Die Hanse

Der zweite, freilich noch viel bedeutsamere Bund zur Abwehr von See- und Landräubereien war – die Hanse. Hamburg und Lübeck gründeten denselben im Jahre 1241, ohne dass jedoch die genannte Bezeichnung mit eingeführte wurde. Vielmehr kam dieselbe erst nach ein paar Jahrzehnten auf und bedeutet soviel als Handelsgilde. Hamburg und Lübeck leisteten sich bald die trefflichsten Dienste, indes kam Letzteres schon Anfangs zu größerem Einfluss und war es hauptsächlich, welches dem Bunde eine vielseitigere Teilnahme erwirkte. Vor Allem trugen dazu früheren und späteren merkwürdigen Taten des Lübeckers Alexander von Soltwedel bei, welcher unter Anderem eine die Trave blockierende dänische Flotte schlug, zur Genugtuung für Vergewaltigungen an lübischen Kaufleuten Kopenhagen eroberte und plünderte, Stralsund verbrannte und unter vielen weiteren kühnen Taten in Abwehr und Angriff die deutsche Herrschaft im nordischen Meere zur Geltung brachte. Viele Städte suchten nun Verbindung mit Lübeck anzuknüpfen, voraus Braunschweig, wo sich die Hauptniederlage der aus Italien und aus dem deutschen Reich selbst kommenden Waren befand, sodann auch in wendischen Landen und im deutschen Ordensgebiet. Auch Breslau und Krakau schlossen sich an. Die Gelegenheit zur Erprobung der Stärke des Bundes bot sich fortlaufend; später besonders wieder bei den Angriffen des norwegischen Königs Erich II., wie in den Fehden mit Waldemar III. von Dänemark.

Wir glauben auf mindest Eines der Art näher eingehen zu sollen, um die Wucht der hanseatischen Kraft besser zu kennzeichnen. König Waldemar, erbittert über die Anleitung der Hanse, erteilte den Städten Lund, Malmoe und anderen wichtige Handelsvorrechte in Dänemark und überfiel bald darauf die Stadt Wisby, welche auf Gothland liegt. Diese war eine sehr wichtige Hansestadt und hatte schon längere Zeit an den Tag gelegt, dass sie mit Hilfe der Gesellschaft dem König den Krieg zu erklären gesonnen sei. Dies erfolgte auch, und Waldemar suchte seine Feinde rasch zu demütigen. Er eroberte die Stadt Wisby, machte große Beute, und bei den weiteren Vorfällen erlitten die Mitglieder verschiedener Hansestädte große Verluste an Warenvorräten. Die Folge war, dass eine hanseatische Heeresmacht im Verein mit mehreren Fürsten einen Angriff machte, und obschon ihnen etliche Schiffe im Öresund verbrannt wurden, doch dein König durch eine Reihe von Siegen und Verwüstungen so ziemlich bewiesen, dass es sich um keine geringe Feindesmacht handle. Es erfolgte dann ein Friedensschluss. Aber der Friede war nicht von Dauer, worauf der eigentliche hanseatische Krieg ausbrach. Die Kriegserklärung fand auf Lübecks Veranlassung zu Köln in allgemeiner Versammlung statt, und der bewusste Schaden bei der Plünderung von Wisby gab wieder den Vorwand. Das Erstaunen Waldemars mag nicht gering gewesen sein, da er mit einein Mal sieben und siebenzig Kriegserklärungen in Empfang nahm, von Seite wendischer, pommerscher preußischer, inländischer, sächsischer, westfälischer, klevischer, niederländischer und anderer Städte. Wiewohl nun Waldemar aus früherer Zeit gute Lehren hätte ziehen können, so mochte er doch das größere Gewicht auf die Gewalt der Fürsten gelegt haben, als auf die mit ihnen verbunden gewesenen Städte, von denen ihm namentlich im jetzigen Fall viele sehr weit entlegen und sehr unbedeutend zu sein schienen. Er empfand also zwar Groll über den Hochmut der Kriegserklärung, befürchtete aber nichts Bedeutendes und spottete deshalb, und zwar so wegwerfend, dass die Städte, welche den Schimpf erfuhren, vor Begierde entbrannten, ihm nebst der Lösung ihres Wortes auch die Strafe für seinen derben Hohn angedeihen zu lassen. Die südseeischen Städte rüsteten eine große Flotte aus, verwüsteten einen beträchtlichen Teil von Dänemark, und die ostseeischen folgten ihrem Beispiel. Die Verlegenheit des Königs wuchs aufs Höchste, so dass er endlich, um dem Untergang zu entrinnen, Alles aufbot, zuerst die Städte Lübeck, Wismar, Rostock, Stralsund, Greifswald, Stettin, Kiel und andere zu beschwichtigen, welche, nur ihrer notwendigen Unterwerfung unter die Beschlüsse der Gesamthanse wegen, am Krieg Teil genommen hatten. Ein Beweis der inneren Gewalt des Bundes. Sie bekamen zur Beschwichtigung das Handelsrecht in Dänemark, die ganze Heringsfischerei an den schottischen Küsten und die völlige Gerichtsbarkeit über ihre hanseatischen Bediensteten in Dänemark; selbstverständlich wurden alle Gefangenen freigegeben. Diese und andere Vorteile brachten den Frieden zu Stande, und die südseeischen Städte, welchen nicht geringere Rechte eingeräumt werden mussten, ließen sich endlich auch zur Einstellung der Feindseligkeiten und zum Frieden herbei.


Es geht aus diesem Allem hervor, dass die Hanse nicht auf zufällige Werbungen von Soldirern [Söldnern] angewiesen war; vielmehr hatte sie ein bleibendes, bedeutendes Kriegsheer, welches aus Kontingenten bestand — Reitern und Fußknechten. Diese warb jede treffende Stadt auf ihre Kosten, ernährte sie im Frieden in ihren Grenzen und schickte sie im Kriegsfall zum Gesamtheer. Die Anführung ward je einem kriegserfahrenen Grafen oder Ritter übergeben, welcher besoldet wurde, aber den Kaufherren und beziehungsweise Bürgern streng gehorchen musste. Die Ritter entschädigten sich aber später dafür; denn durch die Verheiratung mit Töchtern ihrer Mandanten, oder durch alleinigen Eintritt in das Bürgerrecht der Stadt reihten sich solche Führer scheinbar an die Bürger, hatten aber doch einen Vorzug, welchen sie ihren späterhin Gesippten allmählich mitteilten, und so waren alle diese ein neuer Zuwachs zu den sogenannten Städtegeschlechtern, welche nach und nach das Regiment der Stadt in die Hand bekamen, andererseits, namentlich in den Seestädten, den Großhandel und die Seefahrt allein in Beschlag nahmen.

Wir haben einigermaßen der Zeit vorgegriffen und noch einmal zurück zu blicken. Der Wert der oben angedeuteten, vereinten Kräfte bekundete sich schon bald nach dem Beginn der Hanse so bedeutsam, dass sich ziemlich rasch Stadt um Stadt anschloss und die Zahl der Bundesmitglieder in nicht zu langer Zeit auf die Zahl von circa achtzig stieg. Bei alledem gab es noch immer keine regelrechte Zusammenkunft. Die erste bedeutende der Städtevertreter zur völligen Organisation des Bundes fand seiner Zeit in Köln statt, woselbst erst aus dem Wert des schon Geleisteten und der Erfahrung auch der völlige Gesichtskreis der Aufgabe im Einzelnen noch näher und bestimmter als früher sich kundgab. Hauptzweck war aber Schutz und Ausbreitung des Handels im Großen, vorzugsweise des fremden, durch gegenseitige Zollfreiheit, Erwerbung von Marktmonopolen in gewissen Ländern, wechselseitige Verteidigung und Sicherung der Land- und Wasserstraßen und Aufrechthaltung eines Schieds- und Strafrichteramtes bei Streitigkeiten der Mitglieder unter sich oder mit Fremden. In letzter Beziehung erscheint Anfangs bald Lübeck, bald Köln tätig, schließlich behielt aber Lübeck sein schon ursprüngliches Übergewicht, und es befanden sich in dieser Stadt das Archiv, die Kanzlei und die Bundeskasse.

Die beiden so großartigen Vereinigungen des rheinischen Städtebunds und der Hanse standen zu ihrer Zeit einzig in ihrer Art da. Im Süden Europas z. B. blühten alle die bekannten Handelsstaaten ersten Ranges, wie Genua, Venedig, Pisa, Portugal, mit denen die Hanse sehr wichtige Handelsverbindungen unterhielt, ein jeder gesondert für sich, ja in Feindschaft unter einander. Wir finden bei letzteren daher auch den individuellen Unternehmungsgeist in oft wunderbaren Geschäfts- und diplomatischen Reisen hervorragender ausgebildet, als bei den nordischen Bündnissen. Wer kennt nicht die Entdeckungsreisen des Venetianers Marco Polo (1254-1323), des ersten Europäers, der in das Innere Ost-Asiens, sowie Afrikas einzudringen wagte! Sie füllen für jene Zeiten, neben den kühnen Unternehmungen des Seigneurs de Béthencourt, welcher von Spanien aus (1402) die Kanarischen Inseln eroberte und kolonisierte, und der ihm folgenden langen Reihe von Konquistadoren, ein rühmliches Blatt in der Handelsgeschichte der romanischen Nationen.

In den folgenden Jahrhunderten nahm aber die Kraft der Hanse und ihre innere und äußere Bedeutung ab, und schließlich löste sich der Bund völlig auf. Ein berühmter Kenner der alten Zeiten bezeichnet die Gründe des Verfalls der Hanse mit den Worten: „Mit der Entstehung des deutschen Kolonialsystems erfolgte auch der Sturz der Hanse. Seit die nordischen Staaten selbständiger wurden, verloren auch die Hanseaten ihre Privilegien in den verschiedenen Bezirken, England und vornehmlich Niederland traten als ihre Nebenbuhler auf, ihr Bund passte nicht mehr in den veränderten Zustand Deutschlands, eine Stadt nach der anderen trat von demselben ab, Wiederherstellungsversuche misslangen und im Jahre 1669 wurde die letzte Bundesversammlung gehalten.“

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Zur Geschichte des Handels