Wie man einst Kurpfuscher behandelte.

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1922
Autor: H. Epp., Erscheinungsjahr: 1922

Exemplar in der Bibliothek ansehen/leihen
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Augenarzt, Okulist, Betrüger, Alte Fritz, Friedrich II.,
Vor kurzem wurde ein Kurpfuscher mit Gefängnis bestraft, nachdem er es durch wochenlange „Behandlung“ eines „eitrigen“ Fingers dahin gebracht hatte, dass einem Mann der rechte Arm bis zum Schultergelenk amputiert werden musste. Wenige Tage später kam es abermals zu einer Verurteilung. In diesem Falle hatte ein Pfuscher eine Augenoperation gewagt, die mit dem Verlust beider Augen endete. Man sollte es kaum glauben, dass ein Mensch in unserer Zeit ein Augenleiden von einem Pfuscher „behandeln“ lässt.

************************************************
Im achtzehnten Jahrhundert trieben sich in Europa ausländische „Okulisten“ umher, die behaupteten, Blinde wieder sehend zu machen. Sie richteten unsägliches Unheil an. Viele Leute kamen durch die Pfuschereien solcher Scharlatane um ihr Augenlicht, und einer der davon Betroffenen schrieb die Verse:

„Viel wüsst‘ ich eben nicht zu nennen,
Die Blinde sehend machen können.
Doch Sehende, die hat schon mancher blind gemacht,
Auch mich hat so ein Schuft um das Gesicht gebracht.“


Unter den ausländischen „Augenärzten“, die um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts pfuschten, war der berüchtigtste ein Ritter von Taylor aus Norwich in England. Durch sein Auftreten gelang es ihm anfänglich, allerlei Empfehlungsschreiben zu erlangen. Er reiste in einem mit Augen bemalten Wagen, von zahlreicher Dienerschaft gefolgt, umher. Einst bekannte er freimütig: „Jeder Augenarzt hat eine gewisse Art, sich in Ruf zu bringen; sie sind bloß darin voneinander unterschieden, dass der eine gröber prahlt als der andere.“ Nachdem er sich von verschiedenen europäischen Höfen den Titel eines „Hof-Augenarztes“ verschafft hatte, reiste er im April 1750 nach Potsdam, um sich vom König Friedrich den Titel eines Hofokulisten zu erbitten. Der Alte Fritz gab ihm das erbetene Diplom, verabschiedete Taylor aber in überraschender Weise. Er sagte: „Nun sind alle Seine Wünsche erfüllt, Er ist nun mein Augenarzt, aber ich erkläre Ihm, dass meine Augen keine Hilfe bedürfen, und wenn Er sich untersteht, jemand in meinem Lande zu behandeln, so lasse ich Ihn aufhängen, denn ich liebe meine Untertanen wie mich selbst.“ Das war eine richtige Abfuhr. Unter guter Bedeckung ward der zum Spott als Hofokulist Ernannte sofort an die Landesgrenze gebracht und ihm klipp und klar eingeschärft, er möge sich in Preußen nie wieder sehen lassen. Damit hatte Friedrich die Landesangehörigen vor dem Pfuscher ein für alle Mal bewahrt.

135 Die Blinden. Von Peter Brueghel

135 Die Blinden. Von Peter Brueghel

134 Die Heilung des blinden Tobias. Von Petrus Brandel (1668-1739)

134 Die Heilung des blinden Tobias. Von Petrus Brandel (1668-1739)

137 Der Okulist. Von C. W. E. Dietrich

137 Der Okulist. Von C. W. E. Dietrich