Wieviel verzehrt der Mensch?

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1929
Autor: Dr. med. Junghanns, Erscheinungsjahr: 1929

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Nahrung, Genussmittel, Getränke, Menge, Gewicht, Volumen, Stück, Fett, Eiweiß, Kohlenhydrate, Mineralstoffe
Die Weihnachts- und die Neujahrszeit ist für die Mehrzahl der Menschen, mögen sie innerlich zu diesen Festen stehen, wie sie wollen, eine Zeit des unaufhörlichen Essens und des Schwelgens in lukullischen Genüssen, die wir uns sonst vielfach versagen müssen. Dass in dieser Zeit selbst die besten Mägen vorübergehend ruiniert werden, sei nur nebenbei erwähnt. Die seelische Seite, der wundervolle Grundgedanke des Christfestes und die tiefere Bedeutung des Jahreswechsels ist schon tausendfach behandelt worden. Den Lesern würde daher kaum etwas Neues geboten, wollte man selbst mit Engelszungen diese Zeiten preisen. Betrachten wir also einmal die Kehrseite dieser Dinge, die materiellen Genüsse. Da es aber in unserem Zeitalter der Statistik keine Statistik darüber gibt, wieviel der Durchschnittsmensch in den Weihnachts- und Neujahrstagen verzehrt, sei die Frage dahin erweitert, welche Mengen von Nahrungsmitteln ein Mensch im Laufe seiner Lebenszeit genießt.

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Die meisterörterte Frage ist aber nicht die nach der größten, sondern nach der geringsten Nahrungsmenge, die ein Mensch braucht, um seine Arbeit zu leisten und seinen Körper gesund zu erhalten, ohne dabei unnötig an Gewicht zuzunehmen oder etwa gar abzumagern. Da sind es nun vor allem die drei Grundstoffe unserer Nahrung: Eiweiß, Fette und Kohlehydrate, denen wir unser Augenmerk zuwenden müssen. Alle unsere Nahrungsmittel sind aus diesen drei Stoffen zusammengesetzt, zu denen sich dann noch Mineralstoffe (Salze) Vitamine (Ergänzungsnährstoffe) und selbstverständlich noch das unentbehrliche Wasser hinzugesellen. Das meiste Eiweiß ist in Magerkäse, magerem Fleisch und Fischen, die größten Fettmengen in fettem Fleisch und Butter enthalten, während wir die größten Kohlehydratmengen in allen aus Mehl hergestellten Nahrungsmitteln zu uns nehmen. Aus vielen Versuchen hat man berechnet, dass ein etwa 70 Kilogramm schwerer Erwachsener am Tage 80 Gramm Eiweiß, 300 Gramm Kohlehydrate und 133 Gramm Fett verdauen muss, wenn er eine mittelschwere körperliche Arbeit leisten will. Wenn wir nun die Mengen betrachten, die wir im Allgemeinen täglich und im Besonderen zur Weihnachtszeit zu essen gewohnt sind, dann erscheinen uns die oben aufgeführten Zahlen auffallend niedrig. Wir müssen aber einerseits bedenken, dass wir stets etwas mehr zuführen müssen, da infolge der verschiedenen Zusammensetzung und Zubereitung der Nahrungsmittel diese nie völlig ausgenutzt werden können; anderseits ist es allerdings auch richtig, dass wir im allgemeinen zu viel essen, und dass eine Einschränkung unserer Nahrungsmengen oft recht gesundheitsfördernd sein könnte, insoweit unsere Damen nicht der schlanken Linie zuliebe ins Hungern verfallen. Unser „richtiges Gewicht“ können wir mit Maßstab und Wage immer leicht feststellen, denn ein erwachsener Mensch soll etwa so viel Kilogramm wiegen, als er Zentimeter über einen Meter groß ist. So sieht die Sache verhältnismäßig einfach aus, sie wird aber in der Praxis natürlich viel schwieriger, denn es gehört zu gesunder Ernährung nicht nur das Wissen um diese Zahlen, sondern die Hausfrau muss auch durch Schmackhaftigkeit und Abwechslung in der Speisenfolge für die Bekömmlichkeit des Essens Sorge tragen. Mit den größten Schwierigkeiten aber hat auf diesem Gebiet der Arzt zu kämpfen, der bei allen möglichen Magen- Darm-Störungen oder sonstigen Krankheiten um Rat gefragt wird. Wie oft muss er Verordnungen einer gewissen Diät treffen, ohne dass er dabei auf die Gegenliebe des Kranken stößt, der der neuen Kostverordnung nicht den rechten Geschmack abgewinnen kann.

Doch kehren wir nach dieser kleinen, mehr theoretischen Abschweifung wieder zu Zahlen zurück, die uns weitere erstaunliche Tatsachen enthüllen werden. Welch gewaltige Mengen an Nahrungsmitteln wir vertilgen müssen, um uns die notwendigen Grundstoffe einzuverleiben, veranschaulichen die beiden Bilder auf Seite 13, die uns den Jahresverbrauch eines einzelnen Menschen an Fleisch und Brot drastisch darstellen. Der ganze Inhalt eines Fleischerladens und nicht minder beträchtliche Mengen an Semmeln und Brot wandern während des Laufes eines Jahres in unseren Magen. Gigantisch werden nun aber diese Zahlen, wenn wir uns vorstellen, wie viele Viehställe ein Mensch während seines Lebens zur Befriedigung seines Fleischhungers entvölkert, und wie viele Getreidefelder geerntet, ausgedroschen, gemahlen und verbacken werden müssen, um ein Menschenleben für 60 bis 70 Jahre mit den nötigen Brotmengen zu versorgen.

Schwieriger zu beantworten ist schon die Frage nach der Menge der Getränke, die ein Mensch zu sich nimmt, denn der „Durst“ ist bekanntlich noch viel verschiedener bei den einzelnen Menschen als der Hunger. Wissenschaftliche Versuche haben ergeben, dass für 24 Stunden reichlich 2 1/2 Liter Flüssigkeit nötig sind, wenn man den normalen Flüssigkeitsgehalt aller Körpergewebe erhalten will. Um diese Menge aufzunehmen, genügen 5 bis 6 Tassen Kaffee, Tee oder Milch (= 1 Liter) und 1 Teller Suppe (= 1/2 Liter). Der restliche Liter dürfte bei normalen Mahlzeiten in Gemüsen, im Obst, in der Fleischbrühe und dergleichen enthalten sein. So nimmt der Mensch im Laufe seines Lebens also die ungeheure Menge von etwa 50.000 Liter Flüssigkeit auf, die sich je nach den Bedürfnissen des Betreffenden allerdings recht verschieden zusammensetzen kann. Eine weitere Abbildung auf Seite 13 (unten rechts) zeigt sehr drastisch die jährliche Trinkmenge eines Münchner Biertrinkers, eines Menschen, der dem Bier die Vorrechtstellung in seinen Getränken eingeräumt hat, und es ist erstaunlich, dass die menschliche Niere, die die Ausscheidung der überflüssigen Mengen aus dem Körper besorgen muss, Jahr für Jahr eine solche Meng Flüssigkeit bewältigen kann.

Sehr beachtenswert Zahlen lassen sich auch für den Zigarettenraucher stellen, dessen Zigaretten- jahresverbrauch in nebenstehenden Abbildung aufgetürmt ist. Ein starker Raucher, der täglich 50 Zigaretten raucht, raucht also am Tage 3,5 Meter Zigaretten, da eine Zigarette 7 Zentimeter lang ist. In einem Jahre würde er 1.277 Meter und im Verlaufe von 50 Jahren fast 64 Kilometer Zigaretten geraucht haben. Da die täglichen 50 Zigaretten etwa 70 Gramm wiegen, verbraucht der Raucher im Jahre 2,5 Kilogramm und in 50 Jahren 125 Kilogramm Zigaretten, das heißt, dass er sein eigenes Körpergewicht etwa l ½ mal in Rauch aufsteigen lässt.

Mancherlei lässt sich aus den angeführten Zahlen, die uns die wissenschaftliche Forschung gegeben hat, lernen, und wenn auch die Hausfrau nicht ängstlich mit der Wage die Mahlzeiten zuteilen soll, so bergen doch diese Zahlen für den Arzt die Grundregeln für alle Kostverordnungen.

Was ein starker Zigarettenraucher im Laufe eines Jahres in Rauch aufgehen lässt. (Keystone View)
Die Fleischmenge, die ein Mensch im Laufe eines Jahres ist (Keystone View)
Die Brotmenge, die ein Mensch innerhalb Jahresfrist verspeist.
Diese Menge Bier verbraucht ein Münchner Biertrinker während

Verzehrmengen, Die Brotmenge, die ein Mensch innerhalb Jahresfrist verspeist

Verzehrmengen, Die Brotmenge, die ein Mensch innerhalb Jahresfrist verspeist

Verzehrmengen, Die Fleischmenge, die ein Mensch im Laufe eines Jahres isst

Verzehrmengen, Die Fleischmenge, die ein Mensch im Laufe eines Jahres isst

Verzehrmengen, Diese Menge Bier verbraucht ein Münchner Biertrinker während eines Jahres

Verzehrmengen, Diese Menge Bier verbraucht ein Münchner Biertrinker während eines Jahres

Verzehrmengen, Was ein starker Zigarettenraucher im Laufe des Jahres in Rauch aufgehen lässt

Verzehrmengen, Was ein starker Zigarettenraucher im Laufe des Jahres in Rauch aufgehen lässt