Drittes Kapitel. Die Zone der Sahara

Die wirtschaftliche Bedeutung der großen Wüste ist außerordentlich gering. Wir können sie aus diesem Grunde nicht eigentlich zu den großen Wirtschaftsprovinzen Afrikas rechnen. Wenigstens nicht in positivem Sinne, d. h. nicht als ein Gebiet, das unsere Aufmerksamkeit infolge seiner Gütererzeugung in Anspruch nimmt. Wohl hat man sich bemüht festzustellen, was an Gegenständen von irgendwelchem Wert für Verkehr und Handel hier hervorgebracht wird. U. a. hat Dürkopp unternommen, die nützlichen Wüstenpflanzen zu behandeln, freilich auch nur mit dem Ergebnis, dass es sich kaum lohnt, sie zu Gegenständen irgendwelcher Handelsunternehmungen zu machen. Auch sind sehr ausgedehnte Flächen völlig unproduktiv. Andererseits können wir die fruchtbaren Stellen nicht wohl für sich behandeln, da sie im Vergleich zu der ungeheuren Ausdehnung der Gesamtlandschaft dazu viel zu klein sind. Die wirtschaftsgeographische Stellung der großen Wüste ist dementsprechend eine negative, d, h. sie wirkt hindernd und verzögernd auf alle mit dem Güteraustausch verbundenen Vorgänge.

Diese Eigenart der Sahara läßt uns von einer Behandlung ähnlich derjenigen der wirklichen Wirtschaftsprovinzen ganz absehen. Auch dort werden ja die Ergebnisse der erdkimdlichen Forschung von uns nur nach Maßgabe ihrer Bedeutimg für Gütererzeugung und Handel berücksichtigt. Hier haben sie für uns gar kein Interesse, da sie eben für die Hervorbringung irgendwelcher Werte nicht in Betracht kommen. Wir können uns deshalb auf einen kurzen Überblick über die wichtigsten Tatsachen beschränken.


Der Aufbau der in ihren Hauptgebieten nicht hoch über das Meer emporragenden Flächen interessiert uns wesentlich nur dort, wo er Höhen erreicht, die innerhalb der reinen Trockenzone die Entstehung von Steppengebieten verursachen. Dies ist der Fall in den südlich von der algerischen Sahara beginnenden und von hier in südöstlicher Richtung bis in das Gebiet der ostsudanischen Steppen sich hinziehenden Hochländern, die in Tibesti ihre höchsten, den Voralpen gleichenden Erhebungen erreichen. Neben ihnen finden sich in der mittleren Zone der großen Wüste noch einige selbständige Plateaus, deren höhere Teile zu mehr als 1.000 m ansteigen, die Gebiete von Air und Ahaggar, in denen ähnliche Verhältnisse herrschen. Diese mittlere Zone ist das einzige Gebiet, das ähnlich den nordafrikanischen Grenzgebieten periodische Wasserläufe in die umgebenden niedrigeren Landschaften entsendet.

Die Ausdehnung der beiden völlig wüsten Gebiete im Westen und im Osten der höheren Mittelzone ist so groß, dass die Hauptwirkung der Sahara die eines ungemein wirksamen Verkehrshindernisses ist. Rechnen wir das Gebiet ohne regelmäßige Niederschläge — Landschaften, in denen es tatsächlich niemals regnet, gibt es nicht einmal hier — , so erhalten wir sowohl in der westlichen wie in der östlichen Sahara eine Breite von reichlich 1.000 km; zu dieser müssen aber verkehrstechnisch noch einige Hundert Kilometer hinzugezählt werden, in denen die Niederschläge noch so wenig ergiebig sind, dass von einer Gütererzeugung in nennenswertem Maßstabe kaum die Rede sein kann, so dass der Verkehr sie durchquert, ohne innerhalb dieser Grenzzone, die Oasen ausgenommen, um der Aufnahme von Handelsgütern willen Halt zu machen. In der Tat finden wir, wo wir irgend in neuerer Zeit auf Fragen der Inangriffnahme rein saharischer Landschaften durch Europäer treffen, dass es sich stets um Pläne der Durchquerung und des Verkehrs, niemals hingegen um solche der Nutzbarmachung der Wüste selbst handelt, abermals abgesehen von der Erweiterung; und Vermehrung der an den Nordgrenzen liegenden Oasen. Selbst das Projekt der Unterwassersetzung der im Vergleich zum Ganzen sehr kleinen unter dem Meeresspiegel sich hinziehenden Schottlandschaft im Süden von Tunis und Ostalgerien hat ernstlich nichts mit dem Gedanken einer Nutzbarmachung der Sahara selbst zu tun.

Nun ist ja nicht zu bezweifeln, dass selbst innerhalb der sogenannten regenlosen Gebiete und außerhalb der Zone höherliegender Grundwasserschichten die vorgeschrittene Technik und Landwirtschaft einer späteren Zeit gewisse Werte wird hervorbringen können. Die Ausführungen Semlers über „Wüstenwirtschaft" lassen uns schon heute auf eine solche Zukunft begründete Hoffnungen setzen. Indessen ist doch anzunehmen, dass das erst dann eintreten wird, wenn die uns noch auf lange Jahrzehnte näherliegende Arbeit in den besseren Gegenden des Weltteils getan sein wird und diese sich zu voller Produktionshöhe entwickelt haben werden. Trotzdem müssen wir uns vergegenwärtigen, dass die ungeheure Ausdehnung der Sahara die Kulturwelt der Zukunft vor Aufgaben von überwältigender Großartigkeit teilen wird. H. Wagner gibt für das Ödland in Afrika die Zahl von 5,3 Millionen qkm an. Da die über die Pflanzengrenzen hinausragenden Gipfelgebiete, die südafrikanischen Ödländereien, die Sanddünen der Küsten nur einen verhältnismäßig kleinen Teil davon beanspruchen, so kann man den weitaus größten Teil dieser annähernd die zehnfache Größe des Deutschen Reiches im Jahre 1914 haltenden Fläche als zur Sahara gehörig ansehen. E. Banse gelangt unter Zugrundelegung der Niederschlagsverhältnisse für das Gesamtgebiet der nordafrikanischen Wüstenländer ebenfalls zu sehr großen Flächenzahlen. Da er auch das innerhalb der Wüste gelegene nutzbare Land in Rechnung zieht, so kommt er zu einer noch bedeutenderen Ausdehnung. Das saharische Afrika umfasst hiernach insgesamt unter Abrechnung von Tripolis, der Kyrenaika und des ägyptischen Kulturlandes, aber unter Einrechnung der zentralen Steppenregion sowie einiger ebenfalls nicht ganz wüster Landschaften an den Grenzen des Sudan rund 814 Millionen qkm. Der Wüstencharakter herrscht im Westen und im Osten völlig vor. Dementsprechend sind hier nur äußerst wenige Bewohner vorhanden. Wie selbst die halbwegs bewohnbaren Gebiete nur äußerst schwach bevölkert sind, zeigt die Landschaft Fesan, ein Oasengebiet, das mit der die fruchtbaren Fleckchen umfassenden Wüste auf etwa 400.000 qkm nur 40.000 Menschen beherbergt. Die entsetzliche Leere der oasenarmen Wüste zeigt uns aber am besten die westliche Sahara, die auf etwa 2.300.000 qkm nur von etwa 100.000 Menschen bewohnt wird. Was das bedeutet, erkennt man, wenn man sich vorstellt, dass das Königreich Sachsen bei gleicher Volksdichte nur von 6—700 Menschen bewohnt sein würde. Dass derartig schwach bevölkerte Ländergebiete kaum etwas hervorbringen können, was man mit einigem Recht als einen Einfuhrhandel bezeichnen könnte, liegt ohne weiteres auf der Hand. Zu dieser Verödung kommt ferner der räuberische Charakter und der Fanatismus der Wüstenvölker, der den Karawanenverkehr stets zu einem mehr oder minder gefahrvollen Betriebe machte.

Dieser Verkehr selbst dürfte wohl niemals seine frühere Bedeutung wiedererlangen. Kürchhoff erwähnt, dass selbst der frühere Verkehr mit dem damals noch türkischen Tunis vorwiegend auf dem Sklavenhandel beruhte. Dieselbe Folge für den Saharahandel hatte die Unterdrückung der Sklavenlieferungen seit der Besitzergreifung des inneren Sudan durch die Franzosen, v. Kleist betont ausdrücklich, dass zwar alle früheren Karawanenwege südlich von Algerien und Tunis an Sicherheit gewonnen hatten, dass aber der einst so rege transsaharische Verkehr gänzlich tot sei.

Was die Zukunft, vielleicht auf Grund der Entdeckung von Bodenschätzen, einmal an wirtschaftlichen Einzelheiten auch für dieses Land bringen wird, lässt sich heute noch nicht einmal in Form von Vermutungen aussprechen. Soviel ist gewiss, dass das Wüstengebiet als Ganzes stets eine Einöde bleiben wird. Vielleicht, dass, wie schon angedeutet, in den Siedlungen der Sahara die Verwertung der Sonnenkraft einmal zu Bedeutung kommt. Vorläufig müssen wir uns bescheiden, in dem ungeheuren Gebiet eine Trennungszone zu sehen, die die tropischen Wirtschaftsgebiete von denen der subtropischen Striche Nordafrikas nahezu vollständig scheidet.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wirtschaftsgeographie von Afrika