Abschnitt 6

Wilhelm Ulenoge und seine Fälschungen


Carins Wittwe antwortete auf die Zitation, indem sie fünf Forderungen stellte. Sie verlangte:


1. in Anbetracht ihrer Unschuld und adeligen Standes sie nach einjähriger Gefangenschaft gegen Kaution auf freien Fuß zu setzen oder sie wenigstens in ihrem eigenen Hause gefangen zu halten;

2. daß ihr als Frau curatores ad litem gestellt würden;

3. Verlängerung des ihr gesetzten Termines;

4. Gestattung schriftlichen Verfahrens;

5. Abschriften der gefälschten Briefe und der früheren Bekenntnisse beider.

Da die Herzöge jeden Schein eines übereilten und voreingenommenen Verfahrens meiden wollten, mußte auch wegen dieser fünf Forderungen wieder von auswärts Rechtsrath eingeholt werden. Dies übergroße Entgegenkommen äußerte denn auch sogleich seine Wirkung auf Carin Moltkes Wittwe, indem diese formell Einsprache dagegen erhob, daß den auswärtigen Kollegien als Material zur Ertheilung der Rechtsbelehrung das von ihr nicht ratifizirte Protokoll ihrer Bekenntnisse mit übersandt worden war.

Am 12. Juni 1571 endlich konnten die Herzöge auf Grund der inzwischen eingegangenen Rechtsbelehrungen verordnen, daß der Fiskal alsbald seine Anklageschrift übergeben und der Prozeß dann nach Maßgabe der genehmigten Punkte 4 und 5 der Moltkeschen Forderungen seinen Fortgang nehmen solle. Während dessen solle aber die Angeklagte in ihrer Haft bleiben.

Der zur Beantwortung der Anklageschrift gestellte monatliche Termin wurde auf Bitten der Beklagten und ihrer Verwandtschaft, die auch den Herzog Christoph, Administrator von Ratzeburg, für diese Sache zu interessiren gewußt hatte, noch mehrfach hinausgerückt und endlich auf den 24. Oktober festgesetzt.

Aber erst am 27. Oktober wurde die Antwort der Angeklagten übergeben. Sie bestand im Wesentlichen darin, daß Carins Wittwe alles, was sie vorher bereits gestanden hatte, ausdrücklich widerrief, da es nur „aus fräwlicher blödigkeitt vnd auß grossen schreckenn in beysein der Fronen vnd anderer Leute gescheen sey“. Der Fiskal beantragte darauf, zur scharfen Frage überzugehen. Und nachdem die Verwandtschaft noch einmal um Freilassung der Angeklagten gebeten hatte, entschieden die Herzöge endlich am 17. März 1572 gemäß dem Antrage des Fiskals, daß mit der scharfen Frage gegen die Angeklagte vorzugehen sei, falls diese bei der Verleugnung ihrer früheren Geständnisse verharren sollte.

Am 21. März wurde zum abschließenden Verhör der Wittwe Carin Moltkes und Ulenoges nach den 32 Artikeln des Fiskals geschritten. Die Wittwe leugnete ihrem letzten Widerruf gemäß alles, was sie irgend belasten konnte, während Ulenoge unter Angabe weiterer Einzelheiten bei seinen früheren Aussagen beharrte.

Nachdem Ulenoge seine Aussagen nochmals feierlich betheuert hatte, wurde er abgeführt und der Scharfrichter der Frau vorgestellt. Sein bloßer Anblick wirkte schon so viel, daß die Wittwe bekannte, Ulenoge befohlen zu haben, durch Umschreiben alter Briefe neue zu machen; sie sei auch dabei gewesen, wie die Siegel an die gefälschten Urkunden gehängt wurden, habe es aber nicht befohlen, noch auch dazu geholfen. Als ihr darauf für kurze Zeit eine Schraube auf ein Bein gesetzt wurde, ließ sie sich zu keinen weiteren Geständnissen herbei. -

Für Ulenoge waren inzwischen lange und qualvolle Monate dahin gegangen. Schon auf der Flucht war seine Tatkraft völlig erlahmt, so daß er sich nicht mehr dazu aufraffen konnte, die kurze Strecke von Camin bei Wittenburg bis über die Grenze zurückzulegen. Seine Ergreifung, die Verhöre und die strenge Haft hatten auch sein körperlicher Wohlbefinden untergraben. Von Anfang seiner Gefangenschaft an klagt er über Schwäche und Kopfschmerz.

Die schwere Folterung, die er am 21. März 1570 über drei Stunden lang erdulden mußte, hat er wohl nicht mehr völlig verwinden können. Wie sollte er sich in der harten Gefangenschaft erholen, in der es ihm an der allernöthigsten Pflege des Leibes gebrach? Als er am Tage nach seiner Folterung dem Kanzler Husanus noch einmal schriftlich seine Aussagen bekräftigte, sah er sich gedrungen, um Reichung eines seiner Hemden zu bitten, „damitt das mych die worm im lebendt nicht magk vortzerenn“.

Als Ulenoge später erfuhr, daß Carins Wittwe ihre vorher gethanen Bekenntnisse widerrufen habe, betheuerte er in einem Schreiben vom 1. August 1571 den herzoglichen Räthen unter Anrufung der heiligen Dreifaltigkeit, daß sein Bekenntniß wahr sei. „Und so es nicht anderß sein kann“ - fuhr er fort - „das ich nicht gnade magk erlangen, will ich den dott willich vnnd gerne darvmb leiden, dieweill sch doch durch grossen grham vnnd hefftige wehetage des haupts vnnd bedrengung meiner gefengknus offt meiner vornunfft beraubett werde.“ Daher bittet er um Christi Leiden willen, beim Herzog Fürsprache einzulegen, daß seine Pein gekürzt oder doch sein Gefangniß gelindert würde. Denn nicht einmal das Nöthigste würde ihm gereicht; bäte er um das ihm bewilligte Bier, „so lest mich der kellerknechtt enttbieten, Ich soll hellisch fewr sauffen . . . . der koch: will ichs nicht fressen, ich sols in den dranck stürtzen . . . . vnd wolt also Tausenttmhall lieber Todt sein dan leben“.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wilhelm Ulenoge und seine Fälschungen