Das Sonderkommando
In einem besonders abgeschlossenen Lager des Lagers Birkenau, nicht weit von den Krematorien, war das sogenannte Sonderkommando untergebracht. Das waren die Häftlinge, die die Arbeit an den Vergasungsstätten und Krematorien durchzuführen hatten.
Selbstverständlich war keiner unter ihnen, der etwa freiwillig in diesem furchtbaren Kommando arbeitete. So mancher von ihnen wurde bei der Arbeit wahnsinnig.
Die SS gewährte ihnen eine Reihe von Vergünstigungen gegenüber den anderen Häftlingen. Einige Häftlinge des Sonderkommandos waren auf Grund dieser Besserstellungen in einer moralisch eigenartigen Verfassung. Auch hier hatten wir Kameraden, die mit unserer Widerstandsbewegung verbunden waren. Sie standen buchstäblich jeden Tag vor Leichenbergen und mussten gegen den Sumpf unter den Häftlingen ankämpfen.
Mit diesen Kameraden hielten wir über die Birkenauer eine indirekte Verbindung. Wir schlugen ihnen vor, mit den ankommenden Vergasungstransporten gemeinsame Sache zu machen, aber unseren Kameraden gelang es nicht, die übrigen Häftlinge dazu zu bewegen. Ja, als einmal bei einem Transport die Todeskandidaten merkten, was ihrer harrte und sich zum Teil zur Wehr setzten, rührte sich niemand vom Sonderkommando, um mit ihnen gemeinsam gegen die SS vorzugehen. Es war klar, jedes Sonderkommandomitglied war selbst ein Todeskandidat. Vom Sonderkommando wurde niemand an eine andere Arbeitsstelle versetzt. Von Zeit zu Zeit wurden kurzerhand einige von denen, die besonders lange im Kommando waren, gegriffen und selbst vergast. Es gab auch Fälle, in denen ein hoher Prozentsatz des Kommandos gleichzeitig vergast wurde. Auf diese Art versuchte sich die SS der Mitwisser ihrer Massenmorde zu entledigen. Im Sommer 1944 war das Kommando auf fast 1.200 Mann angewachsen, die die sogenannte „Aktion Hoeß" durchführten. Es handelte sich um die Vergasung von dreiviertel Millionen ungarischer Juden in kurzer Zeit, von denen nur 80.000 der kräftigsten ins Lager kamen oder zu Arbeiten in die verschiedensten Teile Deutschlands geschickt wurden. An diesen Tagen reichten die Öfen der Krematorien nicht aus, riesige Gruben wurden ausgehoben und in ihnen große Scheiterhaufen errichtet, in denen man zu Tausenden Leichen aufeinandergeschichtet verbrannte.
Als diese Aktion vorüber war, wurden zum erstenmal etwa 160 Häftlinge des Sonderkommandos auf Transport geschickt. Man sagte ihnen, es geht nach dem KZ Groß-Roosen, in dem sie das neue Sonderkommando darstellen sollen.
In Wirklichkeit kamen sie nach hier und wurden in einer Entwesungskammer weit vor dem Lager, aber innerhalb der großen Postenkette, vergast.
Wir sorgten dafür, dass unsere Freunde im Sonderkommando von dieser Tatsache erfuhren und schlugen ihnen, die sowieso zum Tode verurteilt waren, vor, sofort mit einem bewaffneten Akt loszuschlagen und auszubrechen. Gleichzeitig warnten wir unsere übrigen Kameraden in Birkenau davor, sich daran zu beteiligen, denn was für die einen die einzige Lebenswahrscheinlichkeit war, musste für die anderen Selbstmord bedeuten.
In monatelanger Vorbereitung hatten die Kameraden vom Sonderkommando sich Waffen beschafft, sogar einige Maschinenpistolen waren neben anderen Schusswaffen vorhanden, ebenfalls selbstverfertigte Handgranaten (zu denen z. T. die Frauen aus dem Betrieb Union das Pulver lieferten).
Eines Tages verbreitete sich im Sonderkommando die Nachricht, es sei wieder eine große Teilvergasung aus ihrer Mitte geplant. Der illegale Kopf trat im Krematorium 3 zusammen, um zur Lage Stellung zu nehmen. Da kam der Oberkapo, ein deutscher krimineller Bandit, dazu und drohte mit Anzeige des Gesehenen bei der SS. Nach einem Wortwechsel griffen sie den Banditen kurzerhand und warfen ihn in die Flammen. Nun gab es kein Zurück mehr. Das Krematorium wurde in Brand gesteckt, die Waffen aus den Verstecken geholt und in wenigen Minuten raste der Aufstand von 600 Häftlingen.
Kaum eine Viertelstunde dauerte es und die Postenkette war durchbrochen, einige Posten waren tot, die anderen geflohen. Der Rapportführer glaubte schon, das ganze Lager befinde sich im Aufstand und brachte daher als erstes seine Familie in Sicherheit. Andere SS-Leute griffen zu ihren, den Vergasten abgenommenen Gold- und Wertsachen und wollten damit das Weite suchen. Eine heillose Verwirrung herrschte im ganzen Lager. In dieser Atmosphäre gelang es den Aufständischen, bis in den Raum von Budi durchzustoßen (etwa 6 Kilometer vom Lager entfernt); hier erst wurden sie von größeren SS-Verbänden gestellt und nach einem Kampf, bis auf wenige, die entkamen, vernichtet. Das Sonderkommando war überwiegend aus Juden und Russen zusammengesetzt. Atemlos hat das ganze Lager den Kampf verfolgt. Das mutige Sterben der Kämpfer vom Sonderkommando trug — abgesehen von seiner symbolischen Bedeutung — mit dazu bei, dass die Zusammenarbeit zwischen den Nationalitäten vertrauensvoller wurde; war doch hier ein Beispiel gegeben, dass Juden kämpfen können. Viele Polen und Deutsche hatten bisher geglaubt, dass Juden nicht kämpfen können. Die Häftlinge des Sonderkommandos belehrten sie eines Besseren. Sie sind mit der Waffe in der Hand gefallen und haben sich nicht vergasen lassen. Auch das Selbstgefühl der Juden im Lager wurde durch diese Tatsache stark gehoben. So wurde das Blutopfer des Sonderkommandos ein starkes Band, das die internationale Lagersolidarität festigte.
Selbstverständlich war keiner unter ihnen, der etwa freiwillig in diesem furchtbaren Kommando arbeitete. So mancher von ihnen wurde bei der Arbeit wahnsinnig.
Die SS gewährte ihnen eine Reihe von Vergünstigungen gegenüber den anderen Häftlingen. Einige Häftlinge des Sonderkommandos waren auf Grund dieser Besserstellungen in einer moralisch eigenartigen Verfassung. Auch hier hatten wir Kameraden, die mit unserer Widerstandsbewegung verbunden waren. Sie standen buchstäblich jeden Tag vor Leichenbergen und mussten gegen den Sumpf unter den Häftlingen ankämpfen.
Mit diesen Kameraden hielten wir über die Birkenauer eine indirekte Verbindung. Wir schlugen ihnen vor, mit den ankommenden Vergasungstransporten gemeinsame Sache zu machen, aber unseren Kameraden gelang es nicht, die übrigen Häftlinge dazu zu bewegen. Ja, als einmal bei einem Transport die Todeskandidaten merkten, was ihrer harrte und sich zum Teil zur Wehr setzten, rührte sich niemand vom Sonderkommando, um mit ihnen gemeinsam gegen die SS vorzugehen. Es war klar, jedes Sonderkommandomitglied war selbst ein Todeskandidat. Vom Sonderkommando wurde niemand an eine andere Arbeitsstelle versetzt. Von Zeit zu Zeit wurden kurzerhand einige von denen, die besonders lange im Kommando waren, gegriffen und selbst vergast. Es gab auch Fälle, in denen ein hoher Prozentsatz des Kommandos gleichzeitig vergast wurde. Auf diese Art versuchte sich die SS der Mitwisser ihrer Massenmorde zu entledigen. Im Sommer 1944 war das Kommando auf fast 1.200 Mann angewachsen, die die sogenannte „Aktion Hoeß" durchführten. Es handelte sich um die Vergasung von dreiviertel Millionen ungarischer Juden in kurzer Zeit, von denen nur 80.000 der kräftigsten ins Lager kamen oder zu Arbeiten in die verschiedensten Teile Deutschlands geschickt wurden. An diesen Tagen reichten die Öfen der Krematorien nicht aus, riesige Gruben wurden ausgehoben und in ihnen große Scheiterhaufen errichtet, in denen man zu Tausenden Leichen aufeinandergeschichtet verbrannte.
Als diese Aktion vorüber war, wurden zum erstenmal etwa 160 Häftlinge des Sonderkommandos auf Transport geschickt. Man sagte ihnen, es geht nach dem KZ Groß-Roosen, in dem sie das neue Sonderkommando darstellen sollen.
In Wirklichkeit kamen sie nach hier und wurden in einer Entwesungskammer weit vor dem Lager, aber innerhalb der großen Postenkette, vergast.
Wir sorgten dafür, dass unsere Freunde im Sonderkommando von dieser Tatsache erfuhren und schlugen ihnen, die sowieso zum Tode verurteilt waren, vor, sofort mit einem bewaffneten Akt loszuschlagen und auszubrechen. Gleichzeitig warnten wir unsere übrigen Kameraden in Birkenau davor, sich daran zu beteiligen, denn was für die einen die einzige Lebenswahrscheinlichkeit war, musste für die anderen Selbstmord bedeuten.
In monatelanger Vorbereitung hatten die Kameraden vom Sonderkommando sich Waffen beschafft, sogar einige Maschinenpistolen waren neben anderen Schusswaffen vorhanden, ebenfalls selbstverfertigte Handgranaten (zu denen z. T. die Frauen aus dem Betrieb Union das Pulver lieferten).
Eines Tages verbreitete sich im Sonderkommando die Nachricht, es sei wieder eine große Teilvergasung aus ihrer Mitte geplant. Der illegale Kopf trat im Krematorium 3 zusammen, um zur Lage Stellung zu nehmen. Da kam der Oberkapo, ein deutscher krimineller Bandit, dazu und drohte mit Anzeige des Gesehenen bei der SS. Nach einem Wortwechsel griffen sie den Banditen kurzerhand und warfen ihn in die Flammen. Nun gab es kein Zurück mehr. Das Krematorium wurde in Brand gesteckt, die Waffen aus den Verstecken geholt und in wenigen Minuten raste der Aufstand von 600 Häftlingen.
Kaum eine Viertelstunde dauerte es und die Postenkette war durchbrochen, einige Posten waren tot, die anderen geflohen. Der Rapportführer glaubte schon, das ganze Lager befinde sich im Aufstand und brachte daher als erstes seine Familie in Sicherheit. Andere SS-Leute griffen zu ihren, den Vergasten abgenommenen Gold- und Wertsachen und wollten damit das Weite suchen. Eine heillose Verwirrung herrschte im ganzen Lager. In dieser Atmosphäre gelang es den Aufständischen, bis in den Raum von Budi durchzustoßen (etwa 6 Kilometer vom Lager entfernt); hier erst wurden sie von größeren SS-Verbänden gestellt und nach einem Kampf, bis auf wenige, die entkamen, vernichtet. Das Sonderkommando war überwiegend aus Juden und Russen zusammengesetzt. Atemlos hat das ganze Lager den Kampf verfolgt. Das mutige Sterben der Kämpfer vom Sonderkommando trug — abgesehen von seiner symbolischen Bedeutung — mit dazu bei, dass die Zusammenarbeit zwischen den Nationalitäten vertrauensvoller wurde; war doch hier ein Beispiel gegeben, dass Juden kämpfen können. Viele Polen und Deutsche hatten bisher geglaubt, dass Juden nicht kämpfen können. Die Häftlinge des Sonderkommandos belehrten sie eines Besseren. Sie sind mit der Waffe in der Hand gefallen und haben sich nicht vergasen lassen. Auch das Selbstgefühl der Juden im Lager wurde durch diese Tatsache stark gehoben. So wurde das Blutopfer des Sonderkommandos ein starkes Band, das die internationale Lagersolidarität festigte.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Widerstand in Auschwitz