Abschnitt 9

Wilhelm Ulenoge und seine Fälschungen


Dies unerhörte Vorgehen wurde in der auf die gravamina der Landschaft ertheilten fürstlichen Erklärung auf das Schärfste zurückgewiesen. Das ganze durch den Ulenogeschen Prozeß ans Licht gekommene Fälschungsunwesen wurde dem Landtage dargelegt und auch die versuchte Verwerthung der Fälschungen in dem Kammergerichtshandel mit schonungslosen Worten geoffenbart: "darauf sie [die Moltkes] auch mitt bosem vnuerschempten gewissen hochgedachten vnsern g. f. vnd herrn hertzogk Vlrichen sein herlich beschicken vnd verwarnen lassen, s. f. g. solten solche dorffer vnd hebungen viell lieber in der gutte abstehen vnd sich mitt clegern daruber vertragen, alß deß rechtlichen außtrags erwarten. Dan eß weren solche briefe gefunden worden vnd vorhanden (die falsche damitt mainende), darauß clerlich zu erweisen, das die guter Ihnen mitt allem rechten zukemen; wie sie dan auch am Kais. Camergericht auf dieselbige alß neugefundene Vrkunden sich beruffen, vnd also s. f. g. gern ein blauwen dunst vor die augen gemacht vnd dieselbige arglistiglich zu hindergehen vnd zu vberreden vnterstanden. Welches alleß s. f. g. dem geschlecht zu ehren vill lieber wolten verschwigen haben, wan sie s. f. g. mitt dieser vngerumpten suchung vber einer alberaitt rechthengigen sache vor der gantzen erbarn Landtschafft schrifftlich zu verclagen vnd anzugeben Ihresteilß auch verschonett hetten, vnd konnen sonsten s. f. g. dieser Ihrer bitt mitt nichten stadt geben, sondern wollen des rechtlichen ausganges gewarten.


Vber dis, vnd welche frechait hiebeuorn nicht viel erfaren sein magk, haben sich die Moltken solcher kuntbarer falschen brieffe nach offenbartem falsche vnd betrug auch wieder Ihr gewissen vnd s. f. g. geschwornen Lehenseid zu gebrauchen vnd dieselben in dieser sachen wider s. f. g. ganz neulicher weile zu articuliren nicht gescheuet, wie solches Ire vnlengst den geordenten Key. Commissarien vbergebene articuli clerlich außweisen. Ob nun solches den Moltken alß lehen leutten wider Iren Lehensherren vnd Landesfursten furzunemen Iren Pflichten nach getzimett vnd gebueret, geben s. f. g. ainer Erbarn Landtschafft zu erkennen. Darumb wollen s. f. g. Ihr die dardurch vorwirckte straff wider die Moltken hiermitt außdrucklich vorbehalten haben."

Diese Sprache und wohl mehr noch der Fortgang des Ulenogeschen Prozesses verfehlten ihre Wirkung nicht. Als am 25. März 1572, drei Tage vor der Hinrichtung Ulenoges, die Landschaft ihre Antwort einreichte, wurde von Punkt VIII der gravamina gleich auf Punkt X übergegangen. Nur eine gleichzeitige Notiz von anderer Hand meldet lakonisch und bezeichnend: "Nota quod nonus articulus a Moltkianis silentio preteritus sit." Damit war die traurige Angelegenheit vor dem Landtage abgethan.

Bevor ich dazu schreite, die bei den Akten in Originalausfertigung, in Konzepten oder Kopieen befindlichen Ulenogeschen Fälschungen zusammenzustellen, seien mir noch einige wenige Vorbemerkungen gestattet.

Das Verfahren, durch welches die Ulenogeschen Fälschungen zu Stande kamen, bedarf keiner ausführlichen Darlegung mehr; es ist aus den Prozeßverhandlungen hinreichend bekannt. Wir wissen aus ihnen, um hier nur kurz zusammenzufassen, daß Ulenoge sich an vorhandene echte Urkunden anlehnte, indem er dieselben je nach dem Zwecke der Fälschung veränderte, dabei jedoch alles Formelhafte einfach übernahm.

Wir wissen, welche nachgestochenen Petschafte zur Fälschung der Siegel zu Gebote standen. Die Fälschung der herzoglichen Petschafte (Albrechts III., Heinrichs IV. und Magnus’ II.) war keineswegs geschickt gemacht. Auf den ersten Blick kann man ihre Abdrücke wohl mit Originalsiegeln verwechseln. Aber sieht man sie neben solchen, so fallen sofort die verzerrten Linien und Figuren der Fälschung in die Augen. Auch in der Farbe sind die Fälschungen von den Originalsiegeln verschieden. Um den Schein des Alters hervorzurufen, hatte man - wie beim Verhör schon mitgetheilt - dem Wachs Kreide beigemischt. Das hatte aber eine Verschiedenheit der Farbe bewirkt; während die Originalsiegel ein schönes Roth zeigen, sind die Fälschungen rothbraun.

Mußten an eine gefälschte Urkunde Siegel gehängt werden, für die kein nachgestochenes Petschaft zur Verfügung stand, so half man sich, indem man die nothwendigen Siegel von echten Urkunden abschnitt und an die Pergamentstreifen der Fälschung mit Hilfe eines glühenden Eisens anschmolz. So geschah es z. B. mit dem Siegel der Stadt Rostock und den angewandten bischöflichen Siegeln. Auch hierbei ist nicht immer mit der gebotenen Vorsicht verfahren worden. Es kommt vor, daß der Pergamentstreifen, durch den das Siegel mit der echten Originalurkunde verbunden war, beim Befestigen an der Fälschung nicht entfernt worden ist.

Alle diese in den Verhörsprotokollen enthaltenen Einzelheiten der Herstellung wie auch die mit den Pergamenten vorgenommene Räucherung werden durch den Augenschein bestätigt, wenn man die große Zahl der noch vorhandenen Ulenogeschen Originale durchsieht. Weitere Einzelheiten sind bei den Regesten mitgetheilt.

Die Anforderungen seiner zahlreichen Kundschaft konnte Ulenoge allein nicht bewältigen. Mehrere Gehülfen dienten ihm dabei. Sein Haupthelfer scheint Nicolaus von Stade gewesen zu sein, den er beim ersten Verhör verschwieg. Er hatte hauptsächlich bei den Moltkeschen Fälschungen mitgeholfen. Außerdem dienten ihm "Zacharias Cölling, ein Student aus Pommern von Mordorp ein Meil vom Sunde, eins Pastoren Son", weiter Hans von Meideburg, ein Gerber zu Rostock, Claus Reincke "ein alt Cüster im Toitkenwinckel zu Dirkou" und endlich "Jochim Vedderow eines dieners sone bynnen Rostogk".

Ein Verzeichniß sämmtlicher eingelieferten Ulenogeschen Fälschungen findet sich bei den Prozeßakten. Es enthält im Ganzen 89 Stücke, die fortlaufend nummerirt und mit Buchstaben bezeichnet sind. Den Anfang machen die Preenschen Fälschungen A 1 bis P 15, Q 16 folgt eine Schmeckersche Fälschung, R 17 bis T 19 wieder Preensche Fälschungen, V 20 und X 21 Halberstadtsche u. s. w., bis mit i 32 die Moltkeschen Fälschungen beginnen. Sie reichen bis fff 76, umfassen mithin 44 Nummern. Dann folgen wieder Preensche, Behrsche, Viereggesche Fälschungen in bunter Anordnung bis zur Schlußnummer ttt 89.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wilhelm Ulenoge und seine Fälschungen