Zweites Kapitel. Die östliche Zone von Nordafrika

Zwei sehr wesentliche Unterschiede gegenüber den Atlasländern vermag selbst die flüchtigste Betrachtung des östlichen Nordafrika dem Wirtschaftsgeographen zu vermitteln. Die erste, im Aufbau sich äußernde Abweichung beruht in dem Fehlen aller bedeutenden Erhebungen. Selbst das ein wenig höhere Gebiet, das Hochland von Barka, erreicht in der alten Kyrenaika nur rund 700 m Höhe. Über 500 m erhebt sich auch das im Halbkreise die Niederungen des eigentlichen Tripolis umgebende Hochland, das, als tripolitanisches Randgebirge bezeichnet, mit den Platten der mittleren Sahara zusammenhängt. Alle übrigen, zumeist sehr flachen Landschaften übersteigen nur an vereinzelten Stellen die Höhengrenze des Tieflandes (200 m). Ein Einfluss der Erhebungen auf das Klima besteht daher außer in den genannten Landschaften nirgends. Die einzigen etwas höher ansteigenden Platten, die das Niltal in Mittel- und Oberägypten seitlich begleitenden Striche, gehören ihrer Natur nach so sehr zur großen Wüste, dass wir sie von unserem Standpunkte aus der östlichen Wirtschaftsprovinz überhaupt nicht zurechnen dürfen. Dass ein Land von solch orographischem Aussehen auch geologisch gegenüber den Atlasländern sehr einförmig wirkt, bedarf kaum näherer Erörterung. Vorwiegend aus jüngeren Schichten bestehend, bietet es auch dem Bergbau erheblich geringere Aussichten als die gebirgigen Teile des eben behandelten Nordwestens von Afrika.

E. Banse hat daher mit vollstem Rechte in seiner Einteilung des Orients diese Länder der Saharatafel zugeteilt. In der Tat überwiegt der Charakter großer Trockenheit hier so vollständig, dass das kulturfähige Land fast den Eindruck sehr ausgedehnter Oasen macht. Zudem beschränkt es sich, das Hochland der Kyrenaika ausgenommen, in Tripolis auf das flache nördlichste Gebiet, in Ägypten aber auf das schmale Band des Niltales.


Von der Lage dieser östlichen Teile des mittelmeerischen Afrika war bereits im vorigen Kapitel die Rede. In den tripolitanischen Küstengegenden hat sieh indessen bis jetzt nur ein sehr mäßiger Verkehr zu entwickeln vermocht. Anders Ägypten, das in Alexandrien einen Eingangspunkt von hervorragender Bedeutung besitzt, der neuerdings fast den Tonnenverkehr von Algier erreicht hat. Dagegen wäre es aus den bereits im ersten Teil erwähnten Gründen unrichtig, den Verkehr im Suezkanal gemeinsam mit demjenigen Ägyptens zu behandeln, da er mit diesem Lande und seinen Küsten nur in sehr geringem Zusammenhange steht. Wir werden ihn weiter unten für sich betrachten.

Nach dem eben Mitgeteilten erübrigt es sich, auf den Aufbau des Gebiets näher einzugehen, da seine Gestaltung für die klimatische und damit für die wirtschaftliche Bedeutung der beiden zu ihm gehörenden Länder, vom Randgebirge und den Erhebungen von Barka abgesehen, völlig gleichgültig ist. Ebenso selbstverständlich ist, dass auch der Verkehr in geringerem Grade durch das Relief des Landes als durch die Produktionsfähigkeit des Bodens beeinflusst wird. So bestand selbst in Ägypten kein Bedürfnis nach dem Ausbau größerer Verkehrswege außerhalb der Zone des fruchtbaren Überschwemmungsgebietes, so dass die Richtung desselben sich heute noch wie im Altertum im wesentlichen an die nordsüdliche Linie des Stromtales anschließt. Erst innerhalb des saharischen und sudanischen Teiles des Nillaufes machen sich Gründe für die Entstehung von diesen abweichender Linien geltend; sie werden aber an anderer Stelle behandelt werden.

Auch das Wasser wird durch den orographischen Bau beeinflusst. Das Absinken des Bodens vom tripolitanischen Randgebirge zum Meere ist immer noch stark genug, um das Bestehen eines Grundwasserstromes nach der Küste zu zu ermöglichen, der nach Banse in weit größerem Umfange als dies jetzt geschieht, durch Brunnenanlagen auszunützen ist. Auch für Stauanlagen in den Wadis genügt das Gefälle, wie denn die Römerzeit solche hier gekannt hat. Umgekehrt ist es in Ägypten gerade das ungewöhnlich geringe Gefälle, das die gleichmäßige und ruhige, zu keinerlei Zerstörungen Anlass gebende Überflutung durch den wachsenden Strom gestattet. Es ist einem zu Mute, als habe die Natur in diesem wunderbaren Lande alles auf die Verwertung durch eine aufs großartigste entwickelte Bewässerungstechnik eingerichtet, wenn wir bemerken, dass der Fall des Stromes von Assuan bis Kairo erst auf 13,3 km ein Meter beträgt, während er schon vorher, von Wadi Haifa bis Assuan, auf 1 : 11000 abgenommen hatte! Eine in der Welt auf so riesige Entfernungen wohl einzig dastehende Erscheinung.

Das Klima des östlichen Nordafrika nötigt uns zur Feststellung eines großen Unterschiedes. Vergleicht man die Höhe und den Gang der Temperatur zwischen Tripolitanien im weiteren Sinne und der Kulturregion von Ägypten, so zeigt sich der mittelmeerische Charakter des ersten gegenüber dem Niltal in einer in die Augen fallenden Weise. Der ganze Küstenstreifen erinnert in seiner Wärmeentwicklung völlig an das südlichste Europa. Tripolis, Bengasi in der westlichen Kyrenaika und Alexandrien im Delta des heiligen Stromes haben annähernd die gleiche Höchstzahl des Mittelwertes im heißesten Monat, dem August, mit 26,0° und etwas darüber, sind demnach weniger warm als Athen (27,3°). Die Zahl der Monate mit einer Durchschnittswärme von mehr als 20° ist an der Küste 6, d. h. die Dauer der hohen Wärme ist hier noch um einen Monat länger als an der Nordküste der Atlasländer. Dafür ist aber der Winter in Tripolitanien kaum merklich wärmer als in Algier, während in Alexandrien der kühlste Monat bereits um 2 bis 3 Grade über die Mittelwerte der winterwärmsten Teile von Süditalien und Griechenland hinausgeht.

Für die Bodenkultur besagt das, dass in Tripolis und Barka durchweg dieselben Gewächse gezogen werden können wie im europäischen Mittelmeergebiet. Für die Besiedlungsmöglichkeit ergibt sich weiter daraus, dass der Festsetzung europäischer Kolonisten von Seiten der Temperatur keine Hindernisse im Wege stehen. Ja, was Barka anlangt, so lässt sich nach der Hohe des Gebietes und unter Heranziehung der Temperaturmessungen von Bengasi ohne weiteres vermuten, dass die Wärmeverhältnisse dort eine starke Verwandtschaft mit denen Mittelitaliens zeigen werden, so dass diese Landschaft auch abgesehen von ihren günstigeren Niederschlagsverhältnissen, ein gutes Gebiet für weiße Siedler sein würde.

Ganz anders das Schwemmland des Ostens. Schon in verhältnismäßig geringer Entfernung vom Meere erreichen die Sommermittel eine Höhe, die die körperliche Arbeit von Europäern so gut wie ausschließt und überhaupt den ununterbrochenen Aufenthalt im Lande für den wärmeempfindlichen Nordeuropäer zu einem lästigen und unter Umständen gefährlichen Unternehmen werden lässt. Schon in Kairo umfasst die heiße Zeit 7 Monate, in Assiut in der Mitte des ägyptischen Niltales haben bereits 3 Monate ein Mittel von mehr als 29° und in Assuan, an der Südgrenze des eigentlichen Ägypten, sogar deren 5 ein solches von über 30° und im heißesten, dem Juli, erreicht der Durchschnittswert schon mehr als 35°. Also völlig saharische Temperaturen, denen freilich auf der anderen Seite bis nach dem südlichen Mittelägypten hin ein prachtvoll gemäßigter Winter gegenübersteht. Bis weit nach Süden kommen sogar recht niedrige Minima (in Assiut unter 27 ¼ ° n. B. sogar noch 0°) vor. Da diese indessen zu den Seltenheiten gehören und stärkere Fröste ausgeschlossen sind, so reichen die Ägypten zufallenden Wärmemengen bereits zur umfassenden Kultur solcher Pflanzen aus, die wir als echt tropische Gewächse bezeichnen müssen (u. a. Bananen). Wieder andere, die man hin und wieder auch in anderen Mittelmeergegenden antrifft, können hier eher und regelmäßiger als dort auf eine vollkommen ausreichende Sommertemperatur rechnen, daher Misserfolge selbst in weniger warmen Jahren infolge des Temperaturganges so gut wie ausgeschlossen sind. Das Nilland ist also mehr als die anderen Gebiete von Nordafrika zu plantagenmäßigen Betrieben geeignet, wozu dann weiter die noch zu behandelnden guten Bewässerungsverhältnisse kommen, um die Reihe der für solche Kulturen günstigen Lebensbedingungen zu vervollständigen. Die natürliche Bewässerung durch atmosphärische Niederschläge beschränkt sich auf die beiden vorhin erwähnten Hochländer und auf den Küstensaum, soweit sie überhaupt für die Bewirtschaftung des Landes ausgenutzt werden kann. Außerdem nimmt sie von Westen nach Osten zusehends ab. Während in Tripolis noch etwas mehr als 40 cm Regen im Jahre fallen, hat man in Bengasi 27, in Alexandrien 22 und in Port Said nur noch 8 cm gemessen. In den höheren Landschaften muss, wie man aus dem Verhalten der Wadis und dem Äußeren des Landes schließen kann, die Niederschlagshöhe verhältnismäßig groß sein. Immerhin erfährt die Geringfügigkeit der Gesamtmenge wieder dadurch einen gewissen Ausgleich, dass sie sich fast ganz auf das Winterhalbjahr beschränkt. So fallen in Tripolis 91, in Bengasi 96 Prozent in der Zeit vom Oktober bis März.

Völlig Wüstenhaft sind dagegen die Regenverhältnisse im Süden des Küstensaumes. Schon in Kairo fallen im ganzen Jahre wenig mehr als 3 cm Regen, d. i. kaum ein Drittel der Menge, die man selbst in einigen der südalgerischen, bereits innerhalb der Sahara liegenden Oasen beobachtet hat. Es bedarf keines besonderen Hinweises darauf, dass unter diesen Umständen der größte Teil der tripoliner Landschaften und in Ägypten das ganze Land für wertvollere Kulturen auf künstliche Wasserzufuhr angewiesen ist. Auch von dieser wird weiter unten die Rede sein.

Die Wolkenarmut ist namentlich in Ägypten noch größer als in den Atlasländern. Hier, wo es gänzlich an Kohlen mangelt und wo gleichzeitig die wirtschaftlichen Betriebe die Anwendung von Maschinen aller Art wünschenswert machen, wäre deshalb eine der am meisten geeigneten Stellen für groß angelegte Versuche der Verwertung der Sonnenstrahlen zur Erzeugung von Kraft.

Der Einfluss der außerordentlichen Lufttrockenheit macht sich in Verbindung mit der Temperaturhöhe ebenfalls nach verschiedenen Richtungen des wirtschaftlichen Lebens hin geltend. Von der Erzeugung von Trockenfrüchten, die bereits früher erwähnt wurde, sehen wir hier ab. Aber sogar für die Landwirtschaft ist sie nicht ohne Bedeutung. Nach Th. Neumann unterliegt der Boden des Niltales in seiner tonigen Beschaffenheit starken physikalischen Veränderungen. Unter der Einwirkung der Sonne und der Trockenheit, welche auf die Nilüberschwemmung folgt, bilden sich zahllose Risse und Spalten, durch welche die Luft ihn in reichstem Maße durchdringt. So wird er durch Bestandteile der Atmosphäre angereichert und für die abermalige Überschwemmung besser vorbereitet als durch die ehedem etwas überschätzte Schlammzufuhr allein.

Aber noch nach einer anderen Richtung kommt die Trockenheit der Luft und ihre Durchsonnung diesen Gegenden, namentlich dem Nillande, zugute. Dies wird durch diese Eigenschaften seines Klimas zu einem Kurgebiet allerersten Ranges. In erster Linie ist das Klima für die Behandlung von bestimmten Lungenleiden, aber in ähnlichem umfange auch für Nierenkranke geeignet. Die Schmalheit des Flusstales ermöglicht auch die Unterbringung der Leidenden in echter Wüstenluft, ohne dass sie dabei der Annehmlichkeiten der Kultur verlustig gehen. Jedenfalls gestatten die Verhältnisse noch eine bedeutende Erweiterung der Kurgelegenheiten, die bei der Nähe Europas dem Lande eine nicht unwichtige Einnahme gewährleisten.

Wenden wir uns vom Klima zu den mit diesem fast immer auf das engste verwandten Wasserverhältnissen, so begegnet uns in diesem Teile Afrikas die einzige erwähnenswerte Ausnahme von dieser Regel. In Tripolitanien und Barka ist freilich der Zusammenhang zwischen den Niederschlägen des Landes und seinen Gewässern noch sehr deutlich. Anders in Ägypten, wo dieses wichtigste Element aus ungeheuer weit entlegenen Gebieten stammt und im Lande selbst eine so geringe Zufuhr erhält, dass sie für die Bewirtschaftung des Bodens überhaupt nicht in Betracht kommt. Wir müssen daher die beiden Gebiete gesondert betrachten.

In dem ganzen westlichen Gebiet zwischen Tunis und der Grenze des Nildeltas herrschen ähnliche Verhältnisse, wie wir sie in den Steppen der Atlasregion vor uns hatten. Zeitweilige, aber kurzdauernde Füllung der Wadis wechselt mit der den größten Teil des Jahres beanspruchenden Trockenheit selbst der bedeutenderen Rinnsale. Dass unter dem Erdboden gleichwohl noch ein Wasservorrat zu finden ist, wurde schon erwähnt. Günstiger liegen die Verhältnisse in der Kyrenaika; während im Westen rund vier Fünftel des Landes periodischen Wasserabfluss haben, ist es in Barka kaum die Hälfte der Gesamtfläche. Ständigen Wasserabfluss, wenn auch nur im geringsten Maße, gibt es nach Banses Untersuchungen im eigentlichen Tripolitanien überhaupt nicht.

Dass nichtsdestoweniger die Bewässerung keineswegs auf der Höhe ihrer Anwendbarkeit steht, wurde ebenfalls schon angedeutet. Aber auch wo sie zur Verwendung kommt, ist sie vielfach mit unnötiger Verschwendung des kostbaren Elements verbunden.

Die Wasserverhältnisse Ägyptens bilden, wenigstens soweit sie für die Wirtschaft des Landes in Betracht kommen, eine auf der ganzen Erde einzig dastehende Erscheinung. Bei der Geringfügigkeit der Niederschläge selbst im Küstenstrich und der gelegentlichen Füllung der Wadis in den Felsplatten der das Niltal begleitenden Wüste kann man mit vollstem Recht behaupten, dass das gesamte Leben dieses Landes einzig und allein von den durch den Strom herangeführten Wassermassen abhängt. Nun kann es nicht die Aufgabe dieses Buches sein, eine Hydrographie des Nil zu geben, aber auf einige Einzelheiten muss bei seiner unvergleichlichen Bedeutung für Ägypten doch kurz eingegangen werden.

Der Nil ist ein Erzeugnis zweier ganz verschiedener Landschaften, die aber beide ungeheuer weit von Ägypten entfernt sind. Den Grundbestand seiner Wasserführung liefert das Gebiet der großen Hochlandseen im östlichen Afrika und die unmittelbar nördlich an dieses sich anschließenden Gegenden. Diese Wassermassen, aufweiche die von ihnen durchströmten Seen eine regulierende Wirkung ausüben, würden aber nicht genügen, um den zur Überschwemmung des Unterlandes nötigen Hochstand hervorzurufen. Dieser ist vielmehr die Folge der großenteils durch den Blauen Nil von Abessinien her dem Strome zugeführten Gewässer. Da die Regenzeit in dem erwähnten Hochlande sich auf die Sommermonate beschränkt, so kann das Anschwellen des ägyptischen Laufteiles bei der großen Entfernung jener Gegenden erst einige Zeit nach den Hauptregen den Eintritt der größten Wasserhöhe hervorrufen. Bei Kairo beginnt der Fluss demnach erst Anfang Juli sichtlich anzuschwellen, nachdem er im Mai den tiefsten Stand erreicht hat. Seinen Hochstand erlangt er dagegen erst Anfang Oktober.

Henze hat die für verschiedene Punkte bekannten Wassermengen zusammengestellt, die der Strom dort in den verschiedenen Jahreszeiten führt. Nach diesen Tabellen ergibt sich als mittlere Wasserführung an den Mündungen ins Mittelmeer für den Mai eine Gesamtmenge von 43,2, für den August von 164,1 für den Oktober von 777,6 für den Januar von 302,4 und für den März wieder von nur 112,3 Millionen cbm am Tage. Die gesamte Jahresmange beträgt annähernd 122 Milliarden cbm Wasser. Schon daraus geht hervor, dass selbst das riesige Stauwerk bei Assuan, dessen Fassungsvermögen ganz neuerdings auf rund 3,3 Milliarden *) cbm veranschlagt werden kann, nur einen sehr kleinen Teil der zur Verfügung stehenden Menge verbraucht, dass demnach der Wasserbautechnik größten Maßstabes noch mannigfache und lohnende Aufgaben harren, die eine weitere Ausdehnung der kultivierbaren Flächen zur Folge haben würden. Selbst bei reichster Benetzung bis dahin ganz unbenutzten Bodens bedeutet eine jede auf diese Weise gewonnene Milliarde die Erweiterung der Produktionsfläche um rund 1.000 qkm, würde also unter Zugrundelegung der heutigen Volksdichte weit über 300.000 Menschen Gelegenheit zum Leben geben.

Auf die Technik der Berieselung einzugehen ist hier nicht der Platz. Es genüge darauf hinzuweisen, dass bei der Verteilung des segenspendenden Elements die erste Rolle einem zwar seit undenklichen Zeiten vorhandenen, aber bis in die neueste Zeit vergrößerten und erweiterten Netz von Kanälen zufällt, dessen Gesamtlänge schon im Jahre 1890 nach Chelu mit rund 17.000 km nicht viel weniger als die Hälfte des Erdumfanges erreicht hatte. Neben diesen aber haben die zahllosen Hebewerke eine besondere Wichtigkeit für die Berieselung. Sie dienen nicht allein zur Hebung des offen in dem System jener oberirdischen Leitungen enthaltenen Wassers, sondern auch Anlagen, die aus dem Grundwasser schöpfen. Die bekannteste ist die Sakije, das Wasserrad, die in der Stunde etwa 6 cbm Wasser um 6 — 7 m zu heben imstande ist. Daneben finden in sich großer Zahl moderne Einrichtungen wie Dampfpumpen und dergleichen. Die nur auf natürlichem Wege, d. h. durch das Übertreten des Flusses allein bewässerten Ländereien finden sich fast nur in Oberägypten. Man rechnete bereits vor der Fertigstellung der Stauanlagen von Assuan mit einer Wassermenge von fast 29 Milliarden Kubikmetern, die dem Strome alljährlich durch die Versorgung der Kulturen entzogen werden, also rund ein Viertel der alljährlich Assuan passierenden Gesamtmenge.

Die Pflanzenwelt beider Teile des östlichen Nordafrika trägt in ihren ursprünglichen Formen durchaus mittelmeerische Züge. Aber die Eigenart der Wasserzufuhr im Verein mit der Bodennutzung hat innerhalb des Niltales die ursprüngliche Pflanzenwelt gegenüber den Kulturgewächsen so gut wie ganz verdrängt. Anders in der westlichen Landschaft, wo wenigstens ein wildes Gewächs eine besondere wirtschaftliche Bedeutung erlangt hat, nämlich das Halfagras der Trockensteppe, das freilich nach den Handelsberichten des deutschen Konsulats gegenüber dem Erzeugnis der tunesisch-algerischen Steppen minderwertig ist.

*) Also erheblich mehr als 1913, wo noch die auf S. 29 angeführte Zahl galt.

So sind es denn die Kulturpflanzen, die den Charakter dieser Länder in erster Linie bestimmen. Dass sie in dem heutigen Tripolis mit seiner gegen frühere Zeiten zurückgegangenen Bodenbenutzung keine hervorragende Rolle spielen, ist klar. Von Bedeutung ist in diesen Gegenden die Dattelpalme, die sowohl an den Nordabhängen des Hochlandes wie auch in den tieferen Landschaften vorkommt. Neben ihr bedarf als ein wichtiges Kulturgewächs auch der Ölbaum einer besonderen Erwähnung. Leider ist auch in seinem Anbau eine arge Veränderung gegen früher festzustellen. Während nämlich Barka im Altertum sogar Sizilien und Griechenland mit Olivenöl versah, führt es nach Th. Fischer heute seinen geringen Eigenbedarf von Kreta aus ein. Dabei schätzt man den Bestand an verwilderten Ölbäumen daselbst noch jetzt auf 200.000, deren Früchte aber nur von Ziegen gefressen werden! Viel besser steht es im eigentlichen Tripolis mit dieser Kultur, doch hat der niedrige Stand der Landwirtschaft es dahin gebracht, dass auch dies Gebiet zu dem eignen Erzeugnis noch Öl einführen muss.

Im schärfstem Gegensatz zu diesem im Landbau rückständigsten Gebiet von ganz Nordafrika steht Ägypten, das in dieser Hinsicht sämtliche Länder von Afrika, ja die meisten der Erde, übertrifft.

Es wurde schon angedeutet, dass die ägyptische Landwirtschaft bereits stark von derjenigen der übrigen zum Mittelmeergebiet gerechneten Länder abweicht, indem ihr heutiger Charakter mehr als irgendwo sonst an tropische Bodenkultur erinnert; wenngleich die einzelnen im Nillande gebauten Gewächse auch in anderen Gegenden dieses großen zwischenkontinentalen Gebietes anzutreffen sind, spielen gerade die in Plantagenart gezogenen dort nur eine Nebenrolle ohne größere Bedeutung. Auch fehlen diesem Lande einige für die übrigen Mittelmeerlandschaften besonders wichtige Gewächse. Vor allem die Olive, dieser Charakterbaum aller wärmeren Landschaften jener Zone, ist auf ganz vereinzelte Stellen beschränkt. Nach Th. Fischer sagt der fette, gerade während der Entwicklungszeit der Früchte ausgiebig befeuchtete Boden dem Baume so wenig zu, dass die einzige wirtschaftlich in Betracht kommende Gegend seines Anbaus auf das Fayum beschränkt ist. Dass der Weinbau nicht etwa nur aus religiösen, sondern auch aus bodenwirtschaftlichen und klimatischen Gründen fehlt, bedingt ebenfalls einen schon äußerlich in die Augen fallenden Gegensatz des Nilgebiets zu den übrigen Mittelmeerlandschaften.

Die anderen Pflanzen geben in ihrer Gesamtheit ein ähnliches Bild, wie wir es in üppig bewässerten Tropenebenen vor uns haben. Unter den Hochgewächsen in der Landwirtschaft steht voran die Dattelpalme, die, wenngleich keine tropische Pflanze, doch als einzige überall auftretende Erscheinung das Äußere der Kulturzone in hohem Grade bestimmt. An die Tropen erinnert auch die Banane, der wir in den südlichsten Ländern des Mittelmeergebiets nur in verschwindend geringer Menge begegnen, während hier nach Rung die Pflanze seit etwa einem Menschenalter im Delta sogar in Großkulturen gezogen wird, die neuerdings in starker Ausdehnung begriffen waren.

Zu diesen Pflanzen gesellen sich dann die zwei echten Plantagengewächse, die wir in den übrigen Mittelmeerländern nur auf sehr kleinen Flächen antreffen, als Gegenstände sorgfältigen und ausgedehnten Anbaues. Trotz des Rückganges, den die Zuckerflächen in Ägypten erlitten haben, bringt das Land in den letzten, bis 1913 reichenden Jahren immer noch das Drei bis Vierfache der Rohrzuckerernte Südspaniens hervor. Die Baumwollpflanzungen aber haben trotz der seitherigen Vergrößerung der

Gesamtkulturfläche auch vergleichsweise eine erhebliche Zunahme erfahren.
Folgende, von F. Magnus mitgeteilte Tabelle gibt die Veränderung des Anteils der wichtigsten Gewächse an dem bebauten Landgebiet in Ägypten in zwei verschiedenen Jahren während der letzten zwei Jahrzehnte in Hundertteilen:

1894/95 1908/09
Mais 22,01 23,42
Reis 2,65 3,54
Baumwolle 15,51 20,83
Zuckerrohr 1,19 0,57
Verschiedenes 20,78 22,05
Getreide 19,46 16,28
Bohnen 10,65 7,39
Gerste 7,52 5,52
Dazu Obst und Gemüse (ganzjährig) . . 0,24 0,40

Diese Zahlen bestätigen die bereits erwähnte Erfahrung, dass zugunsten der Baumwolle die Kultur recht wichtiger Nährfrüchte noch in neuester Zeit zurückgegangen ist. Noch eine weitere Folge hat aber die Einführung bestimmter Anbauarten gehabt, die wirtschaftsgeographisch insofern von besonderer Bedeutung ist, als sie den tropischen Charakter der heutigen Landwirtschaft deutlich hervortreten lässt. Das sind die mehrfachen Ernten, die sich daraus ergeben, dass Sommerkulturen und Winterkulturen vorhanden sind. Zu jenen, die einen starken Wasserbedarf bedingen, gehören die eigentlichen Plantagengewächse, in erster Linie die Baumwolle, sodann Reis und Zuckerrohr, und der Mais. Von Wichtigkeit ist, dass Oberägypten vorwiegend Winterkulturen pflegt, da hier große Flächen während der heißen Monate nicht bewässert werden können. Das Hauptland der Sommerkulturen ist daher Unterägypten, wo in dieser Jahreszeit allein mehr als 75 Prozent des bestellten Ackerbodens liegen. Dadurch tritt, was bei Angabe der Volksdichte zum mindesten erwähnt werden müsste, gewissermaßen eine Vergrößerung des bebauten Landes ein, die nach Magnus ungefähr 40 — 45 Prozent beträgt! Dieses günstige Verhältnis hat in neuerer Zeit eine entschiedene Zunahme erfahren. Von 1894/95 bis 1908/09 vermehrte sich die mehr als einmal im Jahre bebaute Fläche ebenfalls um mehr als zwei Fünftel der Anfangsgröße. In der Tat ein Ergebnis der neuzeitigen Bewässerungskultur, das bis zu einem gewissen Grade mit der zunehmenden Einseitigkeit des Anbaues zu versöhnen vermag.

Recht wenig bedeutet die Tierwelt im Wirtschaftsleben des östlichen Nordafrika. Freilich sind die Gründe dafür in den beiden Teilen dieser Großlandschaft entgegengesetzter Natur. Im Syrtengebiet ist der Boden im allgemeinen zu pflanzenarm, um ausreichende Flächen besseren Weidelandes aufkommen zu lassen. In Ägypten ist das Umgekehrte der Fall; hier ist der überhaupt benutzbare Boden zu wertvoll, um ihn anders als in geringem Umfange für die Unterhaltung von Vieh zu verwenden. Aus denselben Gründen tritt aber auch die wilde Tierwelt in beiden Gebieten so sehr in den Hintergrund, dass sie wirtschaftlich so gut wie gar nicht in Betracht kommt. Sie spielt nur in den Küstengewässern in Gestalt der im südlichen Mittelmeer vorkommenden Seetiere eine gewisse Rolle. Was sonst, wie etwa das an Menge kaum noch erwähnenswerte Elfenbein und die Straußfedern über die Küste dieser Gegenden zur Ausfuhr gelangt, ist Durchfuhrware und nicht Erzeugnis des Landes selbst.

Die Haustierhaltung in Tripolitanien lässt sehr viel zu wünschen übrig. Nach Banse gab es vor der Invasion der Italiener nur Lastkamele. Rinder und Esel sind minderwertig, die Pferde besser. Die einheimischen Schafe, die zwar auch Wolle liefern, entsprechen nicht im entferntesten den Anforderungen, die man an hochwertige Rassen stellen muss. Endlich ist die Bevölkerung auch vorwiegend an pflanzliche Nahrung gewöhnt, so dass trotz der Armut des Landes an Haustieren, von denen noch Ziegen und das Geflügel von einigem Wert sind, eine gewisse Menge von Erzeugnissen zur Verfügung des Handels stand.

Fast noch geringere Bedeutung hat die Viehzucht in Ägypten. Nach Magnus werden Haustiere fast nur der Arbeitsleistung wegen gehalten. Das Rindvieh ist ganz minderwertig, das Fleisch schlecht und der Milchertrag äußerst gering. Dasselbe gilt vom Kleinvieh. Zur Feldarbeit werden in erster Linie Rinder, Büffel und Kamele gehalten. Das Kamel dient daneben hauptsächlich zur Beförderung von Lasten. Neben diesen Tieren werden Pferde und Esel sowie Maultiere gehalten, die namentlich als Reittiere und überhaupt zur Personenbeförderung benutzt werden.

Ein einziger Zweig der Tierhaltung ist hier tatsächlich wichtig für die Wirtschaft, da er sogar im Handel zur Geltung gelangt. Das ist die Geflügelzucht, durch die die nicht unbeträchtliche Eierausfuhr Ägyptens bedingt wird.

Die Wildtiere treten mit Ausnahme des Flugwildes ganz in den Hintergrund. Dieses allerdings liefert in zahlreichen Schnepfen und auch in dem hier besonders häufigen Wassergeflügel ziemlich reiche Beute, doch wird die Jagd in ganz unwirtschaftlicher Art betrieben. Anders der Fischfang im Mensalehsee und im Küstenmeer, der schon im ersten Teile ervvähnt wurde. Im Gegensatz zur Seidenraupenzucht, die in Ägypten aus klimatischen Gründen mit großen Schwierigkeiten zu rechnen hat, empfiehlt Magnus entschieden die Förderung der Bienenzucht, für die umgekehrt recht günstige Bedingungen im Nillande festgestellt werden können. Sie kann aus verschiedenen Gründen als lohnender Nebenbetrieb der Landwirtschaft angesehen werden.

Die Bevölkerungsverteilung, ebenso aber auch die Art der Besiedlung gleicht im tripolitanischen Anteil durchaus derjenigen der öderen Teile des nordwestlichen Afrika. Sie auf das ehemalige politische Gebiet dieses Landes zu beziehen, wie das in den meisten geographischen Darstellungen geschieht, ist ohne genauere Einzelausführungen völlig zwecklos, da an dieser Fläche reine Wüste in großem Umfange beteiligt ist. Da wir uns aber hier mit wirtschaftlich zusammenhängenden Einheitsgebieten ohne Rücksicht auf die politische Zugehörigkeit beschäftigen, so hat auch die Einrechnung des saharischen Anteils mit seinen Oasen bei einer Dichteberechnung keinen rechten Sinn. Wir halten uns daher um so mehr, als genaue Erhebungen fehlen, besser an die Berechnung Banses. die sich auf das nicht zur Wüste gehörige Land bezieht. Für das eigentliche Tripolitanien erhält er 335000 qkm und berechnet die Einwohnerzahl auf 350.000 so dass sich also für diese klimatisch abgegrenzte Landschaft die immer noch sehr mäßige Volksdichte von 1,1 Bewohner auf dem Quadratkilometer ergeben würde. Die Kyrenaika umfasst auf Grund seiner pflanzengeographisch-klimatischen Grenzziehung 78.000 qkm mit 125.000 Einwohnern, was für diesen von der Natur immerhin bevorzugten Teil des Ganzen der ebenfalls recht schwachen Dichte von 1,6 entspricht.

Der Entwicklung von Stadtsiedlungen, deren wirtschaftliche Bedeutung selbst in diesen Ländern von hohem Wert ist, ist die Natur und die dadurch gewissermaßen erzwungene Lebensweise der heutigen Bevölkerung nicht günstig. Ein nicht geringer Teil der Bewohner führt eine Art Nomadenleben.

Den Grundstock der Bevölkerung bilden Berber und, mehr auf dem Lande, das arabische Element. Zu diesen gesellen sich, nicht etwa nur von Sklaven stammend, sondern auch infolge der Handelsbeziehungen zum Sudan, ziemlich viel [Schwarze], Juden, Malteser und andere Vertreter der außerafrikanischen Mittelmeervölker vervollständigen das ziemlich bunte Bild; die eigentlichen Fremden haben natürlich infolge des politischen Wechsels der letzten Zeit ebenfalls starke Änderungen ihrer Zusammensetzung erfahren. Ein bezeichnendes Bild, das uns den Einfluss der Lage deutlich erkennen lässt, da es noch aus der Zeit vor der italienischen Invasion stammt, gibt uns abermals Banse von der Hauptstadt, in der um 1905 18.000 Berbern, 10.000 Juden, 5.000 Araber, rund 3.000 Malteser, 2.000 [Schwarze] und 1.000 Türken, daneben noch 1.000 Europäer, hauptsächlich Italiener und rund 6.000 Mann türkisches Militär anwesend waren. Die Stadt mit ihren ungefähr 46.000 Einwohnern ist zugleich die größte der Siedlungen, neben der nur noch der Hafen Bengasi eine Erwähnung verdient. Während in Tripolis die Volksmenge und die Art ihrer Siedlung heutzutage nur einen geringen Einfluss auf die Auswertung der natürlichen Hilfsquellen des Landes auszuüben vermögen, ist sie in Ägypten von größter Bedeutung, ja man kann sagen, der unentbehrlichste Faktor im Wirtschaftsleben. Denn trotz aller Fortschritte der Technik und trotz der ausgiebigen Verwendung von Maschinen in einzelnen Betrieben bildet die Grundlage des wichtigsten Zweiges der Gütererzeugung im Nillande, der Landwirtschaft, heute so gut wie vor Jahrtausenden die menschliche Arbeitskraft. Und wenn auf der anderen Seite auch die gewerbliche Tätigkeit im heutigen Ägypten auf einer höheren Stufe steht als in Tripolitanien und selbst als in den Atlasländern, so verdankt auch sie das in erster Linie der Ansammlung zahlreicher Menschen in verschiedenen Städten von recht beachtenswerter Größe.

Die Volksdichte, die ja unter sonst gleichen Verhältnissen bestimmend auf den Preis der menschlichen Arbeitskraft einwirkt, ist in diesem Lande in so einzigartiger Weise entwickelt, dass wir sie etwas eingehender berücksichtigen müssen. Da die Wüste wirtschaftlich und als Wohnsitz so gut wie ganz ausscheidet, so kann die Einwohnerzahl nur auf die Kulturfläche allein bezogen werden. Nach der letzten Zählung (1907) umfasste diese eine Gesamtfläche von 31,140 qkm, auf der nicht weniger als 1,1287,000 Menschen wohnten. Das ergibt für das ganze Land 362 Bewohner auf dem Quadratkilometer, eine Volksdichte, welche diejenige des Königreichs Sachsen noch um etwa 40 übertrifft. Die Eigenart dieser unglaublich scheinenden Art der Besiedlung wird aber erst ganz deutlich, wenn man die größeren Orte, etwa diejenigen mit mehr als 50.000 Einwohnern, ausscheidet. Dann bleibt im Nillande die mittlere Dichte immer noch auf rund 330 stehen, während sie in Sachsen im gleichen Falle auf 209 sinkt. Die ungeheure Menschenanhäufung in kleineren und kleinsten Orten ist eben bezeichnend für Ägypten und damit zugleich für die Billigkeit gerade der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte.

Dabei sind keineswegs nur die den großen Städten nahegelegenen Gebiete .stark bevölkert. Sogar der äußerste Bezirk, Assuan, hatte 1907 weit mehr als .500, der ebenfalls oberägyptische Bezirk Keneh über 450 Menschen auf dem Quadratkilometer. Freilich ist dieser Zustand noch nicht sehr alt. Noch im Jahre 1882, nach der ersten Erhebung, zählte das Land erst 6.831.000 Einwohner und seit der vorletzten im Jahre 1897 hat wieder eine Zunahme um etwa anderthalb Millionen stattgefunden. Allerdings hat auch die Kulturfläche während der letzten Zeit eine wesentliche Vergrößerung erfahren.

Die Beschaffenheit des Nillandes hat zur Folge, dass im Gegensatz zu allen anderen Ländern Nordafrikas die völlig an feste Wohnsitze gebundene Bevölkerung die nomadisierende ungeheuer überwiegt. Nach den Ergebnissen von 1907 waren nur etwa 5 Prozent Nomaden. Der nationalen Zusammensetzung nach ist die Hauptmasse der Ägypter, die Fellachen, hamitischen Stammes und zu ihnen gesellen sich noch etwa 700.000 Kopten. Die Araber treten der Zahl nach sehr zurück, ebenso der sozial bedeutsamste Teil von allen, die Fremden, die sich zudem überwiegend auf die Städte namentlich der nördlichen Gegenden beschränken. 1907 waren nur wenig mehr als 286.000 im Lande. Unter ihnen überwiegt der Zahl nach durchaus das südeuropäische Element. Die Fremden verteilten sich nach jener Zählung auf folgende Staatsangehörigkeit: Türken 70.000, Sudanesen 65.000, Griechen 63.000, Italiener 35.000, Malteser 21.000, Franzosen (einschließlich der Tunesier) 14.600, Österreicher und Ungarn 7.700, Russen 2.400, Deutsche 1.800 und andere Europäer 2.100. Dazu kamen noch 1.400 Perser und etwa 2.800 Angehörige verschiedener anderer Staaten.

Da in einem solchen Lande auch die religiösen Anschauungen eine nicht geringe soziale und damit schließlich auch eine wirtschaftliche Bedeutung haben, so seien auch dafür einige Zahlen, ebenfalls auf Grund der genannten Zählung, mitgeteilt. Die Bevölkerung Ägyptens setzte sich aus 10.367.000 Mohammedanern, 882.000 Christen und 39.000 Juden zusammen. Eine einzigartige Stellung nimmt indessen Ägypten unter den vorwiegend islamitischen Ländern Afrikas insofern ein. als der bei weitem größte Teil seiner christlichen Bewohner der seit Urzeiten einheimischen koptischen Kirche angehört.

Von größter Wichtigkeit für Kultur und Wirtschaft des Pharaonenlandes ist das Vorhandensein einer Anzahl von zum Teil recht ansehnlichen Städten, die ihre Bedeutung teilweise bis in eine sehr weit zurückliegende Zeit zurückführen. So konnte sich hier besser als in anderen Teilen des nördlichen Afrika nicht allein Baukunst und Gewerbe aller Art bis zu einer höheren Stufe entwickeln als in den meisten Städten der Atlasländer, sondern einige von ihnen spielen auch kulturell eine hervorragende Rolle. Ist Alexandrien mehr der Sitz des europäischen Handels und Geschäftsverkehrs, so ist Kairo immer noch einer der hervorragendsten Mittelpunkte orientalischer Kultur. Andere Orte genießen im Marktverkehr einen großen Ruf. Von ihnen ist Tanta weitaus der wichtigste. Hier findet die berühmte Messe statt, bei der nach F. Jaeger alljährlich über eine halbe Million Menschen zusammenströmt. Ist die Bedeutung Tantas in alten Handelsbräuchen begründet, so ist diejenige eines anderen Ortes, Sagasig, mehr neuzeitiger Art, denn hier ist der Mittelpunkt des Baumwollhandels.

Der Größe nach übertreffen die Städte Ägyptens alle anderen Siedlungen des Weltteils. Großstädte ersten Ranges sind die beiden Hauptorte Kairo und Alexandrien, von denen das erste schon seit längerer Zeit die halbe Million überschritten hat (1907 654.000 Ew.) und Alexandrien mit 332.000 Ew. zahlreiche angesehene Großstädte Europas übertrifft. Neben diesen beiden gibt es noch 19 Mittelstädte von mehr als 20.000 Einwohnern. Bezieht man diese Orte auf die Kulturfläche, so ergibt sich eine für afrikanische Verhältnisse ansehnliche Stadtdichte. Dabei sind im Gegensatz zu Algerien gerade die bedeutenderen Orte mit Ausnahme von dreien Binnenstädte, ein Beweis für die selbständigere Stellung des ägyptischen Wirtschaftslebens gegenüber demjenigen des genannten Landes.

Die vorwiegend landwirtschaftliche Tätigkeit der Bevölkerung zeigt sich gleichwohl in der Berufsverteilung. Selbst unter Abrechnung der Dienstboten, von denen jedenfalls viele wenigstens gelegentlich in landwirtschaftlichen Betrieben tätig sein dürften, fallen auf den Landbau (1907) von allen in bestimmten Berufen Tätigen 70 Prozent. Nach Magnus müsste man von allen Einwohnern des Landes mindestens die Hälfte als in der Landwirtschaft beschäftigt ansehen. Ist doch die Zahl der Grundeigentümer nach jener Zählung auf etwa 1.270.000 festgestellt worden. Das Bild der beruflichen Tätigkeit wird aber auch dadurch beeinflusst, dass die industriellen Betriebe öfters an die landwirtschaftlichen Erzeugnisse anknüpfen, namentlich in der Erzeugung von Zucker, auch in der Zigarettenindustrie, hier freilich an eingeführte Tabaksorten. Kurz, hier wie nach allen Richtungen ein Überwiegen ganz besonders des Ackerbaues und seiner Nebenbetriebe, wie ihm wenige noch dazu kleinere Teile Afrikas etwas Ähnliches an die Seite zu stellen haben.

Eine gewisse gewerbliche Bedeutung kommt der Gewinnung von Mineralien zu, freilich im Gegensatz zum Altertum, wo sie vorwiegend in einer bestimmten Richtung, in der Gewinnung von Baumaterial, Betriebe von staunenerregender Großartigkeit ins Leben gerufen hat. Die von Jaeger erwähnte Gewinnung von Salz aus dem Mariutsee und von etwas Natron, von Baumaterial und Gips zu Dungzwecken ist von geringem Umfang. Viel wichtiger als diese Dinge scheint die Phosphatindustrie zu werden, die gerade in den letzten Jahren im Küstengebiet des Roten Meeres ungeahnte Fortschritte gemacht hat. Während 1908 erst 700 Tonnen gefördert wurden, war die Menge 1911 bereits auf 12.000, 1912 sogar auf 70.000 gestiegen. Auch im oberägyptischen Binnenlande, besonders bei Keneh, sind reiche Lager vorhanden. Es ist klar, dass dieser Zweig der Mineralgewinnung für das Land mit seinen große Sorgfalt erfordernden Pflanzungen eine besondere Bedeutung gewinnen kann, wenngleich der gewonnene Stoff jetzt noch großenteils nach Japan geht.

Größeren Umfang hat das Kleingewerbe gewonnen, das alle möglichen Gebrauchsgegenstände herstellt und in einzelnen Zweigen wie in der Töpferei, in der Herstellung poröser Tonwaren und der Verarbeitung des Nilschlammes durchaus bodenständig genannt werden darf. Sehr gewinnbringend ist auch die Fremdenindustrie, die mit der Erleichterung der Verbindungen und auch infolge der zunehmenden Wertschätzung der gesundheitlichen Vorzüge des ägyptischen Winterhalbjahres in Europa an Umfang erheblich zugenommen hat. Doch alle diese Arten gewerblicher Tätigkeit vermögen die Stellung des Landes im Welthandel nur unwesentlich zu beeinflussen gegenüber der alles überragenden Erzeugung landwirtschaftlicher Güter, vor allem der Baumwolle.

So sonderbar es klingt, so wahr ist es; der Handel von Tripolitanien gewährt ein mannigfaltigeres Bild als derjenige von Ägypten. Zum mindesten gilt das von der Ausfuhr; obwohl sie an Wert unendlich hinter derjenigen des Nillandes zurückbleibt, ist sie viel weniger einseitig. Da die neueren Zahlen infolge der abermals veränderten Verhältnisse gerade in diesem Lande in keiner Richtung mehr bezeichnend sind, soll hier nur an eine Liste der Gegenstände angeknüpft werden, die Banse für die Hauptstadt Tripolis mitteilt und die dem Jahre 1905 entstammt. Sie darf als dauernd wertvoll gelten, weil dies mehr als die wechselvolle Folgezeit die natürlichen Beziehungen des Landes zu anderen zeigt. Die Einfuhr des Haupthandelsplatzes beweist die Genügsamkeit des Volkes. An den Einzelgütern sind neben den Textilwaren ganz besonders Mehl, Zucker und Tabak beteiligt. Dieses Verhältnis lässt die Steppennatur des Landes und zugleich die geringe Ausnutzung der den Anbau gestattenden Flächen deutlich erkennen. An der Einfuhr waren mit fast gleichen Summen Großbritannien und Italien, mit etwas kleineren die Türkei und Österreich-Ungarn beteiligt. Auch Frankreich einschließlich Tunis nahm noch mit einem höheren Satz daran teil, dagegen ist Deutschland nur noch mit einem Drittel dieser und einem Viertel der britischen und der italienischen Einfuhr in Jener Liste enthalten. Da die Flagge der den Handel vermittelnden Schiffe in erster Linie britisch, italienisch und französisch war, ist dies Verhältnis durchaus erklärlich.

An der Spitze der Ausfuhr steht das Halfagras. Neben ihm sind aber mit beträchtlichen Summen verzeichnet Schwämme und ferner Häute. Außerdem gelangte, bei einem dünnbevölkerten Weidelande ganz natürlich, auch lebendes Vieh in den Handel. Von besonderem Interesse sind aber die Beziehungen zum Sudan, auf die auch die freilich geringen Mengen Elfenbein und die größere für Straußenfedern angegebene Summe hindeuten.

Die Ausfuhr des Hafens von Tripolis ging zu einem Drittel nach Großbritannien, zu weniger als einem Viertel nach Frankreich nebst Tunis und zu einem Sechstel nach der Türkei. Doch wird das Übergewicht Großbritanniens ganz allein durch das Halfagras bedingt. Betrachtet man das spätere Streben Italiens, sich dieses Landes zu bemächtigen, so fällt immerhin auf, dass zu jener Zeit nur ein verschwindend geringer Teil der Ausfuhr nach dort ging und dass beispielshalber das Interesse Frankreichs am Gesamthandel erheblich größer war als das des südeuropäischen Königreichs.

In Ägypten dagegen liefert selbst die oberflächlichste Betrachtung der Ausfuhrlisten für die Eigenart des dortigen Handels einen unwiderleglichen Beweis. Seit langer Zeit überwiegt die Baumwolle alle anderen Landeserzeugnisse so sehr, dass sie für die Ausfuhr vollständig bestimmend ist. Diese Pflanzenfaser umfasst in der Gesamtausfuhr schon 1895 drei Viertel des Gesamtwertes, 1905 etwa ebensoviel, 1910 dagegen ist ihre Beteiligung auf annähernd sechs Siebentel gestiegen. Im Mittel von 1911 und 1912 findet man folgendes Verhältnis:

Wert der Gesamtausfuhr = 655.000.000 M.
Davon für Baumwolle = 80,0 Prozent
Baumwollsamen = 11,3 Prozent
Zigaretten = 1,3 Prozent
Ölkuchen = 1,1 Prozent
Zwiebeln = 1,1 Prozent
Reis = 0,9 Prozent

Diese nach Berichten des Kais. Gen.-Konsulats in Alexandrien berechneten Zahlen geben nur die von rund einem Hundertteil an aufwärts am Gesamtwert beteiligten Gegenstände der Ausfuhr, zu denen mit erheblich kleineren aber erwähnenswerten Summen noch Rohrzucker, Häute und Wolle kommen. Gehen wir aber den Dingen noch genauer auf den Grund, so tritt die furchtbare Einseitigkeit und das wirtschafts-geographisch wie volkswirtschaftlich ganz ungesunde Übergewicht der Baumwolle noch stärker hervor. Denn die hier aufgeführten Gegenstände werden zwar ausgeführt, aber teilweise in noch größerer Menge eingeführt, so dass die Abhängigkeit des Landes von einem einzigen Handelsartikel tatsächlich noch größer ist als die kleine Tabelle erkennen lässt.

Gerade in dieser Beziehung mahnt uns die genauere Kenntnisnahme der ägyptischen Ausfuhr zur Vorsicht, die ja, das sei auch hier betont, all solchen Tabellen gegenüber am Platze ist. So ist die Reiskultur namentlich im Delta von erheblicher Bedeutung, auch hat die mit Reis bebaute Fläche ziemlich stark zugenommen, allein von 1897 bis 1909 im ganzen Lande von 73.000 ha auf fast 97.000 ha. Trotzdem ist die Einfuhr des wertvollen Getreides viel größer als die zum Teile auch nach der Türkei gerichtete Ausfuhr. Ganz dasselbe gilt vom Rohrzucker, der in Ägypten in viel größerer Menge ein- als ausgeführt wird. Ganz eigenartig gestaltet sich die Handelsbedeutung des Tabaks, der unverarbeitete Tabak wird eingeführt und gelangt in Form von Zigaretten wieder zur Ausfuhr.

Andere Erzeugnisse des Landbaues treten in der Ausfuhr in den Hintergrund, verdienen aber doch wegen der Bedeutung, die sie für den Handel mit Europa haben, bzw. bei größerer Beachtung gewinnen könnten, unsere Aufmerksamkeit. Es sind namentlich Gemüse und Früchte, deren Verschiffung in weit größerem Umfange stattfinden sollte. Als Beispiel vermag man sogar die Nationalfrucht des Landes, die Dattel, heranzuziehen. Obgleich der Bestand an Palmen zunimmt und nach der Zählung von 1907 bereits fast 6 Millionen Stück erreicht hatte, werden zwar Datteln ausgeführt, aber, ganz wie es beim Zucker der Fall ist, gelangt eine noch weit größere Menge zur Einfuhr. Auch Bananen werden von hier verschifft, ferner Orangen von ganz vorzüglicher Qualität, denen bis jetzt diejenigen Südeuropas eine ganz unverdiente, aber vorläufig übermächtige Konkurrenz machen. Gerade in diesem Falle würde eine Ausfuhr auf Grund der Beschaffenheit der Ware sicherlich lohnen.

Ähnliches gilt von den frischen Gemüsen. So betont Magnus, dass infolge unzureichenden Anbaus feine Gemüse zum Gebrauch der Gasthöfe sogar noch aus Europa bezogen werden müssen. Er gibt ferner an, dass z. B. die in Berlin auf den Markt kommenden algerischen Artischocken zweimal, in Marseille und Paris, umgeladen werden und 13 Tage unterwegs sind. Ägyptische Artischocken dagegen würden bis Berlin bei bloß einmaliger Umladung in Triest nur 8 Tage brauchen.

Von Erzeugnissen der Tierhaltung sind in erster Linie die Häute zu erwähnen, wie denn auch die Viehhaltung, ebenfalls nach F. Magnus, heute wesentlich nur der Arbeitsleistung und viel weniger des Fleisches wegen gehandhabt wird. Da Grasweide nicht vorhanden ist, sind die Tiere auf den Bersimklee angewiesen, der zwar in der Bewässerung ausgezeichnet gedeiht, aber wesentlich als Stickstoffsammler gebaut wird. Ein einziger Zweig der Tierzucht, die Geflügelhaltung, hat tatsächlich eine hohe Bedeutung für den jetzigen Handel des Nillandes erlangt. Der Wert der ausgeführten Eier, die namentlich nach England, in kleinen, aber steigenden Mengen auch nach Deutschland ausgeführt wurden, belief sich schon 1910 auf 3.170.000, 1912 sogar auf 3.740.000 M.

Nach dem eben Mitgeteilten ist nicht weiter verwunderlich, dass auch in der Ein fuhr Nahrungsmittel tierischer Herkunft die ausgeführten mit sehr großen Summen übertreffen. Im Jahre 1910 sind für 19.700.000 M. hierher gehöriger Dinge, zur reichlichen Hälfte Schlachtvieh, Fleisch- und Fischkonserven, aber auch erhebliche Mengen Butter und Käse, in das Land gebracht worden. In der Tat ein um so ungünstigeres Bild, als auch an pflanzlichen Nahrungsmitteln einschließlich Getreide und Mehl nur ein verhältnismäßig geringes Übergewicht der Ausfuhr über die Einfuhr festzustellen ist.

Dem Werte nach stehen unter den eingeführten Waren in diesem von einem zahlreichen Halbkulturvolke mit vorwiegend landwirtschaftlicher Tätigkeit bewohnten Lande die Textilwaren obenan. Ganz durch die Landesnatur bedingt ist die Einfuhr von Holz und Kohlen, für die hier kein Ersatz zu finden ist. Im übrigen sind, wie zu erwarten, alle Metallwaren einschließlich der Maschinen sowie alle einer vorgeschrittenen wissenschaftlich betriebenen Fabrikation entstammenden Handelsgüter, wie Farben, Drogen, Chemikalien mit stets steigenden Summen vertreten. Der Tabak, ebenfalls mit größeren Werten verzeichnet, wurde in seiner Bedeutung für den Handel schon angeführt.

In einer anderen Richtung hat die zu vordem ungeahnter Intensität gesteigerte Bodennutzung auch ihrerseits die Einfuhr bestimmter Dinge notwendig gemacht. Der Nilschlamm und die im Lande gewonnenen Dungstoffe reichen nicht mehr zum Ersatz der dem Boden entzogenen Pflanzennahrung aus, so dass im ersten Jahrzehnt des Jahrhunderts eine stets vermehrte Einfuhr von Kunstdünger stattfand. Ihr Wert erreichte bereits vor einigen Jahren beinahe 6 Millionen M. und es lässt sich voraussehen, dass sie mit der Zeit eine erhebliche Steigerung erfahren wird.

Die Stellung, welche die handeltreibenden Völker im Güteraustausch mit Ägypten vor dem Weltkriege errungen hatten, ergibt ebenfalls sehr wichtige Einzelheiten. Im Jahre 1911 hatte die Ausfuhr einen Wert von 593 Millionen, die Einfuhr einen solchen von 565 Millionen M. Die Ausfuhr richtete sich zum weitaus größten Teile nach England, und zwar mit 48,8 Prozent; ihm folgen Deutschland mit 10,9, Frankreich mit 8,1 und die Vereinigten Staaten mit 7,3 Prozent. Alle anderen Industrieländer, selbst Österreich-Ungarn und Italien, sind mit noch viel geringeren Anteilen vertreten, obwohl man bei diesen letztgenannten auf Grund ihrer geographischen Lage das Gegenteil vermuten sollte. Weniger auffallend ist die äußerst schwache Beteiligung der Türkei an der Ausfuhr des Tochterlandes. Ist sie doch selbst ein Agrarstaat, und wird doch zudem der Hauptgegenstand der ägyptischen Ausfuhr, die Baumwolle, stets von den westeuropäischen Großindustrieländern am meisten begehrt.

In der Einfuhr der letzten Jahre überwiegt abermals England, aber nur mit einem Anteil von 31,4 Prozent im Jahre 1911. Hier sind die Türkei und Franki'eich ebenfalls gut vertreten, mit 10,3 und 10,2 <prozentauch Österreich-Ungarn verzeichnet noch eine Beteiligung von 7,3, das ihm zunächst stehende Deutschland aber nur noch eine solche von 5,5 Hundertteilen, Italien mit seiner sehr zu Unrecht betonten Mittelmeerstellung sogar noch ein Zehntel Prozent weniger.

Die hier gegebenen Zahlen gewinnen aber erheblich an Wert, wenn wir sie mit der von F. Magnus berechneten Beteiligung der einzelnen Länder am ägyptischen Handel während der ganzen von 1884 bis 1911 reichenden Jahresreihe vergleichen. Da ergibt sich zunächst als für uns sehr erfreuliche Tatsache eine fühlbare Verringerung der britischen Einfuhr. Eine recht erhebliche Herabminderung hat freilich auch diejenige der Türkei sowie die Österreich-Ungarns nach dem Nillande erfahren. Italien hat einen um ein Weniges höheren Platz erreicht, dagegen hat Deutschland von der ganz geringen Beteiligung vor 1891 sich in sichtbarem Fortschreiten seine vor dem Kriege erreichte Stellung errungen. Noch sichtbarer ist der starke Rückgang, den die Beteiligung Englands an der ägyptischen Ausfuhr verzeichnet. Sie betrug seit 1884 rund 20 Prozent der Gesamtausfuhr des Pharaonenlandes. Deutschland, das jetzt an zweiter Stelle steht, führte 1884 und 1885 überhaupt noch nichts von dort ein. Das starke Steigen unserer Einfuhr von Ägypten her begann überhaupt erst gegen Ende der neunziger Jahre. Frankreich ist sich in der Einfuhr wie in der Ausfuhr in seinem Anteil annähernd gleich geblieben, Italien dagegen hat in seiner Einfuhr aus dem Nillande eine starke Verminderung erfahren.

Um nun aber diese Zahlen in ihrer vollen Bedeutung würdigen zu können, müssen wir uns gegenwärtig halten, dass der hier nur nach dem Verhältnis des Anteiles verschiedener Länder betrachtete Handel Ägyptens seit dem Beginn der angeführten Jahresreihe an Wert ganz erheblich zugenommen hat. Die Einfuhr ist daselbst von 1884 bis 1911 auf das Dreiundeindrittelfache, die Ausfuhr auf das Zweiundeinzehntelfache gestiegen. Dem reinen Geldwert nach bedeutet also das Steigen der Beziehungen zu Deutschland, das Sinken derjenigen zu England weit mehr als aus jenen Verhältniszahlen allein entnommen werden wird.

Schließlich mag noch darauf hingewiesen werden, dass an der jetzigen Ausfuhr Ägyptens nach Deutschland in allererster Linie die Rohbaumwolle beteiligt ist. Neben ihr spielt noch der Baumwollsamen eine sehr beachtenswerte Rolle. Sein Wert stieg von 1910 bis 1913 von rund 14 auf mehr als 35 Millionen M.

Der Verkehr des östlichen Nordafrika wird durch den Aufbau des Landes nirgends sonderlich behindert. In den Syrtenländern kommt für einen stärkeren Landverkehr zudem nur das in der Nähe des Meeres gelegene Gebiet in Betracht, da in geringer Entfernung von der Küste bereits die Herrschaft des Wüstenklimas einsetzt. Dass die ehemals so viel wichtigeren Karawanenwege vom Mittelmeer nach dem Sudan an Bedeutung immer mehr eingebüßt haben, ist durchaus erklärlich, seit in neuerer Zeit der Westen des tropischen Flachafrika immer mehr erschlossen wurde und damit für seine Güter billigere, und, was fast ebenso wichtig war, sichere Wege erschlossen sind.

Anders Ägypten, das immerhin eine vortreffliche Straße in dem Unterlauf des Ml sein eigen nennt. Aber entgegen bei uns verbreiteten Vorstellungen muß ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass dieser Strom zwar eine für das Land selbst unschätzbare Verkehrsader ist, dass er indessen als in das Innere führende Schifffahrtsstraße weit weniger in Betracht kommt (vgl. S. 33). Aber auch als Träger des Lokalverkehrs verdient der heilige Strom unsere Beachtung. Zu Wasser brachte man schon vor mehr als vier Jahrtausenden gewaltige Lasten stromabwärts, namentlich die riesigen Steinblöcke, die zu den unvergänglichen Bauwerken der Pharaonen gebraucht wurden. Auf dem gleichen Strome und auf Schiffen, die denen jener fernen Zeit genau gleichen, spielt sich noch heute ein sehr großer Teil des Güterverkehrs ab, da die Eisenbahn verhältnismäßig teuer ist. Dagegen bevorzugt der Personenverkehr die das ganze Land durchziehenden Schienenwege, während die Frachten nicht nur auf dem Nil, sondern auch auf den größeren Kanälen ihren Weg nehmen. Nach Magnus nimmt freilich die Güterbeförderung zu Wasser eine ziemliche Zeit in Anspruch, so auf dem Mamudiehkanal zwischen Kairo und Alexandrien 10 — 14 Tage und darüber. Immerhin erklärt die Entwicklung der Binnenschifffahrt, die schon im Jahre 1870 allein in den urwüchsigen Barken über einen Gehalt von 40.000 Tonnen verfügte, den geringen Güterverkehr auf der Bahn. Während in Deutschland im Jahre 1912 auf eine Million Einwohner rund 10 Millionen mit der Bahn beförderte Gütertonnen kamen, erreichte die entsprechende Zahl im Jahre 1911 in Ägypten wenig über 500.000. Das ist, selbst wenn man die geringen Bedürfnisse des Volkes berücksichtigt, doch ein ungewöhnlich niedriger Stand, der eben seine einzige Erklärung in der starken Entlastung durch die Wasserstraßen findet. Der Personenverkehr ist dagegen für afrikanische Verhältnisse nicht gering, denn in dem gleichen Jahre kamen auf jeden Bewohner des Landes mehr als zwei Reisen.

Die Länge der ägyptischen Eisenbahnen ist nicht sehr groß. Sie wird mit 4.132 km von dem algerisch-tunesischen Netz (1912) um mehr als 2.200 km übertroffen. Aber hier ist die Zusammendrängung der Bevölkerung auf ein verhältnismäßig kleines Gebiet die naheliegende Ursache. Während die Beziehung der Bahnen in diesem Lande auf die Gesamtfläche innerhalb der bisherigen Grenzen, wie unsere statistischen Tafeln sie zu bringen pflegen, eine geradezu unsinnige Verzerrung des richtigen Bildes gibt, ist umgekehrt die Dichte der Schienenwege eine ungeheure, wenn wir sie nur auf das Kulturland beziehen. Hier ergibt sich dann auf je 100 qkm eine Dichte von mehr als 10, so dass wir also mitteleuropäische Verhältnisse vor uns haben, wovon auch der Augenschein jeden aufmerksamen Reisenden überzeugen wird.

Das Kamel spielt im Lokalverkehr im eigentlichen Sinne des Wortes eine große Rolle, im Fernverkehr dagegen nirgends innerhalb des Kulturgebiets. Soweit es der Beförderung von Lasten auf größere Strecken dient, handelt es sich um Wüstenverkehr, den wir an dieser Stelle nicht berücksichtigen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wirtschaftsgeographie von Afrika