Das deutsche Bankwesen. 1857

Von Wagner, Adolph Prof. Dr. (1835-1917) deutscher Ökonom und Finanzwirtschaftler.

„Vor allem sollte die Berliner Konferenz aber für gehörige Öffentlichkeit und Durchsichtigkeit in allen Angelegenheiten der Banken sorgen, um hierdurch dem Publikum Gelegenheit zu einer Kontrolle zu bieten, welche es besser als jede Aufsichtsbehörde des Staates ausüben wird. Die regelmäßige Publikation wenigstens all monatlicher Status, welche den meisten preußischen und kleindeutschen Banken schon befohlen ist, ist dazu das erste Erfordernis. Wenn auf die beschriebene Art Gleichmäßigkeit der Statuten aller Banken erreicht worden ist — tatsächlich sind die Grundsätze der Verwaltung bei allen schon ziemlich dieselben, — so ist kein Grund einzusehen, weshalb die Noten aller Banken nicht untereinander angenommen werden sollten, woraus sich dann ein so treffliches Austauschsystem bei unseren jetzigen leichten Kommunikationen ausbilden könnte, wie es wesentlich zur Begründung der Solidität der schottischen Banken mit beigetragen hat. Auch wäre dann die Annahme aller Noten bei den Staatskassen der verschiedenen Länder ohne Bedenken, so dass wir ein höchst bequemes Umlaufsmittel für den größten Teil von Deutschland erhielten. Hoffen wir, dass auf dem Wege der Vereinbarung in Berlin wieder Manches gut gemacht werde, wenigstens soweit dies möglich ist, da das Deutsche Bankwesen durch eine unrichtige Bankpolitik von dort aus mit Gewalt in falsche Bahnen getrieben worden ist.“



Der gemeinsame Name Banken bezeichnet eine Reihe von Anstalten, welche nach Wesen, Zweck und Einrichtung sehr verschieden sind, weil sie verschiedenen wirtschaftlichen Bedürfnissen ihre Entstehung verdanken. Der Hauptsache nach gibt es viererlei. Nämlich erstens Banken, welche zur Aufbewahrung und mitunter zur Umschreibung der bei ihnen von verschiedenen Personen hinterlegten Gelder zwischen den Contos der Deponenten dienen, im letztern Falle heißen sie Girobanken. Sodann Banken, welche aus eigenem Kapital oder aus selbst aufgenommenen Geldern Darlehen gewähren und zwar zweitens gegen Sicherheit von Wechseln oder Faustpfändern auf kurze Zeit, worin das Geschäft der Diskonto- und Lombardbanken, und drittens gegen Sicherheit von Grund und Boden auf längere Termine, worin das Geschäft der Hypothekenbanken besteht. Endlich viertens Banken, welche mit eigenen und zuweilen auch fremden Kapitalien spekulieren und auf eigene Rechnung Geschäfte machen, indem sie Effekten an- und verkaufen, sich an Gründung von Unternehmungen beteiligen u. s. w. Das ist im Wesentlichen der Geschäftskreis der Crédits-Mobiliers oder Kreditanstalten. Die deutschen Institute dieser Art haben sämtlich die bekannte französische Gesellschaft des Crédit-Mobilier in Paris zum Vorbilde, welche uns in einem folgenden Aufsätze beschäftigen soll. Gegenwärtig wollen wir einen Blick auf die Geschichte und jetzige Lage der deutschen Giro- und Diskontobanken werfen, also des eigentlichen Handelsbankwesens. Grade die jetzige Gestaltung desselben kann schwerlich ohne einen solchen historischen Rückblick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse, in welchen diese Banken errichtet wurden, und auf die Bedürfnisse, welche sie befriedigen sollten, verstanden werden.

Gegen Ausgang des Mittelalters gerieten die Münzverhältnisse in ganz Europa allmählich immer mehr in eine unleidliche Verwirrung. Zwei Umstände waren daran vor Allem Schuld. Der damalige Stand der Technik gestattete nämlich noch nicht die Herstellung der einzelnen Münzstücke desselben Nominalwertes in vollkommener Gleichheit des Metallgehaltes und der äußeren Form, wodurch die Möglichkeit eines Gewinnes mittelst Beschneidung oder Einschmelzung der vollwichtigeren oder größeren Stücke entstand. Obgleich die Regierungen diese unter dem Namen des „Kippens und Wippens“ der Münzen bekannten Operationen bei schweren Strafen verboten, gaben sie doch selbst noch viel mehr Gelegenheit dazu, indem sie sich nicht scheuten, beständig im Geheimen den Münzfuß zu verschlechtern, d. h. eine immer größere Anzahl Münzstücke desselben Namens aus der dem Münzfuß zu Grunde liegenden Gewichtseinheit edlen Metalls von bestimmter Feinheit, also z. B. aus der Kölner Mark fein Silber zu schlagen. Geschah dies schon in England, wie vielmehr in den übrigen europäischen Staaten und namentlich in Deutschland, wo allmählich fast jeder Reichsstand vom Kaiser die Ausübung des Münzregals erworben und daraus ein möglichst einträgliches Gewerbe zu machen suchte. Die Stände wetteiferten daher förmlich in der Herabsetzung des Münzfußes, besonders der Scheidemünze, bei deren Ausprägung der größte Vorteil war und bei der sie hoffen konnten, die Verschlechterung länger verborgen zu halten. Indessen war dies doch immer nur auf kurze Zeit möglich und erleichterte zugleich die Herausziehung und Beschneidung der besseren älteren Münzen noch mehr. Auf diese Weise verschlechterte sich dann die durchschnittlich im Umlaufe befindliche Münze bald so sehr, dass man offen den Münzfuß herabsehen musste, wie man es bisher schon im Geheimen getan. In den Ländern an der Elbmündung war z. B. im Jahre 1226 der Schilling der vierunddreißigste, 1451 der hundertundsechzigste, 1546 nur noch der zweihundertundsiebzigste Teil einer Mark f. S.

Bevor der Handel sich in größerem Umfange entwickelte und durch die Ausbildung des Kredit- und Wechselwesens eine ganz neue Gestalt annahm, war dieser Zustand immer noch zu ertragen. Er wurde unleidlich mit der Umwälzung der Handelsverhältnisse gegen Ende des sechzehnten Jahrhunderts. Wie konnte der Wert einer in der Zukunft zu leistenden Geldzahlung, z. B. eines in drei Monaten fälligen Wechsels berechnet werden, wenn das Preismaß, das Geld, so stark schwankte? In großen Handelsplätzen, wo das Übel am meisten gefühlt wurde, trieb daher das dringendste Bedürfnis zuerst zu zweckmäßigen Einrichtungen der Abhilfe, wie sie Plätze wie Venedig, Genua, Barcelona schon im Mittelalter trafen. Im Norden gebührt dieser Ruhm zuerst Amsterdam und Hamburg. Dass der Handel dieser beiden Städte, welcher namentlich seit dem Falle Antwerpens einen gewaltigen Aufschwung nahm, der Verbesserung des Münzwesens ganz besonders bedurfte, wird Jeder begreiflich finden, der weiß, dass der Metallgehalt des holländischen Guldens von 1542 bis 1608 um achtundvierzig und des Schillings in Hamburg um sechzig Prozent in den zwölf Jahren von 1609 bis 1621 reduziert wurde. Die Amsterdamer Kaufleute kamen daher auf das Aushilfsmittel, die noch kursierenden vollwichtigsten Gulden aus der Zirkulation zu ziehen, sie bei gemeinsamen Kassieren zu deponieren und mittelst Anweisungen aus ihre Guthaben ihre Zahlungen zu machen. Diese Methode wurde alsdann im Jahre 1609 bei der Gründung der Amsterdamer Wechselbank zu Grunde gelegt und nach deren Muster zehn Jahre später die berühmte, noch jetzt bestehende Hamburger Girobank errichtet. Alle größeren Wechsel wurden bei Strafe bei der Bank zahlbar gemacht, jeder Kaufmann nahm ein Folium und mittelst Ab- und Zuschreibens vom Folium des Einen auf das des Andern wurden alle Zahlungen bewerkstelligt. Das der Verschlechterung ausgesetzte kleine Geld, wie Schillinge, Sechslinge, durfte nur bis zum Betrage von fünf Prozent der eingebrachten Summe an der Bank angenommen werden, deren eigentliche Münze der Speciesthaler, 1 = 3 Mark, war und bis zum Jahre 1770 blieb, wo man die Kölner Mark f. S. als Währung der Bank festsetzte und bei der Einbringung zu 27 Mark 10 Schilling annahm. Erst indem so die Münze völlig verlassen war, hatte man ein ganz stabiles Preismaß gewonnen. Abgesehen von diesem letzteren Vorteile, welchem Amsterdam wie Hamburg einen guten Teil ihrer großartigen Wechselgeschäfte verdanken, liegt der wirtschaftliche Nutzen der Girobanken in der sichern Aufbewahrung der kaufmännischen Kassenbestände und der bequemen Zahlungsart. Dieser Vorteil fühlte schon frühzeitig vieler Orten die Kaufleute dazu, gemeinsam ihr bares Geld bei bestimmten Personen zu hinterlegen, welche für die Aufbewahrung wohl eine Gebühr bezogen. Mitunter entwickelte sich dann hieraus ebenfalls die Sitte, mit Anweisungen auf diese Depositare und durch bloßes Umschreiben in ihren Büchern die Zahlungen auszuführen. Mit diesem Geschäfte wurden wohl die Goldschmiede, wie im siebzehnten Jahrhundert in London, oder auch die Geldwechsler betraut, die letzteren finden wir schon im hohen Altertum, und in den großen deutschen Verkehrszentren, wo im Handel und Wandel viele fremde Münzen zusammenströmten, deren Auswechslung oder Metallwertschätzung notwendig war, wurden schon im frühen Mittelalter Geldwechsler obrigkeitlich installiert. Ähnliche Bedürfnisse wie in Hamburg führten übrigens schon im Jahre 1621 zur Gründung einer förmlichen Girobank in Nürnberg, und auch die Wiener Stadtbank und die Berliner königliche Bank sollten mit als Girobanken dienen, sowie auch die meisten neueren Banken das Umschreibegeschäft betreiben.

Ganz andre Bedürfnisse wie die bisher erörterten führten zur Entstehung des modernen Handelsbankwesens. Man muss den Organismus der Güterproduktion und des Handels der Neuzeit kennen, um die Notwendigkeit der Diskonto- und Lombardbanken richtig zu würdigen, wozu folgendes Beispiel dienen möge. Angenommen ein sächsischer Fabrikant verfertige Tuch für den nordamerikanischen Markt, das er zu diesem Behufe an ein Leipziger Haus absetzt. Dies sendet das Fabrikat an einen Hamburger Exporteur und der letzterer beauftragt ein New Yorker Importhaus mit dem Verkaufe. Hier wird das Tuch an einen Detaillisten abgesetzt und erst durch dessen Hände geht es in den Konsum über. Der Fabrikant kann die Zahlung des Preises nicht sofort von dem Leipziger Kaufmanne erhalten, noch dieser vom Hamburger, denn der letztere muss erst die amerikanischen Rimessen empfangen haben, und auch der Kaufmann in New York muss dem Detaillisten eine Zahlungsfrist gewähren, bis derselbe von seinen Kunden das Tuch bar bezahlt erhalten hat. Erst dann könnte also jeder der früheren Verkäufer oder Absender und somit zuletzt von Allen erst der Fabrikant bezahlt werden. Dieser müsste also bis dahin seine weitere Fabrikation unterbrechen, könnte daher dem Wollhändler keine neue Wolle, noch dieser dem Schäfereibesitzer abkaufen, so dass auch hier eine Stockung in der Wollproduktion entstände. Denken wir uns diesen Vorgang bei tausend Waren beliebig wiederholt, so liegt alsbald die höchst störende Unterbrechung der Güterproduktion und des Handels klar vor Augen. Das Bedürfnis, bestand daher hier darin, sofort nach Ablieferung der Waaren den Preis bar bezahlt zu bekommen. Auf folgende Weise wurde es befriedigt. Jeder Käufer in der betrachteten Reibenfolge akzeptierte einen von seinem Verkäufer für den Betrag des Preises auf ihn gezogenen Wechsel von so und soviel Monat Verfallzeit, wodurch er also bare Bezahlung nach Verkauf einer angemessenen Frist versprach, während deren er glaubte, die Ware seinerseits abgesetzt und selbst Bezahlung erhalten zu haben. Ein solcher Wechsel war mittelst Indossaments übertragbar, und fand sich nun ein Besitzer baren Geldes, welcher ihn kaufen mochte, so war das Bedürfnis des Ausstellers, die Zahlung sofort zu erhalten, befriedigt. Da der Wert des Wechsels, die Solidität des Akzeptanten und des Trassanten vorausgesetzt, um den Diskonto geringer war, als eine gleiche Summe baren Geldes, so musste natürlich der Wechsel um den Betrag des Diskonto für die Zeit, welche er noch zu laufen hatte, billiger abgegeben werden. Nun fanden sich wohl besonders in Handelsplätzen Personen, welche grade Geld müßig liegen hatten, dessen sie erst in einiger Zeit bedurften, mittelst Ankauf oder „Diskontierung“ eines Wechsels konnten sie dabei auch für diesen Zeitraum einen Zins genießen. Indessen mit der zum ungestörten Fortgange von Industrie und Handel notwendigen Regelmäßigkeit war doch hierauf nicht zu rechnen, vielmehr bedurfte es dazu besonderer Anstalten, welche ein für allemal das Wechseldiskontieren zu ihrem stehenden Geschäfte machten. Grade hier lag aber die Schwierigkeit, denn wer sein Geld regelmäßig zum Diskontieren benutzte, verlangte natürlich den üblichen Profit aus Handelsgeschäften zu ziehen, den hohen Diskonto, welchen er aber dann hätte abziehen müssen, konnte der Fabrikant oder Kaufmann doch nickt bezahlen, da hierdurch sein Vorteil, sofort wieder in Besitz seines baren Kapitals zu gelangen, ganz verschwunden wäre.

Das Aushilfsmittel fand sich in einer Änderung, welche mit dem oben erwähnten Geschäfte der Gelddepositare vor sich ging. Diese mussten bald wahrnehmen, dass immer ein größerer oder geringerer Saldo bei ihnen stehen bleibe, und dass regelmäßig zu gewissen Zeiten mehr Geld bei ihnen liege, wie zu andern, denn auch wenn jeder Deponent zeitweilig einmal sein Geld ganz herauszog, nie taten dies doch Alle gleichzeitig. Unbeschadet aller Ansprüche an sie hätten sie dabei diesen Saldo oder einen größeren Teil der Gelder auf kurze Zeit, bis sie der Depositen wieder bedurften, gegen gute Sicherheit ausleihen können, wenn dies nicht eine Verletzung ihres Kontrakts gewesen wäre. Da bildete sich nun der Vertrag zu Aller Vorteil in der Art um, dass die Depositare gegen Aufgabe der bisher bezogenen Gebühren die Erlaubnis erlangten, die Gelder zum Teil ausleihen zu dürfen, wenn sie nur nach wie vor die Depositen auf Verlangen auszahlten, mit andern Worten es wurde aus dem Depositum ein stets fälliges Darlehen und aus dem bisherigen Depositar ein Bankier. Auf länger oder mit Kündigungsfrist hinterlegte Gelder wurde später auch eine Verzinsung gewählt, wodurch natürlich der Reiz, alles müßig liegende Geld in die Bank zu tragen, erhöht ward. Der geschilderte Vorgang ist in England um das Jahr 1645 nachzuweisen. Schon früh bildete sich die Sitte aus, für die Guthaben bei einem Depositar oder selbst bei einer Girobank, wie z. B. der Amsterdamer, sich Schuldscheine ausstellen zu lassen, welche bei genügender Solidität ein bequemes Umlaufsmittel an der Stelle von Geld wurden, wenn sie auf den Inhaber lauteten. So entstanden Banknoten, welche also zuerst ebenfalls Schuldscheine für eine bestimmte, bei der Bank stets liegende Summe Geldes waren, aber mit der Umgestaltung des Deposits zum Darlehen ihren modernen Charakter trockner auf den Inhaber gestellter Sichtwechsel oder stets fälliger Zahlungsversprechen annahmen. Auch hier lehrte die Erfahrung, dass ein kleinerer Barvorrat zur Einlösung der bei der Bank einlaufenden Noten genügt, mit Benutzung derselben begann sich dabei eine besondere Notenemission als selbständiger Geschäftszweig neben dem Depositengeschäft auszubilden. Um stets alle ihre Gläubiger auf deren Verlangen befriedigen zu können, musste die Bank einen genügenden Barfonds halten, dessen Größe natürlich nur von ihr selbst nach ihren Erfahrungen bestimmt werden konnte. Um ganz sicher zu gehen, musste sie aber auch den übrigen Teil ihrer Depositen und Noten so anlegen, dass sie sofort oder nach ganz kurzer Zeit wieder im Besitze ihrer Ausstände sein konnte, und dies war eben nur möglich bei so sicheren Darlehen, wie der Wechsel-Diskontierung für den Handels- und Gewerbestand oder bei kurzen Vorschüssen aus Waren. Diese letzteren waren nämlich ebenfalls ein dringendes Bedürfnis der Fabrikanten und Kaufleute, indem sie dadurch in den Stand gesetzt wurden, mittelst Verpfändung ihrer Waren das ihnen vielleicht grade sehr notwendige bare Geld zu erlangen, ohne zu ruinösen Preisen oder in sehr ungünstigen Momenten verkaufen zu müssen. Indem ein Kapitalist jetzt mittelst Empfang von Depositen und Ausgabe von Noten sein Kapital vermehrte, konnte er auch bei einem niedrigen Diskontosatze den üblichen Gewinn für sein Geld erzielen.

Hätte man in den Banken immer das gesehen, was sie sind, notwendige Glieder im wirtschaftlichen Organismus der Gegenwart, und sie sich dem gemäß frei entwickeln lassen, so würde mit der Umgestaltung der altern Gewerbe- und Handelsverhältnisse und mit der Ausdehnung besonders des Fabrikwesens das Bedürfnis nach Banken fühlbar geworden und namentlich in den großen Zentren des Handels und der Gewerbe würden sie entstanden und organisch mit der Volkswirtschaft verwachsen sein. Vermutlich würden sie sich aus den Gelbwechsel - und den reinen Depositengeschäften heraus gebildet haben, so dass sie naturgemäß immer in den Depositen das wichtigste Mittel zur Geschäftsbetreibung gesehen hätten. Davon wäre die gute Folge die gewesen, dass der Gebrauch der Banknoten sich organisch aus dem Depositengeschäft entwickelt hätte und nur zur bequemeren Führung desselben üblich, mithin nie Hauptsache geworden wäre. Genügten die Privatetablissements nicht mehr, so würden mit der Ausbildung des Assoziationswesens überhaupt die Beteiligten, d. h. die Handels- und Gewerbetreibenden, welche der regelmäßigen Diskontierung und Vorschüsse bedurft hätten, ein Kapital zusammengeschossen, eine Gesellschaft gebildet haben, welche mit den Depositen ihrer Partner und den Noten, welche diese angenommen hätten, die notwendigen Darlehen gemacht haben würde. An die beschränkte Haftbarkeit für den Einschuss allein, wie jetzt bei den durch Privilegien errichteten Banken, wäre dann gar nicht zu denken gewesen, wodurch wiederum die Geschäftsführung vorsichtiger, das Bankwesen solider geworden wäre. Einer solchen freien Entwicklung hat sich aber das letztere nirgends anders als in Schottland zu erfreuen gehabt. Bis zur Peel'schen Gesetzgebung vom Jahre 1845 hat hier keinerlei staatliche Einmischung Statt gefunden, ganz dem Bedürfnis entsprechend konnten sich Depositen- und Zettelbanken bilden, und doch hat sich von all' den ausposaunten Übeln der Bankfreiheit hier nichts gezeigt.

Statt dessen hat die Regierungspolitik in den Banken von vornherein etwas Fremdartiges gesehen. Die Blüte von Handelsstädten, wie Venedig, Genua, Amsterdam, Hamburg wurde, indem man die Wirkung für die Ursache nahm, ihren Banken allein zugeschrieben. Deshalb versuchte man mittelst Errichtung von Banken die eigenen Länder ebenfalls zu Wohlstand und Macht zu erheben, ehe noch irgend ein reelles Bedürfnis nach dergleichen Anstalten existierte. Das System der Staats- oder Nationalbanken bildete sich, indem jeder Staat eine Bank besitzen wollte, die „den Geldumlauf fördern,“ „Handel und Gewerbe unterstützen und beleben“ sollte. Um das Institut mächtig genug hinzustellen, stattete man es mit allen möglichen Privilegien und Monopolen aus und wunderte sich, wenn nun der Wohlstand nicht alsbald aufs Kommando erschien. Das ganze Geldwesen des Landes sollte von der Bank reguliert, alle Geldgeschäfte auf sie konzentriert weiden. Besonders wurde das Augenmerk auf die Notenemission gelenkt, denn da ein bedeutender Handel und Verkehr noch nicht vorhanden war, der Depositen hätte liefern können, so konnte nur hierdurch die Bank sich in den Besitz von Fonds setzen. Sie bekam ein „ausschließliches Privileg“ auf Notenausgabe. Die unglückselige Folge hiervon war, dass auf die Creation von Zetteln immer das Hauptgewicht gelegt, darin eigentlich die einzige Möglichkeit, Bankgeschäfte zu betreiben, gesehen wurde, eine Ansicht, die leider jetzt noch vielfach die herrschende ist und viel zu dem üblen Zustande des Bankwesens beigetragen hat. Diese Staatsbanken waren zudem in so enger Verbindung mit den Regierungen, dass sie notwendig in kritischen Zeiten ganz in deren Gewalt gerieten und durch große Vorschüsse an sie zu Grunde gingen. Sobald dann aber Handel und Gewerbe sich wirklich ausdehnten und nun ein Verlangen nach Diskonto- und Lombardbanken entstand, so hinderten die der Staatsbank verliehenen Privilegien die Ausbildung eines vernünftigen Bankwesens im Lande, man mochte davon nichts aufheben, legte höchstens der Bank die Verpflichtung auf, dem Bedürfnis nach Kredit durch Errichtung von Filialen und Agenturen an den einzelnen Plätzen nachzukommen, und konnte doch dadurch das gerechte Verlangen nie befriedigen.

Dieser Abriss der Bankgeschichte passt auf die meisten Länder der modernen Zivilisation, er passt namentlich auch auf Deutschland. Nirgends eine naturgemäße Entwicklung, Alles in falsche Bahnen getrieben, und daher gegenwärtig ein höchst unerquicklicher Zustand. Der aufgeklärte Despotismus des vorigen Jahrhunderts sah in den Banken Volksbeglückungsanstalten, die dem Handels- und Gewerbewesen des Landes „appliziert“ weiden müssten. So hatte gleich die erste deutsche Bank, die Wiener Stadtbank vom Jahre 1705, der unklaren Idee von der wunderbaren Wirkung der Banken auf den Wohlstand des Landes ihre Entstehung zu verdanken. Sie ging nach Wechselvollem Geschicke in den napoleonischen Kriegen mit Zurücklassung einer endlosen Menge ganz entwerteten Papiergelds, das sie dem Staate hatte vorschießen müssen, zu Grunde. Ihre Nachfolgerin, die österreichische Nationalbank, ging ebenfalls nicht aus einem Bedürfnisse des Handels hervor, sondern wurde zu dem Zwecke, mit ihrer Hilfe in das Papiergeldwesen Ordnung zu bringen, im Jahre 1819 gegründet. Zu diesem Behufe blieb ihr das ausschließliche Privileg der Notenausgabe in der ganzen Monarchie, sonst trieb sie die regelmäßigen Diskontogeschäfte u. s. w. und wurde durch die enge Verbindung mit der Regierung und die großen Vorschüsse, welche sie ihr gewähren musste, im Jahre 1848 zur Suspension ihrer Barzahlungen genötigt, ein Zustand, in welchem sie sich bekanntlich noch heutigen Tages befindet. Ähnliche Hoffnungen auf die Zauberkraft der Banken scheinen Friedrich den Großen im Jahre 1765 zu Gründung der Königlichen Bank zu Berlin bewogen zu haben, um den Wohlstand seines durch den Krieg gänzlich erschöpften Landes wieder zu heben. Mit dieser Bank waren auch Diskontokassen verbunden. Der König gab ihr ein Betriebskapital von acht Mill. Thalern und verschaffte ihr weitere Fonds durch zwangsweise Zuweisung der Depositen von Gerichten, Pupillen, Kirchen u. s. w., welche sie zu 2 1/2, und 3 % verzinsen musste. Von der gleichfalls gestatteten Banknotenausgabe scheint nur ein beschränkter Gebrauch gemacht worden zu sein. Um ihre Gelder nur platzieren zu können, begann die Bank bald gegen Hypothek auszuleihen, ein Beweis für das geringe Kreditbedürfnis des Gewerbe- und Handelsstandes. Die Verbindung mit der Regierung führte in den französischen Kriegen ebenfalls dahin, dass die Bank ihren Verbindlichkeiten gegen ihre Deponenten nicht nachkommen konnte.

Am Frühsten würden wir offenbar die Entstehung von Banken in den deutschen Seestädten erwarten. In der Tat tauchte in Hamburg ein ernstliches Projekt zu einer mit der Bank zu verbindenden Diskontokasse bereits im Jahre 1755 auf, ohne dass es damals, noch bei verschiedenen spätem Gelegenheiten, wo eine momentane drückende Höhe des Diskonto ähnliche Pläne hervorrief, zur Verwirklichung gekommen wäre. Nur für ein vorübergehendes Bedürfnis wurden wohl auf kurze Zeit Diskonto- und Warenvorschusskassen errichtet, wie in den schweren Handelskrisen von 1763 und 1799 und im Jahre 1848, Die besonderen Verhältnisse des Geschäftsbetriebs der ersten deutschen und kontinentalen See- und Handelsstadt, wo immer viele Kapitalien zeitweilig von Privatdiskonteurs zum Wechseldiskontieren verwendet werden, aber auch der solide, in kommerziellen Dingen merkwürdig zäh am Alten und Hergebrachten bangende Geist eines Hamburger „Ehrbaren Kaufmanns“ erklären es daher, dass erst im vorigen Jahre, also 101 Jahre nach dem ersten Vorschlage, Diskontobanken und zwar zwei auf einmal entstanden. In Bremen und Lübeck ward bei dem nach den Kriegen herrschenden Misstrauen der Geldbesitzer das Bedürfnis nach Banken lebhaft gefühlt, es entstanden daher dort 1817, hier 1819 Diskontokassen auf Aktien, welche im vorigen Jahre zu großem Zettel- und Depositenbanken umgewandelt wurden. Auch in Stettin durfte 1824 eine Zettelbank, die verzinsliche Depositen annahm, errichtet werden. Die in München 1834 gegründete Bank lieh hauptsächlich auf Hypothek aus, obgleich sie ebenfalls Noten emittierte. Sonst befriedigte die Königliche Bank mit ihren Comptoirs das Kreditbedürfnis des Publikums und auch die preuß. Seehandlungssozietät machte Wechselgeschäfte.

Mit der Gründung des Zollvereins, welcher der deutschen Industrie das ihr Notwendigste, einen großen heimischen Absatzmarkt, gab, beginnt eine neue Ära der wirtschaftlichen Entwicklung unsers Vaterlandes. Dass daher mit dem raschen Aufschwung von Fabrikwesen und Handel sich das Verlangen nach Diskontobanken bald einstellte, werden wir nach dem Bisherigen begreiflich finden. Durch die Gründung der Leipziger Bank suchte Sachsen im Jahre 1839 das Bedürfnis seines Handelsstandes zu befriedigen. In Preußen gab man der Agitation um Bankkonzessionen, dem lebhaften Ausdruck eines vermehrten Kreditbedürfnisses, nur insoweit nach, als eine Umgestaltung und Erweiterung der Berliner Bank zu einer unter dem Namen Preußische Bank mit zehn Millionen Thalern Kapital sich bildenden Aktiengesellschaft im Jahre 1846 vorgenommen wurde, bei der der Staat mit einem Einschuss von Anfangs 1,2 Mill. beteiligt blieb, wofür er den Löwenanteil am Gewinne erhielt. Diese Anstalt durfte für 21 Mill. ThIr. Noten ausgeben und hatte das Monopol der Annahme verzinslicher Depositen. Die Vermehrung ihrer Provinzialkomptoirs sollte alle gerechtfertigte Anforderungen an die Bank befriedigen. Bald darauf entstand, als erster Ausdruck einer Reaktion gegen die preußische Bankpolitik dicht an der Grenze die Dessauische Landesbank. Erst im Jahre 1848 verstand sich Preußen zu weiteren Zugeständnissen und erließ, nachdem schon im Juni eine städtische Bank zu Breslau mit den Befugnissen der Stettiner genehmigt worden, unter dem Namen von „Normativbedingungen“ eine Reihe von Vorschriften, welche bei der Gründung von Privatbanken maßgebend sein sollten. Ob in einem Landesteil ein Bedürfnis nach einer solchen Bank vorhanden, das behielt sich die Regierung nach ihrem Ermessen zu entscheiden vor. Das Stammkapital einer jeden sollte höchstens eine Million Thaler betragen und nur bis zum Belaufe desselben sollte die Zettelausgabe gestattet werden, da aber der Gesamtbetrag der von allen diesen Banken auszugebenden Noten sieben Millionen nicht übersteigen sollte, so konnten überhaupt nur höchstens sieben Banken mit je einer Million Noten entstehen. Und doch war die Zettelausgabe diesen Banken zur Geschäftsführung durchaus notwendig, weil ihnen die Annahme verzinslicher Depositen und selbst die Verbriefung unverzinslicher zu Gunsten der Preußischen Bank untersagt, mithin die einzige Möglichkeit, sich die notwendigen Fonds sonst zu verschaffen, entzogen wurde. Indessen trotzdem der Handelsstand verschiedener preußischer Städte alle die vorgeschriebenen Bedingungen erfüllte, scheint die Regierung das Vorhandensein eines reellen Bedürfnisses nicht anerkannt zu haben, denn bis Ende des Jahres 1855 wurde nur eine Bank auf Grund der Normativbedingungen genehmigt, der 1850 gegründete Berliner Kassenverein, dem es nur bei den besonderen Verhältnissen Berlins möglich war, eine bedeutende Summe unverzinslicher Gelder an sich zu ziehen, welchen er seine gute Rentabilität verdankt. Die Bitten um Konzessionen für Privatbanken bilden in den Jahren 1850—1858 einen stehenden Artikel in den Handelskammerberichten von Köln, Düsseldorf, Magdeburg, Stettin, Königsberg u. a. m.

Nach den Jahren 1848—49 begann wie in der ganzen zivilisierten Welt, so auch in Deutschland eine Periode eines bis dahin ungeahnten Aufschwungs von Handel und Gewerben. Übersättigung und Unlust an der Politik trieb die Gemüter gewaltsam von den bisherigen Interessen ab in den Kampf der materiellen hinein, und diese Tendenz wurde durch den befruchtenden Einfluss des kalifornischen und australischen Goldes noch erhöht. Grade bei uns begann zu Anfang der fünfziger Jahre die eigentliche Großindustrie sich gewaltig auszudehnen. Der deutsche Bergbau entwickelte sich in einer Weise, welche selbst Englands Erstaunen und Eifersucht erregte. Preußen wurde der nach England am meisten Kohlen fördernde Staat der Welt, seine Roheisenproduktion stieg von 2 1/4 Millionen Zentner 1849, auf 5 5/6 1855. Eine Menge großer Fabriken, zum Teil Aktienunternehmungen entstanden, besonders die lange zurückgebliebene Baumwollenspinnerei vermehrte sich rasch erheblich, wie überhaupt die Fabrikation von Spinn- und Webstoffen. Die Maschinenfabrikation wurde zu einem der wichtigsten deutschen Gewerbszweige. Der Wert der Warenausfuhr des Zollvereins, 173 Millionen Thaler 1850, stieg auf 185 Millionen 1852, 251 Millionen 1853, 334 Millionen 1854, 309 Millionen 1855, wovon in den letztgenannten vier Jahren allein auf die Ausfuhr von Ganzfabrikaten ein Betrag von resp. 102, 140, 165, 143 Millionen fällt. Kurz grade die Etablissements, welche durch die ganze Art ihres Geschäftsbetriebes auf zeitweilige Unterstützung mit Kredit rechnen mussten, vermehrten sich in außerordentlicher Weise. War es deshalb ein Wunder, wenn das Verlangen nach Diskontobanken immer größer wurde? Ist es nicht klar, dass ein reelles Bedürfnis danach damals vorlag, das man gegenwärtig, wo im Trubel der auf die Überspekulation notwendig folgenden Krisis alle gute Folgen der Spekulation beharrlich ignoriert werden, doch unmöglich wegleugnen kann? Und war es nicht sehr natürlich, dass solche Banken, denen Preußen in seinen großen Provinzialstädten hartnäckig die Konzession verweigerte, im nahen zollvereinsländischen „Auslande“ errichtet wurden, die freilich ganz auf Preußen berechnet waren und durch Kommanditen hier Geschäfte machten? Von solchen Banken war die erste die (kaum in diese Kategorie zu stellende) Braunschweiger und die Weimarer Zettelbank, beide vom Jahre 1853; 1854 wurde die Frankfurter Bank errichtet, deren Berechtigung wohl nirgends bezweifelt werden wird. Dazu kamen erst gegen Ende 1855 die Darmstädter und Geraer, welche indessen beide erst im Sommer und Herbst vorigen Jahres eröffnet wurden, und nach der Friedensnachricht vom Januar 1856 wurden dann einige weitere Banken errichtet, wovon vier, die zu Sondershausen. Meiningen, Luxemburg, Gotha allenfalls als rein oder hauptsächlich auf Preußen und Sachsen berechnet angesehen werden können, die andern zu Lübeck, Bremen und Hannover dagegen ein völlig eigenes Verkehrsfeld besitzen: aus dem Anfange dieses Jahres datiert ferner noch die auch auf ausländischen Geschäftsbetrieb berechnete Bückeburger Bank. Dass übrigens Preußen selbst die Irrigkeit seiner bisherigen Bankpolitik anerkannte, geht aus der Änderung derselben deutlich hervor. Gegen Ende 1855 gab es dem Drängen seiner Provinzialstädte zur Genehmigung von Privatbanken auf Grund der Normativbedingungen endlich nach, und gestattete die Errichtung einer solchen zu Köln, welcher seitdem sechs andere zu Magdeburg, Königsberg, Dortmund, Posen, Danzig und Hagen gefolgt sind. Auch erkannte das preußische Gouvernement die Ungenügendheit der den Privatbanken gewährten Mittel, worüber so lange vergeblich Beschwerde geführt war, dadurch an, dass es ihnen im September dieses Jahres die Annahme verzinslicher Depositen, freilich wieder nur bis zum Betrag des Aktienkapitals, erlaubte. Aber ein noch viel augenscheinlicheres Desaveu der Politik, welche jede Vermehrung des Kreditbedürfnisses ignoriert hatte, enthielt der Vertrag der Regierung mit der Preußischen Bank vom 28. Januar vorigen Jahres (Gesetz vom 7. Mai). Durch denselben wurde ihr die Vermehrung ihres Kapitals um 5 Millionen Thaler, zugleich aber eine unbeschränkte Notenemission unter der Bedingung erlaubt, stets dafür 1/3 in Bar, 2/3 in diskontierten Wechseln liegen zu haben, da „den gesteigerten Anforderungen des Verkehrs gegenüber eine angemessene Erhöhung der Betriebsmittel der Bank notwendig sei.“

Diese kleindeutschen Banken sind seit geraumer Zeit, namentlich seit Ausbruch der annoch herrschenden Geldklemme im September vorigen Jahres zahllosen Angriffen von allen Seiten ausgesetzt gewesen. Jedenfalls kann dies kein Vorwurf sein, dass die Banken an kleinen obskuren Orten gegründet wurden, kein Mensch hätte auf Aktien einer Sondershäuser oder Geraer Bank gezeichnet, wenn in den großen Städten hätten Banken errichtet werden dürfen, wo man ihrer bedurfte. So musste sich das nominelle Domizil in irgend einem Landstädtchen befinden. Der übelste Punkt lag bei den neuen kleindeutschen wie allen übrigen Banken darin, dass sie von vorn herein privilegiert wurden, drei ja viermal mehr Noten emittieren zu dürfen, als sie Barfonds hatten und deshalb recht mit Rücksicht auf solch ein Privileg gegründet wurden. Aber das war und ist leider der allgemeine Brauch in Preußen sowohl wie in andern Staaten, und die mitteldeutschen Banken bedurften noch ganz besonders der Notenausgabe, um überhaupt Bankgeschäfte zu treiben, da sie bei der ihnen eigentümlichen Betriebsweise auf große Depositensummen nicht zu rechnen hatten. Wie ganz außerordentlich man aber die Größe bei von ihnen ausgegebenen Summe Noten allgemein übertrieben hat, werden wir weiter unten noch sehen. Eine ganz eigentümliche Anklage gegen diese neuen Institute besteht ferner darin, dass sie durch ihre „übermäßige Notenausgabe“ recht eigentlich die Schwindeleien provoziert hätten, welchen wir die jetzige Geldkalamität zuschreiben müssten. Line solche Behauptung, so oft und viel sie in den ersten Organen der Zeitungspresse breit getreten ist, schlägt den Tatsachen geradezu ins Gesicht. Die Banken, an welche man bei diesem Vorwurfe denkt, sind die folgenden acht, zu Luxemburg, Darmstadt, Weimar, Gotha, Gera, Sondershausen, Meiningen und allenfalls Dessau. Nun fällt bekanntlich die Periode der Überspekulation in das Frühjahr und Sommer 1836, im September brach die Krisis aus und seitdem kann man von neuen „Schwindelunternehmungen“ gewiss nicht mehr reden. Da nun von den genannten acht Banken die zu Luxemburg, Gotha und Meinigen gegen Ende des vorigen Jahres noch gar nicht eröffnet waren oder wenigstens noch keine Noten ausgegeben hatten, so kann sie offenbar der gemachte Vorwurf gar nicht treffen. Von den fünf andern aber begann die Zettelausgabe der Darmstädter Bank erst im Dezember und der Geraer und Sondershäuser auch erst Mitte des Sommers. Am Jahresschluss war aber die ganze Notenemission dieser fünf Banken nur 12.796.000 Thaler oder 7.794.000 Thaler mehr wie Ende 1855, und der Betrag der durch Barbestände nicht gedeckten Noten war 8.627.000 Thaler, oder nur 5.648.000 Thaler mehr wie am Schlusse des Vorjahres, während binnen derselben Zeit sich die Notenmenge der gepriesenen sechs preußischen Banken um 27.696.000 Thaler auf im Ganzen 51.031.000 Thaler hob, und die Summe der durch Bar nicht gedeckten Noten immer noch um 19.266.000 Thaler zunahm.

Wir müssen uns nun zu den Maßregeln wenden, welche das Entstehen der kleindeutschen Zettelbanken bei den andern deutschen Regierungen, namentlich der preußischen hervorrief, und zu einer kurzen Betrachtung der jetzigen Lage der deutschen Banken, wie sie durch jene Maßregeln entstanden ist. Es war natürlich, dass Preußen nicht ruhig zuschauen konnte, wie seine Bankpolitik zunichte gemacht werde. Das Gesetz vom 14. Mai 1855, wodurch die Zahlungsleistung mittelst ausländischer Wertzeichen zu Appoints unter zehn Thaler verboten wurde, war zwar hauptsächlich gegen das Papiergeld der kleinen deutschen Staaten gerichtet, denn von den damals schon bestehenden Banken gab nur die Dessauer Noten zu kleineren Beträgen aus. Die gute Folge des Gesetzes war aber, dass die später entstehenden, auf Preußen berechneten Banken von vornherein gar keine so kleine Noten emittierten. Denn solche sind der Verfälschung mehr ausgesetzt und drängen sich in die Kanäle des Verkehrs ein, aus welchen sie besser ausgeschlossen werden, da es wünschenswert ist, hier nur Metallgeld zu haben. In England ist der kleinste erlaubte Betrag einer Note circa 33 Thaler (5 Pf. St.), in Schottland und Irland 6 2/3 Thaler (1 Pf. St.), in Frankreich nach dem neuesten Vertrag mit der Bank 13 1/2 Thaler C50 Fr). Die Summe von 10 Thaler könnte vielleicht passend noch höher gegriffen weiden. Ein direkt gegen die außerpreußischen Banknoten gerichtetes Gesetz wurde dagegen erst am 25. Mai dieses Jahres erlassen, wodurch der Gebrauch derselben zu Zahlungen gänzlich vom l. Januar 1858 an verboten wurde, nachdem eine hierauf gehende Drohung vom April 1856 der Gründung von Banken und Emission von Noten nicht hatte Einhalt tun können. Denselben Weg hatte die bayrische Regierung schon im Januar diesen Jahres eingeschlagen, während die königlich sächsische in einer Verordnung vom 18. Mai den wirklich anstößigen und zu gerechten Bedenken anlassgebenden Punkt ganz allein richtig ins Auge fasste, indem sie nur die Noten der Banken zur Benutzung bei Zahlungen verbot, welche in Leipzig und den Orten, wo sie Agenturen und Zweiggeschäfte unterhielten, keine Einlösungskassen errichten wollten. Es ist klar, dass, wenn allgemein von jeder deutschen Regierung das preußische Beispiel befolgt wäre, bald ein völlig unleidlicher Zustand entstanden sein würde, und dass noch jetzt ein solcher einzutreten droht, wenn Preußen starr auf der eingeschlagenen Bahn beharrte. Indessen glücklicher Weise war und ist dies hier keineswegs die Absicht, vielmehr wurde gleich bei Erlass des Gesetzes preußischer Seite die Bereitwilligkeit erklärt, mit den einzelnen Staaten über die Zulassung der Noten ihrer Zettelbanken zu verhandeln, und im Laufe des November sollen denn auch auf ergangene Einladung die Abgeordneten der Zollvereinsregierungen in Berlin tagen, um sich über gemeinsame Grundsätze für eine deutsche Geldsurrogatzirkulation zu vereinbaren. Die Beschränkung auf den Zollverein möchten wir kaum tadeln, jedenfalls kann mit Österreich, so lange dieser Staat eine uneinlösbare Papiervaluta hat, nicht nach gleichen Grundsätzen verhandelt werden.

In Deutschland bestehen gegenwärtig fünfunddreißig Zettelbanken, wozu als sechsunddreißigste dem Vernehmen nach eine in Oldenburg in der Errichtung begriffene kommt. Bei der unnatürlichen Richtung, welche bei uns das Bankwesen einschlagen musste, war es, wie wir sahen, natürlich, dass auf die Zettelausgabe immer das Hauptgewicht gelegt wurde. Der reinen Diskontobanken ohne Notenemission besitzen wir daher nur fünf, wovon eine schon mehr zu den Credits Mobiliers zu rechnen ist. Sie repräsentieren zusammen ein Stammkapital von 40 1/2 Million Thaler, und hatten Ende vorigen Jahres etwa 17 Millionen Thaler Depositen. Jene sechsunddreißig Zettelbanken verteilen sich auf dreiunddreißig Städte und zweiundzwanzig Staaten, von denen Lübeck und Braunschweig je zwei, Sachsen drei und Preußen elf besitzen. Von größeren Staaten gibt es nur in Württemberg, Baden und Kurhessen kein« Zettelbank. Von jenen sechsunddreißig liegt eine in Österreich, die bereits erwähnte Nationalbank, mit 103 1/6 Million Gulden Capital und gegenwärtig circa 397 Millionen uneinlösbarer Noten, mit welcher wir uns nicht weiter beschäftigen werden, einunddreißig liegen im Zollverein und vier in andern deutschen Ländern. Demnach fällt in dem außerösterreichischen Deutschland eine Zettelbank auf etwa eine Million Einwohner, ein Verhältnis, das durchaus nicht übertrieben ist. Selbst in Schottland mit seinem außerordentlich ausgebildeten Zweigbanksystem kommt schon auf 1/6 Million Menschen eine selbständige Zettelbank, und in England sogar auf 1/13 Million. Von den fünfunddreißig deutschen Banken sind neun noch nicht eröffnet oder es liegen leine Rechnungsnachweise vor, was bei einigen der unbedeutenderen der Fall ist. Die übrigen sechsundzwanzig Banken wollen wir der Übersicht und einiger notwendiger Vergleiche wegen in drei Klassen teilen, nämlich in preußische, in solche, welche ein genügendes heimisches Verkehrsfeld besitzen, nämlich die Bayerns, Sachsens, Hannovers, Mecklenburgs, Frankfurts, Lübecks und Bremens, und welche wir kurz als die „großdeutschen“ bezeichnen können, und endlich in die übrigen „kleindeutschen,“ welche wenigstens zum Teil auf einen fremden, meist preußischen oder sächsischen Markt berechnet sind, wohin die fünf thüringischen Banken und die zu Luxemburg, Darmstadt, Homburg, Dessau und Braunschweig gehören. Die Zahlen im Folgenden beziehen sich außer bei zwei preußischen, fünf großdeutschen und den drei zuletzt genannten kleindeutschen Banken, wo meistens nur die älteren Angaben von Ende 1856 vorliegen, sämtlich auf den Stand am 30. September dieses Jahres.

Es versteht sich von selbst, dass das Bestreben jeder soliden Bank dahin gehen muss, stets ihren Verbindlichkeiten nachzukommen, also ihre Noten einlösen, ihre Deposition ausbezahlen zu können. Aber wenn man sich je eingebildet hat, es lasse sich das mit absoluter Gewissheit erreichen, so hat man sich einer argen Täuschung hingegeben. Denn dann müsste für Noten und stetsfällige Depositen ein Barbestand zu ganz gleichem Betrage gehalten weiden, das hieße aber, obgleich es wirklich von gewissen Seiten her verlangt wird, die Betreibung des ganzen jetzigen Bankwesens unmöglich machen, wie dies aus unseren früheren Auseinandersetzungen schon erhellt. Selbst die strengste Gesetzgebung konnte daher nie ein solches Ansinnen stellen. Vielmehr muss jede vernünftige Bankpolitik sich mit der Erreichung der folgenden beiden Punkte zufrieden geben. Einmal muss für die schulden der Bank, Noten und Depositen, ein Barfond gehalten werden, welcher in allen irgend wahrscheinlichen und berechenbaren Fällen die stete Einlösbarkeit dieser Verbindlichleiten sichert, und zweitens müssen die der Bank nach Abzug eines solchen Barfonds noch verbleibenden eigenen und angeliehenen Gelder so sicher platziert werden, dass Noteninhaber und Deponenten auch dann noch ihre Forderungen vollauf genügend gedeckt finden, wenn einmal unter außerordentlichen Umständen die Barzahlungen vorübergehend suspendiert werden müssten, mit andern Worten, die Banken sollen immer einen so großen Barfond halten, welcher sie möglichst immer vor zeitweiliger Einstellung ihrer Barzahlungen schützt, und sie sollen ihre Gelder immer so anlegen, dass sie nie völlig insolvent werden.

Bei einer naturgemäßen Entwicklung des Bankwesens, wie wir sie im Anfang schilderten, würden natürlich die einzelnen Banken nach eigenem Ermessen und Maßgabe ihrer Geschäftserfahrungen die Größe dieses Barfonds bestimmen. Die staatliche Bevormundungspolitik wollte und konnte dies nicht zugeben. Es ist daher meistens eine bestimmte Quote der stets fälligen Schulden der Bank bar zu halten in den Statuten befohlen worden. In Deutschland hat man diese Quote meist auf ein Drittel der ausgegebenen Noten gesetzt, namentlich auch in Preußen in den Normativbedingungen. Es ist aber dann völlig inkonsequent, die Depositen, wenigstens die stets fälligen ganz ungedeckt zu lassen, wie sich dies zum Beispiel in Folge der Beschränkung des Drittels auf die Noten im September vorigen Jahres bei der Preußischen Bank gezeigt hat, wo für Depositen u. s. w. so gut wie gar keine Deckung übrig blieb. Natürlich kann auch Niemand wissen, ob das Drittel immer genügen wird, denn durch die Erfahrung ist es nicht aufgefunden worden. Indessen kann es in Ermangelung einer andern üblichen Zahl beibehalten bleiben, obwohl wir ein anderes Verhältnis, etwa ½ oder auch 2/3 wie bei der Leipziger Bank anempfehlen möchten. Die allgemeine Festsetzung eines solchen Verhältnisses und die Ausdehnung auf die stets fälligen Depositen oder ähnlichen Verbindlichkeiten der Banken durch die Berliner Bankkonferenz wäre daher wünschenswert. Jedenfalls verdient eine solche Quotenbestimmung des Barfonds den Vorzug vor dem Prinzipe der Peel'schen Akte bei der Bank von England, dessen Annahme man für Deutschland auch mehrfach vorgeschlagen hat. Danach darf nämlich nur eine bestimmte Summe Noten gegen Staatspapiere u. s. w. emittiert werden, 14.475.000 Pfund Stelling bei der Bank von England, und jede Note über diesen Betrag hinaus muss durch bares Geld gedeckt sein. Das Gesetz bat sich durchaus nicht erprobt und führt notwendig zu gewaltsamen, höchst störenden Konvulsionen auf dem Geldmarkt, während die Quotenbestimmung viel schmiegsamer ist. Übrigens müsste bedingungsweise auch bei dieser unter besondern Umständen eine zeitweilige Überschreitung des Verhältnisses von 1 : 3 gestattet werden, wenn man nicht ähnliche Erfahrungen, wie 1847 und 1857 mit der Peelschen Acte in England machen will. Die Vorschrift eines Viertelbarfonds bei der bayrischen und einigen kleindeutschen Banken bedürfte demnach der entsprechenden Veränderung. Die Größe der Notenemission und das Deckungsverhältnis der Schulden der drei von uns aufgestellten Klassen deutscher Banken zeigt die folgende Übersicht, in der übrigens der Posten der Depositen (inkl. Giro-, Contocorrentschulden u. s. w.) auch die nicht sofort fälligen Gelder mitumfasst).

Demnach war die Deckung der Noten der kleindeutschen Banken zwar zehn Prozent geringer als die der preußischen, aber die Deckung sämtlicher Verbindlichteiten war bei beiden fast die gleiche, und wenn man nur die sieben Banken, von denen die Angaben pro 30. September vorliegen, ins Auge nimmt, so waren deren Noten allein auch zu fünfundvierzig Prozent durch Bar gedeckt, dies war der Zustand inmitten der Geldklemme, — ein Beweis, wie diese Banken viel besser sind, als ihr Ruf. Die ganze Notenzirkulation kann man gewiss noch nicht besonders groß nennen, da auf Preußen pro Kopf nur 4 3/5, das andere Deutschland noch nicht 2, und beide zusammen nur 3 1/4 Thaler kommen, während dieser Betrag in Großbritannien 10, in Frankreich 4 1/2 Thaler ist. Am heftigsten schreit man immer gegen die kleinen Banken, weil sie das Land mit Noten „überschwemmten,“ zuviel Noten ausgäben. So sehr diese Behauptung allen gesunden national-ökonomischen Begriffen widerspricht, und durch die genauesten wissenschaftlichen Erörterungen und Aussagen sachverständiger Praktiker vor dem Parlament in England eine „Überemission“ als unmöglich nachgewiesen ist, so braucht man sich doch nur an die obigen Zahlen zu halten. Auch kann man nicht sagen, dass die kleindeutschen Banken erst in Folge des drohenden preußischen Notenverbots eine „übermäßige Emission in die nötigen Schranken zurückgeführt hätten“ und solide geworden wären, da das Maximum der sieben erwähnten Banken im April dieses Jahres nur 14 1/2 Million zu siebenundvierzig Prozent durch bar gedeckte Noten war, und jetzt noch 12 1/2 Million beträgt, wie denn auch der andre Vorwurf, dass die kleindeutschen Banken durch ihre alles Maß übersteigende Zettelausgabe das Silber aus dem Lande drängten in sich selbst zerfällt, wenn man weiß, dass alle zehn in den letzten einundzwanzig Monaten nur um 11 Millionen ihre Noten vermehrt haben, während gleichzeitig die preußischen Banken dies selbst nach Abzug des zum Teil eingezogenen Staatpapiergeldes um 43 1/2 Million taten, und die Zunahme der durch Bar nicht gedeckten Noten bei jenen nur 7 1/2 bei diesen aber 35 Millionen Thaler beträgt. Der Phantasie auf diesem Gebiete den Zügel schießen zu lassen, ist doch ein eigenes Beweisverfahren.

Eins der wichtigsten Erfordernisse einer gesunden Banknotenzirkulation besteht aber darin, dass die Zettel nicht nur dem Namen nach einlösbar sind, sondern auch jederzeit ohne Mühe und Kosten von dem Inhaber eingelöst werden können. Grade hierin liegt der schwächste Punkt des kleindeutschen Bankwesens, der merkwürdiger Weise auch in den Beschlüssen der Frankfurter Bankdirektoren - Konferenz im Oktober d. J. ganz übergangen ist. Da die kleinen Banken meistens an ganz andern Orten Geschäfte machen und Noten emittieren, so genügt es nicht, wenn die letzteren nur am Domicil der Bank einlösbar find, sondern es muss durchaus verlangt weiden, dass sich auch bei den Filialen oder Agenturen Einlösungskassen befinden. Dies um so mehr, weil die Orte des Domizils großenteils ohne alle Handelsbedeutung sind, so dass sich die Noten nicht von selbst wieder dahin ziehen. Die letzteren sind allerdings Wechsel, aber auch diese verlören an ihrem Paricourse, wenn auf Gera oder Meiningen große Summen liefen. Nur der Weimarer Bank gebührt der Ruhm, solche Kassen gleich Anfangs errichtet zu haben, wie sie die erwähnte königlich sächsische Verordnung mit Recht zur Bedingung der Zulassung fremder Banknoten gemacht hat. Diese Verordnung ist darin wohl noch zu liberal, dass sie für die Einlösung größerer Beträge als hundert Thaler noch eine dreitägige Frist gestattet. Ein andres Verlangen ist, dass die Noten immer in harten Thalern oder Gulden, nicht auch in 1/3 oder 1/6 Thalerstücken eingewechselt werden müssen, da die Auszahlung irgend größerer Summen in letzteren Tage erfordern würde. Den Zeitungen nach soll die Thüringische Bank zu Sondershausen sich einer solchen Zahlungsweise in kleinen Stücken schuldig gemacht laben. Auch diesen Punkt übergehen die Beschlüsse der Frankfurter Bankkonferenz, die Berliner wird auf beide ihr besonderen Augenmerk zu richten haben. Übrigens lösen auch die meisten andern deutschen Banken ihre Noten nur bei der Hauptbank ein.

Der wirtschaftliche Zweck der Handelsbanken ist, den Handel- und Gewerbetreibenden die notwendigen Vorschüsse unter der Form der Wechseldiskontierung und Beleihung von Waren zu gewähren, die hierdurch gebotene Anlegung ihrer Fonds sollte daher von diesen Banken um so mehr angenommen werden, weil sie die sicherste und zweckmäßigste Deckung ihrer Noten und Depositen bildet. Denn allein durch solche Darlehen auf kurze und bestimmte Fristen sind sie im Stande, immer im Voraus zu wissen, wie viel Geld an irgend einem zukünftigen Tage ihnen wieder zufließen wird, sie können daher hier ihre Darlehen ganz nach Maßgabe ihrer Bedürfnisse, d. h. der auf sie fälligen Ansprüche regulieren. Diskonto- und Lombardgeschäft ist denn auch bei den meisten deutschen Zettelbanken die Hauptsache. Die übliche Regel, nur Wechsel mit drei Unterschriften, also drei für das Darlehen Haftbaren und höchstens drei Monat Verfallzeit zu diskontieren, wenn sie auch nicht immer unbedingt aufrecht erhalten werden soll, sollte doch als Richtschnur bestehen bleiben. Wichtiger wäre es vielleicht, auf die Natur der einzelnen Wechsel zu sehen. Die Reihe der Trassanten und Trassaten, welche wir oben bei der Erörterung des modernen Wirtschaftsorganismus beispielsweise bildeten, ist eine naturgemäße, und eine Bank sollte sich bestreben, womöglich nur aus ihr hervorgegangene Wechsel zu diskontieren, gegen andere aber sehr auf der Hut sein, um sich nicht in einem Netze bei Wechselreiterei plötzlich gefangen zu sehen. Mehrere britische Banken sind dadurch erst ganz kürzlich wieder zu Fall oder wenigstens zum starken Wanken gebracht. Bei Darlehen gegen Unterpfand darf natürlich nur ein Teil des Pfandwertes vorgestreckt werden. Besondere Vorsicht ist bei Vorschüssen auf Papiere nötig. Ganz besonders ist vor Beleihung eigener Aktien, und gar zum Börsenkurse, zu warnen, hier ist ein gänzliches Verbot am ersten am Platze. Wir müssen zugestehen, dass in dieser Hinsicht die Statuten vieler Banken Manches zu wünschen übrig lassen, namentlich auch die verschiedener kleindeutscher, obgleich man allen zur Ehre nachsagen muss, dass sie von den zu laxen Befugnissen ihrer Statuten nur geringen Gebrauch gemacht haben. Die acht preußischen Banken besitzen gegenwärtig ein Wechselportefeuille von 80 1/4, die acht großdeutschen von 20 3/4 und die zehn kleindeutschen von 18 1/2 Millionen Thaler, ihre Notenemission ist also bei allen hierdurch mehr als vollständig gedeckt, außerdem haben diese drei Klassen Lombardbestände von resp. 14 ½, 10 1/2 und 6 Millionen Thaler und die kleindeutschen besitzen ferner noch 12 1/3, Millionen Thaler Kontokorrentforderungen. während diese bei den preußischen Banken nur ¾ und den andern nicht ganz 8 Millionen betragen.

Die Ausleihungen von Zettel- und Depositenbanken gegen Hypothek, wie sie von verschiedenen deutschen Banken gemacht werden, mögen zwar eine völlig solide Fundierung von Noten und Depositen bilden, aber sie entbehren einer bei diesen Banken durchaus notwendigen Eigenschaft, der raschen und steten Realisierbarkeit. Kaum wie über irgend einen Punkt im Bankwesen herrscht daher darüber Einigkeit, dass das Hypothekengeschäft entweder ganz aus dem Geschäftskreise der Zettelbanken auszuschließen oder in die engsten Schranken zu ziehen sei. Dagegen verstößt die Verfassung mehrerer Banken gar sehr, so vor Allem die der Bayrischen Bank, deren Noten ausdrücklich zu 3/4 durch einen doppelten Betrag ausstehender Hypotheken auf Grund und Boden gedeckt sein sollen, ferner der Bautzener, der Nassauischen Landesbank, des Braunschweiger Leihhauses. Bei diesen, wie bei einigen anderen Banken müsste daher auf entsprechende Änderung der Statuten gedrungen werden. Ganz ebensowenig kann man den Banken Effektenhandel auf eigene Rechnung und Anlegung eines größeren Teils ihres Kapitals darin erlauben, besonders Ankauf von Aktien, vor Allem der eigenen, sollte unbedingt verboten werden. In dieser Hinsicht bedürfen die Statuten fast aller kleindeutschen und auch einiger anderer Banken, worin Effektenhandel ausdrücklich gestattet wird, durchaus der Abänderung, obgleich man auch hier zugestehen muss, dass nach den geringen Effektenbeständen zu schließen, diese Banken sich in löblicher Weise faktisch davon fern gehalten haben. Die preußischen Banken haben gegenwärtig circa 7 3/4 die großdeutschen 2 1/6, die kleindeutschen 2 Millionen Thaler Effekten. Nur solche Fonds, welche sonst zeitweilig müßig lägen, müssten in ganz soliden, Kursschwankungen wenig ausgesetzten Papieren angelegt werden dürfen. Die Fundierung der Noten mittelst eines gleichen Betrages bei der Regierung zu deponierender Staatspapiere, die man nach nordamerikanischem Muster so oft in Deutschland empfohlen hat, kann nur ihre Rechtfertigung finden, wenn mit den Noten so unsichere Ausleihungen wie in den Vereinigten Staaten gemacht werden, vor zeitweiliger Suspension der Barzahlungen kann sie natürlich nicht schützen, wie das gegenwärtige Beispiel der New Yorker Banken zeigt. Endlich ist noch eine völlige Trennung unsrer Banken von allen Kredit-Mobiliergeschäften durchaus zu verlangen. Weder mit Noten noch Depositen sollten Kreditanstalten operieren, denn bei der ihnen eigenen Betriebsweise kann nicht nur nicht die stete Einlösbarkeit, sondern nicht einmal die schließliche Bezahlung von Noten und Depositen auch nur mit einem Scheine von Gewissheit garantiert werden, denn wer wollte ein Maß für die mögliche Entwertung ihrer Effektenbestände oder für die Verluste bei ihren Unternehmungen bestimmen? Nur zwei deutsche Kredit-Mobiliers sind zugleich Zettelbanken, der zu Lübeck und der zu Meinigen, welch letzterer unter dem Namen eines Realisationsfonds eine besondere nur aus Wechseln und barem Gelbe bestehende Deckung für seine Noten von seinen übrigen Geschäften abgesondert hat. Das genügt aber noch nicht. Die Berliner Konferenz wird daher mit Recht darauf hinzuarbeiten haben, dass Zettelausgabe — wir möchten fast auch Depositenempfang hinzufügen, denn nach ihrem französischen Vorbilde haben alle deutschen Kreditanstalten ansehnliche Depositenposten — und Kredit-Mobiliergeschäfte völlig zu trennen, dass ferner der Effektenhandel und als notwendiges Corollar das Hypothekengeschäft den Zettelbanken untersagt und endlich die Beleihung von Wertpapieren besonders reguliert werde.

Als notwendige Grundlage der Bankengeschäfte bedarf es eines eigenen Stammkapitals. Es soll in erster Linie für die aus einem unrichtigen Placement der Noten- und Depositenkapitalien etwa sich ergebenden Verluste gleichsam als Assekuranzanstalt einstehen. Die enge Verbindung, welche man indessen meistens in der Weise zwischen Stammkapital und Zettelausgabe gezogen hat, dass letztere jenes nicht übersteigen, wie bei den preußischen Provinzial- und den meisten andern deutschen Banken, oder sogar nur eine Quote desselben erreichen, wie zum Beispiel bei der Münchener und Meininger Bank, oder wenigstens nur ein bestimmtes Vielfaches des eingezahlten Kapitals, zum Beispiel das Doppelte bei der Luxemburger und Darmstädter Bank betragen darf, diese Verbindung ist durchaus nicht begründet, daher auch der Schrecken vor der „unbeschränkten Notenemission“ unnötig, da es nicht auf das Dürfen, sondern auf das Können ankommt und wie bereits bemerkt, eine übermäßige Zettelausgabe einer nach den bisher entwickelten soliden Grundsätzen geleiteten Handelsbank in den Bereich der Unmöglichkeiten gehört. Indessen gilt die Beschränkung der Notenemission auf das eingezahlte Capital bei uns als ein so unumstößlicher Fundamentalsatz, dass man höchstens für „geleistete Dienste,“ wie die der Preußischen Bank bei Einziehung des Staatspapiergeldes, von dessen Einhaltung absieht. Er wird daher aller Wahrscheinlichkeit nach auf der Berliner Konferenz vielleicht mit Ausnahme zu Gunsten einiger „selbständiger Banken“ allgemein angenommen werden, und ist auch gegenwärtig wenig praktisch, da außer der Leipziger und preußischen Bank noch keine einzige nur so viel Noten als ihr Kapital beträgt, ausgegeben hat. Jedenfalls ist die Festsetzung der Notenbefugnis auf die Höhe des eingezahlten Kapitals auch ungleich passender als der vielfach gehörte Vorschlag, sie nach Maßgabe der Kopfzahl der einzelnen Länder zu bestimmen, denn derselbe ist prinzipiell unrichtig, da nicht auf jeden Kopf der Bevölkerung eine gleiche Menge Noten oder Geld gerechnet werden kann, und hat gewiss am wenigsten in Deutschland auf allgemeine Anerkennung zu hoffen. Das Kapital der acht preußischen Banken beläuft sich auf 23 1/2, der acht großdeutschen aus 27 1/5, der zehn kleindeutschen — allerdings mit Einschluss des ganzen Kapitals der Meiniger Kreditbank — auf 32 1/2 Millionen Thaler. Daher sind die sämtlichen Schulden für Noten und Depositen gegenwärtig bei der ersten Klasse durch eine Aktivmasse in Bar, Wechseln, Lombards, Kontokorrentforderungen und Effekten zu 127, bei der zweiten zu 161, bei den dritten, den verschrieenen kleindeutschen Banken aber sogar zu 217 Prozent gedeckt.

Die Bestimmung, dass der Betrag der Noten außer durch eine Quote Bargeld vollständig durch diskontierte Wechsel gedeckt sein müsse, empfiehlt sich jedenfalls am meisten. Will man dann diesen Fonds von den übrigen Bankbeständen getrennt verwahren und verwalten, so möge man es tun, obgleich das eine Formsache ist. Er könnte dann auch prioritätisch für die Sicherheit der Noten verhaftet sein, nur muss in diesem Falle die Bedingung gestellt werden, dass in ähnlicher Weise auch für die Depositen ein Fonds, aus einer gleichen Quote Bar, Wechseln und allenfalls auch Lombardforderungen bestehend, ausgeschieden werde. Die prioritätische Verhaftung des ganzen Aktienkapitals für die Noten allein, wie sie die Frankfurter Bankkonferenz vorgeschlagen, enthält eine ganz unbillige Ungerechtigkeit gegen die Deponenten, und sollte nie zugestanden werden. Man muss nur bedenken, dass allgemein in der weitein Entwicklung des Bankwesens das Depositengeschäft bald wieder den ihm gebührenden Hauptplatz einnimmt, und die Noten dagegen ganz zurücktreten, wie das Beispiel Englands und jüngst noch der meisten nordamerikanischen Banken, speziell der New Yorks zeigt, welche bekanntlich nicht weil sie ihre Noten, sondern weil sie ihren Deponenten deren Guthaben nicht auszahlen konnten, die Zahlungen suspendieren mussten. Man wird es daher später entschieden zu bereuen haben, wenn man jetzt alle Fürsorge nur auf die Noten richtet und ihnen auf Kosten der Depositen einen bevorzugten Schutz gibt.
Wagner, Adolph Prof. Dr. (1835-1917) deutscher Ökonom und Finanzwirtschaftler

Wagner, Adolph Prof. Dr. (1835-1917) deutscher Ökonom und Finanzwirtschaftler

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