Dethleffs, Sophie [1809-1864] Hamburg

Wie nun die Gaben der Meyer'schen Muse vorzugsweise im Volk beliebt von Mund zu Munde gehen, so leben unter den Kindern im Gesange die hübschen Gedichte der Sophie Dethleffs [1809-1864]. „De Fahrt na de Isenbahn; — de ole Perseptersche; — Hund an Katt“ und andere beanspruchen doch ein gewisses Interesse, wenn sie auch mit Groths Quickborn sich nicht messen können; sie sind hier nicht so ergreifend und dort nicht so schalkhaft wie diese; vielen fehlt oft Schwung und poetische Grazie.

Bei weitem sang- und klangreicher tönen uns aus dem Tempel der plattdeutschen Muse die Lieder einer anderen, leider unbekannten Sängerin A. W. entgegen, zu deren Herausgabe unter dem Titel: ,,En por Blomen ut Anmariek Schulten ehren Goren“ sich F. Reuter veranlasst fand. Ihre Gedichte sind einfach, ohne gerade gedankenreich zu sein, doch herzlich und naiv. Die Dichterin spiegelt sich darin ab, wie sie ist. wie sie denkt und empfindet, wenn die schreckliche Krankheit, welche schon seit Jahren ihren Geist so sehr zerrüttet hat, die sie fern hält von ihrem an häuslichem Segen reichen Kreise, und sie außer Stand setzt, den Pflichten als Gattin und Mutter zu genügen, einmal nachlässt. und qualfreie, lichte Momente ihr ein klares Denken gestatten. Obwohl einem unglücklichen Herzen entquollen, verraten doch ihre Dichtungen niemals eine krankhafte Stimmung, sondern nur Ergebung in den Willen des Himmels. Wenn wir die ganze Reihe ihrer Poesien betrachten, wie sie betrachtet werden müssen, das heißt mit Innigkeit, so finden wir überall in ihnen einen milden und doch kräftigen, in sich selbst vollkommen einigen, beschlossenen Geist, ein freies, tiefes Gemüt, ein edles, zartbesaitetes Frauenherz, das sich selbst unter den schrecklichsten Leiden einen bisweilen gar heitern Sinn bewahrt. Ihrem kindlichen, frommen Herzen ist jene tiefe Ruhe und Gelassenheit geblieben, die wir als das Eigentum des Siegers über sich selbst und seine Leiden und durch sich selbst anzusehen haben, eine Ruhe und Klarheit, in der allein das Schöne gedeihen mag. Zu den schönsten Gedichten zählen wohl die meines Albums: „Lütt Hans, Still! — Keine dörf dat weiten; — dei arme Burdirn; — Pass up“, herrliche, liebliche Blumen aus dem Garten der plattdeutschen Muse. Ihre Naturgesänge, in denen die plattdeutsche Dichterin in schmucklosester Natürlichkeit aus vollem Herzen sang, ohne irgend eine Einwirkung von Außen, sind ihr ausgezeichnet gelungen; die Dichterin überließ sich nur ihrem Naturgenius. Daraus strömte der überraschende Reichtum an neuen Bildern, das Feuer ihrer Empfindungen; daher der echte deutsche Charakter ihrer Sprache, die sie aus der lebendigsten Quelle aller Sprachschönheit, aus dem Volke selbst, schöpfte.


Die Verfasserin ist offenbar ein eminentes Talent, dem selbst Groth seine Anerkennung nicht versagen kann, wenn er in seinen Briefen über Hochdeutsch und Plattdeutsch folgendermaßen urteilt: „Der Geist, in dem das Buch geschrieben, wie die Form in die er sich gekleidet, sind ansprechend, sind anmutig. Die Frau schreibt einfach, wie ihr ums Herz ist und schreibt das so treuherzig, wie man es nur im heimlichen Stübchen der Mutter, dem Liebsten, dem Kindchen, oder dem Vater dort oben aussprechen kann; es ist immer, wie Kosen oder Gebet, oft auch das herzliche Lachen oder Weinen, wie es das vertraute Ohr gewohnt ist. Sie künstelt sich nirgends erst einen Geist oder ein Gefühl oder eine Stimmung an, weder eine hohe, noch eine rohe, um dann dafür mühsam Worte und Reime zu suchen, aber sie hat Geist und Gefühl und spricht sie aus oft tief erschütternd.“