Von den Neigungen ihres Kindes.

Gut ist es für alle Fälle, wenn die Eltern und in erster Linie die Mutter, von den Neigungen ihres Kindes, von dessen Geschmack unterrichtet sind. Keine Heimlichkeiten auf diesem Gebiet. Unterdrückung vorzeitiger Tändeleien und sogenannter “Schwärme”, aber man hüte sich davor, dem gereiften Kinde bei seiner wahren und echten Herzensneigung dreinzureden, oder ihm gar unübersteigbare Hemmnisse zu bereiten. Nur keine kleinliche Berechnungswut über alle etwaigen Verdienst- und nicht Verdienstmöglichkeiten, Bildungsfragen und ähnlichem Lebensballast. Etwas anderes ist es, die Familie des Bewerbers in gesundheitlicher und moralischer Beziehung kennen zu lernen. Wenn diese geistige und körperliche Kraft und Tüchtigkeit, verbunden mit familiärer Pietät und Tradition aufweist, kommt alles andere von selbst. Keine Heirat zu lange hinausschieben. Ein Feuer, das sich selbst verzehren muss, kann bei einem ungeschickten Windstoß gefährlich werden. Wenn die Tochter von Haus aus an Einschränkung und Enthaltsamkeit freiwillig gewöhnt ist, kann selbst ein junges Paar unter den heutigen Verhältnissen glücklich und zufrieden werden, was bei der herrschenden Wohnungsnot nicht immer selbstverständliche Voraussetzung ist. Und dann! Man kläre die Jungfrau vor dem Eintritt in die Ehe über die ihr zufallenden Rechte und Pflichten vollkommen auf. Unablässig warne man sie in erster Linie vor dem leider vielfach eingerissenen Sichpreisgeben selbst an den Erwählten vor der Ehe. Die Tatsache ist erwiesen, dass sich die Gefühle nach der Ehe in umgekehrtem Maße zur vorehelichen Liebessteigerung abkühlen. Dagegen kann man in einem theoretischen Unterricht, der mit Wärme und Güte durchsetzt ist, dem Mädchen die Erlebnisse, die seiner warten, verständlich machen. Wie manches junge Geschöpf ist schon an diesem Mangel an der notwendigen Erkenntnis gescheitert und hat sich dadurch unbewusst sein Eheglück verscherzt; vielfach gerade die reinen und selbstlosen Naturen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Was Frauen wissen müssen