Verhältnisse zu Frauen

Man hat viel und oft von seinen Verhältnissen zu Frauen geredet; sie waren der Reiz seines Lebens; doch außer der Narischkin hat er nie eine öffentlich anerkannte Geliebte gehabt, und aller Glanz seines Thrones, all der Zauber seiner persönlichen Liebenswürdigkeit vermochten nicht, sie ihm treu zu erhalten, und er hat, gleich dem geringsten seiner Unterthanen, alle Bitterkeit und Schmach offenbar gewordener Untreue erlebt und durchempfunden. Er liebte die Narischkin schon in seinem sechzehnten Jahre und träumte den schönen Jugendtraum, einst seinen Thron mit ihr zu theilen. Katharinen blieb diese Liebe ihres Enkels nicht unbekannt; sie verheirathete die junge Czartoryska mit Narischkin und bezahlte zugleich seine Schulden unter der Bedingung, daß er seine Gemahlin aus Petersburg entfernen müsse. Sie ließ darauf die badischen Prinzessinnen nach Petersburg kommen und der siebzehnjährige Alexander wurde mit der Prinzessin Elisabeth verheirathet. Man konnte kein schöneres Paar sehen. Die Prinzessin war eine höchst reizende Blondine, blendend weiß mit zartem Rosenanflug, eine Nymphengestalt, Hals, Brust, Schultern, Hände wunderschön, große blaue Augen, graziös in allen ihren Bewegungen. Sie liebte ihren Gemahl und hat nur ihn geliebt bis zum letzten Hauch ihres engelreinen Lebens. Gram um ihn und um den Verlust ihrer Kinder (das älteste wurde ein Opfer von Paul’s Starrsinn, der unerbittlich darauf bestand, daß die junge Großfürstin ihm in einer rauhen Jahreszeit mit dem schon kranken Kinde, gleich dem übrigen Hofe, nach Pawlowsk folgen sollen auf der Fahrt dahin schlug das Scharlachfriesel bei dem Kinde aus, trat aber gleich zurück, und am folgenden Tage bluteten die Elternherzen bei der Leiche ihres Kindes) zerstörte ihre Gesundheit und das Klima verdarb ihren Teint; aber ihr blieb der Reiz einer edeln, zarten Gestalt, und man sah noch immer, wie schön sie gewesen war. Sie hat viel in dem fremden, kalten Lande gelitten, und das nicht blos durch den Kaltsinn ihres Gemahls, sondern auch durch Folge anderer Familienverhältnisse, die schwer auf ihr lasteten. Eine stille Wehmuth sprach aus ihren Zügen; ihr Lächeln war schwermuthsvoll, ihr Blick voll Seele und Gefühl, ihr Sprachton so sanft, daß sie Einem immer wie ein auf die Erde verbannter Engel vorkam. Den Glanz des Thrones hat sie nie mit Alexander getheilt; die Gemahlin des Herrschers über vierzig Millionen besaß in seinem ungeheuern Reiche nicht das kleinste Besitzthum, nicht eine Hand voll Erde, in der ihr eine Blume hätte wachsen können; sie hatte keinen Hofstaat, gab keine Feste, nahm keine Cour an, hatte eine der einfachsten Equipagen in ganz Petersburg, in der sie, nur von einem Bedienten begleitet, fuhr; doch vom Volke war sie angebetet und der Jubel laut und allgemein, wenn der Kaiser sich einmal an ihrer Seite dem Volke zeigte. Deutschland kann stolz darauf sein, dem russischen Reiche ein solches Musterbild edler, makelloser Weiblichkeit in seiner Kaiserin gegeben zu haben.

Die ersten Jahre ihrer Verbindung mit Alexan’der waren sehr glücklich; doch es gab eine Person, der zu viel daran gelegen war, daß Alexander’s Gemahlin nicht den ersten Platz in seinem Herzen ausfüllte, und diese Person stand so hoch, daß sie den allerentschiedensten Einfluß auf die Verhältnisse und die häusliche Lebensweise des jungen Paares hatte. Narischkin erhielt die Erlaubniß, mit seiner jungen Gemahlin nach Petersburg zurückkommen zu dürfen; diese zeichnete sich durch keinen glänzenden Verstand aus, ihr fehlte Tiefe des Gemüths; aber sie war liebenswürdig, hinreißend schön und besaß eine Grazie der Coquetterie *), die sie unwiderstehlich machte; der frühere Eindruck erneuerte sich, und wenngleich diese Liebe und die Oeffentlichkeit dieses Verhältnisses - die beiden Töchter, die die Narischkin dem Kaiser gebar, wurden auf seine Kosten erzogen und führten seinen Familiennamen Romanoff; die eine von ihnen starb schon als Kind - dem Engel, der den Namen seiner Gemahlin trug, trübe Jahre schuf und der dunkelste Schatten ihres freudenlosen Lebens blieb, so gereicht es doch dem Kaiser zur Ehre, daß dies Verhältniß ein rein menschliches blieb, ohne allen Einfluß auf ihn als Monarch und Regent. Elisabeth war zu tief verletzt, zu stolz und zu wahr, um sich in dieser Lage klug zu benehmen; sie erlaubte sich keinen Vorwurf, keine Klage und bestrebte sich, eine Gleichgültigkeit zu erkünsteln, die lange von ihrem Gemahl verkannt wurde. Sie liebte ihn zu innig, zu ausschließend, um sich mit dem Gedanken versöhnen zu können, sich mit seiner Freundschaft begnügen zu sollen; aber in seinen letzten, so sehr trüben Lebensjahren war sie sein einziger Trost, seine Vertraute, sein guter Engel. Alexander empfand es, wie schon erwähnt, sehr tief, als die Narischkin ihm während seines Aufenthaltes in Wien zur Congreßzeit untreu wurde; doch benahm er sich edel und großmüthig in dieser Lage, wo er sich als Mann schwer beleidigt fühlte und es als Monarch so ganz in seiner Gewalt hatte, sich an der Ungetreuen und dem ihm vorgezogenen Liebhaber zu rächen. In Beziehung auf ihn als Monarchen sind die Freundschaftsverhältnisse weit wichtiger, die er, vorzüglich in seinen ersten Regierungsjahren, mit bedeutenden Männern anknüpfte. Günstlinge hat er nie gehabt. Der Bruder seiner Geliebten, der Fürst Adam Czartoryski, war einst sein Freund und bis zu Alexander’s Tode im Besitz seiner Achtung. Doch das interessanteste Verhältnis dieser Art ist wol das, in dem Alexander einige Jahre mit dem Professor Parrot in Dorpat stand. Diesen lernte der Kaiser bei seiner ersten Anwesenheit in D. kennen, wo er den Auftrag hatte, ihn im Namen der Universität mit einer französischen Rede zu bewillkommnen. Der jugendliche Monarch warb um die Freundschaft des einfachen Privatmannes mit aller Begeisterung unentweihter Herzenswärme. Parrot machte es zur Bedingung ihres Verhältnisses, nie eine Gunst, nie eine Gnadenbrigung von seinem kaiserlichen Freund annehmen zu dürfen, und bestand auch darauf, daß ihr Herzensverhältniß durchaus vom Schleier des Geheimnisses verhüllt bleiben solle. Der Briefwechsel Alexander’s mit diesem seltenen Manne würde der Menschheit Ehre machen, wenn er je bekannt gemacht würde; aber man hat Ursache zu fürchten, daß dazu keine Hoffnung vorhanden ist. Alexander war ein warmer Freund, aber ein treuer Freund war er nicht, und wie könnte dies auch ein Fürst sein! Parrot blieb stark genug, um so wenig Günstling sein als es scheinen zu wollen, denn gewiß kein Sterblicher bezahlt sein Glück so theuer, als es der Günstling bezahlt. Der Sklave verkauft nur seinen Leib, der Günstling Alles, was ihn zum Menschen macht. Noch einmal, Alexander stand zu hoch, wenn nicht über seinem Volk und seiner Zeit, doch über seinen Hofleuten, um in diesen taugliche Werkzeuge zur Ausführung seiner Pläne finden zu können. Er hatte den reinsten Willen, sein Volk zu beglücken und Alles für seine Bildung zu thun, und bestieg den Thron mit dem festen Entschlusse, durch Weisheit, Milde und Aufklärung den Despotismus der russischen Regierung nach und nach aufzulösen und durch eine gesetzmäßige Verwaltung sein Volk allmälig einer höhern Bildungsstufe zuzuführen; doch Alles, was ihn umgab, arbeitete aus Vorurtheil, Wahn, Habgier und Herrschaft, aus misverstandenem Interesse und aus blinder Anhänglichkeit an das Hergebrachte und Gewohnte, ihn von seiner Höhe herabzuziehen. Die moralische Schlechtigkeit der Menschen, die Bestechlichkeit aller seiner Beamten, die Raubsucht der Höflinge nagten wie Geier an seinem edeln Herzen. Der Despotismus seiner Vorgänger hatte in dieser Sittenlosigkeit eine Stütze gefunden; ihm zehrte sie das innerste Lebensmark auf Dabei fehlte ihm die Heldenkraft, die wenigen edeln, dem Staat und ihm getreuen Diener gegen Kabalen und Intriguen zu schützen und sie auf ihrem Posten zu erhalten. Er hat in dieser Art einige Männer fallen lassen, von denen er es sich später nie vergeben hat, sie ihren Feinden preisgegeben zu haben. Dazu kam nun noch die Schwäche seiner Eitelkeit, zu fordern, jeder seiner Minister solle nur ein Werkzeug seines Geistes zu sein scheinen, die ihm vollends die Unterstützung raubte, deren er bedurfte, um der übermenschlichen Aufgabe, die er sich gestellt hatte, nicht zu erliegen. Der Kampf zwischen dem Guten und dem Bösen ist für den Erstern immer gefährlicher als für den Letztern; dieser gewinnt durch den Kampf selbst an Arglist und Gewandtheit, was er an Kraft verliert; der Gute dagegen verliert durch das zu häufige Reizen der Galle und des Unmuths an Milde und an Güte, was er an Festigkeit und Kraft gewinnt. Man denke sich die Zahl der Unglücklichen, Verfolgten und Bedrängten in Alexander’s unermeßlichem Reiche; sein Wissen darum, ohne helfen zu können; die Bosheit, die alle seine Entwürfe zum Guten verunstaltete und vergiftete; den Undank und die Treulosigkeit Derer, denen er so ganz vertraut hatte; die Haltlosigkeit, die ihm die Erfahrung gab, daß sich an das Beste, was er gewollt, gerade das Böseste und Unheilvollste gebunden hatte; das sich mehr und mehr in ihm entwickelnde Bewußtsein, seiner Aufgabe nicht gewachsen zu sein, und man wird begreifen, wie Herz und Geist unter der ungeheuern Last seines Schicksals zusammenbrechen und er sich selbst in den letzten Jahren seines Lebens so sehr unähnlich werden konnte. Das Herz blutet Einem, wenn man den Untergang dieses vortrefflichen Menschen bedenkt. Das schleichende Gift der diplomatischen Cabinetsluft, vorzüglich der östreichischen - von der Klinger zu sagen pflegte: wie in Tibet seit Jahrhunderten immer derselbe Dalai-Lama regiere, so in Oestreich seit Jahrhunderten auch immer derselbe Minister - sog ihm alle Lebenslust und alle Lebenskraft aus. Nie wäre aber Alexander in einen so entschiedenen Kampf mit dem Geist der Zeit gerathen, wenn Frau von Krüdener, und durch sie die Partei, deren Werkzeug sie war, sich seiner nicht so ganz bemächtigt hätte. Es ließ sich voraussehen, daß die enropäischen legitimen Herrscher nicht sonderlichen Gewinn davon haben würden, Napoleon einen Bourbon zum Nachfolger gegeben zu haben. Auf Cromwell folgte auch Karl der zweite; was aber der Erstere schuf, wirkt noch in England nach und konnte durch keine legitime Regierung wieder erschüttert werden. Jedes religiöse und politische System, zur Unterjochung der Menschheit gebildet, kann auf die Dauer nicht bestehen. Die freien, nie ganz zu unterdrückenden Geisteskräfte des Menschen tragen früher oder später doch unausbleiblich den Sieg davon. Der Widerstand zwingt ihnen überdem eine gefährliche Richtung auf und spielt die Herrschaft Leuten in die Hand, die solche Zeitumstände zu nutzen wissen. Kein Monarch ist so mächtig, daß er sich die öffentliche Meinung dienstbar machen kann; diese ist eine heimliche Behme, gewaltiger als je die auf rother Erde war. Unbestechlich und unsichtbar fällt sie ohne Form und Verhör ihre Urtheile, und doch dringen ihre Aussprüche in Schlösser und Hütten, in Paläste und Tribunen ein und siegen über Verstand und Unsinn, über Wahrheit und Lüge. Den Geist der Zeit kann man sich nur dadurch dienstbar machen, daß man sich an ihn schmiegt. Bekämpft man ihn, so wird er zum rachsüchtigen Dämon; gestaltet man die Dinge in seinem Sinne um, zum freundlichen helfenden Retter. Kein Monarch hat das Gewicht dieser Wahrheiten schmerzlicher empfinden und erkennen müssen als Alexander, der es furchtbar schwer gebüßt hat, sie verkannt zu haben.


Schon im Jahr l812 wurde der Kaiser durch seine damals sich entwickelnde unglücktiche Gemüthsstimmung bewogen, sich nach einer übernatürlichen Hülfe umzusehen. Er warf sich Jung-Stilling in die Arme; allein er fand bei diesem nicht, was er suchte, konnte es auch nach ihrer so höchst verschiedenartigen persönlichen Individualität nicht finden und wurde nun durch einen Brief der Frau von Krüdener an Fäulein von Stourdza, den man ihm in die Hände zu spielen wußte, auf diese aufmerksam gemacht. Die Partei, deren Werkzeug Frau von Krüdener war, hatte schon lange darnach gestrebt, sich des Kaisers zu bemächtigen, und jener Brief erweckte nun in dem Kaiser den Entschluß, sich der Frau von Krüdener anzuvertrauen. Diese wohnte l813 in der Nähe von Heilbronn, aber bei der Annäherung des Kaisers begab sie sich in die Stadt und erschien gleich bei seiner Ankunft unaufgefordert in seinem Vorzimmer, wo sie dem ersten Wolkonsky ein Empfehlungsschreiben übergab, nach dessen Empfange sie der Kaiser gleich einzuführen befahl. Bei dieser ersten Zusammenkunft war sie ganz die zürnende Prophetin, die erst den größten Monarchen der Zeit zerknirscht und weinend vor sich im Staube auf seinen Knien liegen sehen mußte, ehe sie seinem Wunsch und seinem Vorsatze, Buße für seine Sünden thun zu wollen, glauben schenkte und ihn durch die Hoffnung auf Begnadigung tröstete. Diese erste Zusammenkunft dauerte drei Stunden, und der Kaiser hatte, als Frau von Krüdener sich entfernte, ganz roth und dick geweinte Augen. Kaum war er auch am folgenden Tage in Heidelberg angekommen, als er an Frau von Krüdener schrieb und sie bat, zu ihm zu eilen, weil er ein dringendes Bedürfniß empfinde, sich mit ihr noch ausführlicher von seinem Seelenzustande zu unterhalten, und auf ihre Fürbitte bei Gott seine Hoffnung setze. Sie werden mich, schrieb er ihr, außerhalb der Stadt in einem kleinen Hause logirt finden; ich habe diese Wohnung jeder andern vorgezogen, weil ich im Garten derselben mein Panier, ein Kreuz, aufgepflanzt fand.

Fau von Krüdener leistete dieser Einladung sogleich Folge; sie bezog in Heidelberg ein am linken Ufer des Neckars gelegenes Bauernhaus, das nur einige hundert Schritte von der Wohnung des Kaisers entfernt war. Einen Tag um den andern kam nun Alexander regelmäßig des Abends um 10 Uhr zu ihr und verließ sie dann nicht vor 2 Uhr des Nachts. Diese Besuche wurden fortgesetzt, so lange das Hauptquartier in Heidelberg blieb. Frau von Krüdener war, dem Kaiser gegenüber, vom Anfang an eine verschmitzte, listige Betrügerin, die ihn durch vorgebliche Wunder und Geistererscheinungen zu täuschen suchte. Sie beruhigte ihn durch ihre Prophezeiungen und ihre vorgeblichen göttlichen Eingebungen über den Ausgang des Krieges und absolvirte ihn von seinen Sünden. Alexander’s Gesinnungen bewährten sich aber auch in dieser Verirrung als die edelsten; er suchte wahrhaft den Herrn und brachte Gott in Demuth alle Eitelkeit des Eroberers zum Opfer dar. Europa den Frieden zu schenken, war der Inbegriff aller seiner Wünsche, und er bereit, für das Wohl der Menschheit Alles zu thun. Am 25. Juni verließ er Heidelberg, und Frau von Krüdener traf erst den l4. Juli wieder mit ihm in Paris zusammen, wo der Kaiser seine gemeinschaftlichen Betstunden mit ihr gleich wieder begann und regelmäßig fortsetzte. Er wohnte im Palast Elysée Bourbon, dessen Garten an die elyseischen Felder stößt; Frau von Krüdener im Hôtel Montchenu, dessen Garten gleichfalls an diese Felder stößt und es dadurch dem Kaiser möglich machte, unbemerkt zu ihr zu kommen.

Es soll hier nicht genauer zergliedert werden, auf welche Art und Weise und durch welche Mittel es ihr und ihrem Anhange gelang, sich des Kaisers mehr und mehr zu bemächtigen. Zu den vielen Komödien, die zu dem Zwecke gespielt wurden, ihn zu überzeugen, daß er auf ihre Fürbitte eines besondern göttlichen Schutzes genieße, gehört auch die oft besprochene Vergiftungsgeschichte in Paris. Genug, man scheute keinen Betrug, man erlaubte sich jede Täuschung, jeden Frevel der Lüge, um das Netz fester und fester über ihn zusammenzuziehen und um Frau von Krüdener in seinen Augen die Heiligkeit einer von dem Heiland und dem heiligen Geiste inspirirten Prophetin zu geben.

Alexander’s Hingebung an den Einfluß, den Frau von Krüdener über ihn zu gewinnen wußte, war von bedeutenden Folgen für ganz Europa. Die Idee der heiligen Allianz ging von ihr aus; Alexander faßte sie in der Erhabenheit einer alle Völker der Erde mit christlicher Liebe umfassenden Verbrüderung auf; es lag ein Anklang seiner frühen schönen Jugendträume darin. Warum sollten nicht alle Herrscher, alle Völker übereinkommen können, sich als Brüder zu lieben und zu vertragen? Der Handel würde dann das allgemeine Gut dieser großen Gesellschaft werden, von der einige Mitglieder zu verschiedenen Confessionen gehören, alle aber sich zur christlichen Religion bekennen würden. Die Ausführung dieser Idee liegt in dem geheimnißvollen Dunkel, das die Ereignisse eines künftigen Jahrtausends deckte aber es ist ein erhabener Wahn, daß Alexander sich zu ihrer Ausführung berufen glaubte. Die drei Monarchen besprachen die heilige Allianz unter sich, ohne Zuziehung ihrer Minister; Hardenberg erhielt die erste Nachricht davon durch seinen Leibarzt, den Doctor Koreff, den Frau von Krüdener damit bekannt gemacht hatte. Welche Fessel für Alexander man aber später aus dieser Allianz zu schmieden verstand, bedarf keiner Auseinandersetzung; es ist bekannt.

Von der furchtbarsten Wirkung auf den Kaiser war es, als der Nimbus, in dem er Frrau von Krüdener**) sah, verschwand, und er es einsehen mußte, welch ein frevelhaftes Spiel man da mit ihm getrieben hatte, wo er Heiligkeit und göttliche Eingebung angebetet hatte. Ach, noch einmal sei es wiederholt, wenig Menschen sind auf Erden so ganz, so unaussprechlich unglücklich, wie der edle, großsinnige Alexander es in seinen letzten Lebenjahren war. Was sein Herz völlig brach, war der Verlust seiner Tochter, der Gräfin Romanoff, die in ihrem siebzehnten Jahre als Braut des reichsten Privatmannes in Europa, des Fürsten Scheremeteff, eines Mündels des Kaisers starb. Auch sie wurde ein Opfer des Aberwitzes und der Täuschung. Die Aerzte hatten das zarte, dem Kaiser in seiner Jugendschöne sprechend ähnliche Mädchen in ein milderes Klima gesandt, weil sie an der Brust litt; aber auf das Geheiß einer Clairvoyante, mit der man sie in Paris in Rapport setzte, wurde sie nach Petersburg zurückgebracht, wo ihr Verlobter sie nach der Vorschrift jener Clairvoyante magnetisirte, die von dieser Behandlung gänzliche Genesung verheißen hatte. Sie starb am Morgen des Tages, wo ihr corbeille de mariage aus Paris anlangte, und man kann wol sagen, daß Alexander’s Leben von dem Augenblicke an, wo er die Nachricht ihres Todes erhielt, nur noch ein langsamer schmerzensvoller Todeskampf bis zu der Stunde blieb, die seinem edeln Geist die Fittige lösen und dieser der Heimat zueilen sollte, wo ihm nicht nur ein milder Spruch aus dem Munde des Richters und Verzeihung für menschliche Schwäche, sondern auch gewiß der Lohn für sein reines Wollen, seinen ernsten Kampf und für die unzerstörbare Güte seines Engelherzens erwartete.



*) Als im Jahre 1808 der König von Preußen mit seiner Gemahlin nach Petersburg kam und der ganze Hof am Tage ihrer Ankunft in höchster Pracht zu ihrem Empfang versammelt war, erschien die Narischkin ganz einfach, in weißen Crepp gekleidet, Haar und Brust mit einem Strauß von Vergißmeinnicht geschmückt. Nie hat man sie schöner gesehen als an diesem Abend!



**) Es ist, so viel ich weiß, wenig beachtet worden, daß Frau von Krüdener ihren Uebertritt zur katholischen Kirche bekannte und als Katholikin die letzte Oelung erhielt. Warum und wo dieser Uebertritt stattgefunden hat, ist nie bekannt geworden. Allein in dem Jahrgange des Morgenblattes ihres Todesjahrs finden sich Nachrichten über ihre letzten Lebenstage, die ich einem damals in der Krimm lebenden Freunde verdankte, der sie in der letzten Zeit ihres Lebens oft gesehen hatte.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Zwei Jahre in Petersburg