Die Juden, die Messen, die Fugger und Welser

In Mitte all dieser Handelszustände machten sich hauptsächlich die Juden selbsttätig oder vermittelnd geltend. Ihr Gewinn war sehr groß, aber auch mit ihrer ganzen Existenz, so zu sagen, nie eine Stunde sicher. Es möchte Leben und Weben, Gefahr und Untergang und neues Auftauchen der Juden im Mittelalter Gegenstand einer oft düsteren, oft farbenreichen Darstellung werden können. Hier kann vor der Hand nur angedeutet werden, dass sie ihrer Religion und ihres Gewinnes willen verhöhnt und verflucht, doch stets wieder gesucht wurden, sich auch zeitweise einiger Gunst einzelner Kaiser, wie Kaiser Karls IV., noch mehr Max I. zu erfreuen hatten, während Andere, wie namentlich Wenzel, sich schonungslos gegen sie verhielten und beispielsweise Letztgenannter auf dem Tage zu Nürnberg 1390 mit einem Schlag alle Stände des Reichs von allen Schulden los und ledig sprach, welche sie an die Juden zu zahlen gehabt hätten. Alle Verschreibungen mussten eingeliefert werden und wurden vernichtet. Wie weit Hass Gegenhass, Druck Verzweiflung und Rache erzeugt haben mag und muss, und wie viele Beschuldigungen wahr oder minder wahr gewesen sein mögen, welche man auf die Juden häufte — die Verfolgungen und die Rache, welche man an ihnen ausübte, waren oft schauderhaft. Zu verschiedenen Zeiten, von der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts an, wurden sie unter meist stereotyper Anschuldigung, Hostien auf Schleichwegen erhandelt und geschändet, Christenkinder geraubt und ermordet, Brunnen vergiftet zu haben, und so mehr, überfallen, mit dem Schwert ermordet, oder in ihren Synagogen, wie auf Angern oder Kirchhöfen verbrannt. Sehen wir ab von diesen düstern Bildern, und bemerken wir, dass die Zinsensehnsucht allerdings nicht gering war, die ewige Gefahr des Kapitalverlustes aber die Höhe der Zinsen begreiflicher macht; und es kann nur gerecht sein, zu wiederholen, dass es die Juden nicht allein waren, welche Zinsdruck ausübten, sondern auch Andere, jene Lombarden, welche durchweg Christen waren, sich als Geldwechsler und Verleiher in den verschiedenen Städten, zumeist unter dem Namen Gewerkschen aufhielten und allen Donnern des Papstes zum Trotz so hohe Prozente nahmen, wie die zinsgierigsten Juden.

In welcher Weise mit dem Wachstum des Handels die Ausbildung der das Leben verschönernden Künste und Gewerke, namentlich der bürgerlichen Baukunst, dann der Goldschmiedekunst, Bildschnitzerei u. s. w. Hand in Hand ging, soll an einer andern Stelle gezeigt werden.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Zur Geschichte des Handels