St. Johann-Kirche.

Die bedeutendste unter allen mittelalterlichen Bauten Warschaus ist die S. Jan-Kirche. Am Anfänge des 13. Jahrhunderts stand an der Stelle der heutigen Kirche eine kleine Holzkapelle, die anscheinend für die Besatzung und Dienerschaft der fürstlichen nebenliegenden Burg errichtet worden war. Es ist dennoch nicht möglich, mit Bestimmtheit festzustellen, ob zu dieser Zeit tatsächlich eine Burg bestand. Ziemowit I., der damals in Masovien regierte, besaß ein Schloss in Jazdów (oder Ujazdow) bei Warschau. Während des Bruderzwistes zwischen Konrad und Boleslaw (1262), worüber die Chronik berichtet, ist Warschau nicht erwähnt, was jedenfalls merkwürdig erscheint, denn da es sich um Landbesitz handelte, wäre wahrscheinlich Warschau genannt worden, wenn hier eine fürstliche Burg gestanden hätte.

Sicher ist nur, dass die Johannkirche in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts erbaut, ursprünglich nur im Umfange des heutigen Presbyteriums, erst gegen Ende des Jahrhunderts zur jetzigen Größe erweitert wurde.


Die Kirche ist ein dreischiffiger Hallenbau ohne Querschiff, mit einem älteren und etwas niedriger gewölbten Presbyterium ohne Umgang, durchweg mit Sterngewölben überdeckt. Die Nebenschiffe schließen zwei schöne und reich dekorierte barocke Kapellen ab. Der Grundriss ähnelt mit dem der Nikolaikirche in Lomza. Strebebogen fehlen und sind, wie bei den übrigen gotischen Backsteinkirchen in Polen , durch Strebepfeiler ersetzt. Die Kirche wurde zwischen 1837 und 1842 gründlich restauriert. Die Wölbung ist neu, die achteckigen Pfeiler umgemauert und neu profiliert, das Dach bis zur Hälfte der ursprünglichen Höhe herabgesetzt, die Fassade im englischen Perpendikularstil vorgebaut. Man erkennt jedoch, dass die Johannkirche zur nordpolnischen und insbesondere zur masovischen Kirchengruppe des 15. Jahrhunderts gehört. Von dem Erbauer haben wir gar keine Nachricht, außer der Notiz, dass zwei Maurermeister aus Danzig, Peter Sommerfeld und Nikolaus Tyrold, 1473 beim Bau beschäftigt waren.

Im Jahre 1402 wurde die Johannkirche zur Kollegiate erhoben, und seit jener Zeit, neben der Kathedrale in Plock, hierarchisch als die zweite in Masovien angesehen. Nach der Übersiedlung der Residenz und besonders nach der Einführung der Königswahl stieg das Ansehen der Kirche, weil jede Reichstagseröffnung mit dem feierlichen Tedeum für die glückliche Königswahl begann. Im Jahre 1548 verschlingt ein heftiger Brand fast alle Urkunden der Kirche, vier Jahre später fällt infolge eines Sturmes der Glockenturm um und drückt das Gewölbe des Seitenschiffes ein.

Zur Regierungszeit Sigismundus III. wird der Bau gründlich restauriert, natürlich schon im Barockstil. Die Restauration der Kirche im 19. Jahrhundert ist von A. Idzkowski, im Sinne der Zeit „puristisch“ durchgeführt. Die neue Fassade, obwohl im Gesamtaufbau durchaus befriedigend, wirkt wegen der englischen Gotik befremdend, der polnischen Bautradition nicht angepasst und höchstens nur als Stilauffassung jener Zeit interessant ist.
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Warschau 006 St. Johann-Kirche

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