Fortsetzung

Auf einem unserer Bilder ist der Arbeitsvorgang zu sehen, der bei der Herstellung der Umfassungsmauern eines Wohnhauses in Lehmstampfbau üblich ist. Arbeiter sind damit beschäftigt, den aus dem Boden gegrabenen Baustoff mit Zusätzen zu versehen, der oben unter Verwendung der sogenannten Richtbohlenschalung ein- und hochgestampft wird. Auf diese Weise entstehen die Mauern in einem einfachen Arbeitsvorgang, wobei besondere Bearbeitung und Vorbereitung des Rohstoffes nicht nötig ist. Deshalb sind die Herstellungskosten der Lehmstampfwände geringer, als die aller anderen Bauweisen, vorausgesetzt, dass die Arbeitsvorgänge einfach und zweckmäßig erfolgen. Eine der Abbildungen lässt erkennen, in welch sinnreicher, unkomplizierter Weise die Richtbohlenschalung auf einer fertiggestampften Lehmschicht hergestellt wird.

Ausdrücklich muss betont werden, dass zur Errichtung von Bauten in diesen Naturbauweisen geschulte Fachleute keinesfalls zu entbehren sind, dass jedoch zu vielen Arbeiten ungelernte Arbeiter und Siedler unter sachkundiger Anleitung herangezogen werden können.


Ist nun ein Haus in der einen oder anderen Naturbauweise bis zur gewünschten Höhe gediehen, dann kommt die große Frage der Bedachung. Angesichts der schwierigen Baustofflage entschloss man sich in Sorau zur Erneuerung einer alten Dachart, dem Lehmschindeldach. Stadtbaurat Fauth*) schreibt: „Vielerorts hat sich die Baustofffrage lediglich zu einer Bedachungsfrage zugespitzt. Man behilft sich mit Notdächern verschiedenster Art in der Erwartung besserer Zeiten, um diesem Übelstand abzuhelfen, griff man auch hier auf die Bauweisen und Erfahrungen des achtzehnten Jahrhunderts zurück, dessen Überlieferungen sich teilweise bis in unsere Zeit, wenn auch nur in spärlichen Resten handwerklicher Herstellung, noch erhalten haben.“ Zur Herstellung der Schindeln ist Stroh und Lehm nötig, und die Verarbeitung dieser Stoffe erfolgt in einem besonders dazu eingerichteten Schindeltisch. Ein Teil dieser einfachen Arbeitsvorgänge, das Einstreichen des Lehms in den Schindelkopf, lässt eine der Abbildungen erkennen. Eine andere zeigt die Größe einer fertigen Schindel, die von zwei Männern gehalten wird. Auf der dazwischen befindlichen Abbildung wird eine Schindel so gleich nach ihrer Fertigstellung, also noch feucht, zum Dach emporgezogen; oben ist ein Mann damit beschäftigt, eine der Schindeln an den Dachlatten zu befestigen. Es ist möglich, ein ganzes Dach, wenn genügend Vorrat vorhanden ist, in einem Tage zudecken. Drei Arbeiter fertigen bei achtstündiger Arbeitszeit ohne besondere Anstrengung zusammen achtzig Schindeln, mit denen zwanzig Quadratmeter Dachfläche gedeckt werden können. Auch bei der Herstellung der Lehmdachschindeln ist die Mithilfe des Siedlers möglich.

Äußerlich unterscheidet sich das Lehmschindeldach von einem Strohdach kaum; mit Ausnahme des Firstes und der Anschlüsse an Mauerwerk ist außen von Lehm nichts zu sehen. Er ist nur auf der Innenseite der Dachfläche als eine Art schuppenförmige Strohlehmdecke sichtbar. In Sorau angestellte Brandproben, die vor einer behördlichen Kommission am 29. Juli 1920 erfolgten, zeigten im besten Sinne überraschende Ergebnisse. Mit Recht schrieb Fauth: „Hier handelt es sich um eine volkstümliche, altbewährte Bauart, die sich sicher wieder den ihr gebührenden Platz unter unseren Baumitteln erringen wird.“

Nun ist das Haus unter Dach. Wie sieht es nun wohl innen aus? — Da muss erst noch alles geschehen. Betrachtet man die Abbildung, auf der das Heraufziehen und Eindecken der Schindeln zu sehen ist, so bemerkt man, dass an den Wänden Strohmatten gegen den Regen befestigt sind. Eine dieser Schutzmatten steht schief angelehnt da; sie harrt noch ihrer Befestigung durch Draht. Da während der Bauzeit die im Innern notwendigen Trennungswände, Schornsteine und Giebelteile schlecht vor Regen zu schützen sind, führt man diese Bauteile erst dann aus, nachdem das Haus unter Dach ist. Ist dies getan, dann kann der genügend ausgetrocknete Bau innen und außen verputzt werden. Die anfänglich so umstrittene Putzfrage für die Außenseite ist heute gelöst. Sind alle übrigen Arbeiten fertig, dann darf der Siedler seine primitive Unterkunftsstelle oder seine Erdlöcher verlassen, und er genießt das Glück, unter Dach und Fach leben zu dürfen, fern von der Großstadt und ihren Mietkasernen. Ein Glück, das wir Millionen unserer Volksgenossen gönnen würden. Noch einmal seien Worte Fauths über den Wert der Naturbauweisen angeführt: „Unsere Wohnungsnot ist so bitterernst und Abhilfe so dringend notwendig, dass wir unter Beachtung äußerster Sparsamkeit uns alle Vorteile nutzbar machen müssen, die eine rasche Wiederaufnahme der Bautätigkeit in großem Umfang ermöglichen.

Welchen Einfluss die Kohlennot auf unsere gesamte Volkswirtschaft ausübt, hat wohl jeder Deutsche am eigenen Leibe erfahren. Dieser Mangel wird sobald nicht behoben werden können. Selbst wenn wir mit den Naturbaustoffen bezüglich der Gesamtkosten keinerlei Ersparnisse erzielten, müsste dennoch im allgemeinen nationalen Interesse ihre Verwendung mit allen verfügbaren Mitteln gefördert werden; denn sie ermöglicht es, die für den Wiederaufbau unseres Wirtschaftslebens so notwendigen Kohlen für andere Zwecke frei zu machen und ohne Abhängigkeit von Auslandsrohstoffen in großem Umfang Arbeitsgelegenheit zu schaffen.“

Der Gedanke und die Überzeugung muss und wird sich durchsetzen, dass die Naturbauweisen, richtig angewendet, vollwertig geeignet sind, zur Hebung der Wohnungsnot beizutragen. Wohnhäuser, wie sie in Sorau errichtet wurden, sind Erzeugnisse eines Bauhandwerks, das seinen Wert in sich hat. Daran wird keine Verrufstaktik etwas zu ändern vermögen.

Aller Anfang ist schwer. Siedler im Unterstand während des Wohnungsbaus.
Ein oberschlesischer Flüchtling beim Dreschen vor einem eilig errichteten Notbau.
Das Mischen und Stampfen von Lehmquadern.
Ein Lehmquader fertig zum Versetzen.
Herstellung von Lehmsteinen für die Innenwände,
* Fauth, W.: Das Lehmschindeldach. Sorau 1920.
Auf einem Backsteinfundament wird der Lehm zwischen Schalungen eingestampft.
Vor dem Bau wird die aus dem Boden gegrabene Erde gemischt.
Ein Teil der gestampften Mauer auf dem Steinfundament.
Die Richtbohlenschalung wird zum Weiterstampfen aufgesetzt.
Errichten von Mauerwänden in Lehmquadern auf einem Backsteinfundament.
Teil der Mauer mit Schutzvorrichtungen gegen Regen.
Fertige Lehmschindel; die innere Lehmschicht macht das Dach feuersicher, die Strohschicht schützt es vor den Regenwirkungen.
Herstellung von Lehmschindeln, mit denen das Dachgerüst eingedeckt wird. Der Lehm wird sorgfältig mit dem Stroh verbunden.
Naturbauweise, Fertige Lehmbauten in Sorau, Vorder- und Seitenansicht

Naturbauweise, Fertige Lehmbauten in Sorau, Vorder- und Seitenansicht

Naturbauweise, fertige Lehmschindel, die innere Lehmschicht macht das Dach feuersicher, die Strohschicht schützt es vor den Regenwirkungen

Naturbauweise, fertige Lehmschindel, die innere Lehmschicht macht das Dach feuersicher, die Strohschicht schützt es vor den Regenwirkungen

Naturbauweise, Fertige Siedlungsbauten mit anstoßendem Wirtschaftsgebäude

Naturbauweise, Fertige Siedlungsbauten mit anstoßendem Wirtschaftsgebäude

Naturbauweise, Herstellung von Lehmschindeln, mit denen das Dachgerüst eingedeckt wird, Der Lehm wird sorgfältig mit dem Stroh verbunden

Naturbauweise, Herstellung von Lehmschindeln, mit denen das Dachgerüst eingedeckt wird, Der Lehm wird sorgfältig mit dem Stroh verbunden

Naturbauweise, Herstellung von Lehmsteinen für die Innenwände

Naturbauweise, Herstellung von Lehmsteinen für die Innenwände

alle Kapitel sehen