Schlussbemerkungen

Wir wollen unsre Betrachtung der okkulten Probleme hiermit beschließen. Im zweiten Bande dieses Werkes werden wir bei der Behandlung der spiritistischen Lehren noch wiederholt Gelegenheit haben, auf das eine oder andere Gebiet des Okkultismus zurückzukommen und für die Beurteilung der spiritistischen Behauptungen nützliche Winke aus den obigen Darlegungen zu entnehmen.

Um das Resultat unsere vorstehenden Erörterungen zusammenzufassen, müssen wir uns zunächst nochmals ins Gedächtnis zurückrufen, dass der Begriff des Okkultismus ein fließender und keineswegs scharf begrenzter ist. Es steht jedem frei, ihn nach Belieben auszudehnen oder enger zu fassen. So mag man auch mir keinen Vorwurf machen, wenn ich das eine oder andere Gebiet, das gelegentlich wohl dem Okkultismus zugezählt wird, nur gestreift oder auch ganz beiseite gelassen habe; einen Teil dieser Themata habe ich auch absichtlich noch zurückgestellt, weil ihre Behandlung sich in die geplante Bearbeitung und Kritik der spiritistischen Lehre besser einfügen wird.


Die vorstehenden behandelten Gebiete umfassen jedenfalls die wichtigsten Gebiete des modernen Okkultismus. Ihre Durchleuchtung mit den Forschungsergebnissen der neuen naturwissenschaftlichen Psychologie dürfte gezeigt haben, dass sie zum weitaus größten Teil schon heut nichts weniger als „okkult“ im eigentlichen Sinne und übersinnlich sind, dass zwischen ihnen und den wohlvertrauten psychischen Erscheinungen des Alltagslebens allenthalben Brücken geschlagen sind, die die „Nachtseiten“ der menschlichen Seele dem Licht des Tages, dem Licht der Erkenntnis zugänglich machen. Gewiss bleibt noch ein größerer Rest ungelöster oder erst teilweise gelöster Probleme zurück, und die weitere Durchforschung aller dieser Erscheinungen wird zweifellos noch manche überraschenden Ergebnisse und ungeahnte Neuanerkennungen zeitigen, und wenn der Forschung alle heut sichtbaren Hindernisse aus dem Wege geräumt sind, werden hinter ihnen wieder neue und schwierigere Probleme auftauchen, von denen wir uns heut noch gar nicht Rechenschaft zu geben vermögen. — Aber wie die Forschung bisher auf ihrem langen und ruhmreichen Entwickelungsgang nirgends auf Wunder gestoßen ist, auf Hindernisse, die sie mit ihren alten, bewährten Methoden, mit ihren Siegwaffen des Experiments und der kritischen Statistik nicht schließlich zu bezwingen vermochte, so kann sie auch künftig den schwierigsten und gefährlichsten Beweisstücken der okkulten, mystischen und spiritistischen Weltanschauungen getrost gegenübertreten, ohne Furcht, dass ihre „natürliche Weltanschauung“ an diesen Klippen scheitern wird, mit jenem unbeugsamen, sieghaften Gewissheitsgefühle des Steinklopferhannes: „Es kann mir nix g'schehn!“ Es wird ihr auch künftig gelingen, überall mit „natürlichen“ Erklärungen auszukommen, wenn auch noch gar manche angeblich übersinnliche Nuss wohl recht hart zu knacken sein wird. Die härtesten sind jedoch bereits geöffnet, und ihr Inhalt bedeutete jedes Mal nur eine neue Nahrung für die alte Wissenschaft, eine Erweiterung ihrer Gesichtspunkte, eine Vertiefung ihrer Kenntnisse, eine weitere Festigung ihrer siegreich vordringenden Weltanschauung. Und wenn einst das ganze Gebiet des Okkultismus erforscht sein wird, so wird es sich zeigen, dass von den scheinbar so zahlreich darin vorhandenen übersinnlichen Wundern und mystischen Tatsachen kein Rest übrig geblieben ist und dass das prophetische Wort Flournoys eine Wahrheit war: der gereinigte Okkultismus ist nichts weiter als Psychologie!


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Zu Wunder und Wissenschaft