Mecklenburgs geografische Lage

Seiner geographischen Lage, durch welche es der europäischen Westküste nahe gerückt ist, verdankt Mecklenburg solche klimatischen Verhältnisse, dass einer betriebsamen Kultur seines Bodens durch dieselben keine Hindernisse in den Weg gelegt werden, wie dies notwendig der Fall sein würde, wenn es in derselben geographischen Breite, welche es jetzt einnimmt, weiter nach Osten hingerückt wäre, etwa in das Innere Russlands, oder gar über den Ural hinaus nach Sibirien. Denn es ist ein allgemeines meteorologisches Gesetz, dass auf der nördlichen Halbkugel der Erde außerhalb der Wendekreise die Westküsten der Kontinente sich eines beträchtlich wärmeren Klimas erfreuen, als die unter gleicher Breite im Innern derselben, oder gar die an der Ostküste gelegenen Länder. Daher besitzt denn Mecklenburg *) auch eine mittlere Temperatur des Jahres von +7 bis 8°C, des Winters von — l bis 0° und des Sommers von +15,5 bis 17°C., während das in gleicher Breite, aber viel östlicher gelegene Irkuzk eine mittlere Temperatur des Jahres von — 0.2°C., des Winters von — 17.6°C. und des Sommers von + 15,9°C. zeigt.

*) Temperatur-Beobachtungen, welche allen wissenschaftlichen Anforderungen genügen, d. h. mit genau regulierten Instrumenten und nach dem von Humboldt in Vorschlag gebrachten Beobachtungsysteme angestellt sind, besitzen wir leider In Mecklenburg nur erst von einer einzigen Station, von Hinrichshagen bei Woldegk, wo Hr. Pastor Prozell seit 6 Jahren mit dem unermüdlichsten Eifer beobachtet (f. Archiv d. Vereins d. Freunde d. Naturgeschichte H. 3-7). Dem statistischen Büro in Schwerin ist aber eine beträchtliche Vermehrung der Stationen zu verdanken.


Auch selbst lokal werden diese klimatischen Verhältnisse nirgends in Mecklenburg wesentlich verändert, weil sein Boden sich an keiner Stelle so hoch über das allgemeine Bodenniveau erhebt, dass dadurch eine merkliche Verminderung der Temperatur hervorgebracht werden könnte. Mecklenburg gehört nämlich, wie die Nachbarländer, dem norddeutschen Flachland an, welches sich von den Gestaden der Ostsee südwärts bis zu dem mitteldeutschen Bergzug der Sudeten, des Riesengebirges, des Erzgebirges, des Thüringer Waldes und des Harzes hinüberstreckt, und welches nur einen sehr geringen Teil der cisuralischen Ebene (wie Humboldt dieselbe benennt) ausmacht, welche die größere Hälfte Europas, etwa 100.000 Qu./M. einnimmt: sie hat die Gestalt eines großen Dreiecks, dessen Grundlinie in einer vom Weißen zum Kaspischen Meere gezogenen Linie und dessen Scheitel nach der Mündung des Rheines zu liegt. Hin und Wider wird sie von niedrigen, aber sehr breiten hügeligen Landrücken durchzogen, von denen aber keiner über 1.100’ ansteigt. Einer dieser Landrücken begleitet das südliche Ufer der Ostsee, demselben bald sich nähernd, bald von ihm zurückweichend. Er durchzieht Mecklenburg in der Richtung von SO. nach NW., indem seine durchschnittliche Höhe in eben dieser Richtung hin sich allmählich senkt. Da, wo er im SO. in das Land von der Uckermark aus hineintritt, beträgt seine durchschnittliche Höhe etwas mehr als 200 Fuß bei seinem Austritt im NW. des Landes aber sinkt sie bis aus etwa 100 Fuß hinab. Dieser 2 —3 Meilen breite Landrücken bildet die Wasserscheide zwischen Nord- und Ostsee; wäre er nicht vorhanden, so würde wahrscheinlich auch die Elbe, wie die Oder, den nächsten Weg zum Meere gesucht, und statt von Havelberg aus in nordwestlicher Richtung der Nordsee sich zuzuwenden, ihre nördliche Richtung mitten durch Mecklenburg hindurch fortgesetzt und sich etwa bei Wismar in die Ostsee ergossen haben. So hat uns dieser niedrige, geographisch fast unbeachtete Landrücken um den unberechenbaren Vorteil gebracht, eine der hauptsächlichsten Pulsadern des deutschen Handelslebens an unserer mecklenburgischen Ostküste münden zu sehen! — Der Oberflächencharakter des Landrückens ist sehr verschieden. Bald ist er ein völlig ebenes Plateau, wie z. B. die große, über mehrere Quadratmeilen sich ausbreitende Fläche, welche die Müritz, den Kölpin, den Fleesen-See und Plauer See trägt; bald erheben sich auf ihm wellenförmige Hügelreihen oder kuppenartige Höhen: unter letzteren ist, so weit sichere Messungen über dieselbe vorliegen*), der Helpter Berg bei Woldegk der höchste: er erhebt sich bis auf 546 Fuß und soll selbst noch von den Küsten der Ostsee, von welcher er in nächster Richtung noch 16 Meilen, entfernt ist, über das flache Vorpommern hinweg sichtbar sein und daselbst den Seefahrern als Landmarke dienen. Der Seitenabfall des Landrückens ist gleichfalls sehr verschieden: bald ziemlich stark in die Augen fallend, bald aber auch so sanft sich abdachend, dass seine Senkung nur durch genaue Messungen und den Lauf der Flüsse zu erkennen ist. Von seinem der Ostsee zugekehrten Abfalle aus entsendet er mehrere Seitenzweige nach Norden. Einer derselben erfüllt die Gegend um den Malchiner See mit seinen Verzweigungen; ein anderer erfüllt den Raum zwischen dem Wismar'schen Busen, der Warnow und der Ostsee mit Hügelgruppen, in denen sich die Hohe Burg bei Schlemmin zu 469 Fuß, der Windmühlenberg bei Züsow zu 318 Fuß und der Kühlungsberg bei Dietrichshagen unweit des Meeresufers zu 396 Par. Fuß erheben. Während auf dem ganzen Raume von der Warnow bis zum Dassower Binnensee die Ausläufer des Landrückens fast überall das Ostseeufer berühren und auch westlich von Wismar bei Hohen-Schönberg unweit Klütz noch bis zu 286 Fuß aufsteigen, bleibt östlich von der Warnow zwischen dem Landrücken und der Ostsee ein weites, flaches und niedriges Vorland übrig, zu welchem das nordöstliche Mecklenburg und fast ganz Vorpommern gehören; in ihren südlichsten Punkten erhebt sich diese Ebene sowohl bei Neubrandenburg, als auch bei Friedland (am Fundament der Marienkirchen in beiden Orten, nach Prozells Messung) nur auf 46 Par. Fuß. — Von dem südlichen Rande des Landrückens geht nur ein einziger bemerkenswerter Zweig ab; er bildet die östliche Begrenzung des großen Lewitz-Bruches und bildet sodann südwärts von Parchim die Gruppe der Marnitzer Berge, welche in dem Runenberge nach älteren, unzuverlässigen Messungen sogar bis zu 600 Fuß aufsteigen sollen. Auch südwestlich von dem Landrücken, und zwar westlich von dem zuletzt erwähnten Zweige bis zur Elbe hin, dehnt sich gleichfalls eine große Ebene aus, deren Areal gegen 60 Qu./M, beträgt; ihre fast wassergleiche Fläche wird nur hin und wieder durch einige niedrige, isolierte Hügel unterbrochen, welche Inseln gleich aus ihr hervorragen. Diese Ebene, welche wir mit dem Namen der Heideebene bezeichnen, setzt sich mit gleichem Charakter in die Priegnitz und Hannover hinein fort. —

*) Leider sind alle älteren, in Mecklenburg ausgeführten barometrischen Höhenmessungen völlig unbrauchbar, indem namentlich die Basis der im Schwerin'schen durch den Hauptmann b. Seydewitz und J. Berg vorgenommenen, bei welchen man die von letzterem zu Ludwigslust angestellten Barometerbeobachtungen zu Grunde legte, eine durchaus unrichtige war. Einige sichere Bestimmungen (die auch oben in den Text aufgenommen sind), haben wir durch die preußische Küstenvermessung der Ostsee erlangt, andere stehen durch Hrn. Pastor Prozell für Mecklenburg-Strelitz in Aussicht, welcher, im Besitz eines trefflichen Reisebarometers, im Laufe dieses Jahres schon zahlreiche Messungen angestellt hat, deren Veröffentlichung wir in einem der nächsten Hefte des Archivs des Ver. d. Fr. d. Naturg. entgegensehen dürfen. — Gelegentlich erlaube ich mir, hier zugleich noch auf eine dritte wesentliche Lücke in unserer Landeskunde hinzudeuten, nämlich auf den fast gänzlichen Mangel an genügenden astronomischen Ortsbestimmungen.

Aus dieser Schilderung der Oberflächengestaltung unseres Bodens ersehen wir, dass es derselben an Mannigfaltigkeit fehlt und dass großartige Gebirgs- und Felsenpartien gänzlich mangeln. Das ganze Land hat ein etwas einförmiges, im ganzen aber gemütliches Gepräge, was gewiss nicht ohne Einfluss auf den gemütlichen und etwas phlegmatischen Charakter unseres Volkes geblieben ist. Aber die Grundursache dieses Charakters möchte ich in den eben bezeichneten Verhältnissen nicht suchen, sondern auch hier erkenne ich die vis originis, indem der Stamm der deutschen Einwanderer, durch welche im 12. und 13. Jahrhundert die frühere slawische Bevölkerung unseres Landes verdrängt wurde, aus Westphalen, Friesen und Holländern bestand, welche jenen Charakter schon aus ihrer alten Heimat in ihre neuen Wohnsitze mit herüberbrachten. Der Mangel einer durch besondere Reize fesselnden Natur scheint mir aber auch noch in anderer Weise auf unfern Charakter eingewirkt zu haben, indem hierdurch das Band lockerer gemacht ward, welches die Bevölkerung mit dem heimatlichen Boden zu verknüpfen pflegt. Denn dass der Mecklenburger, ohne wie z. B. der Schweizer durch Heimweh dahinzusiechen, der Heimat ein Lebewohl sagt und sich mit Leichtigkeit in andern Ländern akklimatisiert, ist eine hinreichend bekannte Erfahrung,

Was die hydrographischen Verhältnisse Mecklenburgs betrifft, so ist das Land ungemein reich an stehenden und fließenden Gewässern, deren hauptsächlichstes Reservoir der eben beschriebene Landrücken bildet. Denn seine vielen Hügel und Verzweigungen bilden zahllose weitere oder engere Täler, deren Boden zumeist entweder von ganz ebenen, feuchten Niederungen (Wiesen und Brüchen, die in vorhistorischer Zeit ohne Zweifel größtenteils Wasserbecken waren), oder von Seen und Teichen gebildet ist. Schon an einer andern Stelle des Arch. f. L. (Jahrg. 1853 S. 2) habe ich berichtet, dass die Gesamtzahl unserer Seen sich auf 461 beläuft, welche zusammen einen Raum von 12 (nach der neuesten Schätzung sogar 14 Qu./M. einnehmen. Die meisten derselben liegen auf dem flachen Landrücken selbst, wie z. B. die zahlreichen Seen in dem südlichen Teile von Mecklenburg-Strelitz. die über 2 M. große Müritz, der Kölpin-, der Fleesensee, der Plauer See, der Goldberger und der 1,21 Qu./M. große Schweriner See. Weit geringer ist die Anzahl der zwischen seinen nördlichen Verzweigungen und in der nordöstlichen Ebene gelegenen Seen, obgleich auch hier noch einige größere vorkommen, wie z. B. die Tolense, der Malchiner, Cummerower und der Teterower See, sowie auch die Seen um Güstrow herum; ihren Gesamt-Flächeninhalt schätze ich aber nur auf 2 bis 3 M., während dem Landrücken selbst 9 bis 10 M. an Seen angehören. In der südwestlichen Heideebene fehlen die Seen fast gänzlich.

Der Landrücken bildet die Wasserscheide zwischen Nord- und Ostsee. Von ihm selbst herab strömt fast alles Wasser ersterem Meere durch die Elbe zu, denn in diese ergießen sich die Delvenau (auf der Karte jetzt allgemein Stecknitz genannt), die Boize, die Schale, die Sude, die Rögnitz (ursprünglich Walerow genannt) und endlich als größte Zuflüsse aus Mecklenburg die Elde, welche wiederum die Stör und Löcknitz ausnimmt, und die Havel. — In die Ostsee dagegen ergießen sich: die Wacknitz, die Stepenitz mit der Radegast und der Maurin, die Warnow mit der Mildenitz und Nebel, die Recknitz und endlich die Peene mit der Trebel und Tolense.

Während bei einem vorgeschrittenen Kulturzustand die Flüsse wesentlich als Verbindungsstrahlen im Völkerverkehr dienen, haben sie in unserer älteren Geschichte eine gerade entgegengesetzte Rolle gespielt, indem sie die Scheidewände zwischen den vielen kleinen slawischen Völkerstämmen bildeten, welche in früheren Zeiten Mecklenburg bewohnten. So wurden z. B. die Kissiner von der Warnow, der Recknitz und der Ostsee umgrenzt, die Circipanier von der Recknitz, Trebel, Perne und Nebel, die Tolenser von der Perne und Tolense. — Auch das ganze Defensiv-System dieser slawischen Völkerstämme stand mit der hydrographischen Beschaffenheit des Landes in der innigsten Verbindung. Da sie nämlich in Mecklenburg keine steilen Berggipfel und Felsklippen vorfanden, auf denen sie ihre Burgen und Verschärfungen hätten anlegen können, so wählten sie dazu sehr zweckmäßig ein ganz entgegengesetztes Terrain, indem sie ihre Befestigungen auf Horsten in Wiesen und tiefen Sümpfen erbauten. Diese Lage hatten alle ihre zahlreichen Burgen (mit vielleicht 2 bis 3 Ausnahmen), wie z. B. Mecklenburg, Ilow, Werle, Kutsin, Malchow u. a., welche in unserer älteren Landesgeschichte so häufig erwähnt werden, — Von den Zeiten der Germanisierung Mecklenburgs an suchte man nun zwar unsere Flüsse auch schon als Verkehrswege für den Handel zu benutzen, so weit sie dazu von Natur geeignet waren; sie erlangten aber als solche keine große Bedeutsamkeit, da man Jahrhunderte lang nichts dazu tat, die natürlichen Wasserverbindungen durch Kunst zu erweitern und zu vervollständigen. Auf diesen Gegenstand richteten zurrst die Herzöge Johann Albrecht I. (1547—76) und Ulrich III. (1555 — 1603) ihr Augenmerk, indem sie eine Verbindung zwischen der Nord- und Ostsee durch Anlage des Hohenvichel'schen Kanals und Schiffbarmachung der Stör und Elde herzustellen beabsichtigten; aber bevor noch dies Unternehmen vollendet war, traten ihm die Drangsale des 36jährigcn Krieges hemmend in den Weg. Erst unserem Jahrhunderte ist es vorbehalten geblieben, die Schiffbarmachung der Elde und Havel und die Verbindung beider Flüsse durch die Müritz vollendet zu sehen, wodurch für das südliche Mecklenburg eine Binnenschifffahrt ermöglicht ist, deren Nutzen wenigstens in dem schnellen Aufblühen der Stadt Waren sich schon deutlich zu erkennen gibt. — Auch die Elbe berührt an zwei Punkten, bei Dömitz und Boizenburg, die Grenzen Mecklenburgs; da aber jene beiden Städte an dem äußersten südwestlichen Rande der Heideebene liegen, durch welche hindurch der Verkehr mit dem übrigen Mecklenburg früher sehr schwierig und selten war, so haben sich dieselben nie zu größerer Bedeutsamkeit emporschwingen können. Von unendlich größerem Einfluss ist es dagegen für unser Land gewesen, dass auch die Ostsee an zwei Stellen Häfen bildend in dasselbe eingreift; zu welchem Flor durch ihre Lage begünstigt sich daher schon vom 13. Jahrhundert an die beiden Seestädte Rostock und Wismar im Bunde mit der mächtigen Hansa emporschwangen, ist zu bekannt, als dass wir dabei hier länger zu verweilen brauchten. In den letzten 66 Jahren aber haben unsere Meeresküsten auch noch andere als merkantilische Anziehungspunkte dargeboten. Seit dem J. 1794 ist zu Doberan das erste deutsche Seebad errichtet worden, welches bald der Sammelplatz der vornehmen Welt von nahe und ferne ward; der Ort erhob sich dadurch schnell zu bedeutendem Glänze, obgleich er seiner Entfernung von der See wegen nicht gc>»; glücklich für seinen Zweck ausgewählt war, und daher zieht sich denn auch in neuester Zeit das eigentliche Badeleben immer mehr und mehr nach der Stelle hin, welche von der Natur am meisten dazu geeignet ist, nämlich nach dem heiligen Damm. Auch Warnemünde ist, seit es ein Seebad besitzt, viel bedeutsamer geworden; ob dies auch schon mit Boltenhagen der Fall gewesen sei, darüber fehlt es mir an Auskunft.

Obgleich wir eine nicht unbedeutende Anzahl von Mineralquellen im Lande haben, so haben dieselben doch fast alle nur temporär eine wichtige Rolle gespielt, indem sich nur eine einzige durch allen Wechsel der Zeiten und der Mode hindurch, da ihre Wichtigkeit von. der letzteren unabhängig war, in ihrer Bedeutsamkeit erhalten hat. Es ist dies die Salzquelle bei der Stadt Sülz, welche schon zu Anfang des 13. Jahrhunderts zum Betriebe einer Saline diente, denn schon in der ältesten Urkunde, in welcher die Salzquelle zuerst erwähnt wird (1243), ist von einer Benutzung derselben durch die Vorfahren die Rede. In ununterbrochenem Betriebe stehend, produziert diese Saline den größeren Teil des unentbehrlichsten aller Gewürze, — nach dem Durchschnitt der letzten 10 Jahre 117.889 Scheffel jährlich, wodurch etwas mehr als 60.000 Thlr. jährlich dem Lande erhalten werden, die sonst für diesen Artikel ins Ausland gehen würden. Auch zu Sülten unweit Brüel stand schon zu Anfang des 13. Jahrhunderts eine Saline in Betrieb und hundert Jahre später ward noch eine dritte bei Conow errichtet, wegen des geringen Salzgehaltes ihres Wassers aber konnten sie nicht recht in Aufnahme kommen, sie gingen mehrere Male ein und wurden dann von neuem wieder in Betrieb gesetzt, bis man endlich von ihrer Ausbeutung ganz abgestanden ist. — Als Heilquelle, oder vielmehr als Wunderquelle kam zuerst eine Quelle in großen Ruf, welche zu Sternberg, bald nachdem daselbst im J. 1492 durch christlichen Fanatismus die unglücklichen Juden geopfert waren, auf dem Mühlenkamp entsprang, und welche die Priester für die abergläubige Menge trefflich auszubeuten verstanden, indem sie die Wirkung der Quelle mit der wunderbaren Kraft der blutenden Hostien in Verbindung zu setzen wussten; aber schon nach einem Menschenalter trat die Reformation störend dazwischen. Eine andere Heilquelle florierte in Mecklenburg bald nach dem 30jährigen Kriege; eine dritte ward 1723 bei Röbel entdeckt und diese Entdeckung daselbst sogar durch Kirchengebete gefeiert, aber beide sind bei der undankbaren Nachwelt gänzlich in Vergessenheit gerochen. Die Blütezeit unseres Heilquellen-Enthusiasmus gehört aber dem zweiten und dritten Dezennium des gegenwärtigen Jahrhunderts an. In dem bezeichneten Zeitraum wurden entdeckt und zum Gebrauche eingerichtet die Stahlquellen zu Doberan, Goldberg, Parchim und Stavenhagen, die Bittersalzquelle und die Schwefelquelle bei Doberan, die Wunderquelle bei Hagenow, und im J. 1822 ward auch zu Sülz ein Soolbad eingerichtet. Aber obgleich in dem ersten Enthusiasmus z. B. zu Goldberg schon 2 Jahre nach der Entdeckung der Quelle im J. 1818 sich 243 Badegäste einfanden, und manche unserer Stahlquellen nach dem Urteile erfahrener Ärzte sich mit anderen renommierten Heilquellen, wie z. B. mit der Pyrmonter, messen können, so verloren sie doch sehr bald wieder ihre Anziehungskraft so sehr, dass jetzt nur noch die Doberaner Stahlquelle und das Sülzer Soolbad sich einigen Besuches zu erfreuen haben. Am eigentümlichsten sind die Schicksale der Hagenower Quelle gewesen. Schon im J. 1761 hatte sie sich einen solchen Ruf als Heilquelle erworben, dass in dem genannten Jahre im Auftrage der Regierung eine Untersuchung derselben vorgenommen wurde, welcher zufolge das Wasser außer etwas kohlensaurem Kalk gar keine anderen mineralischen Bestandteile enthalten sollte. Der Ruf der Quelle verlor sich nun, und sie ward verschüttet. Anfangs Sept. 1818 wurde sie aber wieder aufgegraben, und der Ruf ihrer Wunderkuren verbreitete sich so schnell, dass der Magistrat der Stadt es für nötig hielt, das Verunreinigen des Wassers durch das Baden ansteckender Kranken zu verhindern. Der Brunnen Waid neu gefasst und gereinigt und zum Schöpfen des Wassers ein Wächter angestellt. Der Zulauf des Volkes, welches mirabile dictu die Wirkungen der Quelle einer dort in früheren Zeiten versunkenen Apotheke zuschrieb, war von allen Seiten sehr groß, und das Wasser ward in Fässern nicht bloß nach den benachbarten Städten, sondern sogar bis nach Wismar, Lübeck, Hamburg und Hannover verfahren. Eine darauf im großherzogl. Auftrage unternommene Untersuchung des Wassers durch Herrn Dr. Obermedizinalrat Brückner (im J. 1818) zeigte, dass die Quelle zwar allerdings etwas mehr mineralische Stoffe enthalte, als die erste Untersuchung ergeben hatte, dass sie aber durch Abwesenheit des kohlensauren Eisenoxyduls und der freien Kohlensäure von den meisten Mineralquellen des nördlichen Deutschlands sich unterscheide und dass daher ihre in manchen Füllen evident erwiesene Wirksamkeit sich Wohl nur daraus erklären lasse, dass die Bewohner unserer Gegend fast durchgehends an den Genuss härteren Wassers gewöhnt sind. Der Ruf der Quelle verschwand ober auch diesmal sehr bald wieder. — Während also die Mineralquellen des mittleren und südlichen Deutschlands starke Anziehungspunkte teils für Tausende von Genesung suchenden Kranken, teils, wie Wiesbaden und Baden-Baden, aber Sammelplätze für die vornehme Welt, und dadurch eine reiche Einnahmequelle für jene Gegenden geworden sind, haben unsere Quellen gegen diese gänzlich zurückstehen müssen, sei es nun, dass ihre Heilkraft wirklich geringer sei, oder dass ihre Lokalitäten weniger Annehmlichkeit für Fremde darbieten, oder endlich, weil auch die Mode hier ihren allgewaltigen Einfluss geltend machte, — vielleicht alles dieses zusammengenommen.

Was endlich die Bodenbeschaffenheit oder die geognostischen Verhältnisse Mecklenburgs betrifft, so bieten dieselben keine große Mannigfaltigkeit dar. Die anstehenden, auf plutonischem oder neptunischem Wege gebildeten Felslager, welche die äußeren Schichten der festen Rinde unserer Erde bilden, sind in Mecklenburg, wie überhaupt im ganzen nördlichen Deutschland, fast überall unter einem mehr oder weniger mächtigen Diluviallag er begraben, aus welchem sie nur an vereinzelten Punkten so isoliert und inselartig hervortauchen, dass die Bemühungen, die zwischen ihnen stattfindenden geognostischen Beziehungen wissenschaftlich aufzuklären, im Ganzen bis jetzt wenig gelungen find. Diese sogenannten Diluvialmassen (deren Name sich daher schreibt, dass man sie früher als ein Produkt der Sündflut, lateinisch diluvium, ansah), bestehen aus lockeren Erdschichten, welche aus Sand, Lehm, Mergel und Thon mannichfach zusammengesetzt und unregelmäßig durcheinander gelagert sind. Zahllose Felstrümmer fast aller älteren anstehenden Gebirgsformationen finden sich teils in diesen Lagern, teils auf ihrer Oderflache verstreuet. An Größe sind sie sehr verschieden; sie finden sich von der Größe der Sandkörner bis zu einem Volumen von mehreren Tausend Kubikfuß. Diese Gerölle (auch Geschiebe, erratische Blöcke genannt) bestehen der Mehrzahl nach aus plutonischen Felsarten, und der Granit spielt unter diesen die wichtigste Rolle; Gerölle von sedimentären Felsarten, welche Petrefakten in sich schließen, kommen am häufigsten aus der silurischen Formation, aus dem Jura, der Kreide und aus tertiären Lagern vor. SS ist daher in keinem Lande den Sammlern so leicht gemacht, auf kleinem Räume reichhaltige Mineralien- und Patrefaktensammlungen zusammen zu bringen, als in Mecklenburg und den Nachbarländern von ähnlicher Beschaffenheit, denn man braucht nur aufzunehmen, was überall lose auf den Feldern umher liegt. Dieser Leichtigkeit des Sammelns ist es denn auch zuzuschreiben, dass die Passion dafür in diesen Ländern schon so zeitig erwacht ist, während in andern Ländern, die uns in der geognostischen Kenntnis ihres Bodens jetzt weit vorausgeeilt sind, dies viel später geschah, selbst in dem jetzt so eifrig sammelnden England; noch im J. 1766 schrieb der reisende Engländer Dr. Thomas Nugent: „ich glaube, dass man fast nirgends häufiger Naturaliensammlungen antrifft, als in Mecklenburg, denn man wird fast in jeder Stadt einen Liebhaber solcher Sammlungen finden". Dieser Eifer hielt so lange an, als man die Sammlungen noch als bloße Kuriositätensammlungen betrachten konnte; als aber in neuerer Zeit wissenschaftliche Ansprüche an dieselben gemacht wurden, kühlte er sich, wegen der Schwierigkeit, dieselbe zu befriedigen, gar sehr ab, und nur erst in neuester Zeit, hat er wieder einigen Aufschwung erlangt.

Die vorhin bezeichneten Gerölle sind aber nicht in chaotischem Gemenge über das Land zerstreuet, sondern in ihrer Verteilung herrschen bestimmte Gesetze, welche jetzt freilich nur erst teilweise erkannt sind. Die plutonischen Gerölle konzentrieren sich an einigen Orten und in größeren Landstrichen ganz besonders, wie z. B. im Klötzer Ort, auf der Feldmark des Dorfes Steinbeck unweit Parchim, bei Marnitz, Leppin, Meiersdorf und Drefahl an den Marnitzer Bergen. Ihre strichweise Verbreitung aber zeigt sich am deutlichsten in einem breiten von ihnen übersketen Landstreifen, welcher bei Bukow unfern der Ostsee beginnt und dann in südöstlicher Richtung an der Südspitze des Malchiner Sees und der Lieps (in Mecklenburg-Strelitz) vorbei bis nach Prenzlau in die Ukermark hinein sich hinzieht. Die Gerölle sind in diesem Streifen, und auch noch in anderen mit ihm ziemlich parallel verlaufenden kleineren, so dicht ausgesät, dass sie an vielen Orten dem Ackerbau erhebliche Hindernisse in den Weg legen, ja, dass bis auf die neueste Zeit hin manche Strecken sonst sehr kulturfähigen Bodens um ihrer willen ganz ungenutzt blieben. Bei dem Fortschritt aber, den unsere Landwirtschaft in neuerer Zeit gemacht hat, und bei dem beträchtlichen Steigen des Bodenwertes hat man sich überall ernstlich bemühet, die Gerölle möglichst entweder durch Versenken in Wasserlöcher oder Eingraben ganz zu beseitigen, oder sie doch wenigstens unschädlicher zu machen, indem man sie an einzelnen wertloseren Stellen des Ackers zusammenhäufte; letzteres ist z. B. auf der Feldmark des Mecklenburg-Strelitz'schen Domanialgutes Neuhof unweit Feldberg geschehen, wo man 1900 solcher Steinhaufen zusammengetragen hat, deren gänzliche Beseitigung, welche kürzlich beabsichtigt wurde, auf 8.000 Thlr. veranschlagt ward. Der Preis der in diesen Streifen gelegenen Landgüter ist durch dies Aufräumen so gestiegen, dass eines derselben, welches vor einigen 20 Jahren für nur 20.000 Thlr. verkauft ward, weil der mit der Taxation desselben beauftragte Landmann den Boden des Guts für „lauter Unland" erklärte, wenige Jahre später, nachdem der Boden von den Geröllen gereinigt war, schon für 42.000 Thlr. verkauft ward und jetzt für 80.000 Thlr. kaum feil wäre. Alle Dorfschaften, welche in diesen Geröllstreifen liegen, fallen sogleich durch ihr Äußeres auf; die Wohnhäuser und Wirtschaftsgebäude sind zum Teil aus Feldsteinen gebaut, was in minder steinreichen Gegenden nicht der Fall zu sein pflegt, und überall um Gärten, Koppeln und selbst an den Landstraßen entlang erblickt man Einfriedigungen von Steinmauern. Aber selbst dort, wo die so viele Steine verkonsumierenden Chausseen diese Streifen durchschneiden, haben sie die Masse der Gerölle nicht zu bewältigen vermocht. Bedenkt man nun aber, welche ungeheure Menge dieser Steine in dem Laufe der letzten 600 Jahre seit der Anlage unserer Städte zu den Mauern und dem Straßenpflaster derselben und zu den Fundamenten ihrer Häuser, zu den Landstraßen u. s. w. verbraucht ist, so wird man sich ungefähr eine Vorstellung davon machen können, wie übersäet mit Geröllen auch diejenigen Gegenden, welche jetzt schon daran Mangel haben, ursprünglich gewesen sein müssen. Für die jetzige germanische Bevölkerung Mecklenburgs sind sie von ganz unberechenbarem Nutzen gewesen, da dem Lande anstehende Felsmassen, welche als Bausteine oder Straßenpflaster gebraucht werden könnten, gänzlich fehlen. Wären sie uns nicht zu Teil geworden, so wären wir gezwungen gewesen, ebenso wie die Bewohner der nordwärts vom schwarzen Meere gelegenen Steppenländer, unsere Bauten nur von Holz, Backsteinen, Lehm und Kalk auszuführen und auf Straßenpflaster, sowie auf Chausseen gänzlich zu verzichten. — Auffallend ist es, dass die früheren slawischen Bewohner Mecklenburgs die Gerölle gar nicht zu ihren Bauten verwendeten und ebenso auch keine Backsteine gebrauchten, sondern nur aus Holz und Lehm bauten; es gibt uns dies aber einen Fingerzeig dafür, aus welchem Lande sie nach Mecklenburg einwanderten, nämlich wahrscheinlich aus den eben erwähnten stein- und felslosen südrussischen Ebenen: sie behielten daher hier in Mecklenburg nur die aus ihrer älteren Heimat herübergebrachten Gewohnheiten bei. — Von den aus sedimentären Felsarten bestehenden Geröllen sind nur allein die Kalksteine, dort wo sie häufig vorkamen, von einiger Wichtigkeit gewesen; man benutzte sie hin und wieder, aus Mangel von anderem Material, zur Speisung der Kalköfen, und manche schöne silurische Orthozeratiten und Trilobiten sind dort zum zweiten Male den Feuertod gestorben. Jetzt sind aber diese Kalksteine wenigstens in größeren Blöcken schon so selten geworden, dass es sich nicht mehr verlohnen würde, sie auf die bezeichnete Weise zu verwenden.

Was den Ursprung aller dieser Gerölle betrifft, so verdanken sie denselben offenbar der Zerstörung älterer, anstehender Felslager. Wo aber die Gebirge vorhanden gewesen sind, welche das Material zur Diluvialbildung hergegeben haben, — ob in Schweden, wie einige Geognosten meinen, oder dort, wo jetzt die klaren Fluten der Ostsee wogen, oder endlich in dem Raum welchen das Diluvium jetzt selbst einnimmt, — wann ferner jene Zertrümmerung stattgefunden hat und durch welche Kräfte sie bewirkt ist, ob durch plutonische oder neptunische, oder durch das Zusammenwirken beider, — dies alles sind Fragen, über deren Beantwortung die Geognosten noch lange unter einander hadern werden, wenn sie es nicht vorziehen, dieselbe als unlösbar gänzlich beiseite zu legen. Auf dem früheren, mehr kindlichen Standpunkte der Wissenschaft wurde man freilich mit diesen Fragen sehr leicht fertig, indem man die Gerölle durch eine supponierte plastische Kraft im Boden von selbst entstehen, oder wie die Trüffeln in der Erde wachsen ließ, — eine Ansicht, die man noch jetzt unter den Laien, und zwar selbst unter solchen, die auf allgemeine wissenschaftliche Bildung Anspruch machen, nicht eben selten antreffen kann.

Unter den Diluviallagern finden sich hin und wieder Tonlager, Alaunlager und Braunkohlenschichten, welche alle der tertiären Formation angehören, zahlreiche Kalklager aus der Kreideformation und endlich noch eine mächtiger Gipsstock, dessen geognostische Stellung noch zweifelhaft ist; speziellere Angaben über alle diese anstehenden Lager und die Örtlichkeiten, wo sie vorkommen, gibt meine geognostische Skizze im 6. Heft des Archivs des Vereins der Freunde der Naturgeschichte, auf welche ich mir daher diejenigen, welche sich für diesen Gegenstand näher interessieren, zu verweisen erlaube. Alle diese Lager enthalten für die Industrie reiche mineralische Schätze, welche ohne Zweifel in jedem industrielleren Lande, als Mecklenburg es ist, schon längst mit großem Eifer und Nutzen ausgebeutet worden wären. Hier aber ist kaum erst der Anfang dazu gemacht worden, und obgleich sich selbst einzelne Herzöge für manche derartige Unternehmungen sehr lebhaft interessierten, wie z. B. Friedrich Wilhelm, welcher (wie Franke berichtet) das Mallitzer Alaunbergwerk sogar in das Kirchengebet einschließen ließ, so waren dieselben doch entweder nur von ephemerem Bestande, oder fristeten nur kümmerlich ihr Dasein. Der Grund dieser Erscheinung ist wohl hauptsächlich in der so überaus günstigen geognostischen Beschaffenheit der aus Diluviallagern gebildeten Oberfläche unseres Bodens, im Verein mit der so sehr geringen Zahl unserer Bevölkerung, zu suchen, wodurch es dieser so leicht gemacht ist, durch Ackerbau ihr Gold über der Erde zu finden, ohne demselben in der Tiefe der Erde nachzugraben.

Die geognostische Beschaffenheit der Bodenoberfläche ist nämlich der Art, dass sie (freilich mit mehr oder weniger günstigem Erfolge) den Ackerbau überall gestattet, dem, wie wir schon oben gesehen haben, auch nirgends durch die orographischen Verhältnisse des Landes ein Hindernis in den Weg gelegt wird. Es bleibt somit von der Natur nichts von der ganzen Bodenoberfläche der Kultur entzogen, zu deren genügendem Betriebe aber die vorhandenen Menschenkräfte kaum ausreichen. Die Güte des Bodens ist jedoch nicht überall gleich. Es lassen sich in Bezug auf dieselbe drei große Gebiete von verschiedener Bodenbeschaffenheit unterscheiden, je nachdem in ihnen die einen oder die anderen Diluviallager vorherrschen.

In der ganzen nördlichen Hälfte des Landes bis zu dem zentralen Landrücken hinab, walten an der Oberfläche Lehmlager vor, und diese Gegend ist es daher, welche sich vorzugsweise durch ihre herrlichen Weizen- und Rapsfelder, sowie durch Eichen- und Buchenwaldungen charakterisiert; auch in landschaftlicher Beziehung ist sie die anmutigste und mannigfaltigste. — Südlich von diesem fruchtbaren Gebiet zieht sich ein durchschnittlich etwa 2 Meilen breiter Sandstreifen in der Richtung von SO. nach NW. durch das Land, von den Grenzen der Ukermark beginnend bis zum Schweriner See hin, an dessen östlichem Ufer er plötzlich eine nördliche Richtung nimmt und sich in derselben, allmählich schmaler werdend, bis Kirch-Mulsow hinauszieht; er nimmt die obere Fläche des breiten, vorhin beschriebenen Landrückens ein. Der weiß-gelbe Sand, welcher diesen Boden bildet, ist zum Teil sehr flüchtig, und auf ihm gedeihen nur Roggen, Hafer, Buchweizen und Nadelholzwaldungen. Den unfruchtbarsten Teil des Landes aber bildet die gleichfalls schon erwähnte Heideebene im südwestlichen Teil Mecklenburgs. Ihr Boden besteht teils aus schwarzem, kohlig-harzigem Humusboden, teils aus Fuchserde (eisenschüssigem Sande) und blendend weißem Quarzsand, Heidekraut, dürftige Sandgräser und kümmerliche Nadelholzwaldungen, welche das Ansehen haben, als wären sie im Absterben begriffen, bilden seine vorherrschende Bekleidung, und der Ackerbau, welcher sich auch hier nur auf Roggen, Hafer und Buchweizen beschränkt, hat mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen; doch trägt eine rationelle Behandlung des Bodens auch hier so entschieden den Sieg über die Ungunst der Natur davon, dass ich z. B. im vorigen Jahre dort auf einem dem Anscheine nach fast ganz unkultivierbaren Boden Hafer gesehen habe, so schön und kräftig, wie er mir sonst nur auf den besten Feldern unseres Landes vorgekommen war.
Von welchem bedeutsamen Einfluss diese Verschiedenheit des Bodens auf die menschlichen Ansiedelungen gewesen ist, zeigt ein einziger Blick auf unsere Landkarte. Man sieht sogleich, wie dicht sich in der nördlichen Hälfte des Landes die Dörfer zusammendrängen, wie sie nach Süden zu auf dem Landrücken weit sparsamer werden, in der Heideebene aber in sehr weiten Distanzen verstreut liegen. Diese letztere Gegend bot früher sogar der deutschen Bevölkerung Mecklenburgs so wenig Anlockendes dar, dass sie dieselbe wenigstens teilweise bis in das 16. Jahrhundert hinein der sonst aus allen übrigen Landesteilen verdrängten slawischen Bevölkerung überließ; aber auch seitdem die letzten Reste derselben dort verschwunden sind, haben reiche Grundeigentümer sich von dieser Gegend möglichst fern gehalten, sie befindet sich noch jetzt fast ausschließlich in den Händen von Bauern und Kolonisten.

Auf der diluvialen Bodendecke bilden sich gegenwärtig noch manche Stoffe, welche der geognostischen Klassifikation nach dem Alluvium zugerechnet werden, und von denen wenigstens der Torf, der Wiesenkalk und der Raseneisenstein noch eine kurze Erwähnung verdienen. Obgleich Mecklenburg sehr reich an Torf ist, was uns bei dem jetzt schon so fühlbaren Holzmangel trefflich zustatten kommt, so könnte es doch auffallend erscheinen, dass derselbe schon so frühzeitig, als noch Holz in Hülle und Fülle vorhanden war, die Aufmerksamkeit der germanischen Bevölkerung unseres Landes (denn die Slawen scheinen ihn nicht benutzt zu haben) auf sich zog. Schon seit dem J. 1337 geschieht seiner in zahlreichen Urkunden Erwähnung, Wie uns die slawische Bauart ein Fingerzeig über den wahrscheinlichen früheren Wohnsitz jener in Mecklenburg eingewanderten slawischen Volksstämme gab, so würden wir auch aus dieser Benutzung des Torfes einen Schluss auf den ursprünglichen Wohnsitz der deutschen Einwanderer machen können, wenn uns die Geschichte über diesen Punkt keine Aufklärung gegeben hätte: sie kamen aus Holland, Ostfriesland, Seeland, Flandern, Westfahlen u. s. w., also zum Teil wenigstens aus Gegenden, wo man die Benutzung des Torfes schon seit länger als 1.000 Jahre vor ihrer Einwanderung in Mecklenburg kannte, denn von den Cauchen an der Nordsee berichtet schon Plinius: „den mit den Händen geformten Schlamm mehr durch den Wind als durch die Sonne trocknend, erwärmen sie mit Erde ihre Speisen und ihre von der Kälte des Nordens starrenden Eingeweide". — Auch der gleichfalls durch organische Kräfte (durch Pflanzen und Konchylien) erzeugte Wiesenkalk bildet beträchtliche Lager in Mecklenburg, die zur Anlegung mehrerer Kalköfen Veranlassung gegeben haben. Der Raseneisenstein (auch Klump genannt) gehört vorzugsweise der Heideebene an, wo er in ansehnlichen Massen vorkommt. Es ist mehrfach zwischen den J. 1313—1770 der Versuch gemacht worden, durch Anlegung von Eisenwerken zu Grabow, Neustadt, Dömitz, Zarrentin und Wittenburg, dies Erz technisch auszubeuten, aber alle diese Etablissements haben sich nur einer kurzen Existenz zu erfreuen gehabt. Wahrscheinlich ist aber die Ausschmelzung dieses Sumpferzes für die ältere slawische Bevölkerung unseres Landes, ebenso wie dies nachweisbar in Pommern der Fall war, ein Gegenstand von sehr großer Bedeutsamkeit gewesen. Denn ohne Zweifel gebrauchten sie mehr Eisen, als das, welches ihnen durch ihre spärlichen Handelsverbindungen zugeführt wurde, oder welches sie im Kriege erbeuteten; woher aber sollten sie dasselbe nehmen, wenn sie nicht den einheimischen Raseneisenstein ausgebeutet hätten? Da gegenwärtig aber das Eisen durch den Handel von auswärts billiger und besser bezogen werden kann, ist dieser Industriezweig für uns unnötig geworden.

Schließlich erlaube ich mir noch darauf hinzudeuten, dass ohne Zweifel die physischen Verhältnisse unseres Landes sich auch in den Krankheitserscheinungen daselbst abspiegeln werden, obgleich meines Wissens leider noch keine Beobachtungen darüber von unseren Ärzten veröffentlicht sind, aus welchen man dies in einzelnen Fällen nachweisen könnte. Doch hat schon Lisch die Bemerkung gemacht, dass in früheren Jahrhunderten (wie z. B. im 16. Jahrhundert der englische Schweiß) Seuchen, welche in den Nachbarländern große Verheerungen angerichtet haben, in Mecklenburg mitunter in weit milderem Charakter aufgetreten sind. Dies wird durch die hinsichtlich der Cholera in den letzten Jahrzehnten gemachten Erfahrungen auf das Entschiedenste bestätigt, indem dieselbe in Mecklenburg nur sporadisch aufgetreten ist, und ganz besonders das strelitzsche Ländchen so sehr verschont hat, dass in dem ganzen Lande bis jetzt kaum ein Dutzend Menschen dieser Krankheit erlegen sind. Es ist dies um so auffallender, da die Cholera schon zu verschiedenen Zeiten in den preußischen Ortschaften hart an der Grenze unseres Ländchens sehr stark grassiert hat, und von dort aus auch mehrfach (wie z. B. im J. 1850 nach Neubrandenburg, 1852 nach Woldegk und im gegenwärtigen Jahre nach Friedland) zu uns verschleppt worden ist; aber sie hat sich glücklicherweise nirgends hier festgesetzt, und außer den Personen, durch die sie uns zugeführt ward, kaum irgend ein weiteres Opfer gefordert. Wenn aber manche Naturforscher und Ärzte das Auftreten dieser verheerenden Seuche hauptsächlich von der geognostischen Beschaffenheit des Bodens abhängig machen wollen, so findet diese Meinung durch die in Mecklenburg gemachten Erfahrungen durchaus keine Bestätigung, indem weder diejenigen Orte, wo sie im Schwerin'schen sporadisch, aber ziemlich stark, sich gezeigt hat, sich durch irgend eine geognostische Eigentümlichkeit auszeichnen, noch auch Mecklenburg-Strelitz in dieser Hinsicht von den angrenzenden preußischen Landgebieten sich irgend wie unterscheidet. Eine bestimmt ausgeprägte Einwirkung geognostischer Ursachen allein lässt sich in diesem Falle nicht nachweisen, sondern es ist auch hier eine Komplikation sehr verschiedener physischer Ursachen anzunehmen, unter denen dann vielleicht auch die geognostischen eine, wenn auch nur unbedeutende Rolle gespielt haben mögen.

Diese kleine Skizze wird zugleich auch dazu dienen können, mein obiges Urteil über den Grundsatz, von welchem Cotta ausgeht, noch mehr zu bestätigen. Ich habe zwar nachgewiesen, wie eine mannigfaltige Einwirkung der physischen Verhältnisse unseres Landes auf seine Bewohner sich nicht verkennen lasse, aber niemand wird wohl in Abrede stellen, dass alle die Einwirkungen von untergeordnetem Werte sind und durchaus nicht dazu dienen können, unseren Volkscharakter und die Entwicklung unseres Volkslebens zu erklären. Mögen auch in andern Ländern, wo die physischen Verhältnisse noch schärfer markiert hervortreten, auch ihre Wirkungen auf die Völker sich noch ersichtlicher zeigen, — ihre Rolle wird auch dort (dies ist meine feste Überzeugung) stets nur eine untergeordnete sein. Es sind diese Wirkungen der äußeren Natur auf die Völker nur den Perturbationen ähnlich, welche die Planeten in ihren Bahnen durch einander erleiden, und durch welche sie zwar in ihrem Laufe bald verzögert, bald beschleunigt werden; — die ewigen Kreise aber, welche sie im Weltenraume beschreiben, sind ihnen durch eine andere, mächtigere Kraft vorgeschrieben worden, welche nicht in jenen verwandten Planeten ihren Sitz hat!
Neubrandenburg, den 23. Nov. 1853. Ernst Boll.