Wolf Simson Heidenheim, Schriftgelehrter zu Rödelheim bei Frankfurt a. M. geb. i. J. 1757, gest. d. 23. Februar 1832*)

Themenbereiche
Enthaltene Themen: Juden, Judentum, Schriftgelehrter, Frankfurt, Heidenheim, Offenbach,
Wolf Simson Heidenheim, Schriftgelehrter zu Rödelheim bei Frankfurt a. M. geb. i. J. 1757, gest. d. 23. Februar 1832*)
*) Nach d. Frankfurter Ob. Postamtsztg. 1832. N. 60. u. N. 61

Aus: Neuer Nekrolog der Deutschen. Zehnter Jahrgang, 1832. Erster Teil. Ilmenau 1834. Druck und Verlag von Bernh. Fr. Voigt. Von Dr. Friedrich Ludwig Carl Brüssow (?), Theologe und Prediger (Schwerin)

*****************************
Heidenheim war zu Heidenheim im Frankenland geboren, kam in früher Jugend nach Fürth und in seinem 25. Jahre nach Frankfurt. Hier widmete er sich zuvörderst dem Studium des Talmud und der rabbinischen Schriften überhaupt, lebte aber dann, angetrieben durch die Forscherbegierde und tief gewurzelte Liebe für das Altväterliche, vorzüglich der hebräischen Sprache und Literatur. Einige Jahre später schloss er ein eheliches Bündnis und wohnte hierauf in Offenbach, bis er nach Rödelheim zog, wo er neben seinem seinem literarischen Beruf eine Druckerei leitete. In diesem letzteren Orte lebte er verehrt und geliebt von Allen, die ihn kannten, bis zu seinem Tode. Oft wurde er hier, wie die gute alte Zeit, wie ein ehrwürdiges Orakel aus dem grauen Altertum, von seinen israelitischen und christlichen Freunden und Verehrern zu Frankfurt besucht und aufgesucht.

Durch seinen hellen, durchringenden Blick, seine Geistesfülle, seine innige Anhänglichkeit an die Sache, der er sein Leben zu weihen beschlossen hatte, durch seinen unermüdeten Fleiß, seine Ausdauer bei dem Studium der alten Grammariker und Kommentare, und endlich durch ein keine Kosten scheuendes Streben, alle gehaltvolle, für sein Studium wichtige Werke, deren er habhaft werden konnte, sich anzueignen, stand er als eine seltene Erscheinung da. Seine ausgezeichnete und doch unbefangene Kenntnis der Massorah ließ ihn manchen schätzbaren Fund in den biblischen Schriften tun, der anderen, eben weil jene Kenntnis ihnen fehlte, verborgen blieb. Nicht weniger ausgezeichnet und von nicht minderem Nutzen war seine wissenschaftliche Vertrautheit mit den hebräischen Akzenten, über welch schon 1808 ein Werkchen von ihm erschien: Mischpat Hattamim (ratio accentuum), und noch in den letzten Wochen seines Lebens äußerte er das Vorhaben, eine vollständige Lehre derselben herauszugeben.

Aber auch den scharfsinnigen Geist eines Maimonides, die caballistisch-allegorischen Andeutungen eines Nachmanides, die bedeutungsvollen, freisinnigen Rätsel eines Aben Esra, das tief empfundene Schöne und Erhabene eines Mendelssohn durchdrangen das verwandte Gemüt des Verewigten.

Wenn einerseits bedauert werden musste, dass Heidenheim zu wenig von der sogenannten klassischen Bildung besaß, weshalb er der gelehrten Welt nicht so bekannt wurde, wie er es gewiss verdiente, und andererseits, das seine Vermögensumstände ihn zwangen, nicht nur Verfasser, sondern auch Verleger und Drucker seiner Werke zu sein, und daher die Sorge für seinen Unterhalt ihn seiner Muße und die Welt seines größeren Wirkens beraubte, so war doch der Einfluss des Verewigten auf seine Religionsgenossen unschätzbar. Wie Mendelssohn durch die Übersetzung des Pentateuchs und der Psalmen einen so entschiedenen Einfluss auf die innere und äußere Bildung der Israeliten ausübte, ebenso wirkte auch Heidenheim in gleicher Richtung, wenn auch nicht in gleichem Maße, durch die Übersetzung der Gebete, besonders der festlichen, des sogenannten Maschur (Rödelheim 1821.9 Bde. 3te. A.), in welchem sich unter vielem Vortrefflichen eine musterhafte Übersetzung nebst Kommentar des 2. Kap. Hübac. Befindet. Unter den vielen Werken, die teils unter der Redaktion der Verewigten mit Anmerkungen von ihm erschienen, teils ihn selbst zum Verfasser haben, nennen wir noch außer den schon angeführten: (es folgt die Nennung von 12 Publikationen und Ausgaben).

Von unschätzbarem Wert ist die hinterlassene Privatbibliothek des Verstorbenen, teils weil sie die seltesten Werke enthält, selbst mehrere noch ungedruckte Manuskripte von Aben Esra, Kimchi etc. und sogar solche, die sich vorzüglich für öffentliche Bibliotheken eignen, teils weil sich fast in allen bedeutenden Werken Andeutungen, Erläuterungen und Zusätze von Heidenheims Hand befinden. Am wichtigsten aber sind die hinterlassenen handschriftlichen Ausarbeitungen des Verewigten selbst. . . . Den Verewigten hat eine zur Zeit seines Todes 6 bis 7jährige Tochter aus einer zweiten Ehe überlebt.

Heidenheim 01

Heidenheim 01

Heidenheim 02

Heidenheim 02

Heidenheim 03

Heidenheim 03

Rödelheim 1801

Rödelheim 1801

Rödelheim 1900

Rödelheim 1900

Rödelheim 1930

Rödelheim 1930