Zur Geschichte Warschaus.

Als Dorf ist Warschau schon im Jahre 1224 erwähnt; als Datum der Stadtgründung wird das Jahr 1282 angenommen, das in den Zeitraum fällt, wo in Polen nach dem Tatareneinfall zahlreiche Städte gegründet wurden. Dieses Datum wird durch eine Urkunde bestätigt, in der ein Dorf im Kreise Warschau (in districtu Varsaviensi) genannt ist. In den ersten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts besitzt Warschau zwei Kirchen und ist bereits mit einer Mauer umgeben. Für die relative Bedeutung und Größe der Stadt, um diese Zeit, spricht die Wahl Warschaus zum Sitz des im Jahre I 339 vor sich gegangenen Schiedsgerichtes zwischen Kasimir dem Großen und dem Deutschritterorden wegen der Annehmlichkeit und Sicherheit, die hier zu finden wären (mansiones statis honestae et securae conductitiae).

Abb. 002 Ansicht von Warschau. Kupferstich von E. J. Dahlbergh 1656.
Aus dem Werk von Puffendorf „De rebus a carolo Gustavo gestis“, 1696


Die Entwicklung der Stadt fällt erst dem 15. Jahrhundert zu, während der Regierung des Herzogs von Masovien Janusz (1379 — 1428), besonders nach der Einführung der deutschen (Magdeburger) Stadtverfassung.

Das älteste bekannte Privilegium der Stadt, von Fürst Janusz unterzeichnet, enthält eine Erlaubnis zur Einrichtung eines städtischen Bades, mit der Anmerkung, dass der Hof einmal wöchentlich seine unentgeltliche Benutzung beanspruchen dürfe.

Von dem Aussehen Warschaus zu dieser Zeit lässt sich natürlicherweise nichts Bestimmtes sagen.

Obwohl Residenz des fürstlichen Hofes, war die Stadt in jeder Beziehung unbedeutend nicht nur im Vergleich zu den klein- und großpolnischen Städten, sondern selbst zu den masovischen.

Im Vergleich zu West- und Südpolen war Masovien eine ausgedehnte, aber schwach bevölkerte Provinz, politisch wie kulturell rückständig.

In Hinblick auf nordische und östliche Invasionsgefahr bestand die Sicherheit hauptsächlich in der Lage der Stadt, am breiten Strom, inmitten riesiger Wälder. Die wirkliche Hauptstadt des Herzogtums, wenigstens in militärischer Beziehung, war Czersk, eine Stadt, 30 km südlich von Warschau, ebenfalls auf dem hohen Weichselufer gelegen, wo heute nur eine einzige mächtige Schlossruine zu sehen ist. Militärisch viel wichtiger als die Burg von Warschau waren die noch zum Teil als Ruinen erhaltenen Burgen in Ciechanów, Maków, Rózan, Pultusk, Zakroczym, Nowe Miasto, Sochaczew und Czersk, also genau dieselben Ortschaften, wo 1915 der stärkste russische Widerstand gebrochen ward.

Durch das politische Schiedsgericht zwischen Kasimir dem Großen und dem Deutschorden, das in Anwesenheit päpstlicher Gesandter in der Johannkirche stattfand, wird Warschau plötzlich bekannt. Das war der erste große Schritt auf dem langen Wege zur Reichshauptstadt.

Ursprünglich ein Fischerdorf, entwickelt sich Warschau im 14. Jahrhundert, dank seiner Lage, immer mehr zum Handelsplatz. Die jüngste der masovischen Städte wird Warschau von dem regierenden Herzog Trojden und später von seinem Enkel Janusz begünstigt, von verschiedenen drückenden Lasten befreit und durch anliegende Dörfer bereichert. Die lange, fast halbhundertjährige Regierung des Herzogs Janusz, ist für die Blüte der mittelalterlichen Stadt entscheidend geworden.

[i[Abb. 003. Dziekania-Gasse.[/i]

Es unterliegt keinem Zweifel, dass die deutsche Kolonisation für die Entwicklung der Stadt von großer Bedeutung war. Man darf jedoch nicht übertreiben. Der Mangel an Urkunden aus dem 14. Jahrhundert gestattet es nicht, diese Frage allseitig und gewissenhaft aufzuklären.

Dr. J.T. Baranowski hat auf Grund des ältesten Stadtvogtbuches, des Album Civile, nachgewiesen, dass die deutsche Einwanderung am Anfänge des 16. Jahrhunderts auffallend gering war. Außerdem ging der Polonisierungsprozess in Warschau viel schneller vor sich, als etwa in Krakau, was daraus zu erklären ist, dass die meisten deutschen Kolonisten nicht direkt aus Deutschland, sondern aus anderen, meist westlichen polnischen Städten kamen.

Der deutsche Einfluss ist auch andere Wege gegangen. Von großer Bedeutung sind die Kriege, wie auch die Handelsbeziehungen zum Deutschritterorden gewesen. Waren für Kleinpolen die Beziehungen zu Schlesien, Sachsen und Franken maßgebend, so war für Masovien der Einfluss Norddeutschlands der wichtigste, wie es die gotische Architektur am besten bezeugt.

Der Deutschorden führte einen regen Handel mit Masovien, kaufte Wälder zur Abholzung, hatte eigene Schneidemühlen und lieh den Domherren von Plock Geld. Diese Beziehungen waren vielleicht für die Kunst bedeutungsvoller als die Ansiedelung einzelner Kolonisten.

Seit der Einführung des Jus Culmense (der deutschen oder Magdeburger Stadtverfassung) besaß der Magistrat von Warschau eine vollständige Jurisdiktion mit Bürgermeister und Vogt, mit Ratsherren und Schöppen.

Im Jahre 1431 äschert der große Brand die Hälfte des Altmarktes ein. Das Unglück hat zur Folge einen bedeutenden Fortschritt, denn seit dieser Zeit besteht das Verbot, Holzhäuser ,,intra muros“ zu bauen.

Auch die Neustadt entwickelte sich im 15. Jahrhundert, jedoch trug die Nova Civitas ungesunde Keime in sich. Zur Blüte ist diese Stadt nie gekommen. Als im 17. Jahrhundert die Schweden Kontribution auferlegten, musste Warschau 75.000 Gulden bezahlen, die Neustadt nur ein Zehntel davon. Die Neustadt ist klein und arm geblieben, bis sie der Altstadt einverleibt wurde.

Am Anfänge des 16. Jahrhunderts starben plötzlich die letzten Herzoge von Masovien, Janusz und Stanislaw, Söhne Konrads II. Sie sollen angeblich von Bona Sforza vergiftet worden sein, die ihrem Sohne Sigismundus Augustus den Weg zur Herrschaft über sämtliche polnischen und litauischen Länder ebnen wollte. Aus Anlass des unerwarteten Todes der Fürsten fand eine Inquisition statt, die jedoch zu keinem Ergebnis führte. Ungeachtet des Widerstandes der fürstlichen Schwester Anna wurde Masovien der Krone ein verleibt. Damit schließt die mittelalterliche Epoche Warschaus ab.

Das Weichbild der Altstadt ist nicht groß, jedenfalls kleiner als dasjenige von Krakau, Posen oder Breslau. Die mittelalterliche Stadt war von einer Befestigung mit Türmen umschlossen, deren Lauf sich an der Westseite durch die Straße Podwale (am Wall) bestimmen lässt. Bald wurde aber die Stadt von einem Kranze von Vorstädten umgeben, von denen die Krakauer Vorstadt sich in den nächsten Jahrhunderten zum Brennpunkt der architektonischen Tätigkeit entwickelte.

Abb. 004. Turm der Jesuitenkirche.
Abb. 005. Alte Häuser. Kanonie

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Warschau
Warschau 002 Ansicht 1656

Warschau 002 Ansicht 1656

Warschau 003 Dziekania-Gasse

Warschau 003 Dziekania-Gasse

Warschau 004 Turm der Jesuitenkirche

Warschau 004 Turm der Jesuitenkirche

Warschau 005 Alte Häuser. Kanonie

Warschau 005 Alte Häuser. Kanonie

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