Abschnitt 4

Wilhelm Ulenoge und seine Fälschungen


Sein Beruf als Notar brachte ihn mit weiten Kreisen des Landadels in Berührung. Und wie er es anstellte, an diese seine Erzeugnisse abzusetzen, hat Ulenoge bezüglich der Familie Preen schon im ersten Verhör auseinandergesetzt und in seinen späteren handschriftlichen Ergänzungen auch auf die meisten seiner sonstigen Kunden ausgedehnt. Bei den geschäftlichen Zusammenkünften, die er mit ihnen als Notar hatte, ließ er verlauten, ihm seien hier oder dort alte Urkunden zu Gesicht gekommen, deren Besitz ihnen und ihren Angehörigen von großem Nutzen sein würde. Durch seine Berufsthätigkeit war ihm genau bekannt, welche Güterstreitigkeiten zwischen den in weitem Umkreise angesessenen Adelsfamilien bestanden. Ging man auf seine Anregung ein, so war es ihm ein Leichtes, eine Kopie vorzulegen, deren Inhalt irgend einen Güteranspruch der betreffenden Familie stützte. Wurde dann auf Grund dieser angeblichen Kopie der Handel abgeschlossen, so fälschte Ulenoge darnach das Original und verkaufte es an die Interessenten. Von den Preens verdiente er auf diese Weise nach eigenem Geständniß 333 1/2 Thaler, von Matthias Vieregge 300 Thaler, von Schmecker 200 fl. Das wäre für die kurzen zwei Jahre, die Ulenoge als Fälscher thätig war, ein ganz ansehnlicher Verdienst, besonders wenn man bedenkt, daß er nur von dem kleineren Theile seiner Kundschaft herrührte und vor allem seine Hauptkundin bei dieser Aufstellung fehlt.


In Wirklichkeit aber hat er wohl einen größeren Nutzen aus seiner Fälscherthätigkeit gezogen, als man aus obigen Zahlen schließen dürfte. Denn diese Zahlen scheinen erheblich zu niedrig gegriffen zu sein. Wenigstens wissen wir aus einem zu den Akten gegebenen Berichte von Angehörigen der Familie Preen über ihre Beziehungen zu Ulenoge, daß diesem für eine einzige falsche Urkunde 400 Thaler von ihnen bezahlt worden sind.

Alle die hier Genannten hatten, wie Ulenoge selber bekennt, ahnungslos ihr gutes Geld für einige Stücke beschriebenen Pergaments hingegeben, deren Werthlosigkeit sich nur zu bald herausstellen mußte. Vortheilhaft dagegen hatte Achim von Halberstadt gekauft. Der hatte Ulenoge für eine falsche Urkunde einen fetten Ochsen im Werthe von 12 Thalern versprochen, aber keine Zahlung geleistet. Er konnte das, denn, wenn man Ulenoges Aussage Glauben schenken darf, so hatte Halberstadt schon früher einmal, als er eine Urkunde bei Ulenoge bestellte, diesem die Arbeit erleichtert, indem er ihm ein altes von einer echten Urkunde abgeschnittenes Siegel in die Hand drückte.

Halberstadt ist der einzige von allen seinen Kunden, den Ulenoge der Mitwisserschaft und der Beihülfe zeiht, abgesehen natürlich von Carin Moltkes Wittwe mit ihrer Tochter Ilse. Diese beiden waren durch Ulenoges schriftliche wie mündliche Aussagen sehr schwer belastet. Der Moltkeschen Wittwe wollte Ulenoge nicht einmal die Erzeugnisse seiner Kunstfertigkeit angeboten haben; vielmehr behauptete er, von ihr zu seiner Fälscherthätigkeit angestiftet zu sein. Er habe nicht nur die oben genannten drei herzoglichen Siegel auf ihr Geheiß nachstechen lassen, sondern Moltkes Wittwe habe auch selbständig, ohne Ulenoges Vermittlung, die Siegel dreier Vettern ihres verstorbenen Gatten, des Lütke, Claus und Vicke, nachgraben lassen. Auf ihr Drängen habe er dann noch die Fälschung des Petschaftes von Gebert Moltke vermitteln müssen. Damit noch nicht genug, habe sie ihn heftig gedrängt, auch noch das kleine Siegel Herzog Albrechts, zwei bischöfliche und der Stadt Rostock Siegel nachstechen zu lassen. Das sei aber nicht mehr ins Werk gesetzt, „den mich das grauwen anginck“.

So sei nicht nur der Anstoß zur Fälscherthätigkeit Ulenoges von Carin Moltkes Wittwe ausgegangen, sondern diese habe selber bei der Herstellung der Fälschungen mitgewirkt. Alle Entwürfe geplanter Fälschungen habe Ulenoge erst seiner Auftraggeberin einreichen müssen. Diese habe die Entwürfe bei sich behalten, genau bedacht, oft Aenderungen mit eigener Hand gemacht, darnach einen neuen Entwurf gefordert und oft erst nach mehrfachen Umarbeitungen die Ausfertigung genehmigt.

Endlich stände im Moltkeschen Hause ein „rodt nasch oder schrein“, in dem viele alte Siegel verwahrt würden, die von alten Urkunden genommen seien; man habe sie gesammelt, um sie durch Anhängen an gefälschte Urkunden nutzbringend anwenden zu können. In dem genannten Schranke befänden sich auch die nachgestochenen Petschafte.

Diese Aussagen Ulenoges waren sämmtlich ohne Anwendung der Folter gemacht worden. Wollte man auch den Beschuldigungen eines entlarvten schweren Verbrechers kein zu großes Gewicht beilegen, so war doch klar, daß nicht alles aus der Luft gegriffen sein konnte. Und was den belastenden Aussagen Ulenoges ein besonderes Gewicht verlieh, war die Thatsache, daß Carin Moltkes Wittwe dem Flüchtigen nicht nur in ihren Gütern bereitwillig Aufnahme gewährt hatte, als die Kunde von seinen Frevelthaten schon in der ganzen Gegend erscholl und als die Herzöge schon Befehl gegeben hatten, ihn zu ergreifen; sondern sie hatte ihn sogar bei seiner Flucht auf das Nachdrücklichste unterstützt, indem sie ihn in ihrem eigenen Wagen und unter dem Schutz ihrer nächsten Angehörigen aus der Umgegend von Rostock bis nahe an die Westgrenze Meklenburgs befördern ließ.

Das alles waren unanfechtbare Thatsachen, die durch die Aussagen eines Bediensteten der Moltkeschen Wittwe selber, des Vogtes von Tüzen, nach jeder Richtung hin Bestätigung fanden. Dazu kam dann noch das Geständniß des Nicolaus von Stade, eines der Ulenogeschen Schreiber, aus dem mit aller Deutlichkeit hervorging, daß Karins Wittwe sogar mit den Gehülfen Ulenoges verkehrt, ihnen selber Geld für ihre Dienstleistungen bezahlt hatte, also jedenfalls mit dem ganzen Treiben im Hause des Fälschers vollständig vertraut war. Weiter hatte er bekundet, daß stets ein „kleiner Geselle“ im Moltkeschen Haufe gesessen und dort für Ulenoge geschrieben hätte.

Dadurch war schon weit mehr geboten als bloße Verdachtsmomente; das alles enthielt schon nahezu die Gewißheit der Mitwisserschaft und der Mitschuld. Es war an der Zeit, daß die Herzöge auch Carin Moltkes Wittwe gegenüber die notwendigen Schritte thaten. Sie einigten sich bald dahin, die schwer Verdächtige durch beiderseits abgefertigte Diener gefangen zu nehmen und dem Rathe der Stadt Parchim zur Verwahrung zu übergeben. Aber kaum war sie am 6. März 1570 auf dem Wege nach Güstrow zu den dort versammelten Landständen wirklich gefangen genommen worden und der Befehl ergangen, sie am folgenden Tage nach Parchim weiter zu führen, als sofort ihre Freunde und Verwandten in größerer Zahl 4) für sie eintraten und darum baten, sie wo nicht frei, so doch zu Güstrow in der Herberge zu lassen, indem sie sich mit 20000 Thalern für sie verbürgten. Herzog Ulrich hatte darauf in Abwesenheit seines Bruders ihren einstweiligen Verbleib in Güstrow genehmigt; die Angelegenheit blieb bis zur Rückaußerung des sofort benachrichtigten Herzogs Johann Albrecht in der Schwebe.




4) Am 7. März verbürgten sich für sie: „Achim Ribe zu Schonhausen, Christoff Hane zu Basedow, Achim Haluerstadt zu Luttken Prutze, Luttke Basseuitz zur Lueborch, Jochim Rohr zum Neuwen Hause, Köne Hane zu Basedow, Christoff Stralendorff Achims seeliger [!] Sohn, Albrecht von Quitzow vff Stauenouwen, Bartheltt von Bulow zu Wedemendorf, Claus Fineke zum Gnemer.“

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wilhelm Ulenoge und seine Fälschungen