Der Suezkanal

Wenngleich der Suezkanal für den Verkehr Ägyptens keine Bedeutung besitzt und seine Wirkungen sich augenblicklich weit mehr auf Süd- und Ostasien erstrecken als auf den Osten von Afrika, muss er doch an dieser Stelle berücksichtigt werden. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass dies große Werk, das gleichbedeutend mit dem wichtigsten Verkehrswege der ganzen Erde ist und das in diesem seinem Range auch durch die Vollendung des Panamakanales niemals beeinträchtigt werden kann, in den letzten Jahren eine höchst beachtenswerte Erhöhung seiner Leistungsfähigkeit erfahren hat. Die an der Einfahrt in Port Said ausgeführten Arbeiten ermöglichen nach den Mitteilungen G. de Thierrys eine Erhöhung des zulässigen Tiefganges der den Kanal durchfahrenden Schiffe von 8,53 auf 8,84 m, wobei die Mindesttiefe von 10 m, die Sohlenbreite von wenigstens 45 m gegenwärtig überall erreicht sind. Diese Ausmessungen sollen nach den bereits in Angriff genommenen Plänen eine weitere Erhöhung erfahren. Auch die Durchfahrtszeit durch den 160 km langen Kanal ist von 18 Stunden 38 Minuten auf einen Durchschnitt von 16 Stunden 19 Minuten (1913) verringert worden. Ebenso hat man die Hafenanlagen verbessert. U. a. wurde die nutzbare Fläche des Hafens von Port Said von 110 ha im Jahre 1896 bis 1913 auf 263 ha gebracht.

All diese Verbesserungen haben sich denn auch durch eine erhebliche Steigerung des Verkehrs im Kanal belohnt, die an und für sich natürlich durch die wirtschaftliche Entwicklung der Welt bedingt war. R. Hexnig hat kürzlich einige Tabellen berechnet, aus denen einiges zur Beurteilung dieser Welthandelsstraße besonders Wichtige an dieser Stelle mitgeteilt werden mag.


Es durchfuhren den Kanal:

Jahr • Schiffszahl • Netto- • Durchschnittsgröße • Zahl
Registertonnen in Registertonnen der Reisenden
1880 2.026 3.057.000 1.509 102.000
1890 3.425 6.783.000 1.951 181.000
1900 3.441 9.738.000 2.830 282.000
1910 4.533 16.582.000 3.217 234.000
1911 4.669 18.325.000 3.688 276.000
1912 5.373 20.275.000 3.772 266.000
1913 5.085 - - -






Erweisen die vorstehenden Zahlen die wirtschaftsgeographische Bedeutung der großartigen Anlage, so ist für uns die Stellung der einzelnen Völker innerhalb des Kanalverkehrs nicht minder wichtig. Hierfür gibt IIennig die Beteiligung der Nationen in Hundertteilen des Gesamtverkehrs. Dass England in den letzten Jahren (1912 und 1913) mit 58 und 60 Prozent an der Spitze steht, ist durchaus erklärlich, ebenso dass Deutschland ihm mit 15 und 17 Prozent folgt. Auffallend ist dagegen, dass die Niederlande mit 7 und 6 die großen Staaten Frankreich und Italien, noch dazu Anlieger des Mittelmeeres, übertreffen, ja dass letzteres mit nur 2 und 1,5 sogar ganz erheblich hinter der französischen Republik mit 5 und selbst hinter Österreich-Ungarn mit 5 und 4 zurückbleibt, sowie dass Russland mit 1,5 1913 von Japan eingeholt ist. So sonderbar diese Dinge anmuten, so leicht erklären sie sich daraus, dass der Suezkanal eben eine Straße für den großen interkontinentalen Verkehr bildet und dass er aus geographischen Gründen als Verbindung zwischen den ihm unmittelbar benachbarten Seitenmeeren nur in ganz geringem Maße in Betracht kommt. In den hier wiedergegebenen Zahlen haben wir somit den unmittelbaren Beweis für den schon früher aufgestellten und vorhin wiederholten Satz, dass der Kanal eigentlich nur geringen Einfluss auf afrikanische Gebiete äußere.

Die Aufgaben, welche der Zukunft in den östlichen Gebieten von Nordafrika harren, ergeben sich ohne weiteres aus der Natur dieser Länder. Ist Wasserarmut das Hauptmerkmal für den größten Teil ihrer Oberfläche, so folgt daraus als wichtigste Aufgabe der Technik die Schaffung ausgedehnter Bewässerungsanlagen. Weniger als in anderen Teilen Afrikas wird der Bau von Eisenbahnen sie in Anspruch nehmen. Im Westen ist die Entfernung der nutzbaren Landschaften vom Meere nicht bedeutend genug, um die Anlage weit in das Innere reichender Linien zu rechtfertigen. Außerdem kommen die Hindernisse, die in den Atlasländern zu so mannigfachen Kunstbauten zwingen, hier in Fortfall. In Ägypten dürfte wiederum die heutige Ausdehnung des Bahnnetzes keine sonderliche Erweiterung erfahren.

Von besonderer Bedeutung sind dagegen in beiden Ländern gewisse Änderungen der Landwirtschaft. In Tripolis und Barka ist auf diesem Gebiete, die Dattelkultur ausgenommen, eigentlich noch alles zu tun. Künftige Kolonisatoren werden dabei an die entsprechenden Kulturen des Mittelmeergebiets anknüpfen. In Ägypten wiederum wäre für die Eigenwirtschaft des Volkes dringend zu wünschen, dass der reiche und fruchtbare Boden zunächst einmal dazu benutzt würde, die Ernährung der Bevölkerung ganz von den Zufuhren von außerhalb unabhängig zu machen. So wertvoll die Baumwollkulturen an und für sich sind, so müssen wir doch festhalten, dass sie im Welthandel noch weit hinter denjenigen Indiens zurückstehen. Neuerdings kann man ihren Anteil an der Weltproduktion auf 6 bis 7 Prozent schätzen. Mit einer Vermehrung um 1 oder 2 Prozent ist der ägyptischen Wirtschaft aber weit weniger gedient als mit der Vermehrung der Ausfuhr anderer Erzeugnisse der Landwirtschaft, unter denen Zucker, Reis, Mais, ferner Gemüse, Früchte und Eier in erster Linie für Europa in Frage kommen. Die Ausfuhr der zuletzt genannten Dinge würde schon darum einen guten Markt in kühleren Gegenden finden, weil Ägypten sie wegen seines Temperaturganges noch etwas zeitiger als die Atlasländer zu liefern imstande sein würde. Die in vielen Fällen bessere Qualität von Früchten und Gemüsen des Nillandes gegenüber Südeuropa sollte, da es sich vorwiegend um Deckung des Bedarfs der bemittelteren Klassen in den europäischen Empfangsländern handelt, doch die vermittelnden Kreise des Handels zu Unternehmungen auf diesem Felde landwirtschaftlicher wie kaufmännischer Tätigkeit anregen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wirtschaftsgeographie von Afrika