Zwischen Elbe und Alster
Hamburger Novellen
Autor: Frapan - Akunian, Ilse (1849-1908) hieß eigentlich: Ilse Levien, Erscheinungsjahr: 1890
Neuaufgelegt: 1908
Neuaufgelegt: 1908
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Hamburger Hafen, Hammerbrook, Käsehökerkeller, Buchweizengrütze, Rothenburg, Deern, Großneumarkt, Mobilienhändler
Inhaltsverzeichnis
Leseprobe aus "Die Last"
Der neue Maschinenmeister in der Druckerei hatte seinen ersten Arbeitstag hinter sich; er lieferte die Schlüssel im Kontor ab und machte sich als letzter der Arbeiter auf den Heimweg.
In der chemischen Fabrik nebenan stand noch die Tür offen; sonst sah es in dem trüben Novemberzwielicht öde und tot aus auf der langen Hammerbrookstraße. Die hohen grauen nüchternen Häuser, entweder Speicher oder Fabriken, blickten mit ihren geschlossenen dunklen Fenstern und Türen philisterhaft mürrisch vor sich hin; in den Kellerwirtschaften warf das Licht noch kaum einen Schein durch die herabgelassenen Vorhänge. Die ganze lange dämmerige Häuserzeile, an deren fernem Ende eben die Straßenlaternen wie zitternde rötliche Punkte aufzuglimmen begannen, hatte ein heuchlerisch friedfertiges, unanfechtbares Aussehen, als habe sie eine besondere Abneigung gegen Trunkenheit, Faustkämpfe, Zusammenrottungen und Messerstiche und könne sich nicht erinnern, jemals so roher und wilder Szenen Schauplatz gewesen zu sein, wie sehr auch die Polizeiberichte das Gegenteil behaupten mochten.
Auf einer der vielen Brücken blieb der Maschinenmeister stehen, kopfschüttelnd und beklemmt über den düstern Anblick. Dunkles Wasser, das um schwarze Pfähle und verwaschene Mauern spülte, immer schattenhafter verschwimmende Häuser, unförmliche Klumpen, aus denen sich ein langer gerader Finger in die Höhe reckte, wie von einer plumpen geballten Faust, der Schornstein einer großen Fabrik –, dann wieder Brücken, wieder halbverschneite Kähne, wieder Häuser, und in weiter Ferne ein ganzer Wald von hohen Schornsteinen, gleich schlanken Palmenstämmen, über denen der Rauch, der in der schweren nebligen Luft stundenlang stehen bleibt, eine krause Blätterkrone bildete. Und das alles in chinesischer Tusche gemalt, in heller oder dunkler abgestuftem Grau, ohne einen Hauch von Farbe.
Ein Gefühl der Unbehaglichkeit schien den jungen Mann zu durchlaufen; er zog den Rockkragen in die Höhe und warf noch einen widerwilligen Blick in das schwarze Fleet, das leise gurgelte und die Strohbüschel und Papierfetzen, die darauf schwammen, kaum zittern machte. Dann zog er eine Zigarre heraus, setzte sie nach vielen vergeblichen Versuchen in Brand und schritt eilig weiter.
Das war nicht das Hamburg, von dem sein Onkel so viel Wesens gemacht hatte, das lustige, wohllebige, leichtsinnige Hamburg mit seinen guten Beefsteaks, seinen glänzenden Schaufenstern und den hübschen drallen Dienstmädchen. Vom Hammerbrook hatte sein Onkel nichts gewußt, ganz natürlich, der war ja noch vor dreißig Jahren ein sumpfiges Weideland gewesen, hatte ihm gestern abend sein Hauswirt erzählt.
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Der neue Maschinenmeister in der Druckerei hatte seinen ersten Arbeitstag hinter sich; er lieferte die Schlüssel im Kontor ab und machte sich als letzter der Arbeiter auf den Heimweg.
In der chemischen Fabrik nebenan stand noch die Tür offen; sonst sah es in dem trüben Novemberzwielicht öde und tot aus auf der langen Hammerbrookstraße. Die hohen grauen nüchternen Häuser, entweder Speicher oder Fabriken, blickten mit ihren geschlossenen dunklen Fenstern und Türen philisterhaft mürrisch vor sich hin; in den Kellerwirtschaften warf das Licht noch kaum einen Schein durch die herabgelassenen Vorhänge. Die ganze lange dämmerige Häuserzeile, an deren fernem Ende eben die Straßenlaternen wie zitternde rötliche Punkte aufzuglimmen begannen, hatte ein heuchlerisch friedfertiges, unanfechtbares Aussehen, als habe sie eine besondere Abneigung gegen Trunkenheit, Faustkämpfe, Zusammenrottungen und Messerstiche und könne sich nicht erinnern, jemals so roher und wilder Szenen Schauplatz gewesen zu sein, wie sehr auch die Polizeiberichte das Gegenteil behaupten mochten.
Auf einer der vielen Brücken blieb der Maschinenmeister stehen, kopfschüttelnd und beklemmt über den düstern Anblick. Dunkles Wasser, das um schwarze Pfähle und verwaschene Mauern spülte, immer schattenhafter verschwimmende Häuser, unförmliche Klumpen, aus denen sich ein langer gerader Finger in die Höhe reckte, wie von einer plumpen geballten Faust, der Schornstein einer großen Fabrik –, dann wieder Brücken, wieder halbverschneite Kähne, wieder Häuser, und in weiter Ferne ein ganzer Wald von hohen Schornsteinen, gleich schlanken Palmenstämmen, über denen der Rauch, der in der schweren nebligen Luft stundenlang stehen bleibt, eine krause Blätterkrone bildete. Und das alles in chinesischer Tusche gemalt, in heller oder dunkler abgestuftem Grau, ohne einen Hauch von Farbe.
Ein Gefühl der Unbehaglichkeit schien den jungen Mann zu durchlaufen; er zog den Rockkragen in die Höhe und warf noch einen widerwilligen Blick in das schwarze Fleet, das leise gurgelte und die Strohbüschel und Papierfetzen, die darauf schwammen, kaum zittern machte. Dann zog er eine Zigarre heraus, setzte sie nach vielen vergeblichen Versuchen in Brand und schritt eilig weiter.
Das war nicht das Hamburg, von dem sein Onkel so viel Wesens gemacht hatte, das lustige, wohllebige, leichtsinnige Hamburg mit seinen guten Beefsteaks, seinen glänzenden Schaufenstern und den hübschen drallen Dienstmädchen. Vom Hammerbrook hatte sein Onkel nichts gewußt, ganz natürlich, der war ja noch vor dreißig Jahren ein sumpfiges Weideland gewesen, hatte ihm gestern abend sein Hauswirt erzählt.
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