Wildtiere - Ein Nashorn, das den Jäger beobachtet

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 6. 1927
Autor: Albert G. Krueger, Erscheinungsjahr: 1927

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Afrika, Nashörner, Großwild, Ausrottung, Tierschutz, Artenschutz, Jäger, Jagd, Masai, Leopard, Affen, Witterung
Wer das Nashorn nur aus Tiergärten kennt und wer dort seine durch die Gefangenschaft hervorgerufene Schwerfälligkeit und stumpfsinnige Faulheit gesehen hat, macht sich keinen Begriff von der Lebhaftigkeit und Geschmeidigkeit eines Nashorns in der Freiheit. Man muss es erlebt haben, mit welch rasender Schnelligkeit, prustend und fauchend wie eine Dampfmaschine, das Nashorn auf die großen Raubkatzen losfährt, sie hin und her jagt und sich dabei fast auf der Stelle dreht. Man muss die fabelhafte Schnelligkeit beobachtet haben, mit der es dem Elefanten, den es mit Recht fürchtet und der es ohne weiteres annimmt, selbst auf dem unbequemsten Gelände aus dem Wege zu gehen weiß, mit dem dicken Kopfe steuernd, jetzt im scharfen Bogen um hohe Wolfsmilchsträucher herum, zwischen hohen Felsblöcken hindurch, über lange, runde Steinblöcke hinüber. Dann ist es einen Augenblick unsichtbar, um plötzlich auf einem anderen, höheren Felsblock zu erscheinen, alles in sausendem, federndem Galopp, bis es endlich in der Ferne verschwindet.

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Ein großes Staunen erfasst jeden, der diese Geschmeidigkeit und Beweglichkeit des anscheinend ungefügen Geschöpfes belauschen kann. Durchweg haben die Neger eine ungeheure Angst vor diesem Tier, mehr noch als vor Löwen. Durchrennt ein aus seinem Standgebüsch plötzlich aufgeschrecktes Nashorn, seinem gewohnten Wechsel folgend, eine Karawane, so werfen die Schwarzen wie besessen alle Lasten zu Boden, schreien „Kifaro! — Kifaro!“ und sind verschwunden, als habe die Erde sie eingeschluckt. Meistens tut das Nashorn keinem etwas, sondern es folgt eben nur seinem Wechsel und kreuzt so die Karawanenstraße, um sich schnellstens in Sicherheit zu bringen. Ab und zu rennt es wohl einen ihm im Wege befindlichen Menschen um, meist aber ohne sich weiter um ihn zu kümmern. Trotzdem bildet es für die Schwarzen den Inbegriff aller Tücke und Bosheit. Ich spreche hier von dem unverwundeten, nur zufällig aufgescheuchten Nashorn. Mit dem angeschossenen Tier ist in keiner Weise zu spaßen! Gerät der urige Kraftbold erst einmal in Wut, dann wehe dem, den er erwischt! Und bei seiner Behendigkeit geschieht das meist sehr rasch.

Unsinnig ist die Fabel von dem schlechten Sehvermögen des Nashorns. Das Tier sieht ausgezeichnet. Es weiß nur nicht, dass der Mensch, der in seinem Khakianzug regungslos dasteht, ihm Gefahr bringt; er ist ihm fremd. Einen Schwarzen dagegen sieht ein Nashorn weit eher und erkennt ihn als gefährlichen Menschen. Sehr viele Unglücksfälle auf der Jagd sind einzig und allein auf diese irreführende Fabel zurückzuführen. Es ist doch ganz unwahrscheinlich, dass ein seit Urzeiten in der Wildnis lebendes, so sehr verfolgtes Geschöpf gerade diesen wichtigen Sinn nicht ausgebildet haben sollte!

Nashörner bummeln viel und weit umher. Man trifft sie gelegentlich fast überall in den höher gelegenen Teilen Afrikas. Doch haben sie besondere Lieblingsplätze, die ihnen vorzugsweise ihre Lebensbedingungen erfüllen und ihre Behaglichkeit gewährleisten. Es sind das meist ausgetrocknete Flussläufe, die sich häufig schlangenartig durch die Steppe ziehen, teilweise eingefasst von lichten Tamarinden- und Akazienstreifen, in der Nähe von Hügelgebieten mit Terrassen und Felsplatten, von denen sich breite Regenrinnen zu dem Flussbett niedersenken. Meist sind sie mit dichtem Gestrüpp bewachsen, das dann in hohes Riedgras übergeht. In diesen Flussläufen stehen in der Zeit der größten Trockenheit nur einige Tümpel. Gewöhnlich ist solch ein fünfzig bis sechzig Meter breites Bett noch mit zahlreichen Schilfinseln durchsetzt, so dass man nirgends einen freien Ausblick hat, da die Inseln stich kulissenartig ineinanderschieben. Geht dann noch an einem der Ufer der lichte Akazienwald bald in dichte Bestände mit Unterholz und in ein verworrenes Dorngestrüpp über, das sich über weite Hügelketten hinzieht, dort mit kleinen Agavendickichten abwechselt, dann ist das Nashorngebiet fertig. Dort kann man die Dickhäuter das ganze Jahr hindurch antreffen. Sie sind kein Standwild. Dazu sind sie viel zu bummelig und unruhig. Aber wenn auch einzelne Tiere fortwandern, finden sich bald wieder andere ein. Sehr alte Bullen, die nicht mehr um Liebe werben und kampfesmüde sind, verlassen diese Gebiete nur nachts, um in der Steppe zu äsen, aber vor Tagesanbruch sind sie wieder in ihren Dickungen.

Wie bei den Elefanten finden sich auch bei den Nashörnern zwei alte Bullen in Freundschaft zusammen, sie lösen sich im Wachtdienst ab und leben so miteinander, bis sie endlich in hohem Alter ihre Sterbeplätze aufsuchen. Über diese eigenartigen Sterbeplätze ein andermal.

Auf einem Zug zum Meruvulkan erreichte ich einmal eine Hochebene, die reichlich mit Urwald, Sümpfen und Wiesenflächen bedeckt war. Dort bezog ich ein Lager, und ich beabsichtigte, der prächtigen Suhlen wegen hier eine Zeitlang zu bleiben, um Elefanten zu beobachten und womöglich einen Einblick in ihr Familienleben zu gewinnen. Während meine Masai eifrig mit dem Zurichten der
Mahlzeit beschäftigt waren — ich hatte kurz vorher eine Antilope geschossen —, suchte ich mir einen erhöhten Platz, von dem aus ich die Umgebung mit dem Glas genau in Augenschein nehmen konnte. Ein solcher war bald gefunden. Es war ein herrliches Fleckchen mit weiter Aussicht nach Norden auf einen mit Wolken bedeckten Bergzug und auf den Hochwald zu seinen Füßen, aus dem zeitweilig gedämpft das Brechen der Elefanten herübertönte, nach Süden auf die Steppe und nach Osten auf die bewaldeten Schluchten und Erhebungen der Landschaft. Die Aussicht nach Westen verdeckte der Hochwald. Tiere in Hülle und Fülle. Drunten in der Steppe Rudel von Zebras, Kuhantilopen, Schwarzfersen. In dem Walde hatte sich ein Giraffenrudel eingestellt. Dumpf klang das harte Aufschlagen der Hufe auf den Boden herüber, wenn die Tiere von den Bremsen zu sehr belästigt wurden.

Lange Zeit beobachtete ich das rege Leben und Treiben. Dann stutzte ich plötzlich: auf einem Elefantenwechsel, der sanft bergan führte, zog eine Nashornfamilie heran, die, wenn sie dem Wechsel weiter folgte, in meiner nächsten Nähe vorüberkommen musste. Voraus zog schnellen Schrittes die „Madam“, ohne nach rechts oder links zu blicken, ganz in ihrem Führeramt aufgehend. Dann folgte ein Junges, das hier und dort einige sonderbare Sprünge versuchte. Und hinterher bummelte der „Alte“ mit seinem mächtigen Vorderhorn. Der schien es durchaus nicht eilig zu haben. Wenigstens hielt er sehr oft an und sicherte mit hoch erhobener Nase. Mit gespannter Aufmerksamkeit nahm ich diese Nashörner aufs Korn, neugierig, was sie wohl beginnen würden. Jetzt waren sie in dem toten Winkel angekommen, weshalb ich sie eine Zeitlang nicht sehen konnte. Schon glaubte ich, sie wären abgebogen. Da erschien die Madam sehr eilig auf der Felsplatte, über die der Wechsel führte. Gleich hinter ihr tauchte zu meiner Verwunderung nicht das Junge, sondern der Alte auf, der nervös geworden zu sein schien. Wenigstens drehte und wendete er fortwährend nach allen Richtungen.
Ein paarmal hob und senkte er ruckweise den Kopf und stampfte abwechselnd mit den Vorderbeinen den Boden. Offenbar war etwas nicht in Ordnung. Das Zeichen galt dem Jungen, das schnell herbeikam und sich bald unter die Alte stellte, die aufmerksam und andauernd nach dem Hochwalde zu sicherte. Auch der Alte wendete sich jetzt mit hoch erhobener Nase nach dieser Richtung und machte hastig einige Schritte dorthin. Die ganze Szene spielte sich kaum zweihundert Meter von meinem Standplatz ab, so dass ich jede Bewegung der Tiere deutlich sehen und auch das zeitweilige Schnauben hören konnte. Meine Spannung war aufs äußerste gestiegen. Und förmlich fieberhaft wartete ich der Dinge, die da kommen sollten. Es dauerte nicht lange. Der Alte war inzwischen noch einige Schritte auf den Hochwald zu getreten und stand nun, wie zu Stein erstarrt, mit hoch erhobener Nase sichernd da. Auch die Alte, die hinter einen Busch getreten war, und das Junge rührten sich nicht.

Da ertönte plötzlich der Kampf- und Angriffslaut eines Nashorns: aus den Büschen rechts seitwärts des Alten stürmte mit gesenktem Vorderhorn ein anderer mächtiger Nashornbulle hervor. Und ehe der Alte sich's versah, hatte ihm der Angreifer sein Horn zwischen die Rippen gerannt, so dass er zu Boden stürzte. Im Nu aber war er wieder hoch, nahm Front zu dem Angreifer, und jetzt begann ein verzweifelter Kampf. Blitzschnell raste der Alte auf den Angreifer los, schlug ihm das Horn über dem rechten Vorderbein in die Brust und hielt ihn mit der ganzen Gewalt seines Nackens hoch. Der aber bäumte mit einem Ruck auf, machte einen wilden Satz seitwärts und war frei. Und nun rasten die beiden Kämpen, blasend und prustend, gleich Kreiseln umeinander herum, immer bestrebt, dem Gegner einen Hornstoß zu versetzen. Sand und Steine flogen weit umher, und die Kampfstelle färbte sich langsam rot von dem strömenden Blut.

Die Alte hinter ihrem Busch verhielt sich mäuschenstill und beobachtete, während das Kleine neben ihr ängstlich hin und her trippelte. Plötzlich glitt der Alte in der rasenden Kreiselbewegung aus, stürzte, überschlug sich und hatte im nächsten Augenblick zwei mächtige Hornstöße im Bauch. Als er einen schwachen Versuch machte, aufzustehen, saß ihm ein dritter in der Brust. Der Angreifer fuhr einige Schritte zurück und beobachtete mit schiefem Kopf und gesenktem Vorderhorn den Gestürzten, bereit zu sofortigem erneutem Angriff. Der aber erwies sich nicht mehr als nötig. Ein Zittern flog über den Körper des Unterlegenen. Einige Male schlug er noch mit dem Kopf auf den Boden. Dann streckte sich der mächtige Körper. Es war aus. Ein Drama der Wildnis war beendet!

Stracks schritt jetzt der Sieger mit hoch erhobener Nase auf das Weibchen los, warb um seine Liebe, ward in Gnaden ausgenommen, und beide verschwanden in dem Dickicht. Das hilflos jammernde Kleine ließen sie zurück. Im Nu hatte ich da meine Masai und Ndórobbo hoch. Einige kurze Worte
erklärten ihnen meinen Plan, das Kleine zu fangen. Schnell begriffen die gewiegten Jäger und schwärmten aus, um das Kleine einzukreisen. Aber aus dem Fang wurde nichts. Fast war der einschließende Ring geschlossen, als das Tierchen witterte, in einem rasenden Tempo die Treiberkette durchbrach und dann nach der Steppe zu flüchtig wurde, so dass an eine Verfolgung nicht zu denken war.

Ein andermal beobachtete ich, wie ein friedlich ruhendes Nashorn durch ein dicht an ihm vorbeisausendes Rudel Warzenschweine aus seiner Ruhe gerissen wurde. Wie der Blitz war der Dickhäuter hoch, raste auf einen Busch los, riss ihn samt den Wurzeln aus der Erde und schleuderte die Teile weit umher. Dann nahm das wütende Tier nach allen Richtungen wild und toll an. Wenn ihm jetzt jemand in den Wurf gekommen wäre, er wäre erledigt gewesen. Ungefährlich ist also die Nashornjagd in keiner Weise. Auch hier muss man, wie stets in Afrika, jeden Augenblick auf alles gefasst sein.

Überdies ist es falsch zu sagen: Tiere einer Gattung haben diese oder jene Eigenschaften. Nicht zwei Exemplare einer Art verhalten sich gleichmäßig. Temperament und Veranlagung spielen, wie bei uns Menschen, eine große Rolle, und was ein Tier tut, muss durchaus nicht immer auch das andere machen. Überhaupt stellt sich jedes Zusammentreffen mit einem Wildnistier anders dar. Besonders Nashörner sind außerordentlich nervös, reizbar und unberechenbar in ihren Launen. Man kann nie, wie bei anderen Tieren voraussehen, was sie in dem nächsten Augenblick tun werden. Und sehr schnell merkt auch der Neuling in Afrika, dass er keinen schwerfälligen, plumpen, im engsten Gewahrsam verkommenen „Dickhäuter“ vor sich hat, sondern ein atletenhaft gewandtes, schnelles und gefährlich behendes Tier, das ganz anders in Erscheinung tritt, als er es sich gedacht hatte.

Auf einem Streifzug in Ostafrika geriet ich eines Tages in eine an demselben Tage abgebrannte, meilenweit schwarz verkohlte Dornensteppe. Bei einem Rundblick blieben meine Augen an einem Nashorn haften, das in dieser schwarzen Wildnis in etwa zweihundert Gängen Entfernung, mit hoch erhobenem Haupte, fast mit dem Erdboden verwachsen schien und sich riesengroß von dem rötlichen Abendhimmel abzeichnete. Nie werde ich den Eindruck vergessen, den diese anscheinend so plumpe Tiergestalt in ihrer Massigkeit, inmitten der düsteren Umwelt, unsicher von der scheidenden Sonne beleuchtet, auf mich machte. Das Tier hatte uns bereits bemerkt und starrte aufmerksam zu uns herüber. In dem kurzen Augenblick des Erkennens wurde es mir zur Gewissheit, dass es uns angreifen würde. Schnell hob ich die Büchse. Da setzte sich der Koloss auch schon in Bewegung.

Das Abkommen war schlecht. Halb spitz von vorn muaate ich die Kugel antragen, deren Wirkung mehr als fraglich erschien. Also Zielpunkt rechtes Ohr — Feuer! Der Schuss machte zunächst gar keinen Eindruck. Mit rasender Geschwindigkeit, unheimlich prustend und schnaubend, fegte das Tier heran. Schon hatte ich es auf zwanzig Schritte vor mir, und immer noch konnte ich die unglückselige Ladehemmung an meiner Büchse nicht beseitigen, die mir unbedingt den Tod bringen musste. Da sprang plötzlich mein Begleiter, ein Masai, mit gellendem: „Hay — ja!“ neben mich und senkte den Speer. In vollem Anlauf schwenkte nun das Nashorn, durch den Kampfruf und durch das Blitzen der Speerklinge angelockt, links seitwärts ab. Der dadurch ermöglichte Schläfenschuss warf es im Todeskampf fast vor unsere Füße. Wieder hatte ich den Beweis, dass Mehrlader für solch eine Jagd absolut nichts taugen. Und warm drückte ich meinem Lebensretter die Hand, der darob über das ganze Gesicht strahlte. Es sind doch ganze Kerle, diese Masai!

Nur mit einer Schrotflinte bewaffnet, belauerte ich eines Tages Perlhühner, als sich plötzlich dicht vor mir mit einem einzigen Ruck aus dem Grase eine graue Masse erhob, in der ich ein mächtiges Nashorn erkannte. In solchen Fällen arbeitet das Gehirn mit höchster Geschwindigkeit. Wie der Blitz lag ich auf dem Boden. Und im nächsten Augenblick schoss der Koloss auf kaum ein halbes Meter Entfernung an mir vorüber und verschwand in einer mächtigen Staubwolke in der Ferne. Als ich mich aufrichtete, zuckte sonderbarerweise lediglich die Redensart: „Glück muss ein junger Mensch haben!“ durch mein Hirn und sonst nichts.

Um das Tierleben der Wildnis ungestört beobachten zu können, hatte ich mir an einer viel besuchten Wildtränke einen bequemen Hochstand bauen lassen, auf dem ich stundenlang saß, wenn es meine Zeit irgend zuließ. Von meinem Sitz konnte ich sowohl das Flussbett als auch durch eine Lücke in dem Galeriewald einen Teil der Steppe übersehen. Dort habe ich mancherlei beobachtet, was sonst dem Auge verborgen bleibt. Und schöne, genussreiche Stunden waren es, die ich hoch oben auf meinem luftigen Sitz, völlig außerhalb des Witterungsvermögens der Tiere, verlebte. Eines Tages hatte ich eine gute Zeit mit meinem getreuen Masai Hamiß auf diesem Hochstand zugebracht, ohne dass sich etwas ereignete. Schon zog ich ein Buch hervor, um zu lesen, da begann plötzlich ein Höllenskandal über uns in den Baumwipfeln. Eine Herde Hundsaffen sprang, anscheinend auf der Flucht, von Ast zu Ast. Die offenbar wütend gewordenen Tiere verhielten ab und zu und blickten mit allen Anzeichen des Hasses zurück in das tief eingeschnittene Flussbett. „Bwana, simba!“ (Herr, ein Löwe!) flüsterte Hamiß. Aber so angestrengt ich auch Zoll für Zoll die Umgebung musterte — ich konnte nicht das geringste entdecken. Indessen tobten die Affen weiter. Irgendetwas musste sie also stark beunruhigen. Aber was? Zufällig glitten jetzt meine Augen über den freien Sandplatz am Wasser. Und für einen Augenblick war ich völlig verblüfft: dort stand, wie aus der Erde gewachsen, nun ein mächtiger Leopard, ohne dass ich zu sagen vermochte, woher er, der doch eben noch nicht da war, gekommen. Also dieser Todfeind der Affen hatte diese so in Wut versetzt. Und neugierig war ich im höchsten Grade, was sich nun weiter ereignen würde, zumal ich auch, noch weit hinten in der Steppe, ein Nashorn bemerkte, das ebenfalls der Tränke zu trottete.

Eine Weile windete der Leopard aufmerksam nach allen Richtungen, während sein Schwanz langsam hin und her pendelte. Dann trat er einige Schritte vorwärts und blickte lange misstrauisch auf das ziemlich flache Wasser; offenbar schaute er nach etwaigen Krokodilen aus. Endlich trat er dicht an das Wasser heran, beugte sich nieder und begann nun langsam, fast schlemmerhaft seinen Durst zu stillen. Gründlich packte mich nun die Lust, ihn abzuschießen. Aber die Neugier, was sich weiter begeben würde, überwog. So kam er mit dem Leben davon. Sein Durst musste groß sein, denn immer noch leckte er die stillende Flüssigkeit. Das Nashorn war inzwischen ganz nahe herangekommen. Den Leoparden konnte es noch nicht sehen, da der Wechsel, auf dem es heranzog, einen Bogen zum Fluss machte und dichtes Buschwerk die Aussicht völlig verdeckte.

Meine Aufregung war langsam bis zum Siedepunkt gestiegen, denn jeden Augenblick musste die Begegnung stattfinden. Nun bog das Nashorn um die Büsche herum, erblickte den Leoparden und stutzte sekundenlang. So lautlos schreiten diese Dickhäuter daher, dass die Katze nicht das geringste davon merkte. Dann senkte das Nashorn langsam den Kopf und fegte wie ein Ungewitter, prustend und schnaubend, auf den Leoparden los, der sich mit einem entsetzten: „Uää—rrr!“ blitzschnell seitwärts warf und mit einigen gewaltigen Sätzen in dem dichten Buschwerk verschwunden war. Mitten im Wasser hielt das Nashorn und blickte, immer noch schnaubend, mit einem furchtbar dummen Gesicht der Raubkatze nach. Dann beugte es sich nieder, trank ein wenig, brauste durch das Wasser und galoppierte in der entgegengesetzten Richtung davon, dass Kies und Wurzeln stoben. Still und öde lag wieder der Tränkplatz, dem jetzt aus der Steppe ein Rudel Zebras zustrebte. Nicht immer verläuft eine Begegnung zwischen Mensch und Nashorn dramatisch. Es kommen auch Fälle vor, die eher die Lachmuskeln in Bewegung setzen, als das Herz schneller schlagen machen. So war ich einst hinter einer Schraubenantilope mit hohem Blattschutz her, deren Gehörn ich mir schon lange gewünscht hatte. Aus der Dickung auf eine Lichtung hinaustretend, sah ich mich plötzlich einem Nashornbullen gegenüber, der die andere Seite der Lichtung besetzt hielt. Wer von uns beiden damals verblüffter war, wird sich wohl nie feststellen lassen. Stocksteif blieb ich stehen. Der Bulle warf langsam und phlegmatisch den Kopf hin und her und blinzelte mich mal aus dem rechten, mal aus dem linken Auge — fast möchte ich sagen spöttisch — an. Dann dehnte und streckte er sich ausgiebig, drehte mir gelassen seine breite Rückseite zu und trollte davon.

Wie gesagt, solch ein Nashorn ist ganz unberechenbar in seinen Launen!—

Bei der Jagd auf Nashörner hat man außer mit dem Winde auch noch mit den unvermeidlichen „Madenhackern“ zu rechnen. Es sind das kleine Vögel, die die ruhenden Nashörner besuchen und von allerlei Schmarotzern befreien, ein ganz eigenartiges Zusammenleben. Und nicht allein diesen Liebesdienst erweisen die kleinen Tierchen dem Nashorn, sondern sie warnen es auch vor einer herannahenden Gefahr, indem sie unter schrillem Gezwitscher bei Annäherung einer solchen eilig auffliegen. Durch den schrillen Laut gewarnt, erhebt sich das Nashorn blitzschnell, um je nach den Umständen flüchtig zu werden, den Angreifer anzunehmen oder — sich wieder niederzulassen.

Die Ungeheuern Gebiete Afrikas gewähren auch heute noch Tausenden von ihnen Unterkunft und Lebensmöglichkeit. Dass aber die gänzliche Ausrottung des Nashorns bevorsteht und auch nach nicht allzu vielen Jahrzehnten eintreten wird, ist gewiss. So wird denn ein Tier, das in der unendlich fernliegenden Oligozänzeit bereits auftaucht, in Milliarden von Exemplaren im Laufe der Jahrtausende die Erde bevölkert hat, für die Ewigkeit gepanzert und gewappnet schien, dem winzigen Metallstückchen zum Opfer fallen, das schon so viele Lücken in das Leben der Erde gerissen hat!

Ein erlegtes Nashorn, neben dem Horn befindet sich die Schusswunde

Wildtiere - Ein Nashorn, das den Jäger beobachtet

Wildtiere - Ein Nashorn, das den Jäger beobachtet

Wildtiere - Badende Nashörner im Urwald

Wildtiere - Badende Nashörner im Urwald

Wildtiere - Badende Nashörner im Urwald_

Wildtiere - Badende Nashörner im Urwald_

Wildtiere - Ein erlegtes Nashorn, neben dem Horn befindet sich die Schusswunde

Wildtiere - Ein erlegtes Nashorn, neben dem Horn befindet sich die Schusswunde