Gespräch auf Capri - (Kurt Faber schiffte sich unmittelbar nach diesen Capri-Intermezzo in Neapel zur Orientreise ein. D.H.) - Capri, im März

Wir saßen auf der Terrasse des Hotels und schauten hinab auf das Meer und die sonnige Landschaft. Weiß leuchtend in griechischer Schönheit standen die Säulen, über die sich die Weinstöcke rankten. Drunten arbeiteten die Leute in den Weinbergen unter blühenden Mandelbäumen. Ein leiser Seewind brachte den Duft der frischen Erde. Überall war Leben, überall Farbe, und es war, als ob die Natur mit einem tiefen Atemzug den verspäteten Frühling begrüße, die Natur und mit ihr das laute Leben der südländischen Gasse. Es trippelte auf der Piazza, es klapperte von Holzschuhen in den engen Gäßchen, so daß man nur gelegentlich etwas festhalten konnte von dem Gespräch, das da am Nebentisch geführt wurde.

»Zimmer mit Badd ...«


»Wieviel? Hundertfufzig pro Nacht?«

»Na, wenn schon – aber erstklassig!«

»Zwohundertfufzig pro Tag in Mailand.«

»Volle Pension natürlich.«

»Na und mit die Gänge! Wo man ohnehin schon Anlage hat zum Starkwerden –«

In dem Augenblick fuhr ein knarrender Ochsenwagen vorüber. Die Uhr der Kathedrale schlug laut und herausfordernd. – Diese Uhr: So hatte sie schon Goethe gehört auf seiner italienischen Reise, so hatte sie auch geschlagen, als hier im Feuer verzehrender Leidenschaften der Zarathustra geboren wurde.

Wieder flatterte etwas herüber von der Unterhaltung nebenan.

»Emser Pastillen –«

»Veraltete Sache!«

»Müllern Sie?«

»I wo!«

»– Nein, eine ganz neue Erfindung – Entfettungstabletten. – Zweimal die Woche – todsicher.«

Die Sonne sinkt. Schatten huschen über das Land. Der Abend liegt rot auf dem Meere. Groß und phantastisch, wie glitzernde Märchenschlösser stehen die goldumränderten Wolken über dem Horizont.

»Tja – meine Frau nimmt, mit Verlaub zu sagen, zweimal pro Woche innerliche Sitzbäder.«

»Wie interessant! Und bekommt Ihnen das? Ich meine – spüren Sie da irgendwelche dauernde Wirkungen?« – – –

Nun ist der Tag schon fast gestorben mit der Sonne. Die weißen Felsenzipfel leuchten noch einmal blutrot auf in den letzten Strahlen. Dunkel, still, unwahrscheinlich blau ist das Meer. Da und dort zieht ein weißes Segel, von fernher schimmert das Häusermeer von Neapel. Dicht neben uns steht stumm und finster eine Pinie, als wüßte sie um die Gespräche, die mit den Abendschatten durch die Gegend ziehen.

»Kuchen! Aber ich bitte, das ist doch Gift für Sie, Herr Kimmending.«

»Na, wieviel taxieren Sie wohl mein Gewicht –?«

Wieviel wohl? Da sind wir nun wirklich selbst gespannt. So um zweihundertfünfzig mag es wohl liegen. Aber da geht zur Unzeit wieder einer auf lauten Holzschuhen vorüber. Da knarrt wieder ein Ochsenwagen. Da erwacht der Kampanile.

Das Gewicht des Herrn Kimmending... Es wird nun doch ein Geheimnis bleiben, das die Nacht und die Sterne einander zuraunen unter dem Himmel von Capri. –

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Weltwanderers letzte Fahrten und Abenteuer