Abschnitt 7

Wilhelm Ulenoge und seine Fälschungen


Aber noch manche Monate sollten dahin gehen, bis endlich der erlösende Tod nahte. Nach dem letzten Verhör mit Carin Moltkes Wittwe, das am 21. März 1572 stattfand, wußte Ulenoge, daß nun seine Tage gezählt waren. Er betheuerte noch einmal, am 27. März, schriftlich seine Aussage, „welche ich will bekrefftigenn mitt meinem Thode vnnd blude, das es whar sei, darauff ich auch das whare leib vnnd bludtt vnsers hernn Jhesu Christi Empfahen will“.


Als er diese seine letzten Worte niederschrieb, war sein Schicksal schon besiegelt. Tags zuvor bereits hatten beide Herzöge an Bürgermeister und Rath zu Güstrow geschrieben, daß sie am nächsten Freitag früh (den 28. März) „eine peinliche rechtfertigung vor der gemeinen Landtschafft alhier auf dem Marckt ergehen zu lassen entschlossen, zu dem behueff das Gericht mitten auf dem Marckt vnter dem offenen himmel bestellet, geheget vnd ettvas ansehenlicher vnd stadtlicher, dan sonst inn andern gemeinen Stadtgerichten gebreuchlich, besetzet werden soll vnd muß“. Sie befehlen daher, zu den gewöhnlichen beiden Gerichtsschöppen, Simon Leupold und Jacob Krüger, noch zwei aus ihrer Mitte, nämlich Christian Klevenow und Joachim Kunnich zu verordnen; dazu aus der Bürgerschaft hundert bewaffnete Männer aufzubieten, „die alßdan in ihrer rüstung einen ringk schlagen vnd Platz halten“.

Der Urtheilsspruch, an dessen Vollziehung die Stadt Güstrow in der eben beschriebenen Weise mitwirken sollte, hatte nachstehenden Wortlaut: „Nachdem Wilhelm Vlenoge, welcher sich ein Zeit langk in diesenn Landen für einenn Notarien gebrauchen lassen, etliche der durchleuchtigen hochgebornen fursten vnd hern hern Johans Albrecht vnd hernn Vlrichen gebrudern hertzogen zu Mecklnburgk vnser gnedigenn fursten vnd hernn seliger vorelter loblicher gedechtnus furstliche siegel nachgrabenn lassenn, viel falsche brieffe in mercklich grosser antzall gemacht, die siegel darfur gehengt vnd vielen vnderscheidlichen Personen vonn dem adel auch andere ihre f. G. vnderthanenn verkaufft, alles vnter dem schein, als hette er die selb eins teils in klosternn, Eins teils aber bei einem altenn Pfaffen zu Lübeck gefunden vnd an sich gebracht, vnder welchem falschenn brieffen fast in die 40 befunden worden, welche meistenn teils mit den newen falschen siegelnn, etliche aber mit Rechten wahrhafftigen alten siegeln ihr F. G. vorfahrnn zum teil Kuniglichen, zum teil auch furstlichen Insieglen behengt, so von andern alten brieffen abgetzogen vnd mit der alten sieden zu rugk inn new wachs an die falschenn Newen briff angeklebt vnd angeschmeltzt seindt, welche brieffe alle mit einander denn Moltken zum Toitkenwinckel zugut vnd vorteil, aber dagegen den Moltken zum Streitfelt vnd vielen andern vom adel auch J. F. G. selbst, dem stifft Swerinn vnd der stadt Rostock zu schadenn vnd nachteil lauten, daran seligenn Carin Moltkens nachgelassene witwe schuldig vnd teilhafftig, von ihme angetzogenn worden, wie sie dan fur ihr f. g. dartzu vorordenten Räten, Secretarien vnd Notarien zum teil gestanden vnd vnter andern bekandt laut daruber aufgerichtet Instrument vnd vortzeichenter actenn; welches alles Wilhelm Vlenoge mit allen seinen vmbstenden, wie obgemelt nach der lenge, beides in der gutte vnd peine beharlich vnd bestendiglich bekandt vnd noch darauff bleibt vnd bestehet, Vnd also auß seiner eigen friewilligen vnd beharlichen bekentnuß solchenn abscheulichen vnd nicht uiel gehortenn begangenen falsches vberzeugt ist, Als Erkennen hiemit J. F. G., das er mit dem schwert vom leben zum todt gerichtet, darnach in vier teil zerschnitten auch dieselbige auff die vier wegscheiden vor der stadt auffgehengt werden soll. Von Rechs wegen. Vrkundtlich mit J. F. G. Secreten besiegelt.“ „Actum Gustrow 28 Martii anno . . . Lxxii.“

Dies Urtheil wurde Freitag, den 28. März, zwischen 9 und 10 Uhr verlesen und auf öffentlichem Markt in Gustrow gemäß der herzoglichen Verfügung vollstreckt.

Das Verbrechen war durch die Hinrichtung Ulenoges nur theilweise gesühnt. Die Entscheidung darüber, was mit seiner Mitschuldigen geschehen sollte, war noch nicht gefallen. Sowie sich aber nach Ulenoges Tode diese Frage wieder in den Vordergrund drängte, erschien auch sogleich die Moltkesche Verwandtschaft wieder auf dem Plan. Jetzt allerdings wagte sie es nicht mehr, wie noch vor kurzem geschehen, von der Unschuld ihres Schützlings zu sprechen. Sie bat nur, das was Carins Wittwe gestanden und was sie „auß weiblicher blödigkeit, vnuorstande vnd vnwissenheitt gethan“, ihr um Gottes Willen gnädig zu verzeihen und die langwierige Gefangenschaft dafür eine Strafe sein zu lassen.

Zur Hebung einer so weitgehenden Gnade waren die Herzöge jedoch nicht geneigt. Am 7. Juni 1572 erklärten sie zu Sternberg, da die Frau den Wahn zu verbreiten suche, „als hette sie so gar vbel nicht gehandelt“ und seien die Fürsten zu rasch gegen sie verfahren, so wollten sie auf den Rath der Rechtsverständigen die wohlverdiente Strafe der Konfiskation ihrer eigenen Güter und der Landesverweisung gegen sie ergehen lassen.

Die Formulirung, Siegelung und Unterzeichnung des Urteils zog sich dann noch längere Zeit hin wegen einer Reise, die Herzog Ulrich um die Zeit nach Dänemark unternahm. Einen weiteren Aufschub bewirkten die Landtagsarbeiten. Endlich wurde Carin Moltkes Wittwe auf den 19. November 1572 vor das peinliche Gericht auf der Reitbahn vor der Schloßbrücke zu Schwerin zur Verkündigung und Vollstreckung des Urteils geladen.

Das Urtheil hatte folgenden Wortlaut: „In sachen begangenes Falsches vnd auff Rechtliche zuerkante auch angestelte, aber nicht wircklich volzogene peinliche frag vnd verhör der gefangenen Elisabeth Halberstadtin, seligen Carin Moltkens nachgelassener witwen, Erkennen von Gottes gnaden wir Johans Albrecht vnd Vlrich gebruedere, hertzogen zu Meckelburgk . . . (Titel) . . ., weil genante frau hiebeuor aus eigener bewegknus, ohne einige abschreckung oder bedrauhung die mit Wilhelm Vlenogen begangene landtkundige vnd offenbare verfälschung etlicher briefe vnd Siegel freiwillig bekent, auch in obberurter, zu sechs vnterschiedtlichen mahlen ihr in Recht zuerkanter, auch etlicher massen angestelter, aber wircklich nicht volzogener Tortur im grundt nicht vernainet, vilweniger vernainen kann, wie dan auch der gerechtfertigte Wilhelm Vlenoge darauf standhaftig verharret vnd vor einer gantzen Meckelburgischen Landtschaft gestorben, das demnach Sie die fraw alle ihre guter, So ihr vor ihre person eigenthumblich zustehen, vns verwirckt vnd vnserer lande vnd gepiete hiemit ewiglich vorwiesen sein vnd sich derselbigen bey vermeidung leibs vnd lebens straff enthalten soll. In massen wir dan solche ihre eigenthumbliche guter hiemit confiscieret vnd sie des landes ewiglich verwisen haben wöllen. Vonn Rechts wegen.“ Darunter die Siegel und eigenhändige Unterschriften der beiden Herzöge.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wilhelm Ulenoge und seine Fälschungen