Vierte Fortsetzung

Aus dieser Allerhöchsten Entschließung geht deutlich hervor, dass die lateinische Schule gleich der Werktagsschule den Anstalten vorarbeiten soll, in denen die Berufsbildung immer mehr und mehr hervortritt, so viel nämlich solches in den Schulen überhaupt der Fall sein kann. Wer die Ansicht nährt, als müsse z. B. eine Gewerbeschule ihren Schüler dahin bringen, dass derselbe, sobald er diese Anstalt verlassen hat, ein jedes beliebiges Gewerbe zu betreiben im Stande sei, dass er also eben so gut einen tüchtigen Schlosser, Mechaniker, als Schreiner, Zimmermeister etc. abgebe, der lebt allerdings in dem größten Irrtume. Einer solchen Ansicht zufolge müsste auch ein jeder Schüler, welcher das Gymnasium absolviert hat, sogleich als Priester, Richter, Arzt u. dgl. auftreten können. So wie diese im Gymnasium sich auf ihr Fach-, ihr Berufsstudium vorbereiten, und auf der Universität gleichsam erst in die Lehre treten müssen, um nun die speziellen Kenntnisse einzusammeln, welche zur Betreibung ihres Berufes erforderlich sind, so wie diese auch hier noch sich manchen Wissenschaften widmen müssen, die nicht direkt in den Beruf eingreifen; eben so muss auch jeder Gewerbetreibende, wenn er in seinem Stande nicht die Rolle spielen will, die z. B. der Schreiber eines Advokaten oder in einem Collegio der Messner und Balkentreter in der Kirche spielt, sich nicht nur im Allgemeinen tüchtig auf seinen Beruf vorbereiten, sondern zu dessen Erlernung auch noch in die Lehre treten, wo er seine eingesammelten Kenntnisse und erworbene Geschicklichkeit praktisch anwenden, und nach speziellen Richtungen hin ausbilden lernt.

Richten wir nun einen prüfenden Blick auf die genannten Vorbereitungsschulen, wie sie in der Wirklichkeit sind, so werden wir finden, dass es keineswegs gleich ist, ob der Jüngling sich in der lateinischen oder in der Werktagsschule vorbereitet, sofern er sich dem Handelsstande oder einem Handwerke zu widmen gedenkt; ebenso werden wir finden, dass beide genannte Anstalten nicht zu gleichem Ziele gelangen; die Werktagsschule verfolgt die Vorbereitung zur Berufsbildung nicht so weit, als die lateinische Schule, und kann, wenigstens in München, ihre Schüler schon mit dem elften Jahre entlassen, ein Alter, in welchem kein Schüler ohne Dispensation in die Gewerbeschule aufgenommen werden soll. Wäre übrigens auch nicht das zwölfte Lebensalter als Zeitpunkt zur Aufnahme in die Gewerbeschule festgestellt, so sollte in Berücksichtigung der Kräfte und Fähigkeiten der Schüler auch gar nicht an eine frühere Aufnahme gedacht werden, wenn die Gewerbeschulen wirklich die Berufsbildung vorzüglich im Auge behalten und verfolgen sollen.


Nach unserer Ansicht, so wie nach den Ansichten von allen erfahrenen Schulmännern, sollte eine Gewerbeschule keinen Schüler vor dem vierzehnten Jahre aufnehmen. In der Schweiz, wo die Eltern gewiss eben so gern als anderwärts ihre Söhne so zeitig wie möglich in das Geschäft nehmen, und wo man recht sorgfältig kalkuliert, wie viel der Knabe jährlich kostet, wird nicht leicht ein junger Mensch vor dem 15ten Jahre in eine Industrie- oder Gewerbeschule eintreten; in St. Gallen z. B. ist das 15te Lebensjahr als der Zeitpunkt angenommen, zu welchem die Aufnahme in die Industrieschule stattfinden kann; bis zu diesem Alter wird freilich der Schüler in der Realschule, in welche er mit dem 10ten Jahre aus der Primarschule übergeht, gründlich, zweck- und naturgemäß für die Industrieschule vorbereitet. Sogar die Appenzeller, welche an gar keine Schulgesetze gebunden sind, werden ihre Söhne nicht leicht vor dem 15ten Jahre eine Gewerbeschule besuchen lassen, indem sie der Ansicht sind, dass der Verstand nicht vor den Jahren kommt, und dass man mit unreifen Geistern, weder in höheren Schulen, die dem praktischen Leben in die Hände arbeiten sollen, noch in dem Geschäfte etwas Gescheidtes ausrichten kann.

Die lateinische Schule führt, wie oben bemerkt ist, ihre Schüler weiter, als die deutsche Werktagsschule, es wird aber auch selten ein Schüler vor dem 14. Lebensjahre alle Kurse derselben durchlaufen haben, daher sich zwischen beiden Schulen hinsichtlich des Alters eine Differenz von wenigstens 2 Jahren herausstellt. Dazu kommt ferner, dass, wenigstens in München, die lateinische Schule keineswegs eine Vorbereitungsschule für die Gewerbe-, sondern für die Gelehrten Gymnasien ist, und dass deshalb die aus ihr austretenden und zur Gewerbeschule übergehenden Schüler in Hinsicht auf die Kenntnisse, welche in der Gewerbeschule, wie sie gegenwärtig ist, zunächst berücksichtigt werden, wenig vor den Schülern der deutschen Werktagsschule voraus haben, und deshalb auch nicht füglich in einem höheren Kursus der Gewerbeschule aufgenommen werden können, als die Werktagsschüler. Sollte letzteres aber auch der Fall sein, so wird, wir wissen es aus eigener Erfahrung keineswegs, doch gewiss die Mehrzahl derselben den Kursus im kommenden Jahre repetieren müssen, in welchem sie aufgenommen wurden, und somit wieder nichts gewonnen haben.