Drittes Kapitel. Der Aufbau Afrikas und das Wirtschaftsleben

Der Bau eines Landes macht sich zunächst und am sinnfälligsten im Verkehr geltend. Seine Wirkung auf die übrigen Seiten des wirtschaftlichen Lebens äußert sich in der Zusammensetzung des Bodens und in der Verteilung der in dessen Innern etwa schlummernden Mineralschätze, doch tritt diese in den großen Landmassen und in ganzen Kontinenten gegenüber der Wirkung des Aufbaus auf das Klima sehr zurück. Da wir diese aber nur noch als eine mittelbare Einwirkung ansehen können, so wird sie in einem besonderen Kapitel behandelt werden.

Von größter Wichtigkeit ist die Entwicklung der Küsten, die natürlich auch in engem Zusammenhange mit den in das Innere führenden Wegen betrachtet werden kann. Vor einer allzu schulmäßigen Auffassung der sogenannten Küstenentwicklung bei dieser Gelegenheit ist indessen zu warnen. Viel wichtiger als die aus ihr hergeleiteten Theorien ist die Berücksichtigung der tatsächlich vorhandenen Hafenlandschaften, die keineswegs so minderwertig sind, wie eine frühere Zeit sie darzustellen liebte. Am deutlichsten tritt uns die Küstenentwicklung als wirtschaftlich wirksame Eigenschaft noch entgegen, wenn wir uns bewusst sind, wie viel Quadratkilometer auf ein Kilometer Küstenlänge entfallen, d. h. also gewissermaßen von diesem aus mit dem die Erdteile verbindenden Ozean in Zusammenhang gesetzt werden. Diese Rechnung ergibt allerdings keine sehr günstige Stellung für unseren Weltteil, besonders im Vergleich mit Europa. Auf jedes Kilometer Küste kommen im festländischen Afrika allerdings rund 960 qkm, in Europa dagegen 250. Aber wie wenig selbst dieses Verhältnis von Größe und Küstenlänge besagen will, zeigt ein Vergleich mit Asien, das scheinbar günstiger gestellt ist; d. h. wenn wir die eben angeführte Rechnung ausführen, ergibt sich allerdings eine Zahl von nur 590 qkm für diesen riesigen Kontinent. Aber in Wirklichkeit kommt ein sehr bedeutender Teil seiner Küsten für den großen Verkehr überhaupt nicht in Frage.


In der Tat ist es ein anderer Umstand, der Afrika benachteiligt erscheinen lässt und auf den gleich nachher eingegangen werden wird, nämlich der lineare Bau des Innern. Dagegen besitzt es eine Reihe guter Anlegepunkte. Ob einige von diesen erst durch Kunstbauten zu dem geworden sind, was sie heute darstellen, tut wenig zur Sache. Es verdient doch entschieden unsere Beachtung, dass auch die offenen Reeden in diesen Zonen etwas durchaus anderes für den Verkehr bedeuten als in unseren Breiten mit ihren in Stärke und Plötzlichkeit so sehr wechselnden Winden. Einen Beweis dafür liefert in kleinerem Maßstab unser Swakopmund, in großem Port Elisabeth in der Kapkolonie, auf dessen Reede 1912 Fahrzeuge von fast 1.900.000 Registertonnen netto ankerten, ohne dass nennenswerte Schäden vorgekommen wären. Die alten Begriffe von der Minderwertigkeit der afrikanischen Landungsplätze an sich sind nunmehr durch das freilich erst ziemlich späte Bekanntwerden einer Reihe von solchen einer richtigeren Vorstellung gewichen.

Ein treffliches Beispiel dafür ist das vor einem halben Jahrhundert der ozeanischen Schifffahrt noch ganz unbekannte Daressalam mit seinem wundervoll geschützten Hafen. Auch ist festzuhalten, dass selbst die wenigst geeignete Reedenküste Afrikas am Nordrand des großen Guineagolfs trotz öfterer Beschädigungen der Ladung weniger unter der unmittelbaren Wirkung des Windes als vielmehr unter den Einwirkungen der Brandung zu leiden hat, so dass also auch hier weit günstigere Zustände bestehen als vor den offenen Küsten Europas oder Nordamerikas.

Die Eigenart des Baues wie des Klimas bringen es dagegen mit sich, dass, im vollsten Gegensatz zum Westen und Norden unseres heimischen Weltteils, die in den europäischen Haupthandelsstaaten so außergewöhnlich wichtigen Flusshäfen nur an wenigen Stellen vorhanden sind und, wo sich solche finden, meist nicht weit vom Meere entfernt liegen. Flusshäfen im engeren Sinne, die zugleich eine besondere Bedeutung beanspruchen können, weil sie in einem gewissen Zusammenhang mit den schiffbaren Flussstrecken des Innern stehen und zugleich Fahrzeuge von großem Tiefgange aufzunehmen vermögen, gibt es eigentlich nur an einer einzigen Stelle, in der Mündung des Kongo, während mündungsähnlichen, als Häfen vortrefflichen Stellen wie den Ästuarien Westafrikas wieder jenes zweite Merkmal echter Flusshäfen, die Nachbarschaft großer Wasserstraßen, fehlt.

Doch dies leitet uns bereits zu den Wirkungen des vertikalen Aufbaus von Afrika über, die wir zunächst in ihren Beziehungen zu den Verkehrswegen des Landes zu beachten haben. Der Grundzug des Gebirgsbaus ist überall der gleiche und lässt sich folgendermaßen zusammenfassen. Ganz Afrika ist eine Folge von mehr oder weniger hohen Platten, die meist so nahe an die Küste treten, dass diese als ihre unterste Stufe angesehen werden kann. Daraus folgt, dass das Tiefland nirgends, am wenigsten in dem großen Süddreieck, eine nennenswerte Ausdehnung erlangt. Eine weitere Folge des schnellen Ansteigens der Hochlandstufen schon in der Nähe der Küste ist die Seltenheit von tief in das höhere Land hineintretenden Niederungen, so dass auch die Flüsse nur ausnahmsweise etwas weiter in das Innere hinein zu verfolgen sind, ohne dass man auf felsige Querriegel stößt. Da die Höhe der Platten in dem großen Nordviereck des Weltteils viel geringer ist als im Süden, so finden wir hier immerhin an drei Stellen ein etwas weiteres Eingreifen stromdurchflossener Ebenen, deren Bedeutung noch dadurch vermehrt wird, dass die sie fortsetzenden flacheren Plateaus dem sich weiterbewegenden Verkehr nur wenig gebirgige Hindernisse bereiten. Dadurch werden diese Landschaften zu außerordentlich wichtigen Einfallsgebieten für den Handel und werden in Zukunft an Bedeutung für die Europäer noch sehr gewinnen. Diese auch durch weithin schiffbare Gewässer ausgezeichneten Handelstore sind das Niltal, das Senegalgebiet und der untere Niger mit seiner Fortsetzung, dem Tal des von links her ihm zuströmenden wasserreichen Benue. Schon um der bloßen Lage dieser drei Niederungsstriche willen ist, wer sie beherrscht, Herr des Verkehrs innerhalb ausgedehnter und, wie wir weiterhin sehen werden, auch handelsgeographisch in Afrika einzig dastehender Landschaften.

Der Bau des großen Süddreiecks bietet uns nirgends ein ähnliches Bild. Selbst die trefflichsten Buchten, vorzüglich geeignet zur Bergung ganzer Flotten, wie das Ästuarium des Gabun und die Delagoabai im fernen Südosten des Weltteils, sind mit dem Innern durch keine das Hochland unterbrechenden Talzüge verbunden. An einer einzigen Stelle findet sich eine Senke, die das umliegende Plateau auf eine weite Strecke unterbricht, aber sie verläuft parallel zur Küste und hat deshalb nicht die große Bedeutung, die wir den Ebenen am Niger und am Senegal beimessen müssen. Gleichwohl gewinnt sie durch ihre Ausmündung in die tiefe Grabensenke eines der ostafrikanischen Längsseen an Wert und sie wird sicherlich in nicht ferner Zeit an Bedeutung weiter gewinnen. Es ist das vom unteren Sambesi ausgehende, zum Nyassasee emporführende Tal des Schireflusses, der, wenn auch mit einer durch Fälle und Schnellen verursachten Unterbrechung, ebenfalls als eine zum größten Teil bequeme Zufahrtstraße in das innere Ostafrika gelten kann.

Im übrigen gibt es nur ein Gebiet im großen Süddreieck, das trotz einer weit über die Grenzen des Tieflandes hinaufreichenden Mittelhöhe nur so allmähliche Höhenunterschiede in seinen Grenzen aufweist, dass es ebenfalls als ein selbständiges, höchst bequemes Verkehrsgebiet von sehr bedeutender Ausdehnung anzusehen ist. Es ist das Becken des Kongo, der nächst dem Amazonenstrom mächtigsten Wasserader der ganzen Erde.

An allen anderen Stellen wirkt der Vertikalbau des südlichen Dreiecks von Afrika, das etwa die gleiche Größe besitzt wie unser altes Europa, hindernd auf die ursprünglichen Formen des Verkehrs. Dieses ungeheure Gebiet ist daher die Domäne der Landverkehrsmittel der Neuzeit, also in erster Linie der Schienenstraßen.

Noch erfordern aber einige Stellen unsere Aufmerksamkeit, die durch ihre Lage zu besonders wichtigen Handelsgebieten des Innern eine hervorragende Rolle spielen oder die berufen sind, eine solche in kurzem zu übernehmen. Von den nordwestafrikanischen Häfen sehen wir dabei ab, da bei diesen die Lage zu den südeuropäischen Ländern ebenso bestimmend ist wie zu den wirtschaftlich bereits entwickelten eigenen Gebieten. Das Gebiet des Senegal ist bereits erwähnt. Von den Punkten am Guineagolf ist wegen der Nähe des inneren Nigerien mit seiner hohen wirtschaftlichen Bedeutung Lagos entschieden der zukunftsreichste. In einer nicht allzu fernen Zukunft dürften auch die beiden großen Ästuarien, das von Kamerun und der Gabungolf, auf Grund ihrer Lage eine erhöhte Bedeutung gewinnen. Von beiden aus führt, allerdings über das Hochland hinweg, aber doch auf verhältnismäßig kurzem Wege und ohne dass sich ungewöhnliche Geländeschwierigkeiten ergeben, der Weg von der See in die entwicklungsfähigen Länder zwischen dem mittleren Kongo und den Ebenen des Scharigebietes.

Südlich vom Kongo, der aus bereits angeführten Gründen als eine der wichtigsten Eingangsstellen in das Innere von Afrika anzusehen ist, muss noch San Paolo di Loanda als der Ausgang der in das südliche Kongoland führenden Straße aufgeführt werden. An der ganzen übrigen Küste verdient als ein Landungsplatz von ausnehmender Wichtigkeit nur noch Swakopmund eine Erwähnung, da der von ihm ausgehende Verkehrsweg schon in einer Entfernung von 300 km die wichtigsten Landschaften im Westen der Kalaharisteppen erreicht, während alle anderen Landungsplätze im Süden von Loanda nur eine örtliche Bedeutung beanspruchen können.

Ein auffallender Umschwung hat sich in der Einschätzung der südafrikanischen Häfen vollzogen, Kapstadt, ehedem so wichtig als der eigentliche Ruhepunkt für den Verkehr zwischen Europa und dem südlichen Asien, hat seine ehemalige Stellung mehr noch als durch die Eröffnung des Suezkanals durch die Verschiebung der Wichtigkeit der inneren Landschaften Südafrikas eingebüßt. Die Wege von hier nach den durch Diamanten und Gold in ein so helles Licht gerückten Gegenden im Osten der Quellflüsse des Oranje hatte das Emporkommendes Europa einerseits, dem Goldgebiet andererseits zunächst gelegenen Hafens von Durban zur Folge, der bald alle anderen überflügelte. Obwohl 1912 ein kleines Übergewicht des Ankunftsverkehrs in Kapstadt über denjenigen von Port Durban festzustellen ist, wird es der Vorrang dieses Ortes auf die Dauer kaum wieder einholen. Auch die Delagoabai gehört zu den wichtigen Eingangspunkten, wird indessen an Bedeutung von dem erwähnten Hafen schon darum übertroffen, weil der Weg von dort weiter von den übrigen Häfen Südafrikas entfernt ist und weil die nördlich von seinem Verlauf liegenden fast tropischen Striche des Transvaal für die Europäersiedlung weniger in Betracht kommen. Seit die Landungsverhältnisse in Durban besser geworden sind als zur Zeit der Entstehung der Bahnverbindung, ist auch der Wert der Delagoabai gegenüber früheren an sie geknüpften Wünschen stark verringert worden.

Mehr als örtliche Bedeutung kommt dem Eingang in das südliche Rhodesien, dem schon erwähnten Hafen Beira in der Mündung des Pungwe zu. Sie wird sich aber, ebenso wie diejenige der Sambesimündung, erst später voll erweisen, wenn die von ihnen abhängigen Binnenlandschaften erst weiter vorgeschritten sind. Von den übrigen Punkten verdienen bis zum Golf von Aden nur noch zwei unsere besondere Beachtung, die glücklich gelegene Hafenstadt Daressalam und der Ausgangspunkt der Ugandabahn. Dieser, das alte Mombassa, indessen nicht so sehr als Ausgangspunkt der bisher einzigen Bahnverbindung mit den Ländern am Viktoriasee; darin kann es dereinst von Tanga überholt werden. Wohl aber, weil von hier die Straße in die gesunden und ertragsfähigen, weit ausgedehnten Hochgebiete östlich von dem genannten Binnenmeer ihren Ausgang nimmt.

Noch zwei Punkte sind es, die die besondere Aufmerksamkeit des Wirtschaftspolitikers wegen der Nähe wichtiger und zukunftsreicher Landschaften unbedingt erfordern. Der erste von ihnen wurde infolge des kolonialen Ungeschicks der Franzosen bisher wenig genug beachtet, obwohl er die Aufmerksamkeit aller aro Welthandel beteiligten Kreise in höchstem Maße verdient. Es ist das Gebiet an der Tadjurrabai. Sein bei Djibuti gelegener Hafen ist wegen seiner Lage am Golf von Aden nicht allein als Flottenstützpunkt am Eingang in den Indischen Ozean militärisch außerordentlich wertvoll für den jeweiligen Besitzer, sondern auch als Eingang in das Hochgebiet von Abessinien von höchster Bedeutung. Von hier führt der nächste Weg in das Herz der zukunftsreichsten, Deutschland an Größe übertreffenden Hochländer, während von Massaua aus die wichtigsten Landschaften Abessiniens erst nach einer langen und mühseligen Wanderung durch weniger wertvolle, dafür aber recht schwer zu passierende Gegenden zu erreichen sind.

Der zweite der Punkte, die der besonderen Beachtung würdig sind, ist endlich Port Sudan im Süden des Roten Meeres; die von dort ausgehende Bahn nach dem Atbara stellt die kürzeste und beste Straße für den von Europa kommenden Verkehr nach dem ägyptischen Sudan dar.

Hinsichtlich der nordafrikanischen Häfen, besonders der im Westen gelegenen, mag nur ein wichtiger Umstand erwähnt werden. Die bedeutenderen unter ihnen sind für den das Mittelmeer passierenden Durchgangsverkehr als Anlaufpunkte von ebenso hohem Wert wie (vorläufig) als Eingangstore in die von ihnen beherrschten Länder. Das zeigen uns ganz besonders die Häfen Algiers. Während nämlich im Jahre 1910 der Handel in Einfuhr und Ausfuhr zu reichlich vier Fünfteln in französischen Händen war, kam von dem Tonnenverkehr mehr als die Hälfte auf nichtfranzösische Fahrzeuge. Schon dies Verhältnis beweist die große Bedeutung dieser nordwestlichen Häfen für die Beherrschung des Mittelmeeres, denn sie sind viel näher an der großen Route zwischen dem Atlantischen und dem Indischen Ozean gelegen als die Häfen Italiens.

Wenden wir uns von diesem mittelbaren Einfluss des Aufbaus zu denjenigen seiner Züge, die unmittelbar auf den Verkehr einwirken. Der eigenartige Aufriss des großen Süddreiecks hat zweierlei Folgen für dessen Entwicklung und äußert sie zu allermeist da, wo es sich um die Anlage von Schienenwegen handelt.

Zunächst zeigen sich in diesem wichtigsten Teile von Afrika die Hauptschwierigkeiten beim Vordringen in das Innere gerade in nächster Nähe der Küste, also umgekehrt wie in den europäischen Ländern, etwa Spanien ausgenommen.

Bezeichnend dafür sind die südafrikanischen Bahnen, von denen beispielsweise die von Durban ins Innere führende Linie bereits bei km 27 eine Höhe von 343 m, bei km 62 eine solche von 753 m erreicht und in 132 km Länge schon in der ungefähren Höhe des Gotthardtunnels dahinzieht. In ähnlicher Weise hat auch der Verkehr in dem nordwestafrikanischen Hochland mit dem Bau des Gebiets zu kämpfen und es ist klar, dass Anstiege sowohl wie die durch die Steilheit der Außenränder der Plateaus notwendig werdenden Kunstbauten aller Art eine erhebliche Erschwerung und Verteuerung des Bahnbetriebes verursachen.

Ist die Höhe erreicht, so gilt abermals das Umgekehrte wie bei den europäischen Bahnen. Der Satz, dass innerhalb der Plateauländer nicht die Höhen, sondern die Täler die größten Verkehrshindernisse bilden, hat in keinem größeren Gebiet der Erde eine so uneingeschränkte Gültigkeit wie in dem mächtigen Süddreieck dieses Kontinents. Was schon von den Rissen der Flusstäler gesagt werden kann, gilt hier im größten Maßstabe von jenen gewaltigen Störungen der Erdrinde, die wir als sogenannte Gräben in größtem Umfange auf der schon an und für sich höheren und schwieriger zu ersteigenden Ostseite des Weltteils finden. Für ihre Wirkungen gibt uns die Ugandabahn ein treffliches Beispiel. Um von Mombassa aus den Viktoriasee zu erreichen, musste sie eine dieser tiefen Spalten hinab- und auf der anderen Seite wieder, einer Alpenbahn gleich, emporsteigen. Ohne ein eigentliches Gebirge zu überschreiten, hat sie Höhen zu überwinden, welche die des Brennerpasses um 1.100 m übertreffen. So betrugen die Kosten trotz ihrer geringeren Spurweite für das Kilometer nicht weniger als 121.000 M., während die entsprechenden Ausgaben bei der durch wüstenähnliches Land ziehenden Bahn von dem oben erwähnten Port Sudan aus kaum 54.000 M. erreicht haben.

Eine Folge der Eigenart dieses Vertikalbaues ist auch, dass die größten Höhen in den meisten Fällen ebenfalls Plateaucharakter tragen. Sie können daher nicht untertunnelt werden und erfordern ein Überschreiten der vollen Seehöhe. Der Anlage und dem Betriebe erwachsen auch hieraus bedeutende Unkosten. Auf der anderen Seite bieten die Arbeiten, die in Zukunft noch zu leisten sind, der Technik nicht allein Aussicht auf die Erfüllung lohnender Aufgaben, sondern sie eröffnen eben wegen der vielen und großen Kunstbauten, die hier erforderlich sind, auch der europäischen Großindustrie die Aussicht auf reichen Gewinn. Dieser geht am deutlichsten wohl daraus hervor, dass sich in Algier, diesem echten Plateaulande, die Herstellungskosten der Eisenbahnen einschließlich der Schmalspurbahnen durchschnittlich auf nicht weniger als 160.000 M. stellten, während z. B. die von der Küste nach Constantine in das Hochland führende Strecke nach S. v. Jezewski auf 544.000 M. das Kilometer zu stehen kam.

Zeigt der äußere Umriss und Aufriss des Landes sich also schon bei einer allgemeinen Betrachtung des Weltteils in einer sehr entschiedenen Beeinflussung der Verkehrsentwicklung, so wird durch den inneren Bau wiederum der Handel sehr stark in Mitleidenschaft gezogen. In einer Wirtschaftsgeographie von Afrika interessiert uns aber weit weniger der geologische Charakter des Landes im allgemeinen als die in seinen Tiefen enthaltenen Beimengungen bestimmter, für den Weltverkehr besonders wichtiger Mineralien. Die Beschaffenheit der obersten Bodenschicht, für kleinere Gebiete oft von großer Bedeutung, spielt innerhalb einer so riesenhaften, über mehrere Hauptzonen ausgebreiteten Ländermasse nur eine sehr untergeordnete Rolle neben der für die Bodenkultur größerer Stücke entscheidenden Verschiedenheit des Klimas, so dass wir sie in dieser einleitenden Übersicht mit Recht vernachlässigen können. Nicht so das Vorkommen nutzbarer Stoffe im Innern des Erdreichs, die ja für Handel und Gewerbe ganzer Ländergruppen in der Neuzeit die denkbar größte Bedeutung erlangt haben.

Indessen soll betreffs der Bodenbeschaffenheit doch eine in Afrika ungemein verbreitete Form, der sogenannte Laterit, erwähnt werden. Nach Angabe des besten Kenners der Bodenzusammensetzung außereuropäischer Gebiete, Wohltmanns, ist der Laterit physikalisch durch sehr geringe wasserhaltende Kraft charakterisiert und bildet eine nährstoffarme, schnell trocknende Bodenart. Am meisten verarmt an für die Landwirtschaft wichtigen Stoffen sind die erdgeschichtlich älteren Laterite. Dagegen spricht gerade die Anschauung dieses Sachverständigen für die größere Bedeutung der klimatischen Faktoren. Hiernach verdanken die Lateritböden ihre Unwirtlichkeit wesentlich dem hochgradigen Mangel an Feuchtigkeit. Wird dieser durch Klimaänderung oder kulturelle Anlagen beseitigt, so bedarf es nur des Zuführens gewisser Pflanzennährstoffe und die Kultur des Bodens kann unverzüglich in Angriff genommen werden.

Im allgemeinen nun darf Afrika, wie übrigens auch in seiner geologischen Beschaffenheit, als ziemlich einförmig bezeichnet werden. Es fehlt ihm ebensosehr die Mannigfaltigkeit des inneren Baues wie die Fülle von in erdgeschichtlicher Vorzeit vor sich gegangenen Störungen, die das westliche und mittlere Europa zu einem auch für den Bergbau außergewöhnlich ergiebigen Gebiet gemacht haben. Die bisher bekannten Lagerstätten besonders wertvoller Dinge beschränken sich dabei, soweit sie für den Großhandel in Betracht kommen, nach unserer heutigen Kenntnis auf einige wenige Landschaften. Von besonderer Bedeutung für die Entwicklung der Wirtschaft war freilich das wie Vorbestimmung anmutende Auftreten einiger ungewöhnlich wichtiger Mineralien gerade im äußersten Süden, in dem zugleich dank der weiter unten zu schildernden Landesnatur größere Mengen von Europäern sich eine dauernde Heimat zu schaffen imstande waren. Von Interesse ist auch, dass neben diesen Ländern die ebenfalls dem Nordländer günstigen Gebirge und Hochländer von Nordwestafrika einige für die Industrie sehr wichtige Erzeugnisse des Bergbaus liefern, die allerdings an Wert den südafrikanischen nicht gleichkommen. Sind die Eisenerze und das Bleierz dieser Gegenden schon wegen der Nähe Europas von Wert, so ist das Kupfer im Westen des südafrikanischen Dreiecks ebenfalls von erheblicher örtlicher Bedeutung, die sich vielleicht noch steigern wird, wenn erst die im Katangagebiet vorhandenen Lagerstätten dem großen Verkehr erschlossen sein werden.

Immerhin wird namentlich das Eisen auch in Zukunft eine erhöhte Bedeutung erlangen. Nach Angabe M. Eckerts beläuft sich allein der Eisenvorrat von Algerien und Tunis auf 75 Millionen reinen Metalls, aber daneben gibt es nach seiner Annahme noch soviel Eisenerze in den noch nicht hinreichend durchforschten Ländern des Weltteils, dass sich Afrika bezüglich seiner Vorräte gleich an Europa anschließen dürfte.

Keines dieser Vorkommnisse hat indessen bis jetzt eine solche Wichtigkeit erlangt wie die Steinkohle im Südosten von Afrika. Schon um deswillen, weil sie in dem äußersten Südlande des Weltteils sich findet, wo naturgemäß ihr Wert ein um so höherer ist, als ja die Frachtsätze für fremde Kohle hier die höchste Stufe erreichen und als sie bei der Entfernung der nächsten fremden Kohlenfelder von vielen Schiffen hier ergänzt werden muss. Dieser Wert erfährt weiterhin eine beträchtliche Steigerung durch die seit der Goldentdeckung bedeutend gestiegene Verwendung im eigenen Lande. Auch von der Kohle wird im besonderen noch bei der ausführlichen Behandlung von Südafrika gesprochen werden. Hier genüge der Hinweis, dass in der Förderung von Steinkohlen dieser Teil Südafrikas im Jahre 1911 drei Fünftel von der des ganzen australischen Staatenbundes erreichte und diejenige von Italien um das Elffache übertraf.

Im Welthandel im engeren Sinne des Wortes hat dagegen Afrika sich nur auf dem Gebiete der kostbarsten Mineralien einen Platz erobert, ist aber gerade hier nach verhältnismäßig sehr kurzer Zeit an die erste Stelle gelangt. Auch hier entfällt fast die gesamte Förderung auf Südafrika, dessen Diamantenminen seit ihrer noch nicht ein halbes Jahrhundert zurückliegenden Auffindung mehr als vier Fünftel aller auf der Erde vorhandenen Steine geliefert haben. Noch nicht ein Menschenalter liegt dagegen die Zeit hinter uns. in der größere Goldlager aufgefunden wurden. Hier ging die Entwicklung so schnell vonstatten, dass Afrika, dessen Golderzeugung noch 1892 hinter derjenigen von Russland zurückblieb, im Jahre 1911 nicht allein Australien und selbst Nordamerika weit überflügelt hatte, sondern fast die Hälfte der auf der Erde überhaupt gewonnenen Goldmenge auf den Markt brachte.

Der ungeheure Wert der Produktion dieses Edelmetalls und der kostbarsten unter allen edlen Gesteinen erhöht den Ausfuhrwert dieses Weltteils ganz außerordentlich. Die Erzeugnisse der Pflanzen- und Tierwelt, von denen wir in Zukunft sehr viel erwarten, d. h. die zugleich für das Land selbst wie für die europäischen Handelsstaaten nutzbringendste Form der Produktion, treten somit in Wahrheit noch stärker gegenüber anderen Weltteilen in den Hintergrund. Der nach Art solcher Zahlen freilich nur angenäherte Wert der Gesamtausfuhr von Afrika wird für das Jahr 1911 auf rund 2.460 Mill. M. angegeben. Bringt man von dieser Summe den Wert jener beiden Mineralien in Abzug, so verringert sie sich auf ungefähr 1.500 Mill. M., zeigt also noch deutlicher als vorher die eingangs betonte Rückständigkeit der landwirtschaftlichen Gütererzeugung. Dass diese unter dem Übergewicht der bergmännischen Produktion in den Ursprungsländern des Goldes und der Diamanten sogar in mancher Hinsicht benachteiligt wird, werden wir später sehen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wirtschaftsgeographie von Afrika