Jacobsen, Eduard (1833-1897) deutscher Schriftsteller und Dramatiker

Einer dieser zahlreichen Possenkönige war der am 10. November 1833 zu Grossstrehlitz in Oberschlesien als Sohn eines Rabbiners geborene und am 29. Januar 1897 in Berlin gestorbene Eduard Jacobson. Er hat innerhalb einer 40jährigen schriftstellerischen Tätigkeit teils selbstständig-, teils im Verein mit O. F. Berg-, O. Girndt, G. von Moser, Julius Rosen, Rudolf Kneisel u. a. eine stattliche Reihe von einaktigen, mehr noch großen Gesangspossen verfasst, welche, die Zahl 100 übersteigend, meist über alle deutschen Bühnen gegangen sind und zum großen Teil noch heute ihren Platz als Repertoirestücke behauptet haben. Zu diesen Possen gehören: „Singvögelchen“, „Beckers Geschichte“, „500.000 Teufel“, „Der Postillon von Müncheberg“, „Humor verloren — Alles verloren“, „Die Galloschen des Glücks“, „Das Mädel ohne Geld“, „Wünsche und Träume“, „Die schöne Sünderin“, „Die Kohlenschulz'n“, „Bummelfritze',, „Hotel Klingebusch“, „Drei Monat nach Dato“, „Spillike in Paris“, „Die Probirmamsell“, „Der jüngste Lieutenant“, „Der Mann im Monde“, „Ebbe und Flut“, „Die Lachtaube“ u. s. w.

Schon 1886 feierte Jacobson mit der Posse: „Ein gemachter Mann“ das Jubiläum seines 100. Bühnenstücks. Aus Anlass dieses Ereignisses schrieb die „N. Allg. Ztg.“ u. a. treffend:


„Nur wer das Theater genauer kennt, ist im Stande, richtig zu beurteilen, welch' ein ungeheures Quantum von Arbeit, Fleiss und Erfindungsgabe in hundert solcher Werke aufgespeichert liegt. Wie nicht alle Kinder geraten, so hat auch Jacobson unter den Erzeugnissen seines Geistes einige solcher Früchtchen aufzuweisen, die trotz aller Liebe, mit welcher seine väterliche Sorgfalt sie ausgestattet, die Gunst des Publikums nicht erlangen konnten und ihr verfehltes Dasein nur noch in den Theaterbibliotheken fortführen; bei weitem aber die größere Anzahl seiner Stücke fand allgemeinen Beifall. Kleine, hübsch erfundene und reizend durchgeführte Liederspiele, mit denen er Ende der fünfziger Jahre in Berlin debutierte, öffneten ihm den Weg auf alle Bühnen. Sein unversiegbarer Humor, seine scharf pointierten Kouplets, seine allerliebsten Lieder, in denen der Vers meist meisterhaft behandelt ist, machte ihn bald zu einem unserer beliebtesten Theaterschriftsteller. Es gab eine Zeit, wo die Berliner Theater ausschließlich durch Jacobson mit Possen und vSchwänken versorgt wurden und sein Name täglich auf allen Berliner Theaterzetteln zu finden war,“

Vor mehreren Jahren schrieb ich ein Buch über „Die größten und berühmtesten Soubretten des 19. Jahrhunderts“ und bat Eduard Jacobson um einen Beitrag für dasselbe. Er entsprach meiner Bitte und sandte mir unter dem 9. Mai 1890 eine längere Zuschrift, die ich hier wiedergebe:

„Seit 56 (unberufen) arbeite ich für die Bühne. Die dankbaren Soubrettenrollen waren sozusagen meine Spezialität. Für Ottilie Genée — ich war damals Mediziner im vierten Semester — schrieb ich den Schwank „Bei Wasser und Brod“ (noch heutigen Tages auf dem Repertoire), für Anna Schramm „Faust und Gretchen“. Beide Erstlingsarbeiten erschienen fast gleichzeitig, erstere auf dem Kroll'schen Theater, das damals der bekannte Lustspieldichter Görner leitete, letztere auf dem Friedrich -Wilhelmstädtischen (Dir. Deichmann), gefielen ausnehmend und erlebten ununterbrochen 40 bis 50 Wiederholungen. Im „Faust und Gretchen“ spielte Theodor Lobe, der ein Jahrzehnt später einer der besten Goethe'schen Mephistos war, den Faust. Meine nächste Arbeit war ein Einakter für Heimerding, „Verwandlungen“, der in dem damals eröffneten Königstädtischen Theater (Franz Wallner, „grüne Neune“ über 100 Aufführungen erlebte. Noch war ich mit Leib und Seele Mediziner, aber das Schicksal hatte es sich vorgenommen, aus mir einen Possenautor zu machen und es hat Recht behalten. Es folgten „Singvögelchen“, „Beckers Geschichte“, 1733 Thaler 22 ½ Sgr.“ etc. etc., Kleinigkeiten, die sämtlich noch heute beliebte Repertoirestücke sind. Ich dachte „ultra Posse nemo obligatur“ (der Scherz stammt ursprünglich von mir), hing, nachdem ich meinen Doktor gemacht, den heiligen Äskulap an den Nagel — und da hängt er heute noch. Den ersten abendfüllenden und, um mich eines jetzt beliebten Ausdrucks zu bedienen, sensationellen Erfolg hatte ich mit der Posse „500.000 Teufel“, die im Jahre 1862 auf der damaligen Meyselbühne, jetzt Friedrich-Wilhelmstädtisches Theater, in Szene ging und in ununterbrochener Reihenfolge 300 Aufführungen erlebte. Doch halten wir uns an die Soubretten. Mit Umwegen über die Mejo, Lina Mayr, Wollrabe, Stolle, Sophie König, gelangte ich endlich an die Wegner. Sie haben die Triumphe dieser gottbegnadeten Künstlerin mit erlebt und wissen, dass mein Name mit denselben eng verknüpft war. Sie spielte fast nur in meinen Stücken: „Der jüngste Leutnant“, „Die Lachtaube“, „Der Mann im Monde“, „Ebbe und Fluth“ etc. etc. Für die Gallmeyer habe ich direkt nie geschrieben, doch hat sie in einigen meiner Possen, die für Wien lokalisiert wurden, gewirkt. Für die Geistinger habe ich die Posse „Die Salontirolerin“ geschrieben, in der sie vor einigen Jahren im Belle-Alliance -Theater auftrat — zum letzten Male vor ihrem Scheiden von der Bühne. Das Stück hat sehr gefallen und füllte das ganze Gastspiel aus.

Couplets habe ich Hunderte geschrieben; sie sind grösstenteils ihrer Zeit sehr populär gewesen — jetzt versunken und vergessen, bis auf ein paar noch heute so populäre Refrains: „Glücklich, August, macht das nicht“, „Was meinen Sie, wie gesund ist das“, „Da werden Sie wohl kein Glück mit haben“ etc.

Auch einige Redensarten aus meinen Possen, wie: „Brillanter Witz, habe lange nicht so gelacht“, „Bange machen gilt nich“, „Immer 'rin ins Vergnügen“ etc. werden hier und da noch heute gehört.

Seitdem im Wallnertheater die Franzosen die deutschen Autoren verdrängt haben, arbeite ich für das Adolf-Ernst-Theater, wo ich in Gemeinschaft mit Leopold Ely in der vorigen Saison „Die junge Garde“ (ca. 150 mal gegeben), in der jetzigen den „Goldfuchs“ aufführen lies. Der Goldfuchs, der heute zum 90. Male startet, bereicherte mein Soubretten -Album um den Namen Anna Bäckers, die eine zweite Wegner zu werden verspricht.

Apropos! Eben erhalte ich einen Brief von Marie Schwarz — beinahe hätte ich sie vergessen. Sie hat namentlich in der von mir für Berlin bearbeiteten „Näherin“ von Ludwig Held im Wallnertheater sehr gefallen. Ich schickte ihr damals auf Wunsch mein Bild mit der Widmung:

Der liebenswürd'gen Näherin
Und — entre nous — Hebräerin.

Das nur beiläufig.“