An einem schönen Frühlingsmorgen

Der Frühling ist erschienen,
Der Winter dünkt uns nur ein Traum!
Nun liegt die Welt im Grünen,
Und schneeweiß schimmert Heck' und Baum;
Hört, wie so froh die Lerche
Ihr Lied erschallen lässt!
Die Schwalben und die Störche
Beziehen ihr altes Nest,
Mit fröhlicher Geberde
Geht nun der Mensch, und streut
Den Samen in die Erde,
Den er auf Wucher leiht. —

Wer aber gibt aufs Neue
Dem Samenkörnlein das Gebot:
Keim' auf, wachs' und gedeihe,
Und werde Halm und Ähr' und Brod?
Du sprichst den Segen leise,
Allmächtiger! und sieh',
Es wächst für Menschen Speise
Und Futter für das Vieh.
Kein Zweifel soll uns kränken,
Du wirst barmherzig sein.
Fruchtbaren Regen schenken,
Und milden Sonnenschein.


Bürde 1753.

Es war ein schöner Frühlingsmorgen, die rauen Märztage waren einer milden Witterung gewichen. Die muntere Lerche erhob sich von betauten Auen und schmetterte aus hohen Lüsten ihr fröhlich Morgenlied. — Sie rief den Landmann zu neuem Tagwerk. — Auf dem weiten Felde bemerkte man noch keine Arbeiter, nur einen jungen Mann sah man eifrig beschäftigt, seinen Pflug zu richten und seine Pferde so in Ordnung zu bringen, dass er mit dem Pflügen eines nicht unbedeutenden Ackers beginnen konnte. — Die Pferde waren äußerlich gut gehalten, doch sah man ihnen an, dass eine allzu reichliche Nahrung ihnen nicht gereicht wurde, und dass harte Arbeit mehr ihr Loos war, als die erforderliche Ruhe und der kräftigende Haber.

Der Bursche, der sich soeben mit dem Pfluge plagte, mochte ungefähr fünfundzwanzig Jahre alt sein, er war von kräftiger Körpergestalt, eine frische Gesichtsfarbe zeigte sein Wohlbefinden, ein fröhlicher Gesang, mit dem er seine Arbeit würzte, verkündigte die Freude und den fröhlichen Sinn, welchen der schöne Morgen in ihm hervorrief. — Seine Kleidung war nicht reich, aber wohlgeordnet, reinlich und der Landestracht entsprechend. Die blonden Haare waren wohlgekämmt und ließen vermuten, dass durch ein erfrischendes Bad des Kopfes die Augen hell und munter gewaschen worden waren.

Mittlerweile war er mit dem Pflug in Ordnung, er trieb die Pferde an, welche, ohne dass der Führer die Scheltworte und Flüche, die man so oft hört, auszustoßen nöthig hatte, willig anzogen und auf jedes Wort gingen. Denn Jakob, so hieß der Bursche, wusste mit Pferden umzugehen, und es war ihm wohl bekannt, dass durch vieles Lärmen und Schreien diese Tiere nur störrig gemacht werden, weil sie vor Angst und vor dem Toben nicht mehr merken können, was eigentlich der Führer will. Es schien auch, als ob alle Haustiere eine besondere Anhänglichkeit an ihn hätten, so folgten sie seinen Worten, und man möchte fast sagen, sie hätten ihn immer freundlich begrüßt, wenn er sich näherte. — So lange er Soldat war, war er von seinen Vorgesetzten vor allen seinen Kameraden wegen seiner Ordnungsliebe, Pünktlichkeit, Dienstfertigkeit, Reinlichkeit, wegen der Behandlung der ihm zur Besorgung übergebenen Pferde, welche immer die schönsten in der Schwadron waren, ausgezeichnet, und viele wollten den braven Burschen zum Bedienten haben. — Längere Zeit war er es auch bei seinem Rittmeister, bei dem er Gelegenheit hatte, vollends Meister im Umgehen mit Pferden zu werden. — Jakob sagte oft zu seinen Kameraden, wenn sie sich wunderten, dass ihm seine Pferde so willig folgten, „seht, die Pferde sind kluge und dankbare Tiers; wenn ihr mit denselben ordentlich umgeht, so werden sie euch dafür dankbar und folgsam sein, und es kommt nur auf euch an, ihnen deutlich zu machen, was ihr wollt, da sie unsere Sprache nicht so genau verstehen, wie wir unter einander. Dieses könnt ihr aber ohne Schreien und Schelten am besten durch ruhige Worte thun, und wenn die Pferde diese nicht verstehen, durch Leiten mit den Zügeln, wobei oft auch eine kleine Erinnerung mit der Peitsche nicht am unrechten Platze ist.“

„Besonders muss ich euch aber empfehlen, den Pferden nie mehr zuzumuten, als sie leisten können, sie nicht zu schinden und zu quälen, und ihnen ihre Arbeit möglichst zu erleichtern, das danken sie euch am meisten, denn sie merken daran, dass ihr nur ihr Bestes wollet, wenn ihr sie leitet.“ — Bei solchen Reden wurde aber Jakob immer trüb gestimmt, denn sie erinnerten ihn an die harte Arbeit, welche er seinen Pferden zumuten mußte, und an die geringe Fütterung, die er ihnen geben konnte. — Dieses kam aber auf folgende Weise. Sein Vater, Georg Gramlich, gehörte zu den Mittelbauern des Ortes; er hatte etwa 12 Morgen Äcker und Wiesen, welche er mit Hilfe eines Pferdegespannes bebaute. — Dieses Gespann benützte er jedoch weniger zum Ackerbau als zu Fuhren, welche er für öffentliche Arbeiten, auch für andere Landwirte übernahm; sie bestanden meist in Kies-, Stein-, Holz- und Weinfuhren, bei denen er sehr oft auswärts zu bleiben und füttern genöthigt war. — Ihn lockte dabei das bare Geld, welches er als Lohn in die Hände bekam. Manche schöne Summe nahm er ein, und doch, so mußte er zu seinem Leidwesen bemerken, kaum wagte er sich's zu gestehen, ging es von Jahr zu Jahr mit seinen Vermögensverhältnissen rückwärts. — Durch verdoppelte Anstrengung, durch unermüdlichen Fleiß suchte er diesem Übelstande entgegen zu kämpfen, aber seine Bemühungen waren leider von keinem günstigen Erfolg gekrönt. — Die Pferde unterlagen sehr oft der harten Arbeit, er war genöthigt, sich andere anzuschaffen, wozu er das Geld aufnehmen mußte, oft fehlte es ihm an Futter, oft an Frucht, die er mit fremdem Gelde kaufen mußte, so dass ein Acker nach dem anderen verschuldet wurde. Statt dass er die Schulden abtragen konnte, was seine Hoffnung und sein sehnlichster Wunsch war, wuchsen jährlich erhöhte Zinszahlungen heran und vermehrten seine Noch. Es war ihm unbegreiflich, wie das so kommen konnte; dabei stieg ein Missmut und ein Groll in seiner Seele auf, dem er zunächst gegen seine Familienangehörige Luft machte.

Häuslicher Streit, unter dem hauptsachlich sein Sohn und seine Frau zu leiden hatten, war bei ihm keine Seltenheit mehr. — Friede und Freude waren aus dem Hause Gramlichs gewichen, er suchte sie deshalb auswärts, wozu ihm seine Fuhren vielfache Gelegenheit boten. In Wein und Bier wollte er seinen Missmut ertränken, im Karten- und Würfelspiel sollte das Glück ihm kommen, das in so sichtlich bei seiner Arbeit verließ. — Der arme Gramlich, er machte dadurch sein Unglück nur größer, es wuchs von Tag zu Tag mit zunehmender Eile. — Bald mußte die rettende Hand erscheinen, sonst war es zu spät.

Jakob hatte einen weit ruhigeren Charakter als sein Vater, und wie dieser mit Leib und Seele an dem Fuhrwesen hing, so war er dem Ackerbau zugetan, und fühlte sich nirgends glücklicher als bei landwirtschaftlicher Arbeit, sei es nun, dass er die Tiers verpflegte und reinigte und die Stallungen besorgte, sei es, dass er mit der Hacke arbeitete. — Nichts gewährte ihm aber eine größere Freude, als wenn er einen Acker schön pflügen konnte. Darum finden wir ihn auch heute schon so früh emsig und fröhlich auf dem Felde beschäftigt. Er hatte ganz seine traurige Lage vergessen, er hatte vergessen, dass er Nachmittags schon wieder dem leidigen Fuhrwesen nachgehen und den lieben Feldbau verlassen mußte, indem er in die nahe Stadt Holz zu führen hatte; er dachte nicht daran, wie mancher Acker seines Vaters bei dieser günstigen Witterung hätte gepflügt und gedüngt werden müssen, wenn die Früchte gedeihen sollten; denn wäre all' dieses seinem Geiste gegenwärtig gewesen, so hätte auch heute eine tiefe Missstimmung und Trauer sich seiner bemächtigt. — Seine Arbeit war schon ziemlich weit vorangerückt, und bereits waren die Pferde von dem schweren Geschäft im vollen Schweiß, da kam der Nachbar Wohlgemuth mit seinem Pfluge und zwei Kühen gefahren, dessen Acker neben dem von Gramlich lag.

Wohlgemuth war ein Mann im kräftigsten Mannesalter, es schien als ob er kaum die vierziger Jahre erreicht habe. Er hatte einen gedrungenen, untersetzten Körperbau, der eine Fülle von Kraft und Stärke verriet, sein Blick, sein freies offenes Antlitz zeigten, dass die Kräfte des Geistes und der Seele ganz ebenbürtig denen des Körpers sein mußten. Ein Zug von Gutmütigkeit gewann jeden, der mit ihm in nähere Berührung kam.

Wohlgemuth und Gramlich waren Schulkameraden, und so lange sie ledige Bursche waren, treue, unzertrennliche Freunde, und auch später, nachdem jeder ein eigenes Hauswesen gegründet hatte, sahen sich die Freunde oft. — Aber als das Glück dem Gramlich weniger geneigt schien denn seinem Freunde, zog sich jener immer mehr zurück, und bekam allmählich eine solche Abneigung gegen Wohlgemuth, dass sie in einen tödlichen Hass ausartete. — Gramlich, ein ehrgeiziger Charakter, auf das Eifrigste bestrebt, sich hinauf zu arbeiten, sich ein Vermögen und die Achtung seiner Mitbürger zu erwerben, und trotz seiner Bemühungen mit Unglück überhäuft, sah mit Neid den zunehmenden Wohlstand und die zunehmende Achtung, welche Wohlgemuth zu Teil wurden, der doch, stets zufrieden und fröhlichen Muths, nach Beidem nicht zu trachten schien. Aber in Allem, was er unternahm, lag offenbar ein besonderer Segen Gottes. Seine Felder trugen die meisten und schönsten Früchte, seine Kühe warfen die schönsten Kälber, seine Schweine die meisten Ferkel, seine Wiesen hatten das beste Futter, und seine Bäume trugen jährlich so reichlich Obst, dass, wenn es allgemein fehlte, und man einen guten Apfel oder eine süße Birne wollte, man nur zu Wohlgemuth gehen mußte, um sich bei ihm solche zu holen, denn er hatte immer Überfluss. Wohlgemuth konnte seinem Freunde Gramlich nicht böse sein und wusste aus seinem rätselhaften Benehmen nicht klug zu werden. Mehrmals fragte er ihn offen, was er denn auf dem Herzen habe, womit er ihn beleidigt habe, dass er ein so unfreundliches Betragen gegen ihn annehme, seine Grüße nicht erwidere und seine Gesellschaft meide? — Gramlich gab dann immer ausweichende Antworten, und hielt die Fragen Wohlgemuths mehr für Hohn und Spott als für Wahrheit, und steigerte sich so in seinem Hass.

Während die beiden Männer auf diese Weise sich täglich mehr trennten, nährte Jakob in seinem Innern große Achtung und Ehrfurcht gegen Wohlgemuth, er sah in ihm das schönste Vorbild eines glücklichen Landmannes. — Ein Mann von stets heiterem Sinn, fleißig und munter an der Arbeit, sorgfältig und äußerst genau und ordentlich bei Allem was er ausführte; nichts konnte ihn aus der Fassung bringen, stets hatte er den nämlichen Gleichmut, überall wusste er Hilfe. Von ihm hörte man nie ein zorniges oder auch nur rohes Wort gegen seine Tiere, die er zur Arbeit benutzte, noch viel weniger gegen seine Mitmenschen, desto öfter aber konnte man ein schönes Lied, das er mit wohlklingender Stimme vor sich hinsang, von ihm vernehmen. — So war das Lied, welches wir an den Anfang unserer Erzählung stellten, an einem schönen Frühlingsmorgen, wenn er, durch ruhigen Schlaf gestärkt, frisch zur Arbeit gehen konnte, sein Leiblied, und es soll uns wundern, wenn er es nicht schon auf seinem Herweg gesungen hat.

Zu diesem Manne fühlte sich Jakob mit ehrfurchtsvoller Liebe hingezogen. — Gretchen, Wohlgemuths liebliche Tochter, früher die heitere Gespielin Jakobs, mag aber bei all' diesem wohl auch eine nicht unbedeutende Anziehungskraft auf die Liebe Jakobs zu ihrem Vater ausgeübt haben.

Wohlgemuth, ein edler Mann, ließ den Sohn den Hass des Vaters nicht entgelten; er war erfreut, so oft er dem biederen Burschen begegnete, und dieser mit gierigem Ohr die Belehrungen anhörte, welche er ihm fürs Leben und einen glücklichen Betrieb der Landwirtschaft erteilte.

Jakob bemerkte heute im Eifer des Geschäftes seinen väterlichen Freund nicht, bis dieser ihn anredete.

„Guten Morgen Jakob, du bist wieder früh bei der Hand; ich muss mich wahrhaftig schämen, jetzt erst ins Feld zu kommen, nachdem du schon ein so großes Stück Arbeit fertig hast.“ — Jakob erwiderte dankbar den Morgengruß und sagte: „muss ich denn nicht früh auf sein, Vetter Wohlgemuth, wenn ich nur einigermaßen unsere Äcker in solchen Stand bringen will, wie die eurigen sind? — ist euer Acker daneben nicht viel besser im Bau ungepflügt als meiner gepflügt, weil ihr ihn über Winter pflügen konntet und einen besseren Pflug habt als wir. — Seht nur meine armen Gäule an, wie die schon wieder von den Paar Furchen im Schweiße stehen. — Euere Kühe laufen davon, als ob sie nichts hinter sich hätten, und wir müssen uns mit dem alten, schlechten, hölzernen Wendepflug Plagen, nur weil der Vater von demselben nicht abgehen will und immer behauptet, er arbeite besser als jeder andere. Er glaubt aber dieses selbst nicht, und nur darum will er sich einen neuen Pflug nicht anschaffen, weil er den alten noch brauchen kann, der ihm doch an Pferd und Arbeit mehr schadet, als zwölf solcher Pflüge Wert sind, und, so glaube ich vornehmlich, weil ihr, Vetter, einen habt und der Pflug vom landwirtschaftlichen Verein empfohlen wird, denn was von euch und vom landwirtschaftlichen Verein kommt, das ist meinem Vater ein Dorn im Äuge. — Ich sehe schon, ihr werdet mit eueren Kühen wieder vor mir fertig und macht mich mit meinen Pferden zu Schanden?“

„Nun Jakob, werde nicht gleich wieder so hitzig und sei immer ordentlich gegen deinen Vater, er wird auch noch zu besserer Erkenntnis kommen. — Was du heute Morgen nicht fertig bringst, daran machst du dich heute Mittag.“

„Das ist es eben, heute Mittag muss ich wieder zur Stadt fahren, die Becker vergrasen lassen und die beste Zeit zur Bestellung der Frühjahrsaaten versäumen. — Dann, wenn die Ernte kommt, müssen wir uns schämen, haben nichts auf unseren Wagen und werden es bald mit den Kirchenmäusen halten müssen.“

„Das ist freilich bedauerlich“, entgegnete Wohlgemuth, „sieht denn dein Vater noch gar nicht ein, dass es mit dem Fuhrwesen nichts taugt? Er versäumt dadurch seine beste Zeit zum Ackerbau, er verschleppt den Dung, sein Hauswesen leidet, weil er selbst so wenig zu Haus ist. Heute ging er wiederum zu einer Arbeitsversteigerung. Das Geld, das er verdient, muss er eben so schnell wieder ausgeben zur Unterhaltung von Pferd und Geschirr und zur Zehrung in den Wirtshäusern.“ —

„Leider steht er das Alles nicht ein“, versetzte Jakob, „wie oft schon habe ich mit ihm darüber gesprochen und ihn gebeten, dass er wenigstens mich immer zu Hause lassen solle, um den Ackerbau zu treiben. Ich wollte gerne Kühe einfahren und wie ihr mit diesen die Feldgeschäfte besorgen; wie oft schon sagte ich ihm, dass es uns überall an Dung fehle und dass darum unsere Äcker und Wiesen nichts tragen könnten, dass für unsere vielen Felder mit leichtem Boden Rindviehmist viel zuträglicher als Pferdemist sein würde, dass alle Ländereien, weil sie zu wenig gebaut würden, so sehr verunkrautet seien, dass unter Gras und Unkraut die Frucht ersticken müsse, dass wir eben darum nur sehr geringe Saatfrucht bekämen, und dass so von Jahr zu Jahr unser Feldbau schlechter würde, so dass wir leider schon manchmal genöthigt waren, das Brod zu kaufen, weil das Mehl uns mangelte. — Da hört er mich dann zuerst willig an, wenn ich ihm aber davon rede, er solle die Pferde abschaffen, dann gerät er in Eifer und sagt, was! dein Großvater war der erste Pferdebauer im Orte und ich soll das weniger sein können, ich soll mich mit Kühen plagen, nein, das geschieht nie, mit den Pferden kommt noch der einzige Verdienst ins Haus, und die Schande möchte ich nicht erleben, dass aus meinem Hof mit Kühen ausgefahren würde. Damit kehrt er mir den Rücken oder bedroht mich, wenn ich nicht schweigen würde. — Da ist das Klügste, man ist still und hofft zu Gott, dass ihm mit der Zeit andere Gedanken eingegeben werden mögen.?

„Du hast Recht, Jakob, wenn du schweigst,“ sagte Wohlgemuth, „unversehens kommt oft die bessere Erkenntnis, und was eines Menschen Verstand mit der besten Beredsamkeit nicht zu Stande bringen kann, das ruft oft plötzlich eine Schickung Gottes hervor. Fahre fort in deinem Fleiß und deiner Folgsamkeit gegen deinen Vater, in deinem Vertrauen zu Gott, denn das Lied lügt nicht, das da singt:

Wer Gott dem Allerhöchsten traut,
Der hat auf keinen Sand gebaut.“ —


Beide arbeiteten nun fleißig an ihrem Tagwerk. Aber fürwahr, bis dass die Neunuhrstunde geschlagen hatte, war Jakob von Wohlgemuth bereits eingeholt. — So viel erleichtern gute Werkzeuge und gut gebaute Äcker das Geschäft. —

Während dieses auf dem Feld sich zutrug, war Wohlgemuths Gretchen zu Hause mit Ausbuttern beschäftigt. Wie flink ging ihr Alles aus der Hand, welche Reinlichkeit war da überall zu sehen. Weiß war das Butterfass gefegt, und die messingenen Reifen darum waren so blank, dass sie das Auge blendeten. „Reinlichkeit hilft Butter machen“, sagte sie immer, wenn sich Nachbarinnen über ihre blankgeputzten Geschirre wunderten. — Es hätte auch ein unreines Geschirr zu dem reinlichen hübschen Mädchen durchaus nicht gepasst; sie war im Haus wie auf dem Feld, bei der Arbeit wie bei der Lustbarkeit, am Werktag wie am Sonntag stets das gleiche reinliche, anmutige Gretchen. — Die Bursche des Ortes gaben ihr unstreitig vor allen Mädchen den Vorzug, und oft wurden sie darüber uneins, ob Gretchen im Werktagsgewand oder im Sonntagskleid schöner sei. Wer sie aber in ihrer Geschäftigkeit im Hauswesen gesehen hatte, dem war es kein Zweifel mehr, dass sie hierin am reizendsten sei. — Sie war eine wahre Perle im Hause, auf die eine treue liebende Mutter durch eine sorgfältige Erziehung alle die Eigenschaften übertragen hatte, welche die Zierde einer sorgenden Hausfrau bilden, die, so wie die Sonne das Weltall, durch ihre fürsorgende Liebe das Hauswesen erwärmt und belebt.

Gretchen war das einzige Kind Wohlgemuths, ihre Mutter war kränklich, es waren ihr daher alle schwereren Arbeiten der Hauswirtschaft zur Besorgung übertragen. Dabei mußte sie ihren Vater, der bei seinem Ackerbau einen Sohn sehr vermisste, oft im Stalle und bei den Feldarbeiten unterstützen. — Eine weiße Schürze schützte bei ihren Geschäften die Kleider vor Schmutz und Verunreinigung, ein weißes Kopftuch hielt ihr wohlgekämmtes blondes Haar zusammen und bewahrte ihr freundliches Gesichtchen vor den heißen Strahlen der glühenden Mittagssonne.

Der Butterballen war fertig. — „Was wird die Frau Balde eine Freude haben“, sagte Gretchen zu ihrer Mutter, „wenn sie morgen diesen prächtigen Butterballen bekommt? so ist mir schon lange keiner mehr gelungen; man sieht ihm wahrhaft an, dass die Kühe schon wieder etwas Grünfutter bekommen haben“.

„Deine Arbeit ist dir dieses mal gut geraten,“ bemerkte die Mutter, „nun aber eile zum Vater ins Feld, er wird wohl schon auf dich warten, da du ihm die Bäume musst umgraben helfen“. —

„Ich bin soeben fertig,“ sagte Gretchen, „in der Küche ist Alles so weit zum Mittagkochen zubereitet, dass du es nur ans Feuer zu setzen brauchst. Einen Topf frischer Buttermilch nehme ich mit, du weißt, das ist des Vaters Leibspeise, und wenn er auch in der Regel vor Mittag wenig isst, so schlägt er diese doch nicht aus.“

Dieses sagend, machte sich Gretchen ein Körbchen zurecht, in das sie den Topf mit Buttermilch und etwas Brod tat, deckte es mit einem weißen Tuch zu, nahm den blanken Spaten und eilte hurtigen Schrittes, die Mutter noch begrüßend, zum Hofe hinaus. — Diese sah ihr staunend nach wegen des großen Milchtopfes, den sie mitnahm. „Sie erwartet, wie es scheint, bei dem Vater einen großen Appetit“, sagte sie zu sich, als sie in die Küche ging, wo sie Alles, wie Gretchen gesagt, auf das Beste vorbereitet fand. Sie reinigte das Butterfass, hob die Butter auf und ging dann wieder an die Arbeit, welche darin bestand, dass sie verschiedene Gartensämereien richtete und solche alsdann in die im Garten hiezu schon vorbereiteten Ländereien säete.

„Schon fertig, Gretchen, mit dem Buttermachen,“ rief Wohlgemuth, als er seine Tochter herbeieilen sah, „und was hast du denn im Körbchen?“

„Das sollst du gleich sehen,“ erwiderte sie, indem sie ihre Ware auskramte.

„Nun, du hast reichlich gesorgt,“ sagte Wohlgemuth lächelnd, „da könnte ich auch noch meinen Nachbar Jakob zum Imbiss einladen, woran du selbst, wie es mir scheint, schon zu Hause gedacht hast.“

Gretchen wendete sich zur Seite, ihr errötendes Gesicht zu verbergen, und griff nach dem Spaten. Wohlgemuth aber rief: „komm herüber, Jakob, Gretchen hat mir da einen kühlenden Morgentrunk gebracht und auch für dich gesorgt; sie wusste, scheint's, dass wir heute neben einander arbeiten.“

Freilich wusste sie es, denn am frühen Morgen, als Jakob ausfuhr, hatten beide sich schon gesehen und gegrüßt, und hatte Gretchen erfahren, wo Jakob heute arbeiten würde.

Der Vater Wohlgemuth sah die aufkeimende Zuneigung der beiden jungen Leute nicht ungern; es würde ihm angenehm gewesen sein, Jakob als seinen Schwiegersohn in sein Haus aufzunehmen, denn ein solch' tätiger Arbeiter wurde ihm, bei seinem sich vergrößernden Geschäfte, täglich nötiger. Aber bei dem Hasse Gramlichs war es gewiss, dass jener die Zustimmung zu einer Verbindung Jakobs mit seiner Tochter nicht würde gegeben haben. — Er wünschte daher gleichwie Jakob eine baldige Änderung der Gesinnungen Gramlichs, und ein Wiederanknüpfen der alten Freundschaft.

Jakob ließ sich nicht lange von Wohlgemuth bitten, er setzte sich zu demselben unter einen großen Apfelbaum, der mit mehreren anderen in der Mitte des Ackers stand und dessen Knospen am Aufbrechen waren.

„Wie habt ihr es doch so gut, Vetter,“ sagte Jakob, „Alles ist bei euch in Hülle und Fülle! die Milch der beiden Kühe, die wir zu Hause stehen haben, reicht in den meisten Zeiten kaum hin, um unseren Hausbedarf zu decken, so dass es an das Buttern höchst selten kommt. Die armen Tiers werden täglich auf die Weide getrieben, von der sie Abends mit leerem Euter und Bauche, verhetzt und halb verhungert zurückkommen. — Hier stehen euere prachtvollen Bäume, die auch dieses Jahr wieder voll Tragknospen sind und eine reiche Ernte versprechen.“

„Diese Bäume, Jakob, habe ich gepflanzt, als du ein kleiner Bube warst,“ entgegnete Wohlgemuth „damals lebten dein Vater und ich noch als die besten Freunde. Und gerade diese Bäume, an denen du nun deine Freude hast, gaben die erste Veranlassung zu einem ernstlichen Streite zwischen deinem Vater und mir. Wir waren beide gewöhnt nichts zu tun, ohne die Ansicht des Anderen darüber zu hören. Als nun von dem landwirtschaftlichen Vereine zur Beförderung der Baumzucht ausgezeichnet schöne Obstbäume zu ermäßigten Preisen zum Verkauf ausgeschrieben wurden, ging ich zu deinem Vater und forderte ihn auf, gemeinschaftlich mit mir eine Partie derselben zu kaufen, von welchen das Stück um so wohlfeiler abgegeben wurde, je mehr man davon nahm. — Er teilte nicht meine Ansicht über den Nutzen der Baumzucht, wir gerieten in Wortstreit, bei dem dein Vater namentlich sehr grob über die „Herrenbauern“ sich ausdrückte, die da mit dem landwirtschaftlichen Verein sich groß machten, gescheiter sein wollten als wir Bauern, und die gerne Lehrmeister wären, und selbst nichts verstünden. Je mehr ich ihn zu belehren und zu ermuntern suchte, abgesehen von dem Wert der Herrenbauern selbst, wenigstens den Vorteil anzunehmen, den sie uns jetzt darböten, desto hitziger wurde er, und desto mehr häuften sich seine Schimpfreden, mit denen er die überlud, von denen ein Geschenk anzunehmen er für die größte Schande hielt. — Ich schwieg endlich. — Als ich aber nach einigen Tagen die Prachtbäume um einen wahren Spottpreis aus der Stadt nach Hause brachte, zeigte sich dein Vater darüber beleidigt, dass ich diesmal nicht nach der gemeinschaftlichen Beredung gehandelt hätte, und ich mußte oft den Vorwurf von ihm hören: „du willst immer der Klügste sein“. — Es schien mir aber, dass dein Vater, nachdem er die schönen Bäume gesehen hatte, gerne Anteil daran würde genommen haben, wenn nicht ein unrichtiges Ehrgefühl, das ihn nicht mehr von seiner Ansicht, um die er so hitzig gestritten hatte, abgehen ließ, ihn davon abgehalten hätte, als ich ihm wirklich nochmals anbot mit mir zu teilen, und brüderlich das mit einander zu beginnen, um was er mich offenbar beneidete. — Durch diesen Baumkauf lernte ich mehrere Herren, welche an der Spitze des landwirtschaftlichen Vereins standen, kennen, die durch ihr freundliches Benehmen gegen mich und die richtigen Ansichten, welche sie über unseren Beruf als Landwirte äußerten, meine volle Liebe und aufrichtigste Achtung sich erwarben. Es war darum nicht zu verwundern, wenn ich mich dieser Leute, die uneigennützig zum Vorteil von uns Landwirten Mühe und Kosten aufwenden, gegen die Angriffe deines Vaters ganz besonders annahm, — wenn ich trotz seiner Vorwürfe immer mehr mit denselben in Verbindung kam, und endlich sogar als landwirtschaftliches Vereinsmitglied mich selbst aufnehmen ließ, um das Wirken dieses segenbringenden Vereines genauer kennen zu lernen, und ihm, dem ich schon viel zu verdanken hatte, wie ich anerkennen mußte, mein pflichtschuldiges Scherflein beizutragen. Was hatte ich aber hierüber von deinem Vater für Spott- und Hohnreden zu erdulden, die endlich unerträglich wurden, als ich, in Folge klarer Belehrungen in den landwirtschaftlichen Vereinsblättern, das kostspielige Fuhrwesen mit Pferden aufgab und die ersten Kühe zum Zuge einführte. — Ich war der Erste in unserem Dorfe, der die Kühe nicht mehr auf die verderbliche Weide trieb, sondern sie zum Fuhrwerk benutzte, wobei sie ihre gesunde Bewegung hatten, und, da ich gleich zwei Gespanne einfuhr, nie zu sehr angestrengt wurden. Nun bin ich nicht der Einzige mehr, und mancher Kuhbauer kann mit seinen beiden schönen Kühen stolzer ins Feld fahren als ein Pferdebauer. Damals war es aber nicht so. — Nicht nur dein Vater, die ganze Bürgerschaft verspottete mich, und ich blieb selbst einige Zeit der Gegenstand des Hohnes unserer Schuljugend, die mich oft auf der Straße verfolgte. Hätte mein väterlicher Freund, unser wackerer Schullehrer Oswald, nicht strenge Maßregeln gegen die unartigsten Kinder gebraucht, und nicht den Besseren und Verständigeren die leicht begreifliche Vorteilhaftigkeit meines Verfahrens erklärt, so wäre ich wohl noch lange „der närrische Kühjockel“ geblieben, mit welchem Namen Alt und Jung mich damals rief. — Ich ließ mich jedoch nicht irre machen; durch Änderung meines Fuhrwesens kam Segen in mein Haus, und was ich mir bis jetzt in meinem Geschäft erübrigt habe, kommt großenteils davon her.“

„Da ich die Pferde nicht mehr hatte, so konnte ich meine vier Kühe, statt der zwei, die ich früher hatte, reichlich füttern, am Putzen ließ ich es auch nicht fehlen, die Bewegung war den Tieren gesund, ich hatte bald die schönsten im Dorfe und wurde von vielen darum beneidet. Mein Beispiel und die Lehren von Oswald wirkten. — Ich fand bald Nachahmer; die Kleinbauern folgten meinem Beispiel, und jetzt haben, wie du weißt, selbst unter den Mittelbauern viele mein Verfahren gebilligt und nachgeahmt. Sie sahen ein, dass die nützlichen Kühe in sehr viele Familien Überfluss brachten, wo früher Not und Hunger war.“

„Die Freundschaft deines Vaters war mir aber von da an verloren; wir sahen uns wenig mehr, und wenn wir uns begegneten, so geschah es von seiner Seite in unfreundlicher Weise. — Fürwahr ich würde Vieles geben, wenn ich die Mittel wüsste, durch welche ich die Zuneigung deines Vaters mir wieder erwerben und seinen unglücklichen Hass vertilgen könnte. — Gibt es doch nichts Schöneres als ein Freundschaftsband, das schon in frühester Jugend geknüpft wurde; man erinnert sich im Alter gegenseitig an die Freuden der Jugend und die gemeinschaftlich ausgeführten Knabenstreiche, und wird wieder jung in vergnügter Erinnerung.“ —

Jakob' war durch diese Reden Wohlgemuths ganz ernst geworden. So traurig auch für ihn diese Zwietracht der früheren Freunde war, so war er doch höchst erfreut über die Herzensgüte Wohlgemuths und über dessen Wunsch, alle Beleidigungen seines Vaters verzeihend, das Freundesbündnis baldmöglichst wieder anzuknüpfen. — Er fasste in sich den festen Entschluss, alle seine Kräfte anzustrengen, dieses glückliche Ereignis herbeizuführen.

„Dächten doch mein Vater und alle Menschen auch so wie ihr,“ entgegnete er, „wie glücklich würden sie dadurch werden!“ —

„Nun Gretchen, nehme die Sachen zusammen, wir sind, Gott sei Dank, wieder einmal gesättigt,“ fuhr Wohlgemuth fort, „gestärkt gehen wir aufs Neue an die Arbeit und lassen das Plaudern, denn Jakob darf nicht säumen, wenn er heute Nachmittag noch mit Holz in die Stadt soll.“

„Ei, da könntest du mir wohl einen Gefallen tun, und meinen Butterballen mit in die Stadt nehmen und zur Frau von Balde besorgen,“ sagte Gretchen.

„Freilich,“ erwiderte Jakob, „das passt sich prächtig, denn gerade dahin muss ich auch mein Holz bringen.“

Die Arbeit ging den Dreien rasch von der Hand; Gretchen umspatete die Bäume, und als der Vater mit Pflügen, Säen und Eineggen fertig war, räumten die Beiden noch die Furchen und Anwender auf, damit das Wasser besser ablaufen konnte und Alles schön geordnet sei. Der Acker lag nun auch wirklich da wie ein sorgfällig gepflegtes Gartenbeet; er mußte mit Gottes Segen reichliche Früchte bringen.

Jakob war auch fertig geworden, er konnte ohne Wehmuth seinen Acker gar nicht ansehen, so sehr stach er von dem Wohlgemuths ab. Er schien nicht fertig zu sein, weil er nicht geordnet und nur so mit dem schlechten Pflug gesudelt war.

Er gelobte sich daher, dass er um jeden Preis sich einen besseren Pflug anschaffen, und nie mehr ohne Spaten oder Hacke zur Aufräumung der Furchen in das Feld fahren werde. —


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wohlgemuth, oder, Der sichere Weg zum Wohlstand