Der Raub des Revaler Domes (ein Nachwort, Ende 1926).

In einer ganz verborgenen Ecke der Zeitung steht es zu lesen: »Der Einspruch der deutschen Gemeinde von Reval gegen die Beschlagnahmung des Doms durch die estnische Regierung wurde ablehnend beschieden.«

Nur die wenigsten mögen diese Notiz beachtet oder gar zu Herzen genommen haben. – Verlust am Eigentum des deutschen Volkes? Nichts Besonderes in diesen Zeiten. Von so etwas lesen wir an jedem neuen Tage, wenn immer wir die Zeitung aufmachen. Es ist nur ein Glied in der langen Kette von »Eroberungen«, mit denen sich die neuen, zum großen Teil mit deutschem Blut befreiten kleinen Staaten am deutschen Volkstum reiben.


Aber man muß es noch einmal sagen. Man muß es dreimal sagen: Alles, was diese Stadt an Schönheit besitzt, verdankt sie den Deutschen. Hier ist kein Stein, der nicht von deutscher Geschichte redete, es sei denn der Zwiebelturm der goldfunkelnden Kathedrale, die moskowitischer Übermut als Zwing-Uri auf den Berg setzen ließ.

In Reval! – Ist es anders in Riga, in Dorpat, in Mitau? Es liegt im Wesen des Deutschen der Nachkriegszeit, daß er die Verdienste seines eigenen Volkes geringschätze. Aber seien wir nicht ungerecht gegen uns selbst. Es ist nichts an Kulturwerten und Kulturschöpfungen im Baltenlande, das nicht dem schaffenden Geiste des deutschen Volkes seinen Ursprung verdankt. Es ist in seinem kulturellen Aufbau ein Hansaland, wie es auch in dem schönen Heimatliede der Balten zum Ausdruck kommt:

»Wie rauscht das Meer um deine weißen Küsten
und singt ein Lied von alter Hansamacht.
Wie stolz und stark sich deine Tannen brüsten,
die einsam stehn auf weiter Felsenwacht;
ob Stürme sie umschwebten,
sie trotzen Sturm und Wetter,
denn ihre Wurzeln senkt durch Stein und Sand
sie tief hinein ins Heimatland!«

Kein deutscher Stamm hat ein stärkeres Heimatgefühl als der Deutsch-Balte, und nirgendwo zeigt es sich lebendiger und ergreifender als in der Domkirche zu Reval. Was ist es, das für uns Deutsche den Reiz jenes Gotteshauses ausmacht? Es ist weder ein besonderes schönes noch ein besonderes stattliches Bauwerk. In nichts kann es sich messen mit der stolzen Olaikirche unten in der Stadt. Aber auch bei den Kirchen ist es nicht immer die äußere Aufmachung, die das Wesen ausmacht. Es ist die Tradition, das Herkommen, die gute Familie, es ist der Zauber alter Erinnerungen, die kein Geld der Erde zu kaufen vermag.

Nun haben wir auch dieses altehrwürdige Gotteshaus hergeben müssen. Sic transit gloria mundi! –

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Weltwanderers letzte Fahrten und Abenteuer