Siebentes Kapitel. Die Bedeutung der Tierwelt für die Wirtschaft Afrikas

Wenn auch, wie wir sahen, die Vorstellung durchaus falsch ist, dass Afrikas ursprüngliche Pflanzenwelt wirtschaftlich wertlos sei, so tritt der Weltteil doch gegenüber den üppig bestandenen Ländermassen Süd- und Südostasiens sowie des südlichen Amerika in den Hintergrund. In einem ganz anderen Lichte dagegen erscheint er uns, wenn wir ihn in seiner Eigenschaft als die Heimat größerer Tiere zu würdigen suchen. Dann kann man den Satz verfechten, dass kein anderer größerer Teil der Erde eine wirtschaftlich der seinen gleichwertige Tierwelt besessen hat und noch besitzt. Und weil dieser ursprüngliche Reichtum an wertvollen Lebewesen doch zu allererst auf geographischen Grundlagen beruht, darf man der freilich durch die Einflüsse der Europäerkultur [Ansiedlung von Europäern, Einwanderung] stark veränderten Fauna auch für das bereits beginnende Zeitalter der wirtschaftlichen Erschließung unbedenklich eine außerordentliche Bedeutung beilegen.

Es lohnt sich um des Verstehens der wirtschaftlichen Notwendigkeiten willen, sich die in diesem Falle maßgebenden Züge des afrikanischen Geographie zu vergegenwärtigen. Das Fehlen hoher Gebirgszüge und überhaupt hoher Landschaften von bedeutender Ausdehnung und der Zusammenhang der großen schwach gewellten Gebiete in allen Teilen des Kontinents, sowie endlich das überall ziemlich warme, gleichmäßige Klima begünstigte ungemein die Ausbreitung der gleichen Arten über ungeheure Gegenden dieses Weltteils, ja in einzelnen wichtigen Fällen sogar über Gesamtafrika mit Ausnahme der völlig wüsten Striche. Die eigenartige Regenverteilung aber, die wieder die Hauptursache der Ausdehnung offener Landschaften ist, diente so ebenfalls zur wesentlichen Verbreitung der ungeheuren Menge von Weidetieren der verschiedensten Art, welche die endlosen Savannen und Steppen der Hochländer bevölkerten. Wir finden deshalb die Hauptunterschiede in der Zusammensetzung der Tierwelt innerhalb dieses großen Erdteils nicht etwa zwischen dem äußersten Süden und den nördlichsten Randgebieten an der Grenze der Sahara, sondern vielmehr zwischen dem offenen Lande, einerlei ob Wüstensteppe oder reiche, ja parkartige Graslandschaft, und der Zone der geschlossenen Urwälder in den äquatorialen Strichen.


Was dem Blick des Tierfreundes aber erfreuliche Bilder einer leider bereits vergangenen Zeit in die Erinnerung zurückruft, jene riesigen Herden, gebildet von ungezählten Weidetieren, namentlich aus dem Geschlecht der Antilopen, die jene endlosen Flächen erfüllten, das gibt dem Wirtschaftsforscher Grund zu froher Hoffnung auf eine bereits in ihren Anfängen erkennbare Epoche der Einbeziehung auch dieser riesigen Ländereien in den Dienst vorwärtsstrebender Kolonisten. Je mehr das übervölkerte Europa der Zufuhr von Fleisch auf der einen, von Leder, Wolle und ähnlichen Rohstoffen auf der anderen Seite bedarf, um so wichtiger erscheint die Eröffnung neuer Gebiete, die imstande sind, mit den diese Dinge bereits liefernden Gegenden in Wettbewerb zu treten. Auch Afrikas Weiden diesem Zwecke dienstbar zu machen, bietet ja einen unschätzbaren Vorteil für uns. Nicht nur, dass jede Erweiterung der Produktion irgendeines Gegenstandes für den Abnehmer von Vorteil ist, verheißt der Eintritt dieses Weltteils in den Kreis der großen Viehzuchtländer auch noch einen weiteren unschätzbaren Nutzen. Denn hier handelt es sich um den eigenen Kolonialbesitz der Fleisch und tierische Rohstoffe kaufenden Völker, während einige besonders wichtige bis jetzt hierfür in Frage kommende Länder selbständig sind und somit nur das eigene Interesse bei ihren wirtschaftlichen Maßnahmen berücksichtigen.

Der Tierreichtum Afrikas ergibt sich für den Wirtschaftspolitiker schon daraus, dass selbst in neuerer Zeit in manchen großen Gebieten, auch in solchen, die bereits von Europäern in Besitz genommen waren, die von der wilden Fauna stammenden Handelsgüter einen verhältnismäßig großen Teil des Wertes der Gesamtausfuhr trugen. So führte selbst Deutsch-Ostafrika im Jahre 1898 an Erzeugnissen der Jagd und Fischerei noch für 2 Mill. von insgesamt 6 Mill. M. aus und in Südwestafrika betrug der Anteil der wilden Tierwelt am Werte des Gesamtexportes damals ganze neun Zehntel. Freilich spielten auch jene Handelsgüter dabei eine Rolle, die, wie bereits im einleitenden Abschnitt hervorgehoben wurde, in ihrer Eigenschaft als Luxuswaren jede Fracht zu tragen vermochten. Wir sehen aber, wie mit dem Aufkommen des europäischen Einflusses nach einer Zeit der Abnahme der von der Tierwelt stammenden Ausfuhrwerte eine Umkehr stattfindet, die auch Handelsgütern dieser Art wieder eine erhöhte Beteiligung an der Ausfuhr bringt. Das ist keineswegs immer die Folge der Entwicklung der europäischen Landwirtschaft, sondern es begegnet uns diese Erscheinung auch infolge der Erschließung von Binnenlandschaften durch die Verkehrsmittel der Neuzeit.

Ein vortreffliches Beispiel dieser Art gewährt uns die handelsgeschichtliche Entwicklung von Deutsch-Ostafrika. In dem eben erwähnten Jahre war an der gesamten Ausfuhr von Gegenständen tierischer Herkunft das Elfenbein mit 1.809.000 M. beteiligt, Häute und Felle dagegen mit nur 89.000 M. Im Jahre 1912 aber begegnet uns das Elfenbein aus naheliegenden Gründen nur noch mit 361.000 M., während Häute und Felle bereits die hohe Summe von 4.067.000 M. in der Liste erreicht haben. Erst mit der Erschließung der Landschaften im Hochlande des Viktoriasees durch die Ugandabahn konnten die großen Rinderherden dieser Gegenden auch für den Handel mit diesen Dingen nutzbar gemacht werden.

Wir werden im einzelnen noch Gelegenheit haben, auf die Entwicklung des Handels mit besonders wichtigen Erzeugnissen der Tierwelt einzugehen. Indem wir uns der wirtschaftlichen Bedeutung dieser Klasse von Lebewesen zuwenden, dürfen wir sie aber nicht nur vom Standpunkte der Verwertung ihrer Erzeugnisse zur Ernährung und in der Industrie berücksichtigen. Vielmehr ist gerade in Afrika die Rolle, die sie auch jetzt noch und voraussichtlich noch auf lange Zeit im Fernverkehr spielen, so wichtig, dass sie uns auch nach dieser Richtung beschäftigen müssen.

Unter den Verkehrstieren in Afrika finden wir eines, dessen Verwendung unmittelbar durch die Landesnatur bedingt wird, das Kamel. Es ist innerhalb seines Verbreitungsgebietes durch kein anderes Lasttier zu ersetzen und auch als Reittier in vielen Fällen unentbehrlich. Sein Verbreitungsgebiet, das überall mit dem Übergang der Steppe in gut bewässertes Land endigt, erstreckt sich über ganz Nordafrika bis in die nördlichen Länder des Sudan und reicht im Osten an der Wurzel des Somalilandes sogar bis zum Äquator. Nur in Abessinien kann es nicht verwendet werden, doch wird es in neuerer Zeit auch in den Trockengebieten des südlichen Afrika mit Erfolg benutzt.

Die Leistungsfähigkeit des Lastkamels, das uns Wirtschaftsgeographisch in erster Linie interessiert, wechselt je nach dem Gelände und der Länge und Beschaffenheit der ganzen Reisestrecke; sie schwankt zwischen 25 und 50 km Tagesleistung. Die Last wird im Mittel zu 150—200 kg angegeben.

In keinem Gebiet der Welt sind aber auch den übrigen Verkehrstieren so deutliche geographische Grenzen gesetzt wie in Afrika. Ist doch das die Hauptursache dafür, dass in diesem Weltteil der Mensch, dieser unglücklichste aller Lastenbeförderer, bis vor kurzem in großen Ländern allein für den Gütertransport zur Verfügung stand. Dem Pferde sind durch eigenartige Krankheiten in vielen Gegenden Grenzen gesetzt, über die hinaus es nur schwer eine weitergehende Verwendung finden kann. Es sind keineswegs nur die rein tropischen Landschaften, in denen die Benutzung dieses Tieres auf große Strecken hin mit ernsten Schwierigkeiten zu kämpfen hat, sondern auch innerhalb der außertropischen Länder des afrikanischen Südens verbieten solche den allgemeinen Gebrauch des Tieres in der wärmeren Zeit, besonders in den unmittelbar auf die Regenzeit folgenden Monaten. Eine bestimmte Seuche ist hier das Hindernis, in anderen, dem Äquator näheren Gebieten wirken wohl auch rein klimatische Ursachen hemmend auf die Pferdehaltung ein. Das ist um so bedauerlicher, als ja, wie wir sahen, auch in diesen Zonen die offene Landschaft den Gebrauch dieses edlen Transporttieres begünstigen würde. Man kann jedenfalls sagen, dass es ganz vorwiegend die trockenen Gebiete sind, in denen das Tier sich einer größeren Verbreitung erfreut, während gerade diejenigen es am schmerzlichsten entbehren müssen, in denen die größere Masse der erzeugten Handelsgüter die Verwendbarkeit billigerer Transportmittel um so wünschenswerter erscheinen lassen würde. Nach v. Wissmanns Ansicht sind übrigens keineswegs nur die tieferen Küstenlandschaften, sondern ist auch das Innere für Pferde wenig geeignet. Die von ihm erhobenen Einwände würden auch dort bestehen bleiben, wo nicht schon das Auftreten der Tsetsefliege ihre Haltung unmöglich macht.

Dagegen sind es die dem Pferde nahestehenden Transporttiere, der Esel und das Maultier, die für den Personenverkehr sowie für die Beförderung von Lasten in weit größerem Umfange in Betracht kommen. Die Maultiere finden auch als Zugtiere leichter (Post-) Wagen in eisenbahnlosen Gegenden, z. B. Südafrikas, Verwendung. Indessen können beide Arten für den Transport schwerer Wagen und größerer Gütermengen nicht gebraucht werden.

Um den verkehrstechnischen Übelständen zu begegnen, die sich aus der Nichtverwendbarkeit des Pferdes in großen und zudem besonders wichtigen Teilen des afrikanischen Kontinents ergeben, hat man alle möglichen Vorschläge gemacht. Ernsthaft in Frage zu ziehen wäre die Zähmung und Züchtung des dem Pferde verwandten Zebra, die dazu führen kann, eine gegen die angezeigten Schädigungen immune Rasse von neuen Transporttieren zu ergeben. Leider sind die Kreuzungsprodukte beider Tiere nicht gegen die Tsetse gefeit. Ob man aber damit ein Tier von erheblich größerer Leistungsfähigkeit im Ziehen von Fuhrwerk erhalten würde, muss einstweilen dahingestellt bleiben. Ganz und gar zu verwerfen ist dagegen der Vorschlag, den Elefanten an die Stelle der bisher genannten Verkehrstiere treten zu lassen. Damit soll keineswegs gesagt werden, dass es nicht wünschenswert sei, den Riesen unter den wilden Tieren Afrikas zur Ableistung bestimmter Arbeiten zu zähmen. Aber es ist ein Irrtum, sich von der Benutzung des Elefanten besondere Vorteile für die Beförderung großer Gütermengen zu versprechen. Dazu sind die Kosten der Zähmung und Erhaltung zu groß, die Leistungsfähigkeit dagegen zu klein. Das Tier vermag zwar eine Last von 400 kg zu tragen, aber das will nicht viel besagen, wenn man bedenkt, dass ein mit den billigen und äußerst genügsamen Steppenochsen einzelner südafrikanischer Länder bespannter Ochsenwagen auch bei schlechtesten Wegen dasselbe leistet wie drei bis vier Elefanten, bei guten dagegen und bei einiger Geduld sogar dieselbe Last befördert wie sieben bis acht der riesigen Tiere. Damit würde also bei der Vollbespannung eines solchen Wagens die Leistungsfähigkeit eines Lastelefanten nicht viel größer sein als die von zwei bis drei Zugochsen.

Damit kommen wir also zu dem Ergebnis, dass neben dem Kamel auch für den Güterverkehr wirtschaftlich voll erschlossener Gebiete nur ein Transporttier auf größere Entfernungen hin in Frage kommt, und das ist das Rind. Die Verwendung zum Tragen von Lasten und als Reittier in pferdearmen Gegenden lassen wir dabei unberücksichtigt, da an dieser Stelle vorwiegend nur diejenigen Dinge behandelt werden, die für die Aufschließung und Nutzbarmachung Afrikas im Sinne der europäischen Kultur eine Bedeutung beanspruchen können. Da das Rind aber ebenfalls bestimmten Gefahren tropischer Gegenden ausgesetzt ist, unter denen vor allem die in vielen afrikanischen Ländern verbreitete Tsetsefliege zu nennen ist, so beschränkt sich das Gebiet, in dem es als Zugtier im Fernverkehr Anwendung findet, im wesentlichen auf das außertropische Südafrika. Man kann die Größe dieser Landschaft auf rund 3 Mill. qkm zusammenhängenden Landes schätzen, woraus die Wichtigkeit ohne weiteres einleuchtet, die diesem Haustier im Verkehrsleben beigemessen werden muss. Wenn auch seine Leistungsfähigkeit nicht übermäßig groß ist, so bedeutet der Ochsenwagen doch einen großen Fortschritt gegenüber dem Lasttier und selbstverständlich einen noch größeren gegenüber dem menschlichen Träger. Denn so beachtenswert das Maultier und der Packochse im einzelnen Falle auch ist, so versagen sie gegenüber dem modernen Handelsverkehr schon deshalb, weil dieser unbedingt mit der Beförderung größerer Kollis und mit der Notwendigkeit rechnen muss, die ursprüngliche Art der Verpackung bis zum Bestimmungsort beizubehalten. Dazu sind nun diese Wagen durchaus imstande, die schon auf minder gutem Wege in der Wildnis 12 bis 1.500 kg zu befördern pflegten, unter halbwegs geordneten Verhältnissen aber mit der gleichen Bespannung von 14 — 16 Ochsen 3.000 kg und darüber vorwärtsbewegen können. Die Tagesleistung hängt natürlich von mancherlei Besonderheiten ab, von der Beschaffenheit des Weges, von dem Vorhandensein von Wasser und Futter, von der Jahreszeit und von anderen Dingen mehr. Bei mittleren Reisen bis zu 300 km konnte man sie ehedem in nicht allzu schlechter Landschaft einschließlich der Ruhetage auf 15 — 20 km ansetzen. Auf kürzeren Strecken erhöht sich natürlich diese Zahl.

Es ist ganz falsch, aus dem Entstehen von Eisenbahnen in den Ländern des Kamel- und des Ochsen wagen Verkehrs auf dessen Verschwinden zu rechnen. Eher ist das Gegenteil der Fall. Denn nirgends erreicht in diesen Ländern die Dichte des Eisenbahnnetzes diejenige selbst weniger verkehrsreicher Länder von Europa. So bleibt sie in Algier und Tunis mit 0,7, in der Kapkolonie mit etwa 0,8 noch hinter derjenigen von Norwegen und der europäischen Türkei zurück (1912). Diesem recht weitmaschigen Bahnnetz gegenüber hat namentlich der Ochsenwagen die Rolle des Zubringers von Gütern übernommen. Die Länge der Reisen hat freilich gegen die Vergangenheit abgenommen, die Zahl der Reisen ist dagegen erheblich gewachsen. Man kann sagen, dass die Bedeutung des Ochsenwagens im Provinzialverkehr — der Ausdruck sei hier gestattet — sich gegen früher noch gehoben hat und dass ohne seine Mitwirkung die Versorgung der Bahnen mit landwirtschaftlichen Massengütern undenkbar wäre. Während diese bei uns fast überall nur eine Fahrt von einigen Stunden bis zur nächsten Bahnstation voraussetzt, kann sie in Südafrika ohne wirkliche Reisen von mehr oder selbst vieltägiger Dauer nicht stattfinden und ähnliches gilt von der Zuführung bestimmter Karawanengüter im nördlichen Afrika.

Wir können die Bedeutung des Ochsenwagens für den Transport landwirtschaftlicher und natürlich auch sonstiger Güter und die Wichtigkeit seiner Aufgaben als eines Zubringers der Bahn nicht besser verstehen, als wenn wir uns ein Bild von den Entfernungen zu machen suchen, die er zum Zweck dieser Verkehrsvermittlung zurückzulegen hatte. Im Anfang der neunziger Jahre betrug die mittlere Entfernung der Stationen der Kapeisenbahnen, auf das ganze Land verrechnet (also nicht auf die Strecke) rund 120 km. Ein Ochsenwagen von den am weitesten von der Bahn gelegenen Farmen hätte also bis zur Station im Durchschnitt 60 km zurücklegen müssen, was auch unter Annahme günstiger Wegeverhältnisse allein zur Zurücklegung der Entfernung eine viertägige Reise voraussetzte. In der westlichen Kapkolonie muss man aber heute noch von der inneren Karrusteppe aus mit Reisen von mehreren Wochen von und bis zur Farm rechnen, um Lasten an die Bahn zu schaffen.

Wie ebenfalls schon in der Einleitung hervorgehoben wurde, haben Erzeugnisse der afrikanischen Tierwelt zuerst den Handel mit Luxuswaren belebt. In älterer Zeit waren es nur Elfenbein und Straußfedern. Mit der Verteuerung des erstgenannten Stoffes kommen als Ersatzmittel auch die Hauer des Flusspferdes auf den Markt. Schließlieh gesellen sich zu diesen Dingen Gehörne, Schmuckfelle und Rhinozeroshörner. Wenngleich der Wert all dieser Dinge gegenüber dem Elfenbein stark in den Hintergrund tritt, sind die dafür zu rechnenden Summen doch keineswegs ganz gering und sie dürften sich, auf den ganzen Weltteil verrechnet, mit dem mehr und mehr durchgeführten Schutz der edlen Wildarten auf der jetzigen Höhe halten, ja sie vielleicht einmal wieder übersteigen.

Ein Beispiel, um welche Summen es sich bei diesen Gegenständen handelt, gibt uns die Ausfuhrstatistik von Deutsch-Ostafrika, von wo im Jahre 1912 für 361.000 M. Elfenbein, aber auch für 41.000 M. andere Zähne und Rhinozeroshörner ausgeführt wurden, oder Deutsch-Südwestafrika, das in demselben Jahre für nicht weniger als 42.000 M. Robbenfelle (Sealskin) in den Handel brachte. Ein genaues Urteil über die Bedeutung der Luxusfelle und der zum Wandschmuck dienenden Jagdtrophäen lässt sich leider nicht aufstellen, der fast alle afrikanischen Länder diese Dinge nicht von den entsprechenden Waren landwirtschaftlicher Herkunft gesondert anführen. Dass es sich nicht um ganz geringe Mengen handeln kann, zeigt nicht nur der Besuch der Basare von Sansibar und anderer großer Handelsorte, sondern das erweisen auch die regierungsseitig geführten Schusslisten für einzelne Tiere, deren Felle besonders gesucht sind. U. a. wurden noch im Jahre 1908/09 allein in Deutsch-Ostafrika 437 Löwen und 1.412 Leoparden erlegt. Bekannt ist ferner die Güte der Felle kleinerer Raubtiere im außertropischen Süden des Weltteils, die in den kühleren Monaten ihrer Heimat geradezu eine Art von Winterpelz tragen und deren Handelswert dadurch gegenüber dem der aus den Tropen stammenden Felle eine Steigerung erfährt.*) Wenn auch die eben erwähnten Dinge für einzelne Gebiete einen interessanten Zuwachs zu den übrigen Gegenständen des Handels mit der Kulturwelt bilden, so beschäftigen wir uns hier nicht weiter mit ihnen. Anders dagegen ist die Stellung, die die Stoßzähne des Elefanten und die Federn des afrikanischen Riesenvogels unter den dem Erdteil entstammenden Gütern einnehmen. Verweilen wir zunächst bei dem Elfenbein.

Wohl ist das Verbreitungsgebiet des Elefanten gegen frühere Zeiten stark eingeschränkt worden. Indessen ist doch wohl die Annahme berechtigt, dass er in manchen Gegenden, in denen er heute ganz oder beinahe verschwunden ist, auch ehemals nicht in besonders großer Zahl vorhanden war. In den schon vor Jahrhunderten dicht bevölkerten Landschaften des westlichen Sudan, sowie in manchen innerafrikanischen Ländern, in denen, ebenfalls vor hunderten von Jahren große und volkreiche Eingebornenreiche bestanden, wird er auch in jenen Zeiten nicht sonderlich häufig gewesen sein. Wir verdanken C. Engelt eine kartographische Darstellung seiner heutigen Verbreitung. Nach dieser ist er schon im Altertum in Nordwestafrika ganz ausgerottet. In neuerer Zeit ist er aus dem außertropischen Südafrika ebenfalls völlig verschwunden, mit einziger Ausnahme der Südküste des Kaplandes, wo die noch vorhandenen Tiere gesetzlichen Schutz genießen. Auch in ausgedehnten küstennahen Bezirken der Tropen kommt er nicht mehr vor. Dagegen ist er noch häufig und in manchen Gebieten allgemein verbreitet im Stromlande des oberen Kongo und besonders in der breiten, vom abessinischen und ostafrikanischen Hochlande bis zum Guineagolf reichenden äquatorialen Wald- und Monsunzone.


*) Vgl. hierzu auch K. Dove. Methodische Einführung in die Wirtschaftsgeographie, G. Fischer, Jena 1914.

Nach A. Hess haben die guten Zähne meist eine Länge von 2 m und ihr Gewicht beträgt im Durchschnitt 30—50 kg. W. Westendarp gibt an, dass die von der Westseite stammenden Zähne schlanker gewachsen sind und eine harte, d. h. transparente Beschaffenheit besitzen. Die von der Ostseite stammenden Zähne sind dagegen stärker gekrümmt, sie sind weicher, weiß und undurchsichtig. Das beste Elfenbein kommt aus dem nördlich vom Äquator gelegenen Ländern, namentlich liefert Gabun eine besonders schöne Qualität. Dagegen werden die aus dem nordwestlichen Sudan stammenden Zähne am wenigsten geschätzt.

Die Preise sind mit dem Seltenerwerden des Tieres zunächst stark und ständig gestiegen. Während sie von 1840—50 noch 11 M. für das Kilogramm betrugen, hielten sie von 1880—90 die mittlere Höhe von 24,5 M. inne. Natürlich wechselt der Preis auch örtlich sehr stark. So betrug er 1911 und 1912 in Ostafrika rund 20 M., in Kamerun dagegen nur 15 M. für das Kilogramm, im benachbarten Britisch-Nigerien 1910 etwa ebensoviel.

Westendarp hat festgestellt, dass 1879—83 Afrika insgesamt noch die ungeheure Menge von 848000 kg im Jahre in den Handel brachte. In diesem Gegenstande beherrscht es den Weltmarkt vollständig, denn das sind 98 Prozent der damals überhaupt gehandelten Menge. Damals erreichten aber noch zwei Drittel allen afrikanischen Elfenbeins die See über die Märkte der Ostküste. Das hat sich seither völlig geändert, denn auf dem Antwerpener Markt, jetzt dem bedeutendsten, gelangten 1912 zum Verkauf 95 Prozent von der Westküste, hauptsächlich vom Kongo und aus Angola stammendes Elfenbein.

Unter den Märkten spielen besonders Antwerpen und in ziemlich weitem Abstände London eine Rolle (1913). Das in Deutschland eingeführte Elfenbein kam (1912 und 1913) vorwiegend über Großbritannien, daneben aber auch in größeren Mengen unmittelbar aus der Kongokolonie.

Es ist notwendig, einem weitverbreiteten Irrtum entgegenzutreten, der auch in verschiedene wissenschaftliche Werke übergegangen ist. Mit vollstem Recht wird darauf gedrungen, dieser edelsten von allen Wildgattungen ausreichenden Schutz gegen die übermäßige Verfolgung durch den Jäger zu gewähren. Auch wird, ebenfalls durchaus mit Recht, daran erinnert, dass diese wahnwitzige Verfolgung die einzige Ursache des schnellen Zurückweichens der Tiere aus vielen bisher von ihnen bewohnten Landschaften ist. Ganz übertrieben ist aber die Behauptung, dass im Interesse des Elfenbeinhandels alljährlich 60—70.000 Elefanten ihr Leben lassen müssten. Nun umfasst aber, berechnet auf Grund der Karte von Engelt, das Gebiet, das allein noch für die ergiebige Jagd in Betracht kommt, wie überdies durch die Ausfuhrlisten der afrikanischen Länder bestätigt wird, in runder Zahl nur noch 6.000.000 qkm. Es müsste also seit längerer Zeit durchschnittlich im Jahr ein Elefant auf je 100 qkm erlegt sein, was bei der Mittelgröße der Zähne und bei der Langsamkeit, mit der diese erreicht wird, einfach unmöglich ist.

Ich bin dieser irrigen Ansicht schon vor einer Reihe von Jahren entgegengetreten und habe erklärt, dass die Hauptmasse des Elfenbeins, das aus Äquatorialafrika auf den Markt kommt, aus den daselbst früher, zum Teil wohl seit vielen Menschenaltern aufgespeicherten Beständen stammen müsse. Diese meine Ansicht bestätigt nunmehr H. Büchel, wenn er von der Elfenbeinausfuhr des Kongogebietes schreibt: ,,Der größte Teil des ausgeführten Elfenbeins ist totes ausgetrocknetes, im Gegensatz zum gejagten, weichen. Das tote wird entweder erst im Urwald, diesem Elefantenfriedhof, gefunden oder es kommt aus den seit Jahrhunderten angesammelten Beständen der Eingeborenen, bei denen es im ganzen Gebiet als Warengeld verwendet wurde." In dem Augenblick, in dem diese Bestände erschöpft sind, muss allerdings die strengste Durchführung aller Maßregeln zu Schonung des Hochwildes bereits allgemein gesichert sein. Andernfalls würde die wirkliche Ausrottung in unmittelbare Nähe gerückt und der Weltmarkt um einen unersetzlichen Handelsgegenstand ärmer geworden sein.

Das zweite allgemein begehrte Erzeugnis der afrikanischen Tierwelt im Luxushandel, die Straußenfeder, hat eine bemerkenswerte Veränderung ihres Herkunftsgebiets erfahren. Ursprünglich kam sie wohl in nicht viel geringerer Menge als aus dem außertropischen Südafrika auch aus den nordafrikanischen Steppen und Halbwüsten in den Handel. Im Jahre 1871 betrug der Wert der über Kapstadt, Port Elisabeth und Port Durban ausgeführten Federn wenig über 3 Mill. M., obwohl man damals bereits mit der Straußenzucht begonnen hatte. Noch 1865 war der Wert der südafrikanischen Ausfuhr nicht viel höher als 1.300.000 M. gewesen. In jenem Jahre zählte man erst 80 gehegte Strauße, 1875 bereits 21.750, 1891 schon 155.000 und 1897 sogar 238.000 solcher Vögel allein in der Kapkolonie. Trotz des stark herabgeminderten Wertes der Federn übertrifft aber Südafrika heute alle anderen Länder des Kontinents weitaus im Handel mit der immer noch nicht billigen Ware. Das (englische) Pfund Straußenfedern, das im Jahre 1860 noch 158 M. gekostet hatte, erreichte indessen 1880 nur 101,5 und 1890 nur noch 49,8 M. in den südafrikanischen Häfen.

Während man auch in Nordafrika Straußenzucht in freilich sehr beschränktem Umfange treibt, beherrscht Südafrika nach wie vor den Markt. Gegen dieses große Gebiet kommen auch die in anderen Weltteilen gelegenen Länder, welche mit der Einführung afrikanischer Straußen vorgegangen sind, nicht auf. Aber auch die großen, von wilden Vögeln bewohnten Gebiete können sich mit dem südafrikanischen Gebiet der Straußenzucht nicht entfernt mehr messen. Die Ausfuhr des britischen Somalilandes erreichte im besten Jahre, 1908, nur 90.000 M. und ist seither auf die Hälfte gesunken. Dagegen betrug der Wert der südafrikanischen Ausfuhr 1910 und 1911 mehr als je 45 Mill. M.

Selbstverständlich lässt sich die Straußenzucht auch in anderen Gegenden von Afrika betreiben. Soll sie aber mit der südafrikanischen in Wettbewerb treten, so darf die Haltung der Tiere nicht durch die Kosten der Hegung unnötig verteuert werden. Auch empfiehlt sich, den Vögeln reichliche Gelegenheit in körperlicher Bewegung zu geben, weshalb Zuchtanstalten in der freien Steppe auf die Dauer bessere Federn liefern als räumlich beschränkte, wie z. B. im Ägypten. Schließlich sei noch ein Punkt erwähnt, der die Verwertung öder, zur landwirtschaftlichen Nutzung nicht geeigneter Gegenden betrifft, wie solche namentlich in den Halb- und Vollwüsten von Südwestafrika vorhanden sind.

Da die Feder des wilden Vogels ihre unleugbaren Vorzüge vor derjenigen des gehegten besitzt, so bedeutet das Vorhandensein größerer Mengen von freilebenden Straußen einen wirtschaftlichen Vorteil, den man nicht unterschätzen darf. Es wäre daher dringend zu wünschen, dass man solche anderweitig nicht zur Gütererzeugung brauchbaren Landschaften den Straußen (und natürlich auch anderem sehr anspruchslosem Wilde) als Reservat großen Umfanges vorbehielte. Das kann sogar unter Umständen größere Vorteile versprechen als eine mühsam ins Leben gerufene Straußenzucht nach Art der südafrikanischen, mit der aus naheliegenden Gründen nur schwer zu konkurrieren ist. Auch diese Art der Landverwertung könnte man nach dem Vorgange von Semler als eine Art von „Wüstenwirtschaft" bezeichnen und ihr von vornherein einen Erfolg voraussagen, da sie so gut wie gar keine Kosten verursacht.

Erwähnenswert sind neben den Züchtereien der älteren südafrikanischen Länder, also hauptsächlich des Kaplandes auch die noch in den Anfängen stehenden südwestafrikanischen. Der Grad ihrer Entwicklung wird am besten dadurch bezeichnet, dass sie in 6 Jahren eine Zunahme von 131 auf 1507 Vögel verzeichneten (1908—1913). Dass das Kapland eine schnellere Zunahme gezeigt hat, lässt erkennen, dass es tatsächlich als das geeignetere Gebiet für die Straußenzucht gelten kann. Das ist aber kein Grund, ähnliche Betriebe in geringerer Zahl nicht auch in Deutsch-Südwestafrika für rentabel zu halten. Endlich gibt es auch in Britisch-Ostafrika Straußenzucht in kleinerem Umfange.

Von größerer Bedeutung als die den Luxushandel versorgenden Arten wird nach und nach die Zahl der der Ernährung dienenden Tiere auch für diesen Weltteil werden. Auch hier ist aber mit besonderem Nachdruck zu betonen, dass erst die Einführung eines geregelten landwirtschaftlichen Betriebes und zugleich die Durchführung von Maßnahmen, die eine Verwertung von Fleisch, Butter usw. außerhalb ihres Ursprungsgebietes gestatten, eine Mitwirkung auch der afrikanischen Viehhaltung am Welthandel mit Nahrungsmitteln zur Folge haben wird. Was heute in dieser Beziehung geleistet wird, hat keine höhere Bedeutung als die eines allerersten Anfanges. Falls es eines Beweises dafür bedürfte, würde die Anführung der Tatsache genügen, dass die südafrikanische Union, also ein Land mit großen Viehmengen und einer im wesentlichen nach europäischer Art geregelten Viehzucht noch im Jahre 1911 für mehr als 24 Mill. M. Fleisch, Butter, Käse und kondensierte Milch eingeführt hat, während von einer Ausfuhr von diesen Dingen gegenüber dieser Summe kaum die Rede sein konnte. Wir werden die Gründe dafür im speziellen Teile dieses Buches kennen lernen und übergehen sie daher an dieser Stelle.

Versagen bisher schon die völlig unter europäischem Einflüsse stehenden Gebiete so gut wie ganz im Handel mit Nahrungsmitteln tierischer Herkunft, so ist das völlig der Fall mit den Gebieten eingeborener Viehhalter. Nur ganz ausnahmsweise und nur unter ganz besonderen Umständen sehen wir nennenswerte Mengen von der Ernährung dienenden Tieren aus den Beständen der farbigen Afrikaner auf irgend einem fern von ihrem Lande gelegenen Markte erscheinen, im regelmäßigen Verkehr mit Schlachtvieh haben sie außerhalb ihres engeren Wohnbezirks niemals eine Rolle gespielt.

Der erwähnte Fall, in welchem größere, von europäischen Händlern aufgekaufte Rindermengen aus dem Hererolande nach den damals in der Entwicklung begriffenen Goldfeldern von Transvaal gebracht wurden, zeigt uns auch sogleich, warum das afrikanische Vieh dem Großhandel mit Fleisch ganz ferngeblieben ist. Auch die an Haustieren, namentlich an Rindern reichen Eingeborenen sind sich zwar des darin beruhenden Besitzes bewusst, aber nicht in dem Sinne eines Kapitals, von dem man Zinsen erwartet und erhält. Sie lieben ihre Herden um ihrer selbst willen; anderenfalls würde es nicht vorkommen, dass manche Stämme, z. B. verschiedene Hirtenvölker Südafrikas, nicht einmal gern schlachteten, sondern für gewöhnlich sich mit der Milch ihrer Herden begnügten. Zu dieser eigenartigen Stellung der Naturvölker gegenüber ihrem Besitz an Weidetieren kommt aber noch ein anderer Umstand, welcher der Verwertung dieser Bestände für den Handel abträglich war. Um eine solche durchzuführen, ist bei der großen Entfernung der Fleisch kaufenden Länder weniger die Ausfuhr lebender Tiere geeignet als die Verschiffung von Dauerwaren oder gefrorenem Schlachtvieh. Zu einer solchen bedarf es aber technischer Anlagen, die nicht ohne große Kosten zu erstellen sind, wenn sie nennenswerte Mengen der erwähnten Waren liefern sollen. Sie können daher nur dort errichtet werden, wo die Fabrik mit einiger Sicherheit auf die regelmäßige Lieferung bestimmter Mindestmengen von Schlachtvieh rechnen kann. Dieselbe Vorbedingung muss erfüllt werden, wenn die Frachtdampfer mit den zum Transport erforderlichen Einrichtungen versehen werden sollen, da auch diese sich durch gelegentliche Transporte nicht bezahlt machen. Die regelmäßige Lieferung vermag aber nur eine größere Anzahl europäisch geleiteter Betriebe zu gewährleisten. Da diese selbst im Süden Afrikas erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit in größerer Zahl vorhanden sind*), so ist verständlich, dass man bis vor kurzem noch nicht an eine Ausfuhr von Fleisch aus Südafrika gedacht hat. Die rinderreichen Gegenden in den Tropen aber liegen entweder zu weit ab. wie das Gebiet im Westen des Viktoriasees, um für den Schlachtviehhandel in Frage zu kommen, oder ihre Bestände sind, wie in Britisch-Ostafrika, noch zu jung, um schon Bedeutung erlangt zu haben. In einem großen Teile von Afrika ist zudem die Rinderhaltung sehr beschränkt, namentlich gilt das von den tiefer liegenden Tropengebieten des Sudan und auch vom größten Teil des Kongogebiets. Damit soll abermals durchaus nicht gesagt sein, dass nicht selbst das rein tropische Flachafrika in großem Umfange zur Rinderzucht herangezogen werden könne, sofern nur die Gebiete, um die es sich handelt, frei von der Tsetse sind oder doch durch besondere Maßnahmen von ihr frei gemacht werden würden. Dafür zeugt nicht nur das Vorhandensein guten Fleisch- und Milchviehs im Besitz der Eingeborenen, sondern vor allem die Erfolge belgischer Züchtereien in den niedrig gelegenen Teilen des Kongolandes.

*) Die primitiven Formen der Viehhaltung bei den Buren früherer Jahrzehnte kamen ebenfalls nicht sonderlich für eine solche Verwertung in Betracht.

Besonders gut geeignet zur Rinderhaltung innerhalb der afrikanischen Tropenzone sind aber die höheren Landschaften, besonders also die Osthälfte des Kontinents. Wenn diese Gegenden neben dem größten afrikanischen Rinderlande, dem außertropischen Südgebiet, wie dieses selbst nicht genügend beachtet wurden, liegt das vor allem daran, dass bis jetzt kein Wettbewerb mit den amerikanischen Viehländern nötig war. Seit einigen Jahren hat sich das indessen geändert. Nicht allein erwarb sogar die Liebiggesellschaft Ländereien in Südwestafrika, sondern auch von anderer, namentlich englischer Seite begann man sein Augenmerk auf solche afrikanischen Gebiete zu richten, die in einer nicht mehr fernen Zukunft imstande sein werden, einen solchen Wettbewerb als Fleischlieferer zu übernehmen.

Noch steht freilich das Tropengebiet Afrikas als Rinderzuchtgebiet in den ersten Anfängen. Auch kann selbstverständlich von Fortschritten nur da die Rede sein, wo europäische Tatkraft sich geltend zu machen vermochte. Eben darum hat selbst auf den östlichen Hochländern nur an wenigen Stellen eine stärkere Vermehrung der Bestände stattgefunden. Wie schnell sich aber der Einfluss der weißen Rasse in diesen Dingen Geltung verschafft, zeigen einzelne Teile dieser Hochländer. Im Nyassaland wurden 1901 erst 5500 Stück Hornvieh gezählt, 1911 dagegen bereits 60.000. In Uganda verdoppelte sich von 1907 — 1911 die Zahl der Rinder und in Britisch-Ostafrika nahm sie von 251.000 im Jahre 1902 auf 775.000 zu. Alles bemerkenswerte Fortschritte, die ohne die Wirkung der europäischen Herrschaft undenkbar gewesen wären.

Die Aufnahmefähigkeit der afrikanischen Tropen für Hornvieh läßt sich natürlich nur sehr schwer beurteilen. Dass sie indessen günstig beurteilt werden kann, dafür spricht das Beispiel von Indien, in dem bei der großen britischen Zählung von 1911 trotz der straken Inanspruchnahme der Gesamtfläche das Vorhandensein von 121 Millionen Stück Hornvieh festgestellt wurde. Das ergibt in diesem Lande unter Einrechnung der nicht ganz kleinen Wüstenflächen eine ungefähre Dichte von 25 Stück auf dem Quadratkilometer. Da das afrikanische Tropengebiet bei höherer Kultur wohl von der Tsetse freigemacht werden kann und da seine Gesamtfläche ohne die zur Sahara gehörenden Striche gut dreimal so groß ist wie diejenige von Britisch-Indien, so würde es auch bei sehr viel geringerer Dichte eine ungeheure Zahl von Rindern ernähren können.

In einer Hinsicht gebührt sogar manchen tropischen Gebieten noch der Vorrang vor dem großen Viehzuchtgebiete des Südens. Wo das Land überhaupt die Rinderhaltung zulässt, da ist eben auch die mittlere Dichte eine viel größere als in den trockenen Ländern des südlichen Afrika. Das zeigt sich selbst in solchen Gegenden, in denen von einer Haltung der Tiere im Sinne der europäischen Landwirtschaft noch gar keine Rede ist. So schätzt K. Sommerfeld den Rinderbestand des Ruandagebietes in Deutsch-Ostafrika auf 600.000, was nach seinen weiteren Angaben einer Dichte von 30 Stück auf 1 qkm entspricht. Da sich die Volksdichte auf 100 beläuft und viel Landbau getrieben wird, sind das trotz der urwüchsigen Art der Tierhaltung Verhältnisse, die an diejenigen europäischer Kulturgebiete erinnern (Rinderdichte in Deutschland 1912 = 37 auf 1 qkm). Sie sprechen jedenfalls für die Bedeutung, die man der Rindviehzucht in manchen Teilen Afrikas wird zubilligen können, wenn erst einmal europäischer Einfluss auch diesen Erwerbszweig in die Höhe gebracht haben wird.

Freilich ist es Sache vieljähriger Arbeit, dies erfreuliche Zukunftsbild in die Wirklichkeit überzuführen. Mutlos braucht man gleichwohl nicht zu sein. Hat doch in dem besagten Indien die Zunahme des Rindviehbestandes in den letzten 14 Jahren vor der großen Zählung nicht weniger als 46 Millionen Stück betragen. Dieser Tatsache mögen sich die Unternehmungen bewusst bleiben, die etwa mit einer Ausbeutung der künftigen Rinderbestände Afrikas rechnen wollen.

Schon heute und auf Grund gesicherter Berechnungen kann man aber die wichtige Stellung des außertropischen Südafrika für die Fleischlieferungen der Zukunft mit einiger Sicherheit einschätzen. Der Bestand in dem letzten Zensusjahre war in allen Ländern des außertropischen Südafrika, also Deutsch-Südwestafrika mit Ausnahme des Ambolandes sowie Südrhodesien eingeschlossen, nach die großen durch die Rinderpest und den Burenkrieg verursachten Verlusten wieder auf 7.233.000 Stück gestiegen. Dies ergibt auf je Tausend Einwohner verrechnet, eine Zahl von 966 Rindern; das würde an und für sich durchaus hinreichen, um bei geeigneten Vorbereitungen eine Ausfuhr von Fleischwaren nach Europa in die Wege zu leiten, denn die hier mitgerechneten Eingeborenen verzehren wenig Rindfleisch und die handelsgeographische Spannung ist auch sonst groß genug, da in England nur 260, in Deutschland nur 320 Rinder auf die gleiche Bevölkerungseinheit zu rechnen sind. In Argentinien allerdings ist diese Zahl 5.700, so dass die erwähnte Spannung den Wettbewerb mit diesem Lande den Südafrikanern erschweren würde und es erst dann in einen solchen eintreten kann, wenn die von dem südamerikanischen Rindergebiet gelieferten Fleischwaren den Bedarf der Einfuhrländer nicht mehr zu decken vermögen, was allerdings bald der Fall sein dürfte. Die Aufnahmefähigkeit Südafrikas für Rinder ist aber viel größer als der gegenwärtige Bestand erwarten lässt.

Legen wir unserer Rechnung die mittlere Dichte des Rinderbestandes in der Kapkolonie zugrunde, die gegenwärtig 3,8 auf 1 qkm beträgt. Das ist eine außerordentlich vorsichtige Rechnung, da große Teile dieses Landes sich wegen ihrer Trockenheit wenig zur Rinderhaltung eignen und die meisten Landschaften Südafrikas weit mehr als diese Dichte zu erreichen vermögen. Da nun das außertropische Südafrika auf reichlich 3 Millionen qkm veranschlagt werden kann, so ergibt das die sehr ansehnliche Zahl von — ungünstig gerechnet — 11 bis 12 Millionen Rindern, die in gar nicht fern liegender Zeit dort gehalten werden können. Da, wie erwähnt, die Eingeborenen als Verbraucher nur eine sehr geringe Rolle spielen, so wären damit recht erhebliche Mengen für die Ausfuhr frei zu machen, höchstwahrscheinlich viel mehr als nach unserer vorsichtigen Rechnung, da z. B. selbst in dem großenteils auch von Steppen erfüllten Hochland der Oranjeflusskolonie die mittlere Dichte des Hornviehs 10,3 beträgt.

Dass man neuerdings in der Tat bereits mit einer baldigen beachtenswerten Stellung afrikanischer Gebiete auf dem Fleischmarkte Europas rechnet, zeigt nicht allein das schon erwähnte Vorgehen der Liebiggesellschaft, sondern vor allem der Plan der British South African Company, betreffend die Verwertung ihrer Ländereien in Rhodesien. Diese Gesellschaft hat bereits Schritte unternommen, sich amerikanische Geldgeber und Sachverständige zu sichern. Ihre sachgem?ß eingerichteten Großfarmbetriebe sollen, verbunden mit Schlächtereien, an die Kap-Kairobahn angeschlossen werden und man hofft mit ihrer Benutzung das Fleisch um eine volle Woche schneller nach Europa befördern zu können als das von Argentinien aus möglich ist.

Auch in Deutschland sind die Fachkreise schon im Interesse unseres Südwestafrika der Frage der Viehverwertung im Großhandel näher getreten. Dass trotz der fortschreitenden Farmbestockung schon vor dem Kriegsausbruch ein Überschuss an Schlachtvieh vorhanden war, geht aus den sorgfältigen, von J. Neumann angestellten Ermittlungen mit Sicherheit hervor.

Unter ganz besonders günstigen Umständen hat sich natürlich an einzelnen Stellen auch schon eine wirkliche Ausfuhr von Tieren zu Nahrungszwecken zu entwickeln vermocht. Zwar kommt sie für den Großhandel nicht in Betracht, verdient indessen in einem wirtschaftsgeographischen Werke eine Erwähnung, da rein geographische Gründe für sie maßgebend zu sein pflegen. In erster Linie ist da an die Ausfuhr von Schlachttieren aus dem Somaliland zu erinnern, die zur Versorgung des gänzlich öden, mit dem arabischen Innern nur wenig verkehrenden Gebiets von Aden in die Wege geleitet ist. Hier hat der Bedarf der Stadt und der unzähligen Schiffsbesatzungen zu einem nicht unbeträchtlichen Handel sowohl mit Ochsen wie mit Kleinvieh geführt. Allein aus dem britischen Somaliland wurden 1911 1.340 Rinder und 73.000 Schafe und Ziegen nach dem genannten Hafen verschifft. In ähnlicher Weise empfing Sansibar in demselben Jahre mehr als 1.800 Schlachtrinder aus Britisch-Ostafrika. Auch von Togo wird Vieh in nicht unbeträchtlichen Mengen ausgeführt, aber diese und ähnliche Vorkommnisse tragen stets einen mehr oder weniger lokalen Charakter und sind nicht einer Beteiligung am Weltmarkt in Schlachttieren und Fleischwaren gleichzustellen.

Auch die Schafherden Südafrikas könnten recht wohl zur Lieferung von Gefrierfleisch benutzt werden, um so mehr, als der Weg von hier nach Norden um etwa 5.000 Seemeilen kürzer ist als der von Australien. Es kommt hinzu, dass in diesem Falle nicht allein die Wollschafherden, sondern auch die durch ihr Gewicht und ihren Wohlgeschmack ausgezeichnete Fleischrasse Südafrikas verwendet werden könnte, von der recht bedeutende Bestände vorhanden sind. Da diese Rasse gar keinen anderen Nutzen abwirft, so liegt ihre Heranziehung zu dem gedachten Zweck sogar durchaus im Interesse des Landes. Bei ihrer Masse — allein in der südafrikanischen Union gab es 1911 8.800.000 von diesen Tieren neben 21.800.000 Wollschafen — würde es leicht sein, einige größere Gefrierwerke mit der zum Großbetriebe nötigen Anzahl zu versorgen, zumal für die Farbigen auch die zahlreichen Ziegen einen Ersatz für das Schaffleisch abgeben.

Die übrigen afrikanischen Länder kommen mit Ausnahme von Nordwestafrika für die Versorgung des europäischen Marktes mit Schlachtschafen noch nicht in Betracht. Am ehesten dürfte es vielleicht im östlichen Hochlande gelingen, auch in dieser Richtung stärkeren Wandel zu schaffen. Denn dort ist seit dem Beginn des Jahrhunderts wenigstens im Gebiet zwischen dem Viktoria und dem Osten auch die Schafzucht in beachtenswerter Zunahme begriffen. Bei Behandlung der Bedeutung Afrikas für den Wollhandel wird davon noch die Rede sein.

In einer Richtung dürfte Afrika indessen in der Fleischlieferung dauernd hinter anderen Ländern, insbesondere hinter den nordamerikanischen Viehzuchtgebieten, zurückbleiben. Dieser Kontinent ist aus klimatischen Gründen weniger für die Aufzucht von Schweinen geeignet als die an bestimmten Futtermitteln reichen Gebiete kühlerer Zonen. Was bis jetzt, hauptsächlich in englischen Kolonien, dort gehalten wurde, reicht gerade aus, um den Verbrauch der europäischen Bevölkerung zum Teile zu decken. In der Beschaffenheit des Fleisches und namentlich in der Fettmenge sind die Tiere dagegen mit denen europäischer und amerikanischer Herkunft in keiner Weise zu vergleichen. Es ist bezeichnend, dass in dem ungeheuren Weidegebiet des außertropischen Südafrika auf jedes Tausend Einwohner nur 146 Schweine kommen gegenüber mehr als 330 in Deutschland (1912).

Mit der wachsenden Kenntnis afrikanischer Landschaften hat man endlich auch einer für die menschliche Ernährung sehr wichtigen Reihe von Tieren mehr Aufmerksamkeit geschenkt als früher, nämlich den Fischen. In der Nahrung der Eingeborenen begegnen wir ihnen in den verschiedensten Gegenden sowohl der Küste wie auch des Inneren, und wenn selbstverständlich die teilweise periodischen Gewässer der Steppengebiete aus der Versorgung der Bevölkerung in der Regel ganz ausscheiden, finden wir andererseits in den äquatorialen Gebieten die Binnenfischerei in Seen und Strömen vielfach ziemlich gut entwickelt. Recht reich an Fischen sind namentlich die großen Seen Ostafrikas, aber auch viele Flüsse. Doch wird die Ausbeute selbst am Kongo gar nicht in den Handel mit fernen Gegenden gebracht und genügt kaum für den Verbrauch der Eingeborenen. Anderwärts, wie in Ägypten, ist die Güte der Flussfische für den Europäerverbrauch [Ansiedlung von Europäern, Einwanderung] nicht ausreichend. F. Magnus gibt an, dass sie von den Fremden nicht gern verzehrt werden. Nach seinen Mitteilungen bringt dagegen die Verpachtung der Fischerei in dem an diesen Tieren sehr reichen Mensalehsee dem Staate jährlich rund 1.200.000 M.

Es ist freilich nicht anzunehmen, dass die Fischerei in den Binnengewässern Afrikas jemals eine über die Ernährung der afrikanischen Bevölkerung hinausgehende Bedeutung gewinnen könnte. Zu einer Ausfuhr, wie wir sie z. B. in nordamerikanischen Binnenfischereien unterhalten sehen, fehlt es eben an den gleichwertigen (Lachs!) Tieren. Dass freilich ihr Ertrag ungemein gesteigert werden und durch geeignete Konservierung für den Binnenhandel größerer Gebiete nutzbar gemacht werden kann, ist die Ansicht so ziemlich aller Kenner.

Ein anderes ist es mit der Seefischerei. Einzelne Teile der afrikanischen Küstengewässer zeichnen sich in der Tat durch einen gewaltigen Reichtum an essbaren Fischen aus, zu denen in manchen Gegenden, so an den Küsten des südlichen Afrika, auch Hummern und Langusten kommen, von denen am Kap gegen 3 Millionen Stück jährlich gefangen werden. Bei dem Bedarf der Eingeborenen in anderen Küstenländern des Weltteils ist man mehrfach bereits dem Gedanken nahegetreten, diese bisher ungehobenen Schätze durch Umwandlung in Dauerware zu einem Gegenstande des Handels zu machen und zum mindesten eine Versorgung der Bewohner des Hinterlandes mit diesen Fischen anzubahnen. Vom kaufmännischen Standpunkte aus lässt sich gegen eine solche bereits in kleinem Maßstabe begonnene Verwertung afrikanischer Seefische selbstverständlich nichts einwenden. Wohl aber erscheint es vom wirtschaftsgeographischen Standpunkte aus unbegreiflich, wie man den Fischreichtum der südwestafrikanischen Gewässer, um die es sich in erster Linie handelt, auf diesem Wege seiner Größe entsprechend nutzbar machen und einem neuen Erwerbszweige zum Leben verhelfen will. Denn bei dem Fleischreichtum des Hinterlandes und bei der geringen Zahl der etwaigen Abnehmer der nach L. Schultze's Feststellungen auch hier vorhandenen feineren Sorten lohnt eine Großfischerei nicht. Mit den von Nordamerika gelieferten Fischkonserven würde wiederum ein größeres Fabrikunternehmen in Südafrika aus den verschiedensten Gründen in der Ausfuhr nach Europa nicht in Wettbewerb treten können. Um die erwähnten Gewässer wie auch andere afrikanische Küstenmeere voll bewirtschaften zu können, muss ein Verfahren gefunden werden, die Tiere in einer anderen als der in Amerika üblichen Form für die Ernährung größerer Menschenmengen nutzbar zu machen. Erst dann wird sich auch der Fischfang in afrikanischen Meeren zu einem volkswirtschaftlich wichtigen Gewerbe entwickeln.

Vorläufig kommt für den Handel mit Nahrungsfischen nach außerhalb in größerem Umfange nur ein Teil des afrikanischen Mittelmeeres in Betracht. Während die Seefische in Ägypten vorwiegend an die Hotels dieses Landes geliefert werden, besteht eine beachtenswerte Ausfuhr nur von Algerien und Tunis aus, wo 1911 für 5 Millionen M. Fische neben anderen Erzeugnissen der Küstengewässer (Korallen, Schwämme) in den Listen des auswärtigen Handels verzeichnet sind.

Ein einziges Meeresgebiet an der afrikanischen Küste außer dem Mittelländischen, wird vielleicht für die unmittelbare Versorgung europäischer Gebiete mit frischen Seetieren heranzuziehen sein. Es ist das sehr fischreiche Küstenmeer von Mauretanien, das nur sechs bis sieben Tagereisen von Frankreich entfernt ist und dessen vorzügliche Fischsorten nach A. Gruwel bereits jetzt auf dem Pariser Markt geschätzt werden, ebenso wie die auch dort häufigen Langusten.

Nicht ganz unwichtig für die Versorgung von Eingeborenen und selbst von Weißen mit Fleisch ist endlich das essbare Wild. Ist auch der Weltteil gegen frühere Zeiten viel ärmer an Jagdtieren geworden, so ist er doch im Vergleich zu europäischen Ländern, wenige Gebiete, wie z. B. Ägypten, ausgenommen, immer noch wildreich zu nennen. Für die Ausfuhr kommt diese Quelle von tierischen Nahrungsmitteln indessen noch nicht in Frage, da es ja bis jetzt an jeder zweckmäßigen Versendungseinrichtung fehlt. Dasselbe gilt im allgemeinen auch von dem Geflügel und den Eiern. Nur in Nordafrika ist mit der Verschickung namentlich von Eiern in größerem Maßstabe ein Anfang gemacht. Nach F. Magnus wurden aus Ägypten 1910 84 Millionen Stück für mehr als 2.500.000 M. ausgeführt, von denen 74 Millionen nach England und 1,4 nach Deutschland gingen. Ebenso brachte Marokko 1911 für 4,5 Millionen M. Eier in den Handel.

Viel wichtiger als die tierischen Nahrungsmittel sind die aus dem Tierreich stammenden Rohstoffe für den afrikanischen Handel geworden, da sie ja nicht leicht dem Verderben ausgesetzt sind und da sie infolgedessen auch aus Gebieten mit durchaus urwüchsiger Kultur ausgeführt werden können, sobald nur eine nicht zu teure Frachtgelegenheit geboten wird. Als erstes derartiges Erzeugnis des Weltteils nach der Erschließung seiner viehzüchtenden Landschaften treffen wir auf Tierhäute, während der andere für die europäische Industrie unentbehrliche Rohstoff, die Wolle, bis jetzt eigentlich nur aus den europäisch bewirtschafteten Ländern des Kontinents zu uns kommt. Denn die in Afrika heimischen Schafrassen sind mehr Fleisch- als Wolltiere, ja einige von ihnen, wie gerade die in Südafrika vorgefundenen Arten, tragen sogar ein richtiges Haarkleid.

Verweilen wir zunächst bei einem wichtigen Erzeugnis der Viehzucht, den bei dem Lederbedarf der Kulturwelt so gesuchten Rindshäuten. Dass sie auch aus den Eingeborenenländern ausgeführt werden, zeigt uns das Gebiet um den Viktoriasee. Die Ausfuhr aus dem rinderreichen Ruanda ist bereits oben erwähnt, aber auch die übrigen Länder führen schon beträchtliche Mengen von solchen aus. Neben den Rindshäuten werden auch bisweilen nicht unbeträchtliche Mengen von Ziegenfellen ausgeführt. Da die Ziege, das ursprüngliche Haustier des Weltteils, fast überall verbreitet ist, so gewinnt sie auf diese Weise ebenfalls eine gewisse Bedeutung im Handel, die ihr — mit Unrecht — als Fleischtier in den meisten europäischen Verbrauchsländern nicht zuerkannt wird.

Es entspricht durchaus den oben gegebenen Ausführungen, dass auch in der Häuteausfuhr bisher nur die Ostseite der afrikanischen Tropen eine Rolle spielt, die Westseite dagegen so gut wie gar nicht. Während die Länder zwischen der Sambesimündung und dem Äquator, also im wesentlichen das ostafrikanische Hochland, in den Jahren 1911 und 1912 zusammen für mehr als 6,7 und 10,4 Millionen M. an Häuten und Fellen zur Ausfuhr brachten, wozu man noch die Summe von 4 Millionen für Abessinien rechnen könnte, stehen dieser annehmbaren Summe die entsprechenden Breiten der Westseite, Kamerun und das Kongogebiet, mit der verschwindenden Gesamtsumme von 26.000 und 59.000 M. gegenüber; von der letztangeführten Summe kommen zudem 36.000 M. auf das Seenhochland, also auf die Viehzuchtgegenden des Ostens von Afrika.

Da auch das übrige Flachafrika keine Häute in den Handel bringt, denn es verbraucht die geringen Mengen der daselbst vorhandenen bei der höheren Kultur seiner Eingeborenen, namentlich der Haussa zur eigenen Lederherstellung, so bleiben nur noch zwei Ausfuhrgebiete übrig, der Norden und der Süden. Es ist klar, dass die afrikanischen Mittelmeerlandschaften eine geringere Menge aufbringen als die außertropischen Länder des Südens. Selbst im nordwestlichen Gebiet ist die Rinderhaltung nicht so entwickelt wie in Südafrika. Sogar Algerien besaß trotz seiner im Vergleich zum inneren Südafrika weit besseren Beschaffenheit im Beginn des Jahrhunderts nur etwa eine Million Rinder, die noch dazu durchaus nicht von hervorragender Beschaffenheit waren. So erklärt sich, dass die Ausfuhr von Häuten aller Art aus Algerien und Tunis zusammen im Jahre 1911 nur 8 ½ Million M. und aus Marokko rund 6 Millionen M. erreichte, während sie gleichzeitig aus dem außertropischen Südafrika allein an Rindshäuten trotz des Eigenverbrauchs 7,7. an Häuten überhaupt 24 ½ Millionen M. betrug. Es ist wohl anzunehmen, dass wenigstens vorläufig der Osten und der Süden des Weltteils die europäische Lederindustrie mehr beschäftigen werden als die übrigen Länder.

Ähnliches lässt sich von dem zweiten tierischen Rohstoff, der Wolle, behaupten, die in den echten Tropenländern auch späterhin jedenfalls nur in geringeren Mengen erzeugt werden dürfte. Auch weist ja die einfachste wirtschaftliche Überlegung darauf, die Haltung des Schafes wegen seiner großen Genügsamkeit in erster Linie in den Landschaften einzuführen, beziehentlich nach Möglichkeit auszudehnen, die wegen ihrer Steppennatur sich weniger für eine vorwiegende Benutzung durch das anspruchsvollere Rind eignen. Daneben ist von Wichtigkeit, dass die offene Landschaft schon wegen der geringeren Gefahr für die Haut der Wollträger der dichter bewachsenen vorzuziehen ist.

Nun ist von selten der Eingeborenen bisher wenig für die Zucht des Wollschafes geschehen. So erklärt sich, dass die Leistungen afrikanischer Länder für den Welthandel in Wolle sich noch mehr als die für den Lederhandel auf die bereits von Europäern stärker beeinflussten Gebiete beschränken. Aber selbst in dem so lange in europäischer Hand befindlichen Algerien ist noch keineswegs der gesamte Schafbestand zu den guten Rassen zu rechnen. Vielmehr sind nach M. Schanz selbst hier die in der Aufbesserung der Rasse erzielten Erfolge nur langsame und geringe geblieben.

Immerhin steht Nordwestafrika auf der Liste der Wollausfuhr einschließlich Marokko im Jahre 1911 bereits mit rund 11 Millionen M. verzeichnet, wozu noch für 2 — 3 Millionen wollene Gewebe aus Tunis zu rechnen wären. Freilich will das verhältnismäßig wenig besagen, wenn wir dies doch auch ziemlich bedeutende Gebiet mit der südafrikanischen Schafzuchtzone vergleichen, die im gleichen Jahre für mehr als 78 Millionen M. Wolle verfrachtet hat.

Im Osten von Tropisch-Afrika steht die Schafzucht noch in den allerersten Anfängen. Vom nördlichen Teile des Hochlandes wurden in unserem am häufigsten angeführten Zählungsjahre erst für 162.000 M. ausgeführt.

Die Wolle ist ein so wichtiger Ausfuhrgegenstand außereuropäischer Länder, dass es sich wohl lohnt, wie für das Rind so auch für das Schaf nach der möglichen Erweiterung der Zucht in diesem großen Weltteil zu forschen. Wir wollen uns dabei zunächst auf die Gebiete im Nordwesten und im Süden des Weltteils beschränken und dieselbe Methode der Untersuchung anwenden wie vorhin.

Legen wir abermals die Verhältnisse des Kaplandes zugrunde, so erhalten wir für die Schafherden eine mittlere Dichte von nur 23,9 Tieren auf dem qkm. Dazu muss indessen bemerkt werden, dass einmal diese Zahl durchaus noch nicht die obere Grenze der möglichen Dichte bedeutet, ferner aber, dass die Schafweiden dieses Gebiets zu einem nicht geringen Teil viel weniger aufnahmefähig sind als fast alle übrigen Landschaften des außertropischen Südafrika. Höchstens der äußerste Westen und Süden von Deutsch-Südwestafrika ähnelt darin der westlichen Kapkolonie. In diesen Gegenden rechnet man nach W. Spilhaus nicht unter 1,2 ha auf ein Schaf, aber diese Fläche steigt in den öderen Gebieten bis auf 5 ha! Unser Ansatz ist somit in der denkbar vorsichtigsten Weise gewählt. Das ergibt abermals ein Vergleich mit der Oranjeflusskolonie, in der die entsprechende Dichtezahl 68,7 beträgt.

Legen wir nunmehr die Dichte des Kaplandes unserer Rechnung zugrunde, so erhalten wir für das ganze außertropische Südafrika die .sehr stattliche Menge von 75 Millionen Schafen. Selbst wenn diese die überhaupt mögliche Höchstziffer darstellte, was keineswegs der Fall ist, würde sie trotzdem annähernd dem Bestände Argentiniens aus dem Jahre 1911 entsprechen und genau vier Fünfteln der australischen Herden gleichkommen, während sich einschließlich der Fleischschafe der ganze Reichtum Südafrikas 1911 erst auf 39 Millionen Stück gehoben hatte.

Das nordafrikanische Schafzuchtgebiet Algerien, Tunis und Marokko kann, selbstverständlich ohne die eigentliche Wüste, auf etwa 1.100.000 qkm veranschlagt werden. Das würde, ebenfalls unter Einsetzung der für das Kapland errechneten Dichte, die Möglichkeit der Haltung von mindestens 26 Millionen Schafen ergeben. Algier und Tunis hätten hiernach somit erst etwa die Hälfte der Zahl erreicht, die auch bei vorsichtigster Berechnung dort gezogen werden könnte. Beide Schafzuchtgebiete zusammen würden Afrika auf dem Weltmarkte eine Stellung geben, die ihm den Vorrang selbst vor Australien einräumen müsste. Dabei sind die tropischen Ostländer noch nicht einmal eingerechnet, obwohl sie sicher in absehbarer Zeit beträchtliche Mengen von Wolle erzeugen können. Gedeiht doch die einheimische Rasse im ganzen Hochlande gut. Eine wirkliche Wollausfuhr hat freilich erst Britisch-Ostafrika zu verzeichnen, Sie begann dort in erwähnenswertem Umfange erst 1910 im Werte von 27.000 M., der schon im Folgejahre auf mehr als 160.000 M. zugenommen hatte.

Eigentlich gehört ja auch das Wollschaf zu den von anderen Weltteilen her eingeführten Tieren, doch lieferte wenigstens Nordafrika schon seit langem etwas Wolle in den Handel. Ganz neu eingeführt wurde dagegen die Zucht der Angoraziege, deren Haar namentlich in Südafrika bereits einen wichtigen Posten in der Liste der ausgeführten Dinge einnimmt. Die Menge des erzeugten Mohairs hat in den letzten Jahren ständig zugenommen, während der Preis einigen Schwankungen unterworfen war. 1911 betrug der Ausfuhrwert immerhin 18 1/3 Millionen M. Das Tier gedeiht nicht nur in den alten Kolonien, sondern ist auch mit Erfolg in Deutsch-Südwestafrika eingebürgert worden. Wahrscheinlich lässt es sich auch im Nordwesten des Weltteils mit Vorteil züchten.

Als Nebenprodukt der bisher behandelten Tiergattungen wären noch die Hörner zu erwähnen. Manche der afrikanischen Rinderrassen zeichnen sich durch besonders starke gut entwickelte Gehörne aus. Doch tritt dies Erzeugnis gegenüber der Hauptnutzung sehr zurück.

Wirtschaftsgeographisch interessieren uns dagegen einige Erzeugnisse ?der Tierwelt, die an ganz bestimmte Gebiete des Weltteils oder der ihn umgebenden Gewässer gebunden sind. Verschiedenes wird allerdings in zu geringen Mengen ausgeführt, als dass es mehr als einer flüchtigen Erwähnung bedürfte. Dahin gehören Schildpat und Perlmutter von der tropischen Ostküste, die Korallen von Nordwestafrika und vor allem die sonderbare, aus Uganda stammende Wildseide einer Wurmart, zu deren kaufmännischer Ausbeutung 1913 eine Gesellschaft gebildet wurde. Außer diesen Dingen gibt es indessen auch Erzeugnisse der Tierwelt, die die Beachtung weiter Kreise verdienen.

Da ist zunächst das Wachs. Viele Landschaften Afrikas sind so reich an Bienen und verwandten Insekten, dass dies Erzeugnis bereits in ganz erheblichen Mengen in den Handel gelangt. Auch hier ist es wieder die offene Landschaft, die den Tierchen bessere Gelegenheit zum Schwärmen gibt und ihnen eine weit größere Fülle von Blüten darbietet als die Zonen des geschlossenen Waldes. So führte Abessinien 1911 für rund 800.000 M. von diesem Stoffe aus und Deutsch-Ostafrika liefert den Beweis, dass man solche Dinge keineswegs missachten darf. Betrug doch der Wert seiner Ausfuhr von Insektenwachs 1912 bereits mehr als das Doppelte der für Elfenbein verzeichneten Summe!

Eine mehr lokale, aber durchaus nicht zu unterschätzende Bedeutung haben einige Gegenstände tierischer Herkunft für eine im übrigen wenig wertvolle Gegend erlangt. Die Westküste des südlichen Afrika, von einem, wie wir schon sahen, sehr fischreichen Meere bespült, ist infolgedessen auch von zahlreichen Robben belebt, deren Fell als recht gute Handelsware begehrt ist. Ihr Wert betrug zwar 1911 nur an 100.000 M., aber diese Summe ist das Ergebnis der Jagd auf Seetiere an einer Küste, die der landwirtschaftlichen Tätigkeit gar kein Entgelt gewährt. In demselben Gebiet hat die Eigenart der Natur die Ansammlung eines Stoffes begünstigt, der als wichtiges Düngemittel ebenfalls von europäischer Seite gesucht ist. Der Guano der südwestafrikanischen Küste, das Erzeugnis einer ebenfalls wegen des Fischreichtums hier lebenden Pinguinart und anderer Seevögel, konnte hier in ungeheuren Massen aufgespeichert werden, weil an der so gut wie regenlosen Küste jede Gelegenheit zum Hinwegspülen durch das atmosphärische Wasser fehlt. Bei seinem Abbau wurden in einzelnen Jahren in dieser menschenleeren Landschaft größere Summen verdient als sie die gesamte gewerbliche Tätigkeit der Kolonie aufzubringen vermochte. Im Jahre 1897, als die Ausbeutung der Lager auf der Höhe stand, wurden für 1.165.000 M. Guano ausgeführt, das sind mehr als neun Zehntel der damaligen Gesamtausfuhr der Kolonie. Neuerdings hat die Ausfuhr sehr nachgelassen, obwohl immer noch beachtenswerte Mengen vorhanden sind.

Mit den zuletzt angeführten Dingen sind die Erzeugnisse der Tierwelt, soweit sie für den Handel nach außerhalb von Wert sind, so ziemlich erschöpft. Es erübrigt noch ein kurzer Hinweis auf die Reihe von Schädigungen, die die Tierhaltung und überhaupt die Landwirtschaft in diesem Weltteil bedrohen. Gegen die unmittelbar von Tier zu Tier übertragbaren Krankheiten, unter denen die auch in anderen Weltteilen zu fürchtende Rinderpest die weitaus gefährlichste ist, hat die neuzeitige Wissenschaft verhältnismäßig wirksame Mittel gefunden. Es sei nur an die Namen R. Koch und Kohlstock erinnert, an deren Tätigkeit im Kampfe gegen diese Seuche sich so bewundernswerte Erfolge knüpften. Indessen wird gegen diese Geißel so gut wie gegen andere Schädigungen (Lungenseuche usw.) die fortschreitende Kultur das wichtigste Mittel doch wohl in einer strengen Absperrung zu sehen haben, an deren allgemeine Durchführung selbstverständlich nicht vor der Europäisierung der Wirtschaft zu denken ist. Übrigens erfordert die Gerechtigkeit anzuerkennen, dass sowohl Impfversuche wie auch nicht unwirksame Absperrungsmaßregeln in bestimmten Fällen von den Eingeborenen angewendet wurden, u. a. von den Rinder züchtenden Kaffern Südafrikas in Zeiten der Lungenseuche. Auch die namentlich im außertropischen Südafrika so sehr gefürchtete „Pferdesterbe“ dürfte zu den Krankheiten gehören, gegen welche die Bakteriologie noch bedeutende Erfolge zu erzielen vermag.

Eine andere Reihe von Krankheiten wird unmittelbar durch tierische Schädlinge übertragen. Ein mit Recht gefürchteter Erzeuger solcher Infektionen ist die in Afrika heimische Tsetsefliege, deren Auftreten uns aus den verschiedensten Gegenden des tropischen Afrika bekannt ist und an manchen Stellen geradezu als schweres Verkehrshindernis empfunden wurde. So im Gebiet von Beira, wo man an den Bahnbau herangehen musste, weil der Weg durch das „Fliegenland" für Ochsenwagen unpassierbar war. Diese tödliche Feindin verschiedener Haustiere, besonders des Rindes, ist aber keineswegs gleichmäßig über die von ihr bewohnten Tropenländer Afrikas verbreitet. Nach H. Büchel vermeidet sie sowohl die der See benachbarten Striche wie das offene Grasland, bevorzugt dagegen warme feuchte Alluvialböden mit Waldbeständen und Strauchwerk. In Höhen von mehr als 1200 m soll sie ebenfalls fehlen. Indessen scheint es, als ob die Glossina morsitans von der fortschreitenden Kultur verdrängt würde.

Eine mittelbare Schädigung des Viehes durch Zerstörung der Weide und eine unmittelbare der landwirtschaftlichen Anpflanzungen verursacht dagegen ein anderer tierischer Feind der menschlichen Wirtschaft, die Wanderheuschrecke. Sie tritt in bestimmten Jahren in ungeheuren Massen auf und ist besonders gefürchtet in dem großen südafrikanischen Landwirtschaftsgebiet; in dem von diesem umgebenen Inneren der Kalahari vermutet man das Herkunftsgebiet dieser kleinen Unholde, deren Massen, wo sie sich einmal niederlassen, unglaubliche Zerstörungen in der Pflanzenwelt hervorbringen. Auch sie hat man mit allen möglichen Mitteln zu bekämpfen versucht, doch wird es kaum gelingen, sie je in völlig ausreichendem Maße zu vernichten.

Auch auf diesem den Arzt und Naturwissenschaftler ebensosehr wie den Wirtschaftsgeographen interessierenden Felde gilt aber der Satz, dass erst die europäisch geleitete Bewirtschaftung des Landes die von den Schädlingen drohende Gefahr eindämmt und dass die Eingeborenen von sich aus eine dauernde und erfolgreiche Bekämpfung all der die Herden bedrohenden Krankheiten und sonstigen Schäden durchzuführen niemals imstande sein werden.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wirtschaftsgeographie von Afrika