Abschnitt 8

Wilhelm Ulenoge und seine Fälschungen


Abgesehen von Ilse Moltke, deren Name in den Prozeßakten nicht mehr erwähnt wird, war jetzt Achim von Halberstadt, der Bruder von Carins Wittwe, der einzige, dem eine Mitschuld oder wenigstens ein Mitwissen an den Verbrechen Ulenoges zur Last gelegt werden konnte. Alle Uebrigen, denen Ulenoge mit seiner verderblichen Kunst gedient hatte, hatten nach des Fälschers eigener Aussage keine Kenntniß von der strafwürdigen Herstellung der von ihnen theuer bezahlten und für echt gehaltenen Dokumente.


Nur gegen Halberstadt bestand demnach die Möglichkeit eines gerichtlichen Einschreitens. Die Herzöge waren entschlossen, auch diesen Theil der Angelegenheit zu einem rechtlichen Abschluß zu bringen. Sie sandten zu diesem Zwecke am 22. März 1573 die gegen Halberstadt vorliegenden Verdachtsmomente in 5 Artikeln an die Leipziger Juristenfakultät mit der Anfrage, ob der Verdächtige nicht „gefenglich eingezogen vnd wider ine mitt der scharffen vnd peinlichen verhor verfahren oder zum weinigsten das Juramentum purgationis auferlegt werden muge“.

Die Antwort der Leipziger Juristenfakultät lautete, daß „nicht sufficientia indicia wider Achim Halberstadt vorhanden“ wären. Damit war die rechtliche Sühne der Ulenogeschen Verbrechen zum Abschluß gebracht.

Während dieser Prozeß nach mehrjähriger Dauer endlich zu entscheidenden Sprüchen geführt hatte, zog sich ein anderer, vor Jahrzehnten begonnen, noch mehrere Jahrzehnte vor dem Reichskammergericht zu Speier hin. Da er geeignet ist, einen Einblick in die Beweggründe zu eröffnen, die Carin Moltkes Wittwe verleiteten, den Weg des Verbrechens zu betreten und Schande auf eins der ersten Geschlechter des Landes zu häufen, muß er hier wenigstens kurz berührt werden.

Im Jahre 1543 hatten Gebhard und Carin Moltke vor dem Reichskammergericht wider Herzog Heinrich von Meklenburg Klage erhoben wegen der Lehndörfer Bahlen, Parkow, Passin und Penzin und wegen der Zehnten zu Stove, Niendorf und Warkstorf. 5) Nachdem sich der Prozeß länger als zwei Jahrzehnte hingeschleppt hatte, war immer noch kein Ende abzusehen.

Da trat plötzlich ein Ereigniß ein, das geeignet erschien, eine entscheidende Wendung herbeizuführen: der Moltkesche Anwalt überreichte am 21. November 1567 dem Reichskammergericht eine Schrift, in der angezeigt wurde, „daß sich in kurtzer Zeitt begeben, daß weilandt Carin Moltken kinder vnd Erben sampt derselbigen vormunder eine Kaste mit siegell vnd brieffen, die in viel Jaren In ihren handen nit gewesen, Auch daruon kein wissenschafft gehabt“, unter denen Urkunden von entscheidender Bedeutung für den schwebenden Prozeß, „widerumb bekhomen vnd erlanget“. Wegen ihres großen Werthes könne man diese Urkunden nicht in den Originalausfertigungen einreichen und bäte daher, von Gerichts wegen Auftrag zur Vidimirung zu ertheilen.

Am 27. September 1568 wurden Moltkesche Artikel eingereicht, die mit Beziehung auf die angeblich neu gefundenen Urkunden die alten Moltkeschen Ansprüche mit der größten Entschiedenheit erneuerten. Die Sache der Herzöge schien längere Zeit hindurch auf sehr schwachen Füßen zu stehen, bis durch die Ergreifung Ulenoges und die Einlieferung seiner Fälschungen der Prozeß wieder auf den vorherigen Stand zurückgeführt wurde. Am 8. März 1571 konnte Herzog Ulrich seinem Anwalt mittheilen, daß unter den Briefen Ulenoges sich auch die gefälschten Originale über die mit den Moltkes streitigen Güter gefunden hätten. Und am 7. November desselben Jahres wurden endlich die"Responsiones" des Herzogs Ulrich auf die letzten Moltkeschen Artikel eingereicht. Sie legten dar, daß die Briefe, auf die sich die Moltkeschen Artikel von 1568 stützten, gefälscht seien. Ulenoge und Carin Moltkes Wittwe hätten es bereits in gütlichen Verhören eingestanden. Wenn somit die durch die Moltke-Ulenogeschen Fälschungen herbeigeführte Wendung des Prozesses infolge der baldigen Verhaftung und Entlarvung des Fälschers auch nur von kurzer Dauer war, so zog sich dessen ungeachtet der Prozeß doch noch bis ins Jahr 1598 hin.

Ihn weiter zu verfolgen, hat für uns kein Interesse mehr, nachdem die Fälschungen als solche erkannt waren und rechtliche Wirkungen von ihnen nicht mehr ausgehen konnten. Die Fälschungen waren unternommen, um in dem schon so lange schwebenden Prozeß eine Entscheidung zu Gunsten der Moltkes herbeizuführen. Die Ankündigung des Moltkeschen Anwalts von der Auffindung entscheidender Urkunden geschah Ende 1567, also genau um die Zeit, in der Ulenoge begann, sich dem Fälscherhandwerk zu widmen. Der vor dem Reichskammergericht schwebende, geldfressende Prozeß war es also, der bei Carin Moltkes Wittwe den Plan der Fälschung entstehen ließ und zur Reise brachte; die Beendigung des langwierigen Prozesses und damit zugleich der sichere Gewinn reicher Güter war es, was sie von den Fälschungen erhoffte. Nachdem dann Ulenoge für die Ausführung des Planes gewonnen war, blieb es nicht bei der Fälschung der für den Prozeß nöthigen Dokumente. Die einmal erlangte Hebung wurde benutzt, um auch für anderweitige alte Familienansprüche oder neue Wünsche rechtlich wirksame Grundlagen zu gewinnen.

Man sollte glauben, daß nach dem mißlungenen Versuche, die Ulenogeschen Fälschungen vor dem Reichskammergerichte zu verwerthen, die Sache von Moltkescher Seite nicht mehr angerührt werden würde. Weit gefehlt! Im Januar 1572, als der Ulenogesche Prozeß sich seinem Ende schon näherte, der Nachweis der Fälschungen schon lange erbracht war und Carin Moltkes Wittwe ihre bereits gethanen Eingeständnisse wieder zurückgenommen hatte, tagte in Güstrow der Landtag. Diesem Landtage wurden von Gebert und Carin Moltkes Lehnserben Beschwerden eingereicht, in denen neben anderm die im schwebenden Reichskammergerichtsprozeß streitigen Güter gefordert wurden. 6)




5) Schweriner Archiv, feud. Passin.
6) Schweriner Archiv, Landtagsakten A. G. Vol. I. num. 1-8, grav. IX, fol. 139

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wilhelm Ulenoge und seine Fälschungen