Weiber und Mädchen in England und in Frankreich

Mistress Trollope in Paris
Autor: Schorn, Johann Karl Ludwig von Dr. (1793-1842) deutscher Kunsthistoriker, Redakteur und Publizist, Erscheinungsjahr: 1836
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Weiber, Mädchen, Tanzlokale, Vergnügungen, Salons, Tänzer und Tänzerinnen, Verheiratete und Unverheiratete, Versuchung
Aus: Morgenblatt für gebildete Stände. Freitag, den 12. Februar 1836
Vergangene Nacht waren wir auf einem Ball, oder vielmehr auf einer soirée dansante, denn im Frühling gibt es keine Bälle, wenn man auch vom Abend bis an den Morgen tanzt. Es waren mehrere englische Herrn zugegen, welche zur großen Belustigung eines Teils der Gesellschaft nur junge Frauenzimmer zum Tanze aufzogen. Ihnen mag dies ganz natürlich vorkommen; hier zu Land ist es das unnatürlichste Ding von der Welt.

Wer ein Neuling in der französischen Gesellschaft ist, findet sicher nichts so auffallend, als die verschiedene Stellung der Unverheirateten in den englischen drawing-rooms und in den französischen Salons. Das Hübscheste für das Auge, die gesuchtesten Tänzerinnen sind bei uns die jungen Mädchen. Prangend in Jugendblüte, graziös, munter wie junge Rehe bei jedem Schritte einer Bewegung, die vor allen vorzugsweise der Jugend zukommt, die Eleganz der eigenen Toilette durch eine Liebenswürdigkeit überstrahlend, welche die Augen von der Musterung des Putzes abzieht, erscheinen sie, trotz Diamanten und Blonden der verheirateten Schönheit und der hochgebornen Grazie, als die Hauptpersonen im Ballsaale. Aber in Frankreich ist dem ganz anders, und sonderbar genug findet man in beiden Ländern als Grund der Verfahrungsweise die nationelle Rücksicht auf die Sittlichkeit angegeben. Betritt man einen französischen Ballsaal — statt dass man da den jüngsten, liebenswürdigsten Teil der Gesellschaft auf den am meisten in die Augen fallenden Plätzen, von den lebendigsten Männern umgeben, mit der raffiniertesten Eleganz gekleidet sieht, muss man sich nach der Jugend ganz im Hintergrund umsehen, und da sitzt sie, nüchtern, bescheiden aufgeputzt, und fast ganz im Schatten hinter den voller aufgeblühten Reizen ihrer verheirateten Freundinnen. Bedenkt man, um wie viel ein Mädchen mit achtzehn Jahren hübscher ist, als sie möglicherweise ein Dutzend Jahre später sein kann, so ist es wahrhaftig zu verwundern, wie streng die Mode ihren Eigenwillen durchsetzen konnte, indem sie ein für allemal die geringere Schönheit zur höhern erhob. All der hohe, verführerische Reiz, wie er immer und überall einer eleganten Französin zugeschrieben wurde, kommt ihr durchaus und ausschließlich erst dann zu, wenn sie eine Frau geworden ist. Ein junges, parfaitemant bien erzogenes Mädchen sieht — parfaitement bien erzogen aus; aber man muss gestehen, sie sieht zugleich aus, als ob ihr ihre Gouvernante — und zwar eine scharfe — über die Schulter blickte. Gekleidet ist sie natürlich aufs Allersorgfältigste, Anständigste; ihr Korsett lässt das Kleid nicht ein Fältchen werfen, und ihr Friseur gestattet auch nicht einem Härchen, sich der Richtung zu entziehen, die seine steife Zucht ihm angewiesen. Will man aber die höchste Vollkommenheit graziöser Toilette kennen lernen, jene unübertreffliche Agacerie des Kostüms, wie sie die Französin von allen Weibern der Welt unterscheidet, so muss man sich von Mademoiselle zu Madame wenden. Schon der Laut der Stimme ist verschieden. Es ist, als ob beim französischen Mädchen Herz und Seele schliefen, oder doch schlummerten, bis der Akt der Trauung sie weckt. So lange Mademoiselle spricht, hat der Ton, oder vielmehr der Klang der Stimme etwas Eintöniges, Dumpfes, Uninteressantes; öffnet aber Madame den Mund, so tönt uns sicher all der Reiz entgegen, den Manier, Tonfall, Accent der Rede verleihen. In England dagegen ist von allen, jugendlicher Liebenswürdigkeit eigentümlichen Reizen, nach meinem Gefühl, keiner ausfallender, als der ungezwungene, frische, natürliche, süße, muntere Laut einer Mädchenstimme; köstlich wie der Gesang der Lerche, die sich in der Morgenfrische aufschwingt, die Sonne zu grüßen; ungedämpft, ungezügelt von der Besorgnis, ihr Sirenenzauber möchte zu früh zu Tage kommen. Sogar beim Tanze selbst, dem eigentlichen Schauplatz, wo jugendliche Grazie sich zeigen kann, ziehen die jungen französischen Mädchen mit ihren gut eingelernten Schritten den Kürzern gegen die ungezwungenen, sorglosen, verführerischen Bewegungen der verheirateten Weiber.

Ein junger, mir wohlbekannter Engländer, der, so viel er sich auch in französischer Gesellschaft umgesehen, in die Geheimnisse weiblicher Erziehung nicht eingeweiht war, erzählte mir einmal ein Erlebnis, das hierher einschlägt, wenn es gleich mit unserem Ball nichts zu schaffen hat. Er war von einer französischen Familie sehr freundlich aufgenommen worden, hatte zu wiederholten Malen bei ihr gespeist, und betrachtete sich selbst vollkommen als Hausfreund. Das einzige Kind war eine Tochter, hübsch, aber kalt, schweigsam, abstoßend im Betragen, fast linkisch, und völlig uninteressant. Alle Versuche des Engländers, sie in das Gespräch zu ziehen, waren gescheitert, und so oft er auch in ihrer Gesellschaft gewesen war, glaubte er kaum, dass sie ihn als Bekannten betrachte. Er reiste nach England zurück, kam aber nach Verfluss einiger Monate wieder nach Paris. Während er eines Tages im Louvre ein Gemälde aufmerksam betrachtete, ward er nicht wenig überrascht, da ihn auf einmal ein sehr schönes Weib anredete, aufs Freundlichste, Herzlichste eine Menge Fragen an ihn machte, sich angelegentlich nach seinem Befinden erkundigte, ihn dringend einlud, sie zu besuchen, und am Ende rief: „Mais c’est un siècle depuis que je vous n’ai vu“. Mein Freund starrte sie mit Blicken der Bewunderung und Überraschung an. Er besann sich nachgerade, sie schon gesehen zu haben, erinnerte sich aber nicht, wann und wo. Sie bemerkte seine Verlegenheit und lächelte. „Vous m’avez oubliée donc? “ sagte sie. „Je m’apelle Eyle de P— mais je suis mariée“. — Doch zurück zu unserm Ball.

Als ich die verheirateten Weiber eine nach der andern zum Tanze auffordern sah, bis am Ende kein einziger tanzfähiger Mann mehr da war, so wurde ich ernstlich ärgerlich; denn trotz der Aushilfe meiner unwissenden Landsleute, war zum wenigsten noch ein halbes Dutzend französischer Mädchen unversagt. Sie sahen indessen bei weitem nicht so verdrießlich aus, als englische Mädchen, wenn ihnen gleiches Missgeschick begegnet; sie waren daran gewöhnt, wie die armen Aale, und auch die Männer waren gewöhnt, ihnen die Qual aufzuerlegen, mit den hübschen Füßchen den Takt zu treten und die glücklichen Verehlichten in Paaren — jedoch keine Ehepaare — vor ihren Augen vorüberschweben zu sehen, während sie sich so von Herzen gern mit ihnen im Wirbel gedreht hätten. Als am Ende sämtliche verheiratete Damen, alte wie junge, gehörig versehen waren, erhoben sich verschiedene gesetzte, ganz respektabel aussehende Herrn aus Winkeln und Sofaecken, boten den jungen Harrenden die Hand und wurden mit bescheidenem, dankbarem Lächeln empfangen.

Alte Weiber, wie ich, die an die Wände des Ballsaals verwiesen sind, schöpfen Trost und Zeitvertreib aus verschiedenen Quellen. Einmal genießen sie der Unterhaltung, wie sie sie bekommen können; ferner ist ja eine ganze Arena hüpfender Füße für ihre Kritik und Bewunderung aufgetan. Einen weiteren, oft sehr substantiellen Trost gewährt das Souper; aber noch gibt es eine weiten Unterhaltung, und wollten dies Alle zugeben, so möchte der jüngere Teil der zivilisierten Welt wünschen, dass alte Damen Scheuleder trügen: ich meine, wenn man so gemütlich zusehen kann, wie um einen herum ein halb Dutzend Paare im verstohlenen, hier so gewandt, dort so unbehilflich betriebenen Verkehr begriffen sind.

Obgleich nun anständige alte Damen sich besonders werden angelegen sein lassen, so zuzusehen, dass man ihr Zusehen nicht bemerkt, so können sie doch in England in allen solchen Fällen ohne ein Gefühl von Verlegenheit um sich schauen, ohne das Bewusstsein, dass sie besser überall anders wären, als Zeugen dessen, was vor ihren Augen vorgeht. Sie haben, wenigstens ist dies bei mir der Fall, die sehr tröstliche Überzeugung, dass die Schöne darauf aus ist, nicht ihr Glück zu verscherzen, sondern es zu machen. Aber auch in diesem Punkte ist es völlig anders in Frankreich. Sieht man in England ein Frauenzimmer alle Phasen der Tändelei durchmachen, von der aufmunternden Erwiderung des: wie befinden Sie sich? bis dahin, wo sie in süßem Bewusstsein die Augen an den Boden heftet, und der Kopf sanft sich neigt, damit das Ohr die berauschenden Züge von parfait amour schlürfen könne — sieht man dergleichen in England, und wäre auch das Frauenzimmer über achtzehn, so ist man überzeugt, dass sie unverheiratet ist; hier aber in Frankreich, ohne Ärgernis, ohne einen Schatten von Ärgernis sei es gesagt, weiß man eben so gewiss, dass sie verheiratet ist. Sie mag eine Witwe sein, sie mag in der Herzensunschuld tändeln, weil es einmal Mode ist; ist sie aber ein junges Frauenzimmer, das sich erst heiraten soll, so darf sie es nicht tun.

Ich war in diese Betrachtungen versunken, als eine ältliche Dame von meiner Bekanntschaft, die aus irgend einem, nicht leicht zu erratenden Grunde nicht mehr walzt, durch das Zimmer herüber kam und sich neben mich setzte. „A quoi pensez vous, Madame Trollope?“ sagte sie; „vous aves l’air de méditer“. — „Ja, ich denke nach“, erwiderte ich, „und zwar über die Stellung unverheirateter Frauenzimmer in Frankreich“. Unverheirateter Frauenzimmer?“ sagte sie; dergleichen finden Sie fast keine in Frankreich“. — „Sind nicht die jungen Damen dort, welche eben mit ihrer Quadrille fertig geworden, unverheiratet?“ — ,,Ah! aber wer wird sie unverheiratete Frauenzimmer nennen? Elles sont des demoiselles“. — „Wohl, ihnen gelten meine Betrachtungen.“ — „Nun?“ — „Nun, es kommt mir vor, als ob der Ball, die Musik, die Huldigungen der Herren nicht ihnen gälten“. — „Allerdings nicht; es liefe allen unsern Begriffen von Schicklichkeit zuwider, wenn dem so wäre“.— „Die jungen Weiber, scheint es, geben ganz den Ton in der Gesellschaft an?“ — „Ja doch! wie könnten sie dies aber, wenn man bei Gelegenheiten, wo die Leute zusammenkommen, sie übersähe, und statt ihrer junge Mädchen vorzöge, welche noch gar keine feste Stellung haben?“ — „Nun, bei einem Walzer oder einer Quadrille vorgezogen zu werden, darin besteht doch gewiss nicht die Bedeutung, die wir hier Beide meinen“. — „Allerdings nicht, aber jenes ist eine notwendige Folge von letzterer. — Unsere Weiber heiraten früh, sobald ihre Erziehung vollendet ist, und bevor man sie in die Welt hat treten und ihre Freuden kosten lassen. Statt dass es ihnen jetzt besser ergeht, als irgend Weibern in der Welt, wäre ihr Schicksal triste zum Erbarmen, wenn sie deshalb, weil sie verheiratet sind, von Vergnügungen ausgeschlossen wären, die ihrem Alter und dem Nationalcharakter so wohl anstehen.“

„Hat aber“, fragte ich, „die Sitte, junge, so früh und unwiderruflich gefesselte Weiber zum ersten Mal in die Gesellschaft, und Männern unter die Augen zu bringen, die sie, ihrer Pflicht gemäß, bereits nicht mehr zu liebenswürdig finden dürfen — hat diese Sitte nichts Gefährliches?“ — „O nein! ist ein junges Weib gut gesinnt, so wird weder ein Walzer noch eine Quadrille sie vom rechten Wege abführen. Täten sie dies, so wäre es wahrhaftig Pflicht aller Gesetzgeber auf der Welt, das Tanzen auf ewig zu verbieten“. — „Nicht doch, nein, nein“, sagte ich ernst; „so meine ich es nicht, ich versichere Sie, im Gegenteil: ich bin überzeugt, der Tanz ist kein eingebildetes, er ist ein wahres, natürliches Vergnügen, die Neigung dazu ist uns eingeboren, und stände es in meiner Macht, so müsste er, statt verboten, noch viel allgemeiner und häufiger werden: junge Leute sollten mir nie zusammen kommen, ohne dass sie tanzen dürften, wenn sie Lust dazu bekämen“.

„Wohl“, sagte die Französin, „wenn man nun einerseits tanzen, andernseits verheiratete Weiber vor der Gefahr behüten soll, welche, wie Sie zu glauben scheinen, für dieselben daraus entspringt, auf welche Weise wollten Sie Beides vereinigen?“ — „Es schmeckte zu sehr nach nationellem Vorurteil, wollte ich erwidern, unser Verfahren in diesem Punkte scheine mir das richtige“. — „Es ist dies aber wirklich Ihre Ansicht?“ — „Offen gesagt, ja“. — „Wollten Sie wohl die Güte haben, mir deutlich zu machen, worin eigentlich der Unterschied zwischen England und Frankreich in diesen, Punkte besteht?“ — „Der einzige Unterschied zwischen uns, dem ich das Wort reden möchte, ist der, dass wir der Ansicht sind, ein Vergnügen, welches junge Leute unter Umständen zusammenbringt, wie sie wohl am leichtesten galante, schmeichelhafte Äußerungen von männlicher, freundliches Entgegenkommen von weidlicher Seite veranlassen, schicke sich besser für den unverheirateten, als für den verheirateten Teil der Gesellschaft“. — „Da ist es bei uns allerdings gerade umgekehrt“, erwiderte die Freundin, „wenigstens was junge Damen betrifft. Die müßige, nichtssagende Galanterie, zu welcher der Tanz auffordert, an ein junges Mädchen richten, dies erschiene bei uns als ein Singriff in die Sphäre scheuer, zarter Zurückhaltung, in die sie verwiesen ist. Ein junges Mädchen soll in die Ehe treten, bevor ihre Leidenschaften erwacht sind, bevor ihre Einbildungskraft durch die Stimme der Galanterie aufgeregt ist“. — „Ist sie nun aber verheiratet, halten Sie es dann für erwünschter, dass dieses geschehe?“ — „Erwünscht ist es sicher nicht, aber es ist unendlich weniger gefährlich. Wenn ein Mädchen kurz verheiratet ist, so sind ihre Gefühle, ihre Gedanken, ihre Einbildungskraft ganz mit ihrem Manne beschäftigt. Die Art, wie sie erzogen worden, bürgt dafür, und später steht es ganz beim Manne, ob er ihr junges Herz dauernd an sich fesseln will. Tut er es, so wird ein Walzer oder eine Quadrille ihn nicht darum bringen. In keinem Lande haben die Ehemänner sich so wenig über ihre Weiber zu beklagen, als in Frankreich; denn nirgends in der Welt hängt es so ganz von den Männern ab, auf welchem Fuß sie mit den Weibern stehen. — Ihren Romanen und den seltsamen Prozessen nach, welche durch die Zeitungen zu aller Welt Kunde kommen, ist es bei Ihnen gerade umgekehrt. Intriguen vor der Ehe, frühe Liebesbande, die zerreißen, ehe es zum Heiraten kommt, und in der Ehe wieder angeknüpft werden — solche Geschichten hören und lesen wir, und wir kommen dadurch wahrhaftig nicht in Versuchung, Ihr System, als ein besseres, gegen das unsrige einzutauschen“. — „Gerade dass die Fülle, von denen Sie sprechen, so notorisch sind, beweist, wie selten sie vorkommen. Solche ärgerliche Geschichten würden, als Erzählung oder als Prozess, das Publikum nur wenig interessieren, kämen nicht gerade auffallende, vom gemeinen Lebensgange abweichende Umstände darin vor“. — „Ohne Zweifel; Sie werden aber auch zugeben, dass dergleichen skandalöse, schändliche Geschichten, so selten sie in England sein mögen, in Frankreich doch noch seltener sind?“ — „Vorfälle der Art“, erwiderte ich, „machen hier vielleicht kein so großes Aufsehen“. — „Weil sie häufiger sind, wollen Sie sagen; meinen Sie nicht so?“ und sie lächelte bitter. — „Gewiss, so meinte ich es nicht“, erwiderte ich; „und es ist auch weder ein ersprießliches, noch ein angenehmes Geschäft, zu untersuchen, auf welcher Seite des Kanals sich am meisten Tugend findet. Indessen möchte man vielleicht beiderseits gewinnen, wenn jedes Land in seine Erziehung das aufnähme, was bei der Weise des andern am lobenswertesten ist“. — „Ich zweifle nicht daran“, sagte sie, „und da wir einmal unsere Moden so freundschaftlich austauschen, wer weiß? so erleben wir es vielleicht noch, dass Ihre jungen Damen etwas mehr unter Schloss und Riegel gehalten werden, während sich ihre Eltern nach einer passenden Partie für sie umsehen, statt das verdrießliche Geschäft ihnen selbst zu überlassen; dagegen mögen unsere jungen Weiber von ihren kleinen Koketterien lassen und ein wenig früher als jetzt mères respectables werden. Am Ende werden es ja doch alle.“

Bei diesen Worten begann wiederum ein Walzer, und ein Dutzend Paare schwebten an uns vorüber. Einer der Tänzer war ein junger Mann von sehr gutem Aussehen, mit schwarzblauem Backenbart und Schnurrbart, turmhoch und, seinem ganzen Wesen und Geberden nach, mit sich selbst höchlich zufrieden; seine danseuse passte nach Alter und Aussehen vollkommen zu ihrem Gemahl, der, wenige Schritte von uns, seine gichtischen Beine unter den Stuhl zog, um das Paar vorbeizulassen. Meine Nachbarin und ich sahen einander an, als sie vorbeikamen; wir lachten Beide.

„Gestehen Sie“, sagte sie, „dies ist ein Fall, wo sich eine verheiratete Dame ohne Besorgnis ihrer Tanzlust hingeben kann“. — „Das weiß ich nicht so gewiss“, erwiderte ich; „ist auch keine Sünde an ihr zu rügen, so möchte sie doch schwerlich vom Vorwurf der Torheit freizusprechen sein. Aber der prächtige Herr, der auf sie niederblickt, als wollte er den Abstand zwischen ihnen messen, was konnte ihn vermögen, die Ehre nachzusuchen, ihre ehrwürdige Taille umschlingen zu dürfen?“ — „Nichts leichter, als dies zu erklären: das kleine hübsche Mädchen, mit den sauber von der Stirne aufgezogenen Haaren, das dort in der Ecke sitzt, ist ihre Tochter, ihre einzige Tochter, und bekommt eine hübsche Mitgift. Jetzt verstehen Sie wohl? — Und sagen Sie, sollte seine Spekulation fehlschlagen, ist es da nicht besser, die treffliche Dame hat mit ihrem von der Zeit gestählten Herzen den ganzen Strom von Redensarten aufgefangen, wodurch er sich liebenswürdig zu machen sucht, als wenn das zarte junge Mädchen selbst sie hätte anhören müssen?“ — „Und solche Liebeswerberei, wobei Mama die Stellvertreterin spielt, bis das junge Frauenzimmer das Patent bekommt, die Sprache der Liebe in eigener Person anhören zu dürfen, wollten Sie uns ernstlich zur Nachahmung empfehlen? Liebe Freundin, so trefflich das Verfahren sein mag, wir werden es nun und nimmermehr bei uns einführen können. Ich denke wohl, die jungen Frauenzimmer würden gerade so rufen, wie man hier zu Lande tut, wenn man einem erklären will, warum man von englischer Sitte nichts annehmen könne: ce n’est pas dans nos moeurs!“

Ein Paar in Paris

Ein Paar in Paris

Paris, im Moulin Rouge

Paris, im Moulin Rouge

Pariser Brautpaar

Pariser Brautpaar

Pariser Kaffeehaus

Pariser Kaffeehaus

Pariser Lokalszene

Pariser Lokalszene

Pariserin

Pariserin