Weinkultur in Japan

Nach den Berichten Tukuba Yahitos, Direktor der Weinberge in Harima
Autor: Yahito, Tukuba (?) Direktor der Weinberge in Harima, Erscheinungsjahr: 1887
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Weinkultur in Japan, Weinreben, Traubensorten, Weinlese, Weinberge, Rebenpilz, Rebenkrankheiten, Kulturversuche, Stecklinge
Nach den Berichten Tukuba Yahito's, Direktor der Weinberge in Harima, sowie nach offiziellen Ausweisen des japanischen Ackerbauministeriums mitgeteilt von der „Asiatic Society of Japan“

Österreichische Monatszeitschrift für den Orient
Herausgegeben vom Orientalischen Museum in Wien
Redigiert von A. von Scala.
Dreizehnter Jahrgang, 1887
Die Weinrebe ist so ziemlich über ganz Japan verbreitet, insbesondere aber wird der Weinbau im Herzen der Insel Niphon, in der Provinz Kôfu, gepflegt. Schon seit, historisch gesprochen, sehr langer Zeit haben die Bewohner dieser Provinz Weintrauben gesammelt.

Darf man der Überlieferung Glauben schenken, so reicht die Entdeckung der Weinrebe in Japan 700 Jahre, bis zur Regierungszeit des Kaisers Gotoba (1185. zweites Jahr des Bunzi) zurück, und wurde von zwei Bauern eines in den Bergen von Kôfu, Bezirk Yassirô, gelegenen Dorfes Namens Kamiivasaki gemacht. Aménomiya und Kagaju (dies die Kamen der beiden Entdecker) bemerkten eines Tages auf einem Abhänge ein wildes Rebenfeld. Da sie begierig waren, über die Beschaffenheit der Pflanzen sich näher zu unterrichten, so trugen sie einige derselben nach dem ihnen gehörenden Garten Ziô-Seï-zi, setzten die Gewächse in den Boden und verwandten alle Mühe auf deren Gedeihen. Nach Verlauf von fünf Jahren standen die Weinstöcke in ihrer vollen Entwicklung und begannen Früchte zu tragen. Überrascht und erfreut über ihre Entdeckung, bemühten sich Aménomiya und sein Genosse in verdoppeltem Eifer um das Gedeihen ihrer merkwürdigen Pfleglinge, pflanzten dieselben fort und besaßen im Jahre 1193 bereits 13 Setzlinge. Noch später gelangten sie mit Hilfe der stets neu gewonnenen Ableger dazu, größere Flächen mit Reben anzupflanzen, und solcherweise nahm der in Kôfu noch heute in hoher Blüte stehende Weinbau seinen Anfang. Diese Provinz kann somit als die Geburtsstätte der japanischen Weinkultur gelten, denn findet sich auch die wilde Rebe in allen Teilen Japans, so muss doch der systematische Anbau derselben als von Kôfu ausgehend bezeichnet werden.

In Japan existieren zwei Rebengattungen: die Vitis vinifera und die Vitis labraska; tatsächlich kultiviert man jedoch nur die erstere. Das Produkt dieser Rehe ist hochgeschätzt, während die Vitis labraska, obwohl in Japan besser gedeihend als in Amerika, nicht in gleichem Masse beliebt ist; sie wächst gleich den Kräutern allüberall wild auf den Bergen. In großen Mengen findet man die wilde Rebe vorzugsweise in den Provinzen Etsiu, Kaga, Noto, Hida, Mutsu, Uzen, Ugo und in Hokkaïdô.

Ungefähr zwölf Spezies der Vinifera trifft man wildwachsend und mit starken, Jahrzehnte alten Wurzeln in Etsiu, Kaga und Hokkaïdô. Als ich mit einem meiner Freunde eines Tages in den Bergen von Kaga umherstreifte, stieß ich auf einen Weinstock, dessen Stamm 1,80 Meter Umfang hatte; die Verzweigungen bedeckten eine Fläche von mehr als einem Hektar. Diese Rebe lieferte ein Erträgnis von 1.200 Kilogramm Weintrauben. Weinreben von solchem Umfang sind nichts Seltenes und ich habe noch mehrere ähnliche Exemplare in Miyake'zima, Provinz Idzu, angetroffen. Mit Ausnahme der berühmten Weinrebe in Kasba (Provinz Oran), deren Stamm 24 Zentimeter im Durchmesser misst, welche eine Oberfläche von 120 Quadratmeter bedeckt und l.000 Kilogramm Trauben zeitigt, finden sich in der alten Welt keine Reben, die den obenerwähnten an Mächtigkeit gleichkämen.*)

*) Dem Verfasser scheint der herrliche Weinstock in Kew-Garden hei London nicht bekannt zu sein. Auch Deutschland hat einige ähnliche Exemplare von außerordentlichem Alter und Umfang aufzuweisen.

Unglücklicherweise haben die Japaner in Unkenntnis der Eigenschaften dieser Pflanze sie im Urzustande gleich den Waldbäumen und ohne jene Pflege belassen, welche notwendig ist, um einen Ernte-Ertrag herbeizuführen; erst in der letzten Zeit hat man begonnen, der Traubenzucht gebührende Beachtung zu schenken.

Die in Japan gebaute Vitis vinifera zeitigt drei Weinsorten: Eine rote gleich dem „Chablis“, eine schwarze dem „Frankenthal“, und eine weiße dem Riesling ähnliche. Diese drei Arten sind in Kôfu verbreitet. Die beste schwarze Traubensorte wächst in der Umgebung von Kiôto.

In früherer Zeit kultivierte man die Rebe nur der essbaren Beeren wiegen. Das wilde Gewächs ist außerordentlich lebensfähig und reich an Früchten. Seitdem man sich in Japan jedoch mit ernsten Kulturversuchen beschäftigt, sucht man durch Oculation und Versetzen der wilden Pflanzen nicht sowohl Varietäten zu erzeugen, als auch das Erträgnis zu erhöhen und eine für das Keltern geeignete Sorte heranzuziehen.

Man kennt in Japan zwei Arten der Fortpflanzung der Reben, welche auch in Europa üblich sind. Die eine ist die bekannte Manipulation, Ableger von den Zweigen in die Erde zu setzen; die zweite kommt, weil sie sicherere Resultate liefert, häufiger in Anwendung; sie besteht darin, dass man die Zweige umbiegt und in die Erde senkt, ohne sie abzuschneiden, gerade so wie die französischen Weinbauern dies zu thun pflegen. — Die Japaner wählen die Lage ihrer Weinberge mit Vorliebe auf steinigen oder sandigen Abhängen und gehen bei der Anlage in folgender Weise vor: sie graben zuerst einen Graben von 1,20 Meter Tiefe und ungefähr 2 Meter Breite, verbinden denselben mit Wasserabzugs-Kanälen und füllen ihn sodann mit Mist und Erdreich an. Das Anpflanzen geschieht meistens im Herbst, in sehr kalten Gegenden jedoch, wie Hokkaïdô, im Frühjahr.

Als Dünger verwendet man Knochenmehl, Reishülsen, Düngerpulver, Weintreber, Oelkuchen und endlich Jauche.

Mit allen diesen Düngmitteln jedoch verfolgen die Japaner stets bestimmte Zwecke. Knochenmehl, Reishülsen und Weintreber erhöhen den Zuckergehalt und den Umfang der Beeren. Mist, sowie menschliche Exkremente kräftigen die Stämme und erzeugen einen engeren Zusammenschluss der Beeren, welche sich dann auch in größerer Zahl entwickeln. Um nun ein nach jeder Richtung hin günstiges Resultat zu erreichen, kommen die genannten Düngemittel stets insgesamt zur Anwendung.

Das Zurückschneiden der Reben geschieht im Herbste. Der Stamm wird bis zur Höhe von 1,80 Meter derart zurückgeschnitten, dass zwei oder drei junge Zweige für den Antrieb im Frühjahre stehen bleiben.

Im Laufe des Sommers entfernt man dann das überschüssige Laub, sowie die wilden Triebe, damit die Beeren der Luft und Sonnenwärme genügend zugänglich gemacht sind. Der Wein wird auf Bambusgittern von 1,80 Meter Höhe gezogen, respektive die Reben auf denselben ausgebreitet. Dieses Verfahren soll dem in Europa üblichen beiweitem vorzuziehen sein. Wurden auch, wie gesagt, die ersten Versuche der Weinkultur von den Japanern nur der Beeren halber gemacht, so bereitete man dort nach alten Überlieferungen .aus denselben auch eine Art Liqueur, der indessen nicht getrunken, sondern nur äußerlich angewendet worden sein soll. Erst im Jahre 1875 fasste ein Einwohner von Kôfu die Idee, aus den Beeren Wein zu bereiten; da ihm jedoch weder ein früheres noch ein modernes Verfahren bekannt war, so verwandte er unreife Beeren, in Folge dessen der Versuch misslang. Im darauffolgenden Jahre versuchte es ein gewisser Oto Matsugoro, welcher den Weinbau in Kalifornien kennen gelernt hatte, mit etwas günstigerem Erfolge. In Hokkaido, dann in den Provinzen Harima und Ovari werden gegenwärtig jährlich einige tausend Hektoliter Wein erzeugt, obgleich die Gärten erst seit fünf bis sechs Jahren angelegt sind; die Beeren sind jedoch keineswegs üppig. Es unterliegt keinem Zweifel, dass sich binnen zwei bis drei Jahren die Produktion auf 20.000 — 30.000 Hektoliter steigern wird. Doch ob der Wein allmählich genießbarer sein wird als dies, wie ich mich überzeugt, jetzt der Fall ist, muss vorläufig dahingestellt bleiben. Das gegenwärtige Erzeugnis mischen die japanischen Weinhändler mit irgend einem europäischen Wein und verkaufen das Produkt sodann als „reinsten“ Bordeaux an ihre Landsleute.

Die erste nach Japan verpflanzte europäische Rebe wurde dem Shogûn im Jahre 1868 von Napoleon III. zum Geschenke gemacht. Hernach kamen die Sorten Isabel und Concord aus Amerika, der Frankenthaler aus Österreich, sowie durch Vermittlung von Maeda Masana einige andere französische Weinsorten. Endlich kamen aus Kalifornien eine ganze Anzahl, circa 200 Gattungen Reben nach Japan.

Die meisten Kulturversuche wurden in Tokio im botanischen Garten von Mita angestellt, jedoch gelangen nicht alle. Für die europäische Rebe ist der Boden von Tokio zu feucht und schwer; die Rebe treibt ungemein üppig, liefert jedoch kein Fruchterträgnis; alle Kraft wird von den Blättern und Zweigen absorbiert. Nur die amerikanische Rebe gedeiht in Tokio; die Beeren, obgleich von prächtigem Aussehen, sind indessen nicht von bester Qualität, stehen sogar in dieser Hinsicht den einheimischen nach. Wo man Anpflanzungen dieser Gattung vornahm, ist man ausnahmslos wieder davon zurückgekommen und überzeugt, dass gute Resultate nur durch Anpflanzung von europäischen Stecklingen erzielt werden können.

Die bedeutendsten Pflanzungen befinden sich im Zentrum von Nippon in Harima und auch auf der Insel Kiu-Siu. Hier gedeihen vorzüglich der Muscat Pinot und der Chasselas, dank dem der Kultur so günstigen trockenen Boden. Auch in der Provinz Harima kommt der Chasselas sehr gut fort; die Beeren wachsen groß und reichlich. Reben aus Palästina baut man ferner seit zwei Jahren mit höchst befriedigenden Resultaten. Der Direktor der Gartenbauschule in Harima, Fukuba Yahito, überreichte dem Minister des Auswärtigen im vergangenen Jahre eine Traube dieser Art, welche ein Gewicht von 3 Kilogramm repräsentierte.

Da Klima und Bodenbeschaffenheit Japans der Weinkultur im Allgemeinen günstig sind, so ist die Regierung bestrebt, die Landwirte zum Anbau der Rebe zu ermutigen. Sie ging seinerzeit selbst mit gutem Beispiel voran, indem sie Weinbauschulen gründete und eine große Anzahl junger Pflanzen aus Europa kommen ließ.

Man darf demnach hoffen, dass Japan früher oder später ein weinbauendes Land werden wird. In der Schule von Harima wurden die Sorten Gamay de Bordeaux und Pinot Noirien eingeführt und binnen kurzem werden diese Pflanzungen wohl derart fortgeschritten sein, dass sich ein Weinerträgnis hoffen lässt. Der Garten von Harima umfasst 30, jener in Ovari 50, in Hokkaido endlich 40 Hektare. Die besten Resultate erzielte man mit der Rebe Pinot Gris. Außerdem werden die nachstehenden Sorten versuchsweise kultiviert:

Gamay de Bordeaux, Bordeaux blanc, Baltet noir, Meslier blanc, Meslier noir. Frankenthal, Folle blanche, Charbonneau, Muscat de Frontignan, Zinfindal, Riesling, Malvasier etc.

Rebenkrankheiten sind auch in Japan nicht unbekannt und die Weinberge leiden mehr oder minder durch den Rebenpilz und Mehltau. Diese Krankheiten machten sich bereits im Jahre 1867 bemerklich und seitdem sind sie nie völlig verschwunden. Gegen den Rebenpilz wird wie andernorts der Schwefel angewendet, während es heute noch kein Mittel gibt, die Pflanzen vor der Einwirkung des Mehltaues zu schützen. Da man in Japan der Rebe eine viel freiere Entwicklung angedeihen lässt, als in Europa, so ist jenen Schäden auch schwerer beizukommen. Insekten tragen gleichfalls das Ihrige dazu bei, die Weinstöcke zu schädigen, doch lassen sie sich bei einiger Sorgfalt hintanhalten, insbesondere wenn man nicht mit der Phylloxera Vastatrix zu tun hat. Im Jahre 1885 kam letztere zum Vorschein, so das es, um eine größere Ausbreitung derselben zu verhindern, nötig wurde, die von ihr okkupierten Weinberge niederzubrennen. Das Mittel ist zweifellos ein radikales. Ob aber dadurch auch andere Weingärten von der Krankheit verschont bleiben, muss dahingestellt werden. Die Japaner sind der Ansicht, dass die Phylloxera im Jahre 1881 durch amerikanische Pflanzen eingeschleppt wurde.

Vor dem Erscheinen des Rebenpilzes produzierten die Provinzen Kôfu, Kavatzi und Yamasirô circa 17.0O0 bis 20.000 Kilo Trauben per Hektar; nach dem Jahre 1867 fiel das Leseerträgnis plötzlich auf nur 3.000 — 3.500 Kilo Gegenwärtig indessen bessern sich die Kulturverhältnisse einigermaßen, und da man die größte Sorgfalt gebraucht, um die Krankheiten zu meistern, so darf man auf höhere Erträgnisse in den kommenden Jahren hoffen. Das beste Rendement liefern die Sorten Zinfindal und Folle Blanche, nämlich im Durchschnitt 18.000 Kilo per Hektar nach fünf- bis sechsjähriger Kultur. Diese beiden Rebengattungen übertreffen die einheimischen bei Weitem und erweisen sich auch als widerstandsfähiger gegen Krankheiten.

Die Weinlese des Jahres 1885 hat kein befriedigendes Ergebnis geliefert; nur in den Provinzen Kôfu und Hokkaïdô hat man günstigere Resultate zu verzeichnen gehabt. Die großen, zur Blütezeit über die Weinberge von Kavatsi, Karima und Ovari hereingebrochenen Regen und Überschwemmungen richteten in fast allen Kulturen große Verheerungen an.

Instrument zum Abstauben der Weinblätter

Instrument zum Abstauben der Weinblätter

Vor einem Teehaus

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Ein Buddistenaltar

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Pfirsichbäume in voller Blüte

Pfirsichbäume in voller Blüte

Auf dem Weg zum Tempel

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Das Spielwarengeschäft

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Das Kindermädchen

Das Kindermädchen

Japanisches Haus

Japanisches Haus

Das Flaggenfest

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