Erste Fortsetzung

Treu an der Seite des Staufers Friedrich ziehen die Kölner Gewinn aus der Freundschaft zwischen dem Kaiser und dem ersten Plantagenet in England. Es ist kaum fraglich, ob das Schreiben König Heinrichs II vom Herbst 1157, das Sicherheit für den Handel verspricht, von den Untertanen des Kaisers zunächst die Kölner im Auge hat. Denn ohne Zweifel zu gleicher Zeit gewährt er ihnen eine Vergünstigung beim Weinhandel, nimmt er sie an Gut und Habe in seinen Schutz und gelobt er weder von ihrem Hause zu London noch von den Kaufwaren eine neue Steuer zu fordern, wenn die alte in rechter Weise geleistet wird. Es sind aber nicht die Kölner allein, die deutsche Waren, besonders den hoch geschätzten Rheinwein, im englischen Lande absetzen und von dort die Erzeugnisse des Bodens und der Industrie in die Heimat führen. Unverändert nehmen die Handelsschiffe der andern genannten Städte ihren Kurs nach den Küsten der Insel: ein neuer Freibrief für Quedlinburg ist ein deutliches Zeichen und der Handel von Utrecht nach England lässt sich durch Urkunden belegen. Es ist gewiss, dass Genossenschaft und Haus der Kölner die Kaufleute vom ganzen Niederrhein, von Friesland und von Sachsen umfasste; als die mächtigste unter den deutschen Städten, die in London verkehrten, besaß Köln die Leitung, gab es der Vereinigung den Namen der Gilde und sammelte es die Heimatgenossen in seiner Halle; nahe standen ihm die Bürger von Tiel und seiner Führung folgten wohl auch die Bremer, die schon im Anfang des 12. Jahrhunderts im englischen Handel begegnen. Mit neuen Freiheiten beschenkt konnten die Kölner, denen die Treue gegen die Welfen die Gunst der Könige Englands eintrug, in der Folge nicht mehr der Stellung sich rühmen, die ihnen das Privileg König Richards bereitet. Den Erlass der Steuer von ihrer Gildehalle, den ihnen Richard 1194 gewährt, hat sein Nachfolger zwar im Jahre 1210 bestätigt, allein schon damals scheint die Vernichtung dieses Vorrechts angebahnt zu sein. Da er die Karte seines Bruders wiederholt, gibt König Johann die gesamten Handelsgerechtsame den Kölnern nur unter dem Vorbehalt der Freiheit Londons3) und nach drei Jahren wird diese Bedingung erneuert; in der Magna charta von 1215 ist dann jedem Kaufmann der Handelsverkehr gegönnt, doch gegen Leistung der alten und rechten Spendens), und nach einem halben Jahrhundert beträgt die Steuer der Kölner bereits mehr als das Doppelte des ursprünglichen Satzes. Zu diesem Wechsel tritt die Gestaltung der Dinge im Osten.

Es liegt nicht fern die Niederlassungen der Holländer und Flamländer hier anzuziehen. Vereint mit Westfalen und Friesen bebauen sie das Land im inneren Deutschland und dringen sie seit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts in die norddeutschen Marken vor. Im holsteinischen Wagrien, in der Altmark, in Meissen und Anhalt, in Brandenburg und Sachsen, in Mecklenburg, Lauenburg, Pommern haben sie auf der Grenze des 12. und 13. Jahrhunderts den ländlichen Boden inne; im Tuchwirken und in dem Wollengewebe waren sie die Lehrer der Deutschen, im Braunschweigischen und an der Elbe treten sie als Meister auf*). Durch ihre Einwanderung wird der gesamte Osten dem reiferen Westen näher geführt. Aus diesem Anlass scheinen die Beziehungen zu Holland und Flandern sich zu beleben, die Verbindungen eine leichtere Form zu gewinnen. Der Weg über den Kanal war dann unschwer zu finden.


*) n. 212 Anm. I, vgl. Hänselmann in der Einleitung zu Chroniken der Deutschen Städte 6, Braunschweig.

Die zahlreichen Geleitsbriefe aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, die uns von den Königen Englands erhalten sind, lassen die Herkunft der Empfänger erkennen. Voran stehen die Flandrer aus Gent, Brügge, Ypern, Aardenburg, Lille, Arras u. s. f.. Ihnen folgen die Kölner in gewohnter Weise, mit ihnen die Händler aus Achen. Schiffe aus Dordrecht und Utrecht, aus Stavoren, Groningen, Emden und Bremen legen an der jenseitigen Küste an. Früh begegnen auch Sachsen von der unteren Elbe und vom Binnenlande, aus Hamburg, Stade, Lüneburg und Braunschweig; es fehlt nicht an Andeutungen auf den überseeischen Verkehr der märkischen Städte*), besonders Stendals, Salzwedels und Magdeburgs.

So erweitert sich der Kreis, der in London seinen Mittelpunkt hatte. Noch steht aber Köln an der Spitze, es empfängt Freibriefe für den Besuch der englischen Märkte und 1235 wird ihm der Besitz der eigenen Gildehalle von König Heinrich III unter dem bekannten Vorbehalt bestätigt. Von einer andern Genossenschaft ist noch keine Rede und in der Tat verschwindet, wie Nitzsch bemerkt**), der deutsche Kaufmann hinter dem kölnischen.

Der Umschwung, der sich bereits lange vorbereitet, wurde von Lübeck herbei geführt. Die Urkunden lehren, dass er den gesamten Städten Norddeutschlands zu gute kam***).

*) Vgl. n. 277 Anm. 2.
**) Nordalbingische Studien in den Preuss. Jahrbüchern 1875 S. 79.
***) Vgl. auch die Andeutung bei Nitzsch a. a. O..


Dass unter den Deutschen auf englischem Boden schon gegen das Ende des 12. Jahrhunderts auch Bürger von Lübeck gewesen, wird nicht zu bezweifeln sein. In dem ersten Viertel des neuen Jahrhunderts muss ihre Zahl erheblich zugenommen haben: so erst sind sie den Kölnern unbequeme Genossen geworden. Sie beklagen sich bei Kaiser Friedrich II über die Behinderung ihres Verkehrs nach England durch die Kölner, Tieler und deren Anhang, die unerlaubte Gebräuche und neue Steuerlasten gegen sie ersinnen. Bei Verleihung der Reichsfreiheit im Jahre 1226 schenkt er ihnen Gehör; unter scharfem Tadel des Verhaltens der rheinischen Städte erteilt er den Bürgern von Lübeck das gesamte Recht und denselben Rang, den die Kölner und Tieler und deren Genossen zu London mit Fug für sich in Anspruch nehmen. Diese Errungenschaft zeigt unmittelbare Wirkungen; ein höherer Schutz, als ihnen bis dahin geworden, wird nun den Niedersachsen zu Teil. Den Untertanen Herzog Ottos von Braunschweig*) wendet König Heinrich III den Genuss seines Friedens zu und Schutz für den Zug mit Gut und Waren, in so fern sie den Regeln des Fremdenverkehrs sich fügen, und 1238 haben Lübeck und andre deutsche Städte ein neues Privileg empfangen. Freundlich und günstig will der englische Herrscher ihnen begegnen, er befreit sie vom Strandrecht und bestätigt ihnen die herkömmlichen Gebräuche und Vergünstigungen, in deren Besitz die Kaufleute Deutschlands zur Zeit seiner Vorfahren gewesen. Unlängst waren auch die Kaufleute Gotlands mit den Beweisen königlicher Huld bedacht. Deutlich spricht sich in diesen Vorgängen der Umschwung der Verhältnisse aus: die Alleinherrschaft Kölns ist beseitigt und der Genossenschaft unter kölnischer Führung steht ein Kreis deutscher Städte unter der Leitung Lübecks gegenüber. Einer neuen Gilde oder Hanse wird noch nicht gedacht, tatsächlich aber regt sich innerhalb der Gesamtheit der Deutschen eine Partei, die der alten Lage der Dinge widerstrebt. Neue Elemente zieht sie heran und mit den Kaufleuten des Ostens, mit den Städten Braunschweigs und Westfalens vereint bewegt sich der Bürger aus Lübeck in England. Wie die Flandrer, insbesondere Gent, Ypern, Brügge, so haben Groningen in Friesland und Hamburg und Lübeck in der Folgezeit mehr als eine Zusicherung des Schutzes im englischen Reiche davon getragen, die Wahl Richards von Cornwallis zum römischen König wurde in dieser Richtung ausgebeutet.

*) Wohl das Land, nicht die Stadt allein ist gemeint. Vgl. auch Hänselmann in den Hans. Geschichtsblättern, Jahrg. 1873 S. 15.

Wir gehen kaum fehl mit der Annahme, dass die deutschen Dinge daheim ihre Wirkung auf den Wettstreit in der Fremde geübt. An Lübeck gehen sie fast spurlos vorüber; dort bleibt die Aufmerksamkeit an erster Stelle den auswärtigen Angelegenheiten gewidmet. In Köln aber toben seit Jahrzehnten Kämpfe, deren Schläge weit zu vernehmen sind. Die Zwietracht zwischen der Stadt und ihren Herren, vornehmlich mit Erzbischof Konrad von Hochstaden, die Parteiungen in der Gemeinde, die Fehden mit Fürsten und Herren, welche die Stadt in das Getriebe der Territorialpolitik verwickelten, scheinen die Anspannung der Kräfte nach außen bedenklich erschwert zu haben. Zu dem wurde der Blick durch die Teilnahme am Bund der oberrheinischen Städte (1255) nach einer andern Seite gelenkt.

Eine neue Stufe der Wandlung ist in dem Freibrief König Heinrichs von 1260 zu sehen. Die Kaufleute Deutschlands sind hier die begünstigten, jene zwar, wie es in der Urkunde heißt, welche ein Haus zu London besitzen, das die Gildehalle der Deutschen genannt wird. Und um dieselbe Zeit wird in einem andern Dokument abermals der Gildehalle der Deutschen gedacht und eines Aldermanns der Kaufleute von Deutschland, welche das englische Reich besuchen. Jetzt, dürfen wir sagen, ist die anfängliche Lage in ihr Gegenteil verkehrt: die Kölner sind in den Hintergrund getreten und haben ihren Nebenbuhlern die Leitung übergeben müssen. Auf friedlichem Wege ist es nicht geschehen; die Tatsachen sind als das Ergebnis eines langen und heftigen Wettstreits zu fassen. Man übersehe nicht, dass das Original jenes Freibriefs in das Archiv der Stadt Lübeck gelangte, dass es später für ein allgemein hansisches Privileg galt, wie die nach Soest und Wesel mitgeteilten Abschriften beweisen, und dass in der späten Kopie, die das Archiv von Köln aufbewahrt, eine bedenkliche Interpolation sich vorfindet. Bezeichnend ist auch die kurze Randbemerkung des kölnischen Stadtschreibers, der die zweite genannte Urkunde eine geraume Zeit nach ihrer Ausstellung in das städtische Privilegienbuch eintrug, seinen Mitbürgern dabei den ersten Rang zuwies. Man sieht: die Ansprüche sind nicht aufgegeben, sie laufen aber den Tatsachen zuwider. Über die Hanse Kölns in der englischen Stadt hat sich eine allgemeine deutsche empor geschwungen. Die ältere besteht auch in der Folge noch, nicht mehr aber als das ganze, das sie früher gewesen, sondern nur als ein Teil einer größeren Einigung, der sie sich fügen muss.

Die weitere Entwicklung bestätigt die Auffassung des Wettstreits, welche den Rückgang des kölnischen Einflusses betont.

In der Versammlung zu Kenilworth, da nach den englischen Wirren die Magna charta neue Anerkennung fand, wird am 8. Novbr. 1266 den Kaufleuten Hamburgs das Recht erteilt eine eigene Hanse zu bilden über England gegen Zahlung der schuldigen und gewohnten Steuern. Wenige Wochen später empfängt Lübeck dieselbe Gunst bei näherer Erläuterung. Nach einem wertvollen Freibrief bewilligt König Heinrich in dem Palast seiner Hauptstadt am 5. Jan. 1267 den Bürgern der Travestadt für seinen Teil gleichfalls das Recht der Hanse, wie es die von Köln von längst vergangenen Zeiten her besaßen, und gegen die Jahresgabe von 5 Schillingen, die auch die Kölner entrichteten. So weit ist die erste Bildung durchbrochen. Die Lockerung der kölnischen Vorherrschaft hat zu ihrer Auflösung geführt: die kölnische Hanse gewährt einer gemeindeutschen Raum und innerhalb dieser zweigen sich die Gilden Hamburgs und Lübecks ab*). Die Städte vom Rhein und von Westfalen mögen auch später zu ihrer alten Führerin gestanden haben, die Vertretung der Interessen des Ostens sowie der gesamten kaufmännischen Angelegenheiten hat fortan Lübeck.

*) Die Auffassung Ennens, Gesch. Kölns 2, S. 550 scheint von einem allzu lokalen Standpunkte auszugehen, der durch die Urkunden nicht gerechtfertigt wird.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Zur Geschichte der Deutschen Hanse in England
London, St. Pauls from the River

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London, St. Pauls from the Surrey Side

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London, The Custom House and Billingsgate

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London, the Pool of London

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London, the Tower and Upper Pool

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London, the Tower Bridge from Above Cherry Garden Pier

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London, the Serpentine

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London, the Tower Bridge

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London, the Royal Exchange

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London, the George inn Southwark

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London, St. James Street from the New University Club

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