Abschnitt 3

Wilhelm Ulenoge und seine Fälschungen


Darauf wurde er wieder in dem dunklen Hintergrunde des Wagens verborgen, auf dem nun außer den früheren Reisegenossen noch Christoffer Rabens Gattin Platz nahm. In der Nähe von Klein-Trebbow wurde Halt gemacht und Ulenoge auf freiem Felde abgesetzt. Hier wurde er von dem erwähnten zuverlässigen Rabenschen Unterthan in Empfang genommen und sammt seinen in einem leinenen Sack verwahrten Habseligkeiten in dessen Behausung nach Klein-Trebbow geführt.


Dort blieb Ulenoge den Montag. Rabens Gattin sorgte für seine Beköstigung. Seinen dringenden Bitten, ihn nach Ratzeburg fahren zu lassen, wo er sicher zu sein hoffte, gab sie indessen wegen Unentbehrlichkeit der Pferde nicht nach. Endlich willigte sie ein, ihn bis Camin bei Wittenburg bringen zu lassen, was denn auch durch seinen Klein-Trebbower Gastfreund am Dienstag, den 20. Dezember, geschah.

In Camin kehrte Ulenoge beim Pfarrer ein, mit dem er durch seine Geschäfte mit dem dort begüterten Achim v. Halberstadt, dem Bruder von Carin Moltkes Wittwe, bekannt war. Hier, nicht mehr weit von der Grenze Meklenburgs, brach seine Thatkraft völlig zusammen. Daß er überhaupt bis dahin, fast durch ganz Meklenburg von Ost nach West, seine Flucht hatte glücklich bewerkstelligen können, dankte er wohl überhaupt weniger der eigenen Energie, als der entschlossenen Unterstützung einflußreicher Personen, denen alles daran gelegen sein mußte, ihn möglichst bald aus dem Gesichtskreis verschwinden zu lassen.

Im Caminer Pfarrhause fand er wohl eine mitleidige Aufnahme, aber eine thatkräftige Weiterhülfe, die ihn aus seiner dumpfen Niedergeschlagenheit aufgerüttelt hätte, konnte ihm hier, wo man die eigentliche Ursache seiner Flucht nicht kannte, nicht zu Theil werden. Auf sich selber gestellt, hatte er nicht mehr den Muth, seine Flucht fortzusetzen. Die namenlose Angst, die ihn nun schon so lange peinigte, hatte seine Phantasie so sehr erregt, daß überall, wo er nur hingesehen, „da hette ihn gedeucht, als were eithell waßer vnd feur fur ihm“. So verschob er einen Tag um den andern die Fortsetzung seiner Flucht, bis er am Montag, den 26. Dezember, durch einen Knecht Halberstadts ergriffen und auf dessen Hof zu Camin gebracht wurde. Von hier wurde er am folgenden Tage durch einen Diener des Wittenburger Küchenmeisters abgeholt und weiter nach Schwerin befördert.

Am Donnerstag, den 29. Dezember, stand er zum ersten Male vor dem Gerichte des Herzogs Johann Albrecht in der Hofstube zu Schwerin und wurde vom Kanzler Husanus und von Andreas Mylius verhört. Auf die Einzelheiten dieses Verhörs und auf alle Wendungen des sich daran anschließenden langwierigen Prozesses näher einzugehen, würde zu weit führen. An der Hervorhebung der Hauptpunkte aus den Verhören und an einer Skizzirung des Ganges des Verfahrens mag es genug sein.

Das Bekenntniß, welches Ulenoge am 29. Dezember ablegte, war kein umfassendes und außerdem verdunkelt durch das Bestreben des Verbrechers, sein Thun durch erdichtete Beweggründe zu beschönigen. So leugnete er zwar keineswegs die Nachstechung der Siegel der drei Herzöge Albrecht III., Heinrich IV. und Magnus II.; aber diese Fälschung sei nicht von ihm ausgegangen, vielmehr habe der in Rostock gefänglich eingezogene Graveur ihn dazu verführt, diese drei Siegel nachstechen zu lassen. Diese habe er dann benutzt zur Besiegelung herzoglicher Briefe, die er zu Gunsten der Preene wider die Stadt Rostock über einige streitige Dörfer gefälscht hätte. Weitere Fälschungen habe er nicht vorgenommen und auch die genannten nur aus Haß gegen den Rostocker Rath, der ihn vor zwei Jahren aus dem Rathhause verwiesen habe, weil er kein Bürger sei und alles, was dort heimlich geschehe, den Herzögen offenbare. Ferner gab er gegen die Wahrheit an, er habe die gefälschten herzoglichen Petschafte auf seiner Flucht in die Recknitz geworfen.

Bald jedoch erkannte Ulenoge, daß er durch solche Beschönigungen und Erdichtungen die verdiente Strafe nicht abwenden konnte. Er gab mehrere schriftliche Erklärungen zu den Acten und ergänzte bezw. berichtigte durch sie die in dem ersten Verhör gethanen Aussagen. Vor allem gestand er jetzt rückhaltlos seine mit Carin Moltkes Wittwe unterhaltene verbrecherische Verbindung. Inzwischen waren von verschiedenen Seiten Mittheilungen eingegangen, durch die das Belastungsmaterial vervollständigt wurde. Auch gefälschte Briefe waren eingereicht worden. Um aber möglichst aller Ulenogeschen Fälschungen habhaft zu werden und sie so am besten unschädlich machen zu können, erließen beide Herzöge am 30. Januar 1570 von Güstrow aus an alle Prälaten, Herren von der Ritterschaft, Amtleute, Städte und alle Unterthanen bei Strafe des Verlustes der Lehen und Güter den scharfen Befehl, „das ein iglicher vnter euch, der jemals mit Vlenogen einiges briefes halben gehandelt oder deren einen oder mehr von Ihm erlanget, . . . . zwischen dato dises vnsers gepots vnd dem ersten schirstkunftigen tag Martii sich bei vns anzeige vnd vns den oder dieselbigen briefe in originali furlege.“ Die darauf eingegangenen falschen Urkunden bilden noch heute im Geh. und Hauptarchiv ein stattliches Bündel.

Kurz vor Ablauf dieses Termins, am 23. Februar 1570, begann Husanus vor Johann Albrecht und dessen Rath das zweite Verhör Ulenoges „in der guthe, yedoch mitt bedrauwung der scherffe“. Das Verhör wurde am folgenden Tage fortgesetzt. Ulenoge legte ein umfassendes Bekenntniß ab. Er gestand, daß die nachgemachten herzoglichen Petschafte nicht von ihm in die Recknitz geworfen seien, wie er bei dem ersten Verhör vorgegeben hatte, sondern daß sie sich in den Händen von Carin Moltkes Wittwe befänden. Er gestand ferner nach einem Versuche, seine frühere Aussage aufrecht zu erhalten, daß ihm die Nachstechung der drei herzoglichen Petschafte nicht von dem Graveur Lambert Albrechts nahegelegt worden sei, sondern daß er selber sie bei jenem bestellt habe. Nicht von dem Graveur, sondern von Carin Moltkes Wittwe sei er dazu angestiftet worden. Auch Ilse Moltke habe um die Fälschungen gewußt, sonst aber niemand aus der Familie.

Außer an Carin Moltkes Wittwe gestand er noch gefälschte Urkunden geliefert zu haben an Angehörige der Familien Vieregge, Schmecker, Behr zu Nustrow, Preen, Kardorff, Zepelin, Halberstadt und an die Stadt Sülze.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wilhelm Ulenoge und seine Fälschungen