Wie ein Stein ins Wasser

Aus: Altslawische und russische Sprichwörter nebst Erklärung ihrer Abkunft und Bedeutung
Autor: Szpilewski, Paul, Erscheinungsjahr: 1854
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Sprichwörter, Sprüchwörter, Bedeutung, russische, altslawische
Er verschwand, er ging unter, wie ein ins Wasser geworfener Stein. Dieses Sprichwort bezeichnet eigentlich den unwiederbringlichen Verlust einer Sache; dann, im übertragenen Sinne, das ewige Vergessen einer zugefügten Kränkung oder Beleidigung. Wir wollen dieses Sprichwort vollständig anführen, in Verbindung mit dem Umstande, der es erzeugt hat.

Wenn die Greise zwei Feinde versöhnen wollen, bereden sie dieselben, erlittene Unbill zu vergessen, und sagen dazu: „höret auf mit Zürnen und vergesset das zwischen euch Vorgefallene; mag es untergehen wie ein Stein, den man ins Wasser geworfen hat. Dieses Sprichwort datiert aus der ältesten Epoche des slawischen Heidentums. Man weiß, dass die alten Slawen nicht anders einen Krieg unternahmen oder den Feinden Frieden verkündeten, als mit Erlaubnis ihrer Götter, bei welchen die Priester in solchen Fällen anfragten. Im Fall eines Friedens beriefen die slawischen Anführer ihre Feinde ans Ufer eines Meeres oder Flusses; wenn nun Letztere am bedungenen Orte erschienen, so traten Erstere hervor und warfen Steine ins Wasser, als symbolische Handlung des Vergessens ihrer Feindschaft. Dasselbe taten die feindlichen Häuptlinge; darauf reichten beide Teile einander die rechte Hand, und legten Steine, Waffen und Geldstücke zu den Füßen eines Idols nieder. Anfänglich war diese Sitte, als eine geheiligte, Sache der Allgemeinheit, in der Folge ward sie häusliche, alltägliche Gewohnheit.

Hatte ein Streit zwischen zwei Familien sich entsponnen, so zogen sie mit Steinen in den Händen, gegen einander aus;
kam es aber zur Versöhnung, so gaben sie sich die rechte
Hand, küssten sich und vertauschten die Steine; dann kehrten sie heim, gingen zum Brunnen, warfen die Steine hinein, und sprachen: möge unsere Feindschaft vergehen, wie diese Steine auf den Grund des Brunnens fallen. Dieser Gebrauch besteht noch in Serbien und in den Donau-Fürstentümern. Ein ähnlicher Brauch erhält sich in Galizien, der Herzogowina und in den Statthalterschaften Grodno und Kowno. Es ereignet sich mitunter, dass die gegen ihren Vorgesetzten erbitterten Starotten oder Landwirte, zufolge einer Verabredung Steine ergreifen und wider den verhassten Podbarin (Vize-Bojaren) ausrücken; begegnet ihnen aber auf dem Wege irgend ein feindseliges Tier oder Vogel, hören sie das Bellen eines Hundes, das Brüllen einer Kuh oder eines Ochsen (lauter böse Vorbedeutungen), so kehren sie wieder heim, werfen die Steine in einen Brunnen und sagen dazu: nechai jeno prapadse s' kamenem u wadsje (lasst uns ihm den Stein ins Wasser werfen, d. h. verzeihen!). Sind nicht darum auch die Brunnen einiger unruhigen und reizbaren Hausherren dergestalt mit Steinen verdämmt, dass man sie von diesen Symbolen häufigen Haders reinigen muss?

Gasthaus im Kaukasus

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Kaukasische Garden

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Russicher Bauer in Wintertracht

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