Definitionen der Begriffe

Eine Klarstellung über die Bedeutung der wichtigsten, im folgenden häufig wiederkehrenden Ausdrücke scheint am Anfang der Betrachtungen über Okkultismus und Spiritismus notwendig zu sein. Deswegen seien zunächst folgende Definitionen gegeben:

Der Okkultismus behauptet, „dass es verborgene, in unsere wissenschaftliche Systematik schwer einzupassende, den jetzigen Mitteln der Naturforschung kaum zugängliche Naturtatsachen gibt“ (Dessoir).


Der Spiritismus behauptet, „dass die Geister ehemaliger Menschen wiedererkennbar in unsere Wirklichkeit einzugreifen vermögen“ (Dessoir).

Der Mystizismus behauptet, „dass übernatürliche Beziehungen zwischen unsrer irdischen Welt und einer unsichtbaren Welt geistiger Wesen bestehen“ (Dessoir).

Der Animismus behauptet, dass gewisse Menschen (oder auch Tiere) verborgene, in unsre wissenschaftliche Systematik schwer einzupassende, geheimnisvolle psychische Kräfte zu entwickeln vermögen.

Der Mediumismus behauptet, dass nur einige besonders veranlagte Menschen in der Lage sind, die unsichtbare Welt geistiger Wesen und insbesondere die Geister ehemaliger Menschen zu sichtlicher Offenbarung zu veranlassen.

Es sei jedoch gleichzeitig darauf hingewiesen, dass der allgemeine Sprachgebrauch den Begriff "Spiritismus" nicht immer nur in der obigen, eigentlichen Bedeutung versteht, sondern dass er ihm auch einen erweiterten Sinn beilegt, insofern als er das populär gewordene Wort, der Abkürzung halber, für die Gesamtheit der spiritistischen und mystischen Lehren verwendet. Auch im folgenden soll der Begriff „Spiritismus“ meist in diesem erweiterten Sinne gebraucht werden, sofern sich nicht die engere Bedeutung durch den ausdrücklichen Gegensatz zu den Begriffen „Mystizismus, Animismus, Mediumismus“ von selbst ergibt.

Man mag also von vornherein beachten, dass sehr wohl eine Anerkennung okkulter Phänomene, selbst einschließlich des Animismus, neben unbedingter Gegnerschaft gegen die Geisterhypothesen des eigentlichen Spiritismus bestehen kann. Tatsächlich existieren denn auch nicht bloß zwei Lager von Spiritisten und Antispiritisten, sondern zwischen den ausgemachtesten Spiritisten, die kurzerhand an alle Wunderberichte glauben und den krassen Materialisten, die alle okkulten Phänomene von vornherein abweisen und leugnen, gibt es alle nur denkbaren Schattierungen von Bekenntnissen.

Die streng-wissenschaftliche Psychologie steht gegenwärtig, was gleich vorweg bemerkt sein mag, mit Dessoir auf dem Standpunkte, dass der heutige Okkultismus (vielleicht auch der Animismus) noch gar manche wissenschaftlich beachtenswerten und wertvollen Erkenntnisse bergen dürfte, die man bisher noch nicht ergründet hat, dass der „gereinigte Okkultismus“ nichts weiter ist als Psychologie, wie Flournoy sagt, während die Theorien des Mystizismus und Spiritismus, vor allem aber des Mediumismus, durch die exakte Forschung noch in keiner Weise bestätigt werden konnten, vielmehr nahezu ausnahmslos als irrig widerlegt oder doch in ihren Beweisgrundlagen stark erschüttert oder unterminiert sind.

Wenden wir uns nun zunächst den Problemen des Okkultismus zu!


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Zu Wunder und Wissenschaft