Abschnitt 5

Wilhelm Ulenoge und seine Fälschungen


Am 20. März wurde zum ersten Verhör der Wittwe Carin Moltkes geschritten. Es fand in der neuen Rathstube des fürstlichen Hauses zu Schwerin statt und wurde durch den Kanzler Heinrich Husanus unter Mitwirkung von Emmeran Zyrinck und Hubert Sieben geleitet.


Auf die erste Vorladung war Carins Wittwe nicht erschienen, sondern hatte sich begnügt, einige ihrer Verwandten zu senden, die sie vor dem Gericht vertreten sollten. Als sie sich endlich auf die bestimmt ausgesprochene Forderung des Gerichts herbeiließ, persönlich zu erscheinen, wurde sie mit einer langen Ansprache begrüßt, in welcher der Gerichtshof neben einer leichten Andeutung des gegen sie Vorliegenden sich in Wendungen des Bedauerns, gegen sie vorgehen zu müssen, erschöpfte. Nachdem die Richter sich hinter dem Befehl der abwesenden Herzöge verschanzt hatten, kamen sie endlich zum Schluß: „dem [herzoglichen Befehl] sie sich alß die vnderthenigen Diener gemeß verhalten müsten, freundtlich vor Ihre Person bittendt, Sie darin entschuldigt zu halten. Sie wolten doch nichts mehr thuen noch gegen Ihr vornhemen, dan soviel Inen zu thun auferlegt vnd befohlen were. Sie trügen auch mitt Ihr ain Christlich freundtlich mittleiden, möchten Ihr auch gern gönnen, das sie aller dieser Vlenogischen hendell vbrig vnd frey sein möchte. Weil sie aber gleichwoll also zu diesenn beschwerlichenn hendeln geraten, So müste man es Godt befehlen, vnd were woll ehe geschehen, das gute leute durch böse buben verfurt vnd in Ire vnfertige Hendel mitt eingemenget wehren worden. Vnd weil Sie dan hierüber mitt Ihr vnnd allen den Ihren, wie gehort, nicht allein deß schimpfs, sondern auch des schadens halben, so Ihr vnnd Ihren Kindern auß verderbung Ihrer brieflichen vrkunde zugestanden, ein mittleiden trügen. So hetten Sie befehlch, sie, die frawen, zum eingang zu fragen, Wie sie doch anfenglich mitt Vlenogen in den heimlichen vnnd vertrauten verstandt kommen, daß Er Ihr die alten brieffe also verbessert vnnd dermassen geendert vnd neu gemacht hefte, daß sie auf Irer Kinder seiten lauten vnd Ihnen zutreglich sein solten.“

Für das mit dieser Frage endlich eingeleitete Verhör war in Folge der vielen unnützen Redereien nicht viel Zeit übrig geblieben. Es wurde am folgenden Tage wieder aufgenommen, indem der Beklagten die Ulenogeschen eigenhändigen Artikel vorgelesen wurden. Sie leugnete alles. Man schritt zur Konfrontation mit Ulenoge. Und als auch dies nichts half, wurde Ulenoge der Folter unterworfen.

Obwohl Ulenoge sich von vornherein wenig widerstandsfähig gegen körperlichen Schmerz zeigte, hielt er die Folter über drei Stunden lang aus, „biß ihm die hende gahr erschwartzet“, wie das Protokoll mittheilt, ohne von seinen Artikeln abzugehen. Er blieb dabei, daß Carin Moltkes Wittwe ihn zu seinen Verbrechen angestiftet, daß sie um jede einzelne für sie gemachte Fälschung gewußt und ihm die Konzepte korrigirt habe. Ferner habe sie beim Anhängen alter echter Siegel an die gefälschten Urkunden, das durch Anschmelzen mit einem glühenden Eisen geschah; beim Besiegeln mit den nachgestochenen Petschaften, wobei dem Wachs etwas Kreide beigemischt wurde, um ihm ein älteres Aussehen zu verleihen; bei dem zu gleichem Zweck vorgenommenen Räuchern der Pergamente sehr häufig nebst ihrer Tochter Ilse mitgeholfen.

Carin Moltkes Wittwe blieb dem gegenüber dabei, Ulenoge als Verführer hinzustellen, gestand aber, bei der Besiegelung mehrerer Stücke mitgewirkt zu haben. Damit hatte sie ungefoltert ihre Mitschuld zugegeben und konnte nur noch auf die Zubilligung mildernder Umstände hoffen.

Auf den Bericht hiervon waren auch die abwesenden Herzöge der Ansicht, daß Carins Wittwe nicht unschuldig, sondern sich selber „des falsches theilhaftig gemacht“ habe. Sie einigten sich brieflich, die Akten zur Rechtsbelehrung an die Juristenfakultäten zu Leipzig und Wittenberg zu senden und die unglückliche Frau gegen keinerlei Bürgschaft auf freien Fuß zu setzen, sondern sie der ursprünglichen Abrede gemäß nach Parchim in Verwahrsam bringen zu lassen. Obgleich die Moltkesche Freundschaft auch jetzt wieder sich ins Mittel legte und darum bat, die Wittwe „in ansehung Ihrer schwachheitt ond vngelegenheitt biß in ire behausung zu betagen“, erging am 12. April 1570 ein gemeinsames Schreiben beider Herzöge an den Rath zu Parchim mit dem Befehle, Moltkes Wittwe in einem Gemach des Rathhauses zu verwahren, sie Tag und Nacht bewachen zu lassen, ihr keinerlei persönlichen oder brieflichen Verkehr zu gestatten und sie gegen Zahlung zu beköstigen.

Dabei war nur das nicht bedacht, daß sich Parchim zur Erfüllung dieses Auftrages sehr wenig eignete. Als die Gefangene dort ankam, fand sich im Rathhaus kein einziges Gemach, das geeignet gewesen wäre, sie aufzunehmen. Man half sich, indem man sie einstweilen in einer Herberge verwahrte. Aber das schien den Parchimer Stadtvätern nicht sicher genug zu sein; sie setzten alle Hebel in Bewegung, die ihnen aufgebürdete Verantwortung wieder von sich abzuwälzen, indem sie wiederholt erklärten, daß weder im Rathhaus noch sonstwo in Parchim ein zweckentsprechendes Gemach vorhanden wäre, und daher baten, die Gefangene an einen andern Ort zu bringen.

Dazwischen hinein kamen dann noch neue Anträge der Moltkeschen Verwandtschaft wegen Ansetzung eines öffentlichen Verhörs, Mittheilung der Akten, Aufhebung der Bewachung gegen Kaution. So schleppte sich der Prozeß endlos dahin; um nur seinem Abschluß etwas näher zu kommen, verhörte man Ulenoge hinsichtlich seiner weiteren Kundschaft.

Während dessen waren die erforderten Rechtsbelehrungen der Juristenfakultät zu Leipzig, des Hofgerichts zu Wittenberg und des Schöppenkollegiums beider Städte Brandenburg eingegangen. Sie erklärten einmüthig, daß bei dem vorzunehmenden ferneren Verhör wenn nöthig die Folter gegen Moltkes Wittwe angewandt werden dürfe. Das Leipziger Gutachten führte dann noch weiter aus, daß, selbst wenn die Beklagte nichts weiter bekennen sollte, sie doch wegen des schon Gestandenen mit Konfiszirung ihrer Güter und ewiger Landesverweisung zu bestrafen sei.

Diesem Leipziger Gutachten traten am 13. Oktober die herzoglichen Räthe bei. Die Aufstellung der Inquisitionsartikel wurde angeordnet, und am 7. Februar 1571 war die Angelegenheit endlich so weit gediehen, daß beide Herzöge Carin Moltkes Wittwe nebst Tochter wegen Anstiftung und Beihülfe zur Fälschung, Beherbergung und Forthülfe des Fälschers auf den 19. März nach Schwerin zitirten.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wilhelm Ulenoge und seine Fälschungen