine siechen Lippen, wenn der Geist des Herrn über ihn kommt, wenn angeregt werden die poetischen Gaben. Also schreitet der verachtete Genius meines verachteten Volkes einher, mit der trostreichen davidischen Harfe in der Rechten, mit dem Gesetze Moses in der Linken. Er beugt sich über seine Kinder und kräftigt die Zerstreuten in der Fremde.“

Joel Jacoby debutierte zuerst mit einer Schrift: „Zur Kenntniss der jüdischen Verhältnisse in Preussen“ und lies später „Stimmen aus Berlin an die Rheinländer“ vernehmen, in Folge deren der damals in Leipzig mit Theaterrezensionen sich beschäftigende Verfasser von Berlin aus requiriert und in die Stadtvogtei abgeliefert wurde. 1837 trat er mit „Religiösen Rapsodien“ auf, denen 1838 „Harfe und Lyra“ folgte. Nach seiner Taufe machte er, wie zahllose Convertiten vor und nach ihm, Carriere. Er wurde Polizeirat und geheimer Zensor und erwarb sich durch seine Denunziationen einen herostratischen Ruf.